Avis important:
Les versions anciennes du navigateur Netscape affichent cette page sans éléments graphiques. La page conserve cependant sa fonctionnalité. Si vous utilisez fréquemment cette page, nous vous recommandons l'installation d'un navigateur plus récent.
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_975/2008 
 
Urteil vom 4. Juni 2009 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Favre, Präsident, 
Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger, Ferrari, Mathys, 
Gerichtsschreiber Faga. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Übertretung von Verkehrsvorschriften, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Bezirksgerichts Zürich, Einzelrichteramt für Zivil- und Strafsachen, vom 1. Oktober 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ missachtete am 9. Februar 2008 in der Stadt Zürich das Rotlicht eines Lichtsignals. Mit Übertretungsanzeige der Stadtpolizei Zürich vom 20. Februar 2008 wurde er gestützt auf Ziff. 309.1. Anhang 1 Ordnungsbussenverordnung vom 4. März 1996 (OBV; SR 741.031) mit einer Ordnungsbusse von Fr. 250.-- belegt. X.________ ersuchte die Stadtpolizei Zürich um Ratenzahlungen. Diese entsprach dem Gesuch nicht, leitete nach unbenutzter Zahlungsfrist das ordentliche Verfahren ein und verzeigte ihn beim Stadtrichteramt Zürich. Mit Verfügung vom 17. April 2008 wurde X.________ vom Stadtrichteramt Zürich wegen Missachtens eines Lichtsignals mit einer Busse von Fr. 250.-- bestraft. Ausserdem wurden ihm Spruch-, Schreib- und Zustellgebühren in der Höhe von insgesamt Fr. 278.-- auferlegt. 
 
Gegen diese Verfügung erhob X.________ Einsprache, wobei er die in Rechnung gestellten Gebühren sowie den Umstand rügte, dass seinem Gesuch um Ratenzahlungen nicht entsprochen worden war. 
 
B. 
Der Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich bestätigte am 1. Oktober 2008 die mit Verfügung des Stadtrichteramts Zürich vom 17. April 2008 auferlegten Gebühren in der Höhe von insgesamt Fr. 278.-- zuzüglich einer nachträglich erhobenen Weisungsgebühr von Fr. 70.--. Zudem stellte er fest, dass die Verfügung des Stadtrichteramts Zürich vom 17. April 2008 in Rechtskraft erwachsen ist, soweit sie die Busse betrifft. 
 
C. 
X.________ bezeichnet die von ihm nachträglich am 3. Dezember 2008 unterzeichnete Eingabe vom 24. November 2008 an das Bundesgericht ohne nähere Präzisierung als "Beschwerde". Es handelt sich dabei offensichtlich um eine Beschwerde in Strafsachen im Sinne von Art. 78 ff. BGG. Er beantragt, die Verfügung des Bezirksgerichts Zürich vom 1. Oktober 2008 sei aufzuheben, eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Des Weiteren ersucht er mit Eingabe vom 22. Dezember 2008 um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
 
D. 
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Übertretungen der Strassenverkehrsvorschriften des Bundes können nach dem Ordnungsbussengesetz vom 24. Juni 1970 (OBG; SR 741.03) in einem vereinfachten Verfahren mit Ordnungsbussen bis Fr. 300.-- geahndet werden (Art. 1 Abs. 1 und 2 OBG). Nach der Rechtsprechung handelt es sich bei Art. 1 Abs. 1 OBG nicht um eine Kann-Vorschrift, welche die Anwendung des Gesetzes in das Ermessen der rechtsanwendenden Instanzen stellt. Das Ordnungsbussenverfahren ist, wenn seine Voraussetzungen gegeben sind, obligatorisch anzuwenden (BGE 121 IV 375 E. 1a S. 377; 105 IV 136 E. 1-3 S. 138 f.). Der Täter kann die Busse sofort oder innert 30 Tagen bezahlen (Art. 6 Abs. 1 OBG). Mit der Bezahlung wird die Busse in der Regel rechtskräftig (vgl. Art. 8 OBG). 
 
1.2 Der Beschwerdeführer macht sinngemäss geltend, das kostenpflichtige ordentliche Verfahren sei zu Unrecht eingeleitet worden, nachdem er die Busse nicht angefochten und sie in fünf Raten à Fr. 50.-- habe begleichen wollen (Beschwerde S. 3 f.). 
 
1.3 Die Vorinstanz hat erwogen, die Erledigung der Übertretung im Ordnungsbussenverfahren setze voraus, dass die ganze Busse rechtzeitig bezahlt werde. Nur in diesem Fall könnten das Bedenkfristformular vernichtet (Art. 6 Abs. 3 OBG) und die Busse rechtskräftig werden (Art. 8 OBG). Das Gesetz sehe demnach eine ratenweise Zahlung von Ordnungsbussen nicht vor, weshalb das Verfahren nach ausgebliebener Zahlung gesetzeskonform an das Stadtrichteramt Zürich weitergeleitet worden sei (angefochtene Verfügung S. 5 f.). 
 
1.4 Soweit der Beschwerdeführer auf seine kantonalen Eingaben verweist, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Die Begründung hat in der Beschwerdeschrift selbst zu erfolgen, und der blosse Verweis auf kantonale Akten ist unzulässig (BGE 131 III 384 E. 2.3 S. 387 f. mit Hinweis). 
 
2. 
2.1 Umstritten ist, ob gestützt auf Art. 6 OBG das ordentliche Verfahren einzuleiten ist, wenn der Gebüsste innert Zahlungsfrist in Aussicht stellt, die Busse ratenweise zu tilgen. 
 
2.2 Art. 6 OBG steht unter der Marginalie "Bezahlung". Nach dessen Abs. 3 erhält der Täter, wenn er die Busse nicht sofort bezahlt, ein Bedenkfristformular. Zahlt er innert Frist, so wird das Formular vernichtet. Andernfalls leitet die Polizei das ordentliche Verfahren ein. Der Wortlaut der genannten Bestimmung hält somit fest, dass das ordentliche Verfahren einzuleiten ist, wenn der Täter weder sofort noch innert (dreissigtägiger) Frist bezahlt. Die Möglichkeit von Fristerstreckungen oder Ratenzahlungen sieht der Gesetzeswortlaut nicht vor. Dementsprechend wird der Gebüsste gemäss lit. B Ziff. 1 Anhang 2 OBV auf die Folgen der Nichtbezahlung hingewiesen. 
 
Gemäss den Ausführungen in der Botschaft erachtet der Bundesrat die Einräumung einer Zahlungsfrist, trotz der Einfachheit und Schnelligkeit des Ordnungsbussenverfahrens, als sinnvoll, um den Verkehrssünder, der den erforderlichen Geldbetrag gerade nicht auf sich trägt, nicht schlechter zu stellen als denjenigen, der die Busse sofort begleichen kann (Botschaft vom 14. Mai 1969 zum Entwurf eines Bundesgesetzes über Ordnungsbussen im Strassenverkehr, BBl 1969 I 1097 Ziff. 6). Die Einführung einer Zahlungsfrist erfolgte demnach nicht, um Zahlungserleichterungen zu gewähren, sondern vielmehr aus Praktikabilitätsgründen. Art. 6 OBG (in der seit 1. September 1996 gültigen Fassung) sieht neu eine Zahlungsfrist von 30 Tagen (vorher 10 Tage) vor. Damit wird die Tatsache berücksichtigt, dass die Rechnungen oftmals nur einmal im Monat beglichen werden und dass der Maximalbetrag der Busse von Fr. 100.-- auf Fr. 300.-- erhöht wurde (Botschaft vom 8. September 1993 über die Änderung des Bundesgesetzes über Ordnungsbussen im Strassenverkehr, BBl 1993 III 774 Ziff. 2). Längere Zahlungsfristen oder die Möglichkeit von Ratenzahlungen werden in der Botschaft nicht erwähnt. Dass die Erhöhung des Maximalbetrages zu einer längeren Zahlungsfrist geführt hat, ist zumindest ein Hinweis dafür, dass der Gesetzgeber Ratenzahlungen im Ordnungsbussenverfahren nicht vorsehen wollte. 
 
Die Möglichkeit, eine Ordnungsbusse innerhalb einer längeren als 30-tägigen Frist oder in Raten zu begleichen, findet auch im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs keine Stütze. Gemäss Art. 35 Abs. 1 StGB bestimmt die Vollzugsbehörde dem zu einer Geldstrafe Verurteilten eine Zahlungsfrist von einem bis zu zwölf Monaten. Sie kann Ratenzahlung anordnen und auf Gesuch die Fristen verlängern. Diese Bestimmung im Abschnitt "Geldstrafe, gemeinnützige Arbeit, Freiheitsstrafe" gilt sinngemäss auch für die im Strafgesetzbuch geregelten Übertretungsbussen kraft ausdrücklichen Verweises in Art. 106 Abs. 5 StGB. Sie gilt ebenso für die in andern Bundesgesetzen geregelten Übertretungen, sofern diese Bundesgesetze keine abweichenden Bestimmungen enthalten (Grundsatz der Subsidiarität; vgl. Art. 333 Abs. 1 StGB). Auf das Ordnungsbussenverfahren findet Art. 35 Abs. 1 StGB hingegen keine Anwendung. Art. 6 OBG, der explizit einzig eine Zahlungsfrist von 30 Tagen vorsieht, geht als speziellere Bestimmung vor. Das Ordnungsbussengesetz dispensiert von der Anwendung der Strafzumessungsgrundsätze des Strafgesetzbuchs (vgl. Art. 1 Abs. 3 OBG, wonach Vorleben und persönliche Verhältnisse des Täters unberücksichtigt bleiben) und regelt darüber hinaus auch wenige rein verfahrensrechtliche Fragen der vereinfachten Ahndung von Übertretungen der Strassenverkehrsvorschriften. Beim Ordnungsbussenverfahren handelt es sich somit um ein formalisiertes und rasches Verfahren. Als schematisiertes Verfahren sieht es für die gleichen Verstösse für alle schuldhaft handelnden Täter die gleichen Bussen und Vollzugsmodalitäten vor. Die in diesem Sinne fehlende Differenzierung ist dem Ordnungsbussenverfahren immanent und zeichnet es gegenüber dem Geldsummensystem und dem Tagessatzsystem aus. 
 
Zweck von Art. 6 OBG ist es demnach, innert kurzer Frist eine vollständige Tilgung der Busse sicherzustellen und somit eine rasche und sinnvolle Handhabung der Übertretungen im Ordnungsbussenverfahren zu ermöglichen. Damit wird im Bereich der Massendelinquenz auf den Strassen der Verwaltungsaufwand gering gehalten und ein ordentliches Justizverfahren vermieden, wodurch das Prinzip der Kostenfreiheit (Art. 7 OBG) seine Berechtigung erfährt. Dies setzt jedoch die vollständige, fristgerechte Bezahlung der Busse voraus. Das Bundesgericht hat erwogen, dass die Busse erst durch eine vollständige Bezahlung rechtskräftig werde und dadurch das ordentliche Verfahren entfalle. Werde die Busse innert Zahlungsfrist lediglich zur Hälfte beglichen, sei das ordentliche Verfahren einzuleiten (Urteil 6S.395/2005 vom 11. Dezember 2005 E. 2). Ebenso sei das ordentliche Verfahren einzuleiten, wenn die Frist verpasst worden sei (Urteil 6B_484/2007 vom 14. November 2007 E. 3.2; vgl. auch Yvan Jeanneret, Procédures simplifiées et infractions routières, Journées du droit de la circulation routière 5 - 6 juin 2008, S. 192 ff.). 
 
Nichts anderes gilt, wenn der Gebüsste innert Zahlungsfrist in Aussicht stellt, die Busse ratenweise zu begleichen. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, das ordentliche Verfahren sei zu Unrecht eingeleitet worden, da er anerboten habe, die Busse in fünf monatlichen Raten zu bezahlen, geht seine Rüge fehl. Das Ordnungsbussengesetz nennt einzig eine Zahlungsfrist von 30 Tagen. Eine längere Frist und die Möglichkeit von Ratenzahlungen sieht das Gesetz nicht vor und lässt sich auch nicht den Materialien entnehmen. Ob eine ratenweise Zahlung der Busse im Einklang mit Art. 6 OBG stünde, wenn sämtliche Raten innerhalb der dreissigtägigen Frist bezahlt würden, kann an dieser Stelle offengelassen werden. 
 
2.3 Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers hat die Vorinstanz nicht verkannt, dass er keine gerichtliche Beurteilung der begangenen Übertretung sowie der Bussenhöhe beantragt hatte (vgl. Ziff. 2 der angefochtenen Verfügung). Indem sie die Möglichkeit einer ratenweisen Zahlung gestützt auf das Ordnungsbussengesetz ausgeschlossen und das nach unbenutzter Zahlungsfrist eingeleitete ordentliche Verfahren bestätigt hat, hat sie kein Bundesrecht verletzt. Die Beschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen. 
 
3. 
Der Beschwerdeführer bringt vor, die ihm auferlegten Gebühren stünden in keinem Verhältnis zur Höhe der Busse (Beschwerde S. 4). Einerseits geht aus seiner Rüge nicht hervor, welche Norm als verletzt beanstandet wird. Andererseits kann das Bundesgericht die Anwendung kantonalen Rechts nicht frei prüfen, wie sich aus Art. 95 BGG ergibt. Es kann nur prüfen, ob die Vorinstanz das kantonale Recht willkürlich angewendet und dadurch das Willkürverbot (Art. 9 BV) verletzt hat. Dies wird aber vom Beschwerdeführer nicht einmal behauptet. Auf die Beschwerde ist in diesem Punkt nicht einzutreten. 
 
4. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, da die Beschwerde von vornherein aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 BGG e contrario). 
 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Seinen angespannten finanziellen Verhältnissen ist mit reduzierten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bezirksgericht Zürich, Einzelrichteramt für Zivil- und Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 4. Juni 2009 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Favre Faga