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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess {T 7} 
I 332/06 
 
Urteil vom 23. Juni 2006 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Seiler; Gerichtsschreiber Grunder 
 
Parteien 
V.________, 1958, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roland Ilg, Rämistrasse 5, 8001 Zürich, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, Weinfelden 
 
(Entscheid vom 3. März 2006) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die IV-Stelle des Kantons Thurgau verneinte nach Abklärung der medizinischen Verhältnisse einen Anspruch auf Invalidenrente des 1958 geborenen V.________ (Verfügung vom 15. August 2005; Einspracheentscheid vom 29. November 2005). Die Einsprache gegen die ebenfalls am 15. August 2005 erlassene Verfügung, mit welcher die IV-Stelle auch einen Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen verneinte, hiess sie insoweit gut, dass sie die Sache zur weiteren Abklärung und anschliessender Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen zurückwies (Einspracheentscheid vom 29. November 2005). 
B. 
Gegen die zwei Einspracheentscheide liess V.________ Beschwerde führen, welche die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, soweit darauf einzutreten war, teilweise mit der Feststellung guthiess, dass der Beschwerdeführer ab 1. Dezember 2003 Anspruch auf eine Viertelsrente hat (Entscheid vom 3. März 2006). 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt V.________ beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei ihm eine ganze Rente zuzusprechen und es sei "das Verfahren betreffend Eingliederungsmassnahmen im Sinne der Erwägungen zur Neubeurteilung zurückzuweisen". 
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Hinsichtlich der - nicht im Rechtsbegehren, aber in der Begründung der Beschwerde - geltend gemachten Schadenersatzpflicht nach Art. 78 ATSG fehlt es an einem Anfechtungsobjekt, weshalb insoweit auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten ist. 
2. 
2.1 Die Vorinstanz ist auf den Antrag des Beschwerdeführers, der Einspracheentscheid der IV-Stelle vom 29. November 2005 (mit welchem die Sache zur weiteren Abklärung eines Anspruchs auf berufliche Eingliederungsmassnahmen zurückgewiesen wurde) sei mit verbindlichen Anweisungen an die Verwaltung zu ergänzen, nicht eingetreten, weil kein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung bestehe. 
2.2 Gemäss Art. 59 ATSG ist zur kantonalen Beschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung oder den Einspracheentscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Die zum gleichlautenden Art. 103 lit. a OG ergangene Rechtsprechung betrachtet als schutzwürdiges Interesse jedes praktische oder rechtliche Interesse, welches eine von einer Verfügung betroffene Person an deren Änderung oder Aufhebung geltend machen kann. Dieses besteht somit im praktischen Nutzen, den die Gutheissung der Beschwerde dem Verfügungsadressaten verschaffen würde, oder - anders ausgedrückt - im Umstand, einen Nachteil wirtschaftlicher, ideeller, materieller oder anderweitiger Natur zu vermeiden (BGE 114 V 96 Erw. 2b, 110 V 150 Erw. 2c, 109 V 59 Erw. 1, je mit Hinweisen; ARV 1995 Nr. 23 S. 134 Erw. 1b). 
 
Kein solches Interesse ist gegeben, wenn die Vorinstanz den Anträgen des Gesuchstellers vollumfänglich entsprochen hat, da er mit der Beschwerde nicht mehr erreichen könnte, als ihm aufgrund des Entscheides der unteren Instanz zusteht. In einem solchen Fall ist er nicht beschwert, weshalb es grundsätzlich an einem prozessual ausreichenden Interesse an der Weiterverfolgung seiner Begehren vor der Rechtsmittelinstanz fehlt (BGE 109 V 59; Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, Bern 1983, S. 155). 
2.3 Im Einspracheverfahren stellte der Beschwerdeführer den Eventualantrag, es seien ihm "berufliche Massnahmen im Sinne von Arbeitsvermittlung" zuzusprechen. Die IV-Stelle kam zum Schluss, im Verwaltungsverfahren sei der Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen nicht abgeklärt worden. Sie wies daher die Sache in diesem Punkt in Gutheissung der Einsprache zur weiteren Abklärung und neuer Verfügung im Sinne der Erwägungen zurück. In den Erwägungen führte sie aus, es gehe nicht an, den Anspruch auf berufliche Massnahmen mit der Begründung abzuweisen, der Einsprecher sei im bisherigen Beruf angelernt, und es sei ihm zumutbar, eine angepasste leichte Tätigkeit ohne Umschulungsmassnahme anzunehmen oder auszuführen. Damit hat sie dem Begehren des Versicherten im Wesentlichen entsprochen, was nicht bestritten ist. Unter den gegebenen Umständen liefe das in der kantonalen Beschwerde geltend gemachte Vorbringen, die Invalidenversicherung sei anzuweisen, die versicherte Person mit verstärkten Anstrengungen als nach bisheriger Praxis einzugliedern, auf eine unzulässige antizipierte Beweiswürdigung hinaus. Andererseits ist nicht ersichtlich, inwiefern dem Beschwerdeführer ein Nachteil erwächst, wenn im Rückweisungsentscheid der IV-Stelle keine Anweisung enthalten ist, innerhalb welchen Zeitraums die angeordneten Abklärungen zu erfolgen haben. Sollte die Verwaltung untätig bleiben, steht es dem Beschwerdeführer frei, eine Rechtsverzögerungs-, Rechtsverweigerungs- oder allenfalls eine Aufsichtsbeschwerde bei der zuständigen Behörde einzureichen. Zudem verhält sich der Beschwerdeführer widersprüchlich, wenn er einerseits beanstandet, die Eingliederungsmassnahmen seien - mit anderer Gewichtung als nach bisheriger Praxis - zu prüfen, zugleich aber in seiner Beschwerde am Eidgenössischen Versicherungsgericht eine ganze Rente beantragt und dies damit begründet, eine Eingliederung sei heute nicht mehr möglich. Der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid ist nach dem Gesagten nicht zu beanstanden. 
2.4 Mangels eines entsprechenden Anfechtungsobjekts ist auch auf den letztinstanzlich gestellten Antrag, das Verfahren sei betreffend Eingliederungsmassnahmen im Sinne der Erwägungen zur Neubeurteilung zurückzuweisen, nicht einzutreten. 
3. 
Zu prüfen bleibt im Folgenden einzig die Frage der Rente. 
3.1 Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Grundlagen über die Bestimmungen des Invaliditätsgrades (Art. 16 ATSG) und die Rentenabstufung (Art. 28 Abs. 1 IVG in der seit In-Kraft-Treten der 4. IVG-Revision am 1. Januar 2004 geltenden Fassung) zutreffend wiedergegeben. Richtig sind auch die Ausführungen zu den Grundsätzen über den Beweiswert und die Beweiswürdigung ärztlicher Gutachten und Berichte. Darauf wird verwiesen. 
3.2 Die Vorinstanz hat in einlässlicher Würdigung der medizinischen Unterlagen erkannt, dass zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit auf das Gutachten der Klinik K.________, vom 17. Dezember 2004 abzustellen ist, wo neben den medizinischen Untersuchungen auch eine Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit (EFL) durchgeführt wurde. Danach leidet der Beschwerdeführer im Wesentlichen an einem chronischen lumbospondylogenen sowie zervikobrachialen Schmerzsyndrom links und ausgeprägtem Fear-Advoidence-Verhalten. Er ist beim Stossen und Ziehen von Lasten, langem Gehen, Bücken, vorgeneigten Sitzen und Stehen sowie wiederholten Kniebeugen eingeschränkt. Die bisherige Tätigkeit (Bedienung einer Papierpresse mit Einlegen und Entnehmen schwerer Papierrollen, Ziehen und Stossen beladener Palette und längerem vorgeneigtem Stehen) ist ihm nicht mehr zumutbar; hingegen vermag er mindestens sehr leichte wechselbelastende Tätigkeiten, bei welchen das Heben und Tragen von Gewichten über 2.5 kg vermieden werden kann, und die kein häufiges Arbeiten über Kopf erfordern, ganztägig zu verrichten, wobei wegen der Notwendigkeit, vermehrt Pausen einlegen zu müssen, eine Leistungseinschränkung von 30 % besteht. 
3.3 Entgegen dem Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hat die Vorinstanz die Gründe dargelegt, weshalb sie zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Bericht des Dr. med. G.________, FMH für Innere Medizin, speziell Rheumakrankheiten, vom 15. September 2005 abgestellt hat. Diese überzeugende Beweiswürdigung wird durch die Aussage, Dr. med. G.________ habe die genannte Stellungnahme "offenbar verfasst, ohne ... die bisherigen Unterlagen beizuziehen", nicht geschmälert. Damit hat das kantonale Gericht einzig zum Ausdruck gebracht, dass dieser Arzt (bei im Wesentlichen gleichlautenden Befunden und Diagnosen) nicht erläuterte, weshalb er die Arbeitsunfähigkeit abweichend vom Gutachten der Klinik K.________ einschätzte. Eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist dem Bericht des Dr. med. G.________ nicht zu entnehmen. Die Vorinstanz hat daher zu Recht, ohne den Gehörsanspruch des Beschwerdeführers zu verletzen, von der Einholung eines Obergutachtens abgesehen. 
4. 
Zu prüfen sind schliesslich die erwerblichen Auswirkungen der 30%-igen Arbeitsunfähigkeit. 
4.1 Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, angesichts seiner gesundheitlichen Einschränkungen und der strukturellen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt seien für ihn nach seinen Fähigkeiten und Kenntnissen in Frage kommende sehr leichte Arbeiten nicht mehr vorhanden. Verwaltung und Vorinstanz hätten keine konkreten Arbeitsgelegenheiten genannt. 
4.2 Einzuräumen ist, dass es grundsätzlich der Verwaltung obliegt, konkrete Arbeitsmöglichkeiten zu bezeichnen, welche aufgrund der ärztlichen Angaben und unter Berücksichtigung der übrigen Fähigkeiten des Versicherten in Frage kommen (BGE 107 V 20 Erw. 2b; SVR 2001 IV Nr. 10 S. 27; AHI 1998 S. 290 Erw. 3b). Dabei dürfen jedoch nicht übermässige Anforderungen an die Konkretisierung von Verweisungstätigkeiten und Verdienstaussichten gestellt werden. Die Sachverhaltsermittlung hat nur soweit zu gehen, dass im Einzelfall eine zuverlässige Ermittlung des Invaliditätsgrades gewährleistet ist (AHI 1998 a.a.O. mit Hinweis). Dies trifft hier zu. Wie die Vorinstanz richtig erkannt hat (worauf verwiesen wird), steht dem Beschwerdeführer ein breiter Fächer an Arbeitsgelegenheiten auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt offen (Bedienungs- und Überwachungsfunktionen). Unter diesen Umständen durfte sie ohne nähere Konkretisierung von Arbeitsstellen für die Festsetzung des Invalideneinkommens auf die statistischen Lohnverhältnisse im gesamten privaten Sektor gemäss der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Lohnstrukturerhebung (LSE) abstellen (vgl. RKUV 2001 Nr. U 439 S. 347). 
4.3 Zur Bestimmung der Vergleichseinkommen, dem daraus resultierenden Invaliditätsgrad von 42 % sowie den auf den 23. Dezember 2003 festgelegten Ablauf der einjährigen Wartezeit gemäss Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG wird auf die nicht zu beanstandenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen. Der Beschwerdeführer hat somit Anspruch auf eine Viertelsrente ab 1. Dezember 2003. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, der Ausgleichskasse der Schweizer Maschinenindustrie, Zürich, und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 23. Juni 2006 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: