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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_1107/2018  
 
 
Urteil vom 11. Dezember 2018  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Rüedi, 
Gerichtsschreiber Matt. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Monika Brenner, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Spisergasse 15, 9001 St. Gallen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Mehrfache Geiselnahme, Raub; Beweiswürdigung, rechtliches Gehör, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 26. Juni 2018 
(ST.2017.2-SK3). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Staatsanwaltschaft St. Gallen wirft X.________ vor, am Abend des 25. November 2005 zusammen mit zwei Mittätern in die Wohnung der Familie A.________ eingedrungen zu sein, diese überwältigt und dazu bewegt zu haben, die Standorte von Tresoren sowie die PIN-Codes von Bankkarten bekannt zu geben. Die Täter sollen den Vater und seine beiden minderjährigen Töchter mit einer Schusswaffe oder Attrappe sowie einem Messer bedroht, sie mit Klebeband gefesselt, ihnen eine Decke über den Kopf geworfen und Fr. 3'000.-- an sich genommen haben. Als die Ehefrau nach Hause gekommen sei, hätten die Täter auch sie unter Drohungen in die Wohnung gezerrt und gefesselt. Alsdann hätten sie dem Vater und einer Tochter einen Plastiksack über den Kopf gestülpt und gedroht, beide Töchter zu töten, sollten die Eltern nicht verraten, wo sich mehr Geld befinde. Als zwei Täter das Haus verlassen hätten, um im Geschäftslokal der Familie weitere Vermögenswerte erhältlich zu machen, habe sich der Vater befreien können und die Polizei alarmiert, worauf der dritte Täter unter Zurücklassung diverser Gerätschaften geflüchtet sei. 
Am 13. September 2016 verurteilte das Kreisgericht St. Gallen X.________ wegen mehrfacher Geiselnahme und Raubes (besondere Gefährlichkeit) zu 7 Jahren Freiheitsstrafe. Auf seine Berufung sowie Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft hin erhöhte das Kantonsgericht St. Gallen die Freiheitsstrafe am 26. Juni 2018 auf 9 Jahre. 
 
B.   
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, er sei freizusprechen und ihm sei eine Genugtuung von Fr. 180'000.-- zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zurückzuweisen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Der Beschwerdeführer kritisiert die Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung. Er rügt eine Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" als Beweislast- und Beweiswürdigungsregel sowie der Begründungspflicht. 
 
1.1.  
 
1.1.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser ist offensichtlich unrichtig oder beruht auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG und die Behebung des Mangels kann für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1). Dies ist der Fall, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 143 IV 241 E. 2.3.1). Die beschwerdeführende Partei kann sich nicht darauf beschränken, den bestrittenen Feststellungen eigene tatsächliche Behauptungen gegenüberzustellen oder darzulegen, wie die Beweise ihrer Ansicht nach zu würdigen gewesen wären. Auf ungenügend begründete Rügen oder appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 142 III 364 E. 2.4).  
 
1.1.2. Der Grundsatz "in dubio pro reo" besagt als Beweiswürdigungsregel, dass sich das Strafgericht nicht von einem für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalt überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Bloss abstrakte und theoretische Zweifel genügen nicht, weil solche immer möglich sind. Relevant sind mithin nur unüberwindliche Zweifel, d.h. solche, die sich nach der objektiven Sachlage aufdrängen (vgl. Art. 10 Abs. 3 StPO; BGE 138 V 74 E. 7; Urteil 6B_804/2017 vom 23. Mai 2018 E. 2.2.1 zur Publikation bestimmt). Der Grundsatz "in dubio pro reo" besagt indes nicht, dass bei sich widersprechenden Beweismitteln unbesehen auf den für den Angeklagten günstigeren Beweis abzustellen ist. Die Entscheidregel kommt nur zur Anwendung, wenn nach erfolgter Beweiswürdigung als Ganzem relevante Zweifel verbleiben (Urteil 6B_824/2016 vom 10. April 2017 E. 13.1, nicht publ. in BGE 143 IV 214 mit Hinweisen). Als Beweiswürdigungsregel kommt dem Grundsatz "in dubio pro reo" im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 143 IV 500 E. 1.1; 138 V 74 E. 7). Als Beweislastregel ist der Grundsatz verletzt, wenn das Gericht einen Angeklagten (einzig) mit der Begründung verurteilt, er habe seine Unschuld nicht nachgewiesen. Dies prüft das Bundesgericht mit freier Kognition (Urteil 6B_486/2018 vom 5. September 2018 E. 1.1).  
 
1.2. Die Vorinstanz begründet unter Verweis auf die Vorakten ausführlich und überzeugend, weshalb sie den Anklagesachverhalt und die Täterschaft des Beschwerdeführers als erstellt erachtet. Was er dagegen vorbringt, belegt, soweit es den gesetzlichen Begründungsanforderungen genügt, keine Willkür.  
 
1.2.1. Es ist unbestritten, dass die Ehegatten A.________ noch in der Tatnacht von der Polizei einvernommen wurden und dass sie ihre Aussagen später bestätigten, wobei auch die ältere, damals zwölfjährige Tochter befragt wurde. Insoweit behauptet der Beschwerdeführer keinerlei Widersprüche. Entgegen seiner Auffassung ist es hingegen nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz primär auf die als differenziert und lebensnah beurteilten, tatnächsten Aussagen der Beteiligten abstellt und den behaupteten Widersprüchen gegenüber den erneuten Befragungen elf Jahre später keine entscheidende Bedeutung beimisst. Dies gilt ebenso für etwaige Widersprüche gegenüber den Angaben der jüngeren Tochter, welche - augenscheinlich aufgrund ihrer Alters im Tatzeitpunkt - erstmals 2016 befragt wurde.  
Nachdem der Beschwerdeführer zudem nicht bestreitet, dass sich auf einem von den Tätern zurückgelassenen Küchenmesser seine Fingerabdrücke sowie mit "hoher Wahrscheinlichkeit" ihm zuzurechnende DNA-Spuren befanden, ist nicht ersichtlich, weshalb die gestützt auf die Erstaussagen der älteren Tochter und der Mutter getroffene Feststellung der Vorinstanz, wonach ein Täter der Tochter ein Messer oder einen messerähnlichen Gegenstand an den Hals gehalten habe, um Vermögenswerte zu erpressen, willkürlich sein soll. Sein Einwand, wonach die Spuren auch anderweitig aufs Messer gekommen sein könnten, etwa anlässlich gelegentlicher Besuche bei der Familie, begründet solches nicht. Es ist vielmehr naheliegend anzunehmen, dass die Spuren frisch gewesen sein müssen. Andernfalls wären die Abdrücke sicherlich abgewischt worden, oder wäre ein Mischprofil feststellbar gewesen, zumal davon auszugehen ist, jemand anders hätte das Messer in der Zwischenzeit geputzt und/oder wiederverwendet. Die Behauptung des Beschwerdeführers, wonach die Familie den Überfall inszeniert und das von ihm zuvor verwendete Messer absichtlich als Tatwerkzeug drapiert haben soll, würde ferner einiges an Planung voraussetzen und ist nicht plausibel. Ebenso erscheinen Absprachen der Opfer unwahrscheinlich, zumal die erste Befragung bereits in der Tatnacht stattfand und die Kinder augenscheinlich sehr jung waren. Abgesehen davon nennt der Beschwerdeführer keinen Grund, weshalb ihn die Familie zu Unrecht belasten und den Verdacht während Jahren aufrecht erhalten haben sollte. Solches ist auch nicht ersichtlich. Es schadet daher nicht, dass sich die Familienmitglieder elf Jahre nach der Tat nicht mehr sicher an den Einsatz eines Messers erinnern konnten. Gleiches gilt, wenn die Opfer ihre Erstaussagen, die Täter hätten sie mit einer Pistole bedroht, Jahre später nicht bestätigten. Dies erscheint zwar für einen Aussenstehenden erstaunlich, ändert aber an der Schlüssigkeit der ersten Aussagen nichts, zumal wiederum nicht ersichtlich ist, dass und weshalb diese falsch sein sollten. 
 
1.2.2. Die weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers begründen ebenfalls keine Willkür. Der Vorinstanz ist zuzustimmen, dass mit Blick auf das gesamte Tatgeschehen kein wesentlicher Widerspruch darin zu erkennen ist, wenn der Ehemann aussagte, die Täter hätten nicht nach einem Tresor gefragt, die Ehefrau dies aber behauptete. Auch deren Aussage, sie bringe die Tageseinnahmen jeweils zur Bank und diejenige des Ehemannes, wonach er Fr. 3000.-- dabei gehabt und diese am nächsten Tag habe zur Bank bringen wollen, sind nicht widersprüchlich. Gleiches gilt für die Aussage der älteren Tochter, ihr sei ein Plastiksack über den Kopf gestülpt worden, damit die Mutter "etwas Richtiges" sage und die Bestätigung dessen elf Jahre später, dies sei geschehen um sicherzustellen, dass die erpressten Codes stimmten. Ob anlässlich des Überfalls das Licht brannte, ist sodann nicht entscheidend, zumal unbestritten ist, dass die Opfer die Täter aufgrund von Sturmmasken nicht erkannten. Die unterschiedlichen Aussagen der Ehegatten zum Zustand der Wohnung nach dem Überfall betreffen ferner nicht das Kerngeschehen. Dass einzelne ihrer weiteren Aussagen unglaubhaft sind, sie etwa bestritten, den Beschwerdeführer illegal beschäftigt zu haben, anerkennt auch die Vorinstanz. Entgegen seiner Auffassung hindert sie dies indes nicht, hinsichtlich der Ereignisse in der Tatnacht willkürfrei auf die Aussagen der Familie abzustellen und den Anklagesachverhalt als erstellt zu betrachten. Dies gilt umso mehr, als Videoaufnahmen vom Geschäftslokal der Familie zur mutmasslichen Tatzeit zwei Männer beim Betreten und anschliessenden Verlassen des Lokals zeigen. Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, stützt dies die Darstellung der Opfer unbesehen der Frage, ob die beiden Männer erkennbar asiatisch-stämmig sind. Für einen tatsächlichen Überfall sprechen schliesslich die Fussspuren auf dem Vordach des Familiendomizils, die zahlreichen von den Tätern zurückgelassenen Gegenstände, unter anderem Einbruchsutensilien, mit Fingerabdrücken und DNA-Spuren sowie die medizinischen Befunde der Opfer gemäss Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin. Angesichts der dokumentierten Verletzungen sind allfällige Widersprüche bezüglich Art und Ort der ausgeübten Gewalt irrelevant.  
 
1.2.3. Soweit der Beschwerdeführer eine Tatbeteiligung bestreitet, beschränkt er sich darauf, seine bereits vorinstanzlich vorgebrachten Argumente zu wiederholen, was zum Nachweis von Willkür nicht genügt. Wie die Vorinstanz nachvollziehbar ausführt, wurden auf den den Opfern übergestülpten Plastiksäcken seine Fingerabdrücke sowie ein DNA-Mischprofil von ihm und einem Mittäter sichergestellt. Zudem befanden sich auf einer von den Tätern zurückgelassenen Wollmütze, einem Schal, einem Stechbeitel sowie dem Küchenmesser mit grosser Wahrscheinlichkeit dem Beschwerdeführer zuzurechnende DNA-Spuren, was er im Übrigen nicht bestreitet. Dass die Vorinstanz seiner Behauptung, wonach er die Plastiksäcke für die Familie besorgt und den Schal im Rahmen eines nicht näher bezeichneten Besuchs vergessen habe, keinen Glauben schenkt, ist nicht zu beanstanden. Entgegen seiner Auffassung ist es nicht lebensfremd anzunehmen, dass er den Schal am Tatabend in der Wohnung liegen liess. Auch liegt darin keine Verletzung der Unschuldsvermutung. Der Grundsatz "in dubio pro reo" gebietet nicht, jedes einzelne Beweismittel zu Gunsten der beschuldigten Person zu würden. Er kommt nur zur Anwendung, wenn nach erfolgter Beweiswürdigung als Ganzem relevante Zweifel an der Täterschaft verbleiben (oben E. 1.1.2). Dies gilt ebenso für die weiteren objektiven Beweise. Abgesehen davon scheint der Beschwerdeführer zu verkennen, dass er just für die DNA-Spuren am Stechbeitel, welchen die Vorinstanz nachvollziehbar als Einbruchswerkzeug beurteilt, und dessen Vorhandensein in der Wohnung - sowie für die Spuren an der Wollmütze - keinerlei Erklärung beizubringen vermag. Die pauschale, durch nichts untermauerte Behauptung, wonach die Spuren gezielt gelegt worden sein sollen, verwirft die Vorinstanz wie dargelegt zu Recht. Daran ändert nichts, dass die Täter gemäss Angaben der Opfer Handschuhe getragen haben sollen, zumal sie augenscheinlich dennoch eindeutige, nicht zu erklärende Spuren hinterliessen. Unter Willkürgesichtspunkten spricht auch nicht gegen eine Tatbeteiligung des Beschwerdeführers, dass die Täter nach einem Tresor fragten, was aufgrund seines Insiderwissens nicht notwendig gewesen wäre, hätte er sich doch andernfalls als Insider verraten. Aufgrund der von der Vorinstanz dargelegten Beweislage bestehen insgesamt keine unüberwindbaren Zweifel an der Täterschaft des Beschwerdeführers, sondern ist diese rechtsgenüglich erstellt.  
 
1.2.4. Nach dem Gesagten ist schliesslich keine Verletzung der Begründungspflicht ersichtlich. Die Vorinstanz nennt die wesentlichen Überlegungen, von denen sie sich hat leiten lassen und auf die sie ihren Entscheid stützt. Der Beschwerdeführer konnte diesen denn auch ohne Weiteres an das Bundesgericht weiterziehen (BGE 141 III 28 E. 3.2.4; 139 IV 179 E. 2.2; 138 IV 81 E. 2.2; je mit Hinweisen).  
 
2.   
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Die Kosten des Verfahrens sind ausgangsgemäss dem Beschwerdeführer aufzuerlegen, zumal sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege infolge Aussichtslosigkeit abzuweisen ist. Seiner finanziellen Situation ist bei der Kostenbemessung Rechnung zu tragen (Art. 64 Abs. 1 und 2, 65 Abs. 2 und 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Der Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten von Fr. 1'200.--. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 11. Dezember 2018 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Matt