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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_974/2017  
 
 
Urteil vom 5. April 2018  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi, 
Gerichtsschreiber Matt. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Joel Steiner, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Führen eines Motorfahrzeugs ohne den erforderlichen Führerausweis; rechtliches Gehör, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, vom 4. Juli 2017 (SST.2017.94). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
X.________ wird vorgeworfen, ein Motorfahrzeug (Lieferwagen mit Anhänger) ohne erforderlichen Führerausweis der Kategorie BE gemäss Art. 95 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 10 Abs. 2 SVG und Art. 3 Abs. 1 der Verordnung 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV; SR 741.51) geführt zu haben. Am 26. September 2016 verurteilte ihn das Gerichtspräsidium Lenzburg deswegen zu 30 Tagessätzen Geldstrafe bedingt sowie zu einer Busse von Fr. 750.--. Das Obergericht des Kantons Aargau wies seine Berufung am 4. Juli 2017 a b. 
 
B.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, die Sache sei an das Obergericht oder das Erstgericht zurückzuweisen; eventualiter sei er freizusprechen; subeventualiter sei er des fahrlässigen Führens eines Motorfahrzeugs ohne den erforderlichen Führerausweis schuldig zu sprechen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs. Solches erblickt er darin, dass sich die Vorinstanz nicht dazu geäussert habe, ob das Erstgericht durch Verzicht auf die Befragung seines Vorgesetzten das rechtliche Gehör verletzt habe. Es ist indes nicht ersichtlich und wird vom Beschwerdeführer nicht dargetan, was für ihn mit dieser Feststellung gewonnen wäre. Wie dem angefochtenen Urteil zu entnehmen und unbestritten ist, hat die Vorinstanz den Vorgesetzten einvernommen. Eine allfällige Gehörsverletzung durch das Erstgericht wäre damit geheilt. Deren formelle Feststellung müsste auch zu keiner abweichenden Regelung der Kosten führen, da die Vorinstanz den erstinstanzlichen Entscheid bestätigt hat. 
 
2.  
Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche, den Grundsatz "in dubio pro reo" verletzende Sachverhaltsfeststellung. Die Vorinstanz gehe zu Unrecht von eventualvorsätzlichem Handeln aus. Tatsächlich habe er das zulässige Gesamtgewicht mit dem effektiven Betriebsgewicht verwechselt. 
 
2.1.  
 
2.1.1. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Mit Blick auf die Begründungspflicht der beschwerdeführenden Partei (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) behandelt es aber grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind; es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde, alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 140 III 115 E. 2; 137 III 580 E. 1.3; 135 III 397 E. 1.4; je mit Hinweisen).  
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser ist offensichtlich unrichtig oder beruht auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1). Willkür liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht. Erforderlich ist, dass der Entscheid nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (BGE 141 IV 305 E. 1.2 mit Hinweisen). Die Willkürrüge muss explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 142 III 364 E. 2.4). 
Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft sogenannte innere Tatsachen, welche das Bundesgericht nur auf Willkür überprüft (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 142 IV 137 E. 12; 141 IV 369 E. 6.3; je mit Hinweisen). Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot gemäss Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 138 V 74 E. 7 mit Hinweisen). 
 
2.1.2. Nach Art. 95 Abs. 1 lit. a SVG macht sich strafbar, wer ohne den erforderlichen Führerausweis ein Motorfahrzeug führt. Der Tatbestand bezweckt die Sicherung diverser verkehrsrechtlicher Normen, welche sich auf die Person des Fahrzeuglenkers beziehen und die die Nichtbeachtung von Vorschriften über die individuelle Fahrberechtigung ahnden. Dies betrifft zunächst den Grundsatz von Art. 10 Abs. 2 SVG, wonach das Führen eines Motorfahrzeugs eines Führerausweises bedarf und im Umkehrschluss jegliches Fahren ohne notwendigen Führerausweis untersagt ist. Objektiv tatbestandsmässiges "Führen" ist bereits das Steuern eines rollenden oder eines abgeschleppten Gefährts auf einer öffentlichen Strasse. Das Adjektiv "erforderlich" spricht Konstellationen an, in denen der Betroffene zwar einen bestimmten Führerausweis besitzt, jener jedoch nicht für den konkreten Sachverhalt gültig ist, etwa nicht für die entsprechende Fahrzeugkategorie gilt. Fahrlässigkeit ist in Anwendung von Art. 100 Ziff. 1 SVG uneingeschränkt strafbar. Dies betrifft etwa Fälle, in denen sich der Fahrzeugführer über die Gültigkeit seines Führerausweises für die entsprechende Kategorie irrt. Ein derartiger Irrtum ist als fahrlässige Tat strafbar, wenn er vermeidbar ist. So muss sich der Fahrzeugführer im Klaren darüber sein, welche Fahrzeugtypen er ohne entsprechenden Ausweis nicht führen darf (ADRIAN BUSSMANN, in: Basler Kommentar, Schweizerisches Strassenverkehrsgesetz, 2014, N. 2 ff., N. 19 ff. zu Art. 95 SVG; PHILIPPE WEISSENBERGER, Kommentar Strassenverkehrsgesetz und Ordnungsbussengesetz, 2. Aufl. 2014 N. 2 ff. zu Art. 95).  
 
2.1.3. Der Führerausweis der Kategorie B wird erteilt für Motorwagen und dreirädrige Motorfahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von nicht mehr als 3500 kg und maximal acht Sitzplätzen ausser dem Führersitz; mit einem Fahrzeug dieser Kategorie darf ein Anhänger mit einem Gesamtgewicht von nicht mehr als 750 kg mitgeführt werden; Fahrzeugkombinationen aus einem Zugfahrzeug der Kategorie B und einem Anhänger von mehr als 750 kg, sofern das Gesamtzugsgewicht 3500 kg und das Gesamtgewicht des Anhängers das Leergewicht des Zugfahrzeuges nicht übersteigen (Art. 3 Abs. 1 VZV).  
Der Führerausweis der Kategorie BE wird erteilt für Fahrzeugkombinationen aus einem Zugfahrzeug der Kategorie B und einem Anhänger, die als Kombination nicht unter die Kategorie B fallen (Art. 3 Abs. 1 VZV). 
 
2.2. Was der Beschwerdeführer vorbringt, ist nicht geeignet, den vorinstanzlichen Entscheid als willkürlich oder bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen.  
 
2.2.1. Es ist unbestritten, dass die vom Beschwerdeführer geführte Fahrzeugkombination gemäss Fahrzeugausweisen ein Gesamtgewicht von 4'800 Kilogramm (Fahrzeug: 2'800 kg; Anhänger: 2'000 kg) aufwies und dass er nicht über eine Bewilligung der Kategorie BE verfügte, welche für das Führen von Fahrzeugen mit einem Gesamtgewicht von mehr als 3'500 Kilogramm erforderlich ist. Mit seinen Einwänden zum Eventualvorsatz verkennt er, dass es darauf nicht ankommt. Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt und im Übrigen unbestritten ist, ist auch fahrlässiges Handeln strafbar. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls ohne Belang, ob sich der Beschwerdeführer gegenüber der verletzten Gesetzesvorschrift gleichgültig verhalten und sich bewusst für dieses Nichtwissen entschieden hat, wie die Vorinstanz annimmt. Fahrlässig handelt auch, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt (Art. 12 Abs. 3 StGB). Der Beschwerdeführer sagt zudem selber, er habe bezüglich der Berechtigung Zweifel gehabt, sich aber nach der Bestätigung seines Vorgesetzten keine Gedanken darüber gemacht. Wenn die Vorinstanz daraus schliesst, es sei ihm letztlich egal gewesen und er habe ein strafbares Verhalten in Kauf genommen, ist dies nachvollziehbar. Dies gilt umso mehr, als der Beschwerdeführer - entgegen seiner jetzigen Behauptung - in der polizeilichen Einvernahme keinerlei Zweifel an seiner Berechtigung geäussert, sondern angegeben hatte, er habe sich nie darum gekümmert; sein Vorgesetzter habe gedacht, er habe dies - die Kategorie BE - automatisch im Ausweis. Darauf weist die Vorinstanz zutreffend hin. Auch von Abklärungen seines Vorgesetzten ist im Übrigen keine Rede. Inwiefern die Annahme von Eventualvorsatz die Unschuldsvermutung verletzen soll, weil das Verhalten des Beschwerdeführers gemäss Vorinstanz nur darauf hindeute, leuchtet nicht ein.  
 
2.2.2. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er habe sich über seine Berechtigung zum Führen der Fahrzeugkombination geirrt und angenommen, es komme auf das effektive Betriebsgewicht, nicht das Gesamtgewicht gemäss Fahrzeugschein an, zeigt er nicht auf, dass dieser Irrtum unvermeidbar, sein Verhalten mithin nicht fahrlässig gewesen wäre. Er behauptet insbesondere nicht, sich bei einer sachkundigen Stelle informiert oder das angeblich von seinem Vorgesetzten konsultierte Merkblatt selber gelesen zu haben. Dass ihm dieser versicherte, er dürfe die Fahrzeugkombination führen, genügt offensichtlich nicht. Der Beschwerdeführer setzt sich auch mit dem nachvollziehbaren Argument nicht auseinander, wonach bereits ein oberflächliches Lesen des Merkblattes genügt hätte um zu erkennen, dass das Gesamtgewicht des Fahrzeugs, gemeint wohl dasjenige gemäss Fahrzeugausweis, entscheidend sei. Daraus ergibt sich zumindest klar, dass die Angaben im Fahrzeugausweis ebenfalls zu beachten sind und dass Gewichte und Anhängerlast nicht überschritten werden dürfen. Einen Hinweis, wonach es für die Fahrberechtigung auf das effektive Betriebsgewicht der Fahrzeugkombination ankäme, enthält das Merkblatt hingegen nicht. Von einem unvermeidbaren Irrtum des Beschwerdeführers hinsichtlich der Berechtigung zum Führen der strittigen Fahrzeugkombination kann keine Rede sein.  
Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, er sei sich der Berechtigung sicher gewesen, stützt die von ihm als Beweis hierfür zitierte Aussage diese Darstellung im Übrigen nicht. So hat er auf die Frage, ob er Zweifel gehabt habe, geantwortet: "Ja, aber nachdem [der Vorgesetzte] das Blatt angeschaut und berechnet hat und gesehen hat, dass wir unter 3.5 Tonnen sind, war es eigentlich klar". Abgesehen davon würde es den Beschwerdeführer mangels tauglicher, zumutbarer Abklärungen hierüber auch nicht entlasten, wenn er keinerlei Zweifel an seiner Fahrberechtigung gehabt hätte. Wie vorstehend dargelegt, hat er als Fahrzeugführer die Fahrzeugtypen zu kennen, die er ohne entsprechenden Ausweis nicht führen darf (oben E. 2.1.2). Wenn er schliesslich einwendet, es komme höchstens eine Verurteilung wegen unbewusst fahrlässiger Tatbegehung in Frage, solches sei aber nicht angeklagt, so verkennt er wiederum, dass die Strafbarkeit davon nicht abhängt (oben E. 2.1.2). Das Gericht ist zwar an den in der Anklage wiedergegebenen Sachverhalt gebunden, nicht aber an dessen rechtliche Würdigung durch die Anklagebehörde (BGE 143 IV 63 E. 2.2 mit Hinweisen). Anders als der Beschwerdeführer anzunehmen scheint, stünde der Anklagegrundsatz auch einer Verurteilung wegen eines gleichartigen oder geringfügigeren Delikts nicht entgegen (Urteil 6B_384/2008 vom 11. September 2008 E. 1.3), solange die Anklageschrift die dem Angeklagten zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise umschreibt, dass die Vorwürfe genügend konkretisiert sind und er sich angemessen dagegen verteidigen kann. Dass dem so war, ist unbestritten. 
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 5. April 2018 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Matt