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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.427/2003 /bmt 
 
Urteil vom 12. Dezember 2003 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichter Meyer, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Parteien 
A.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Dr. Andreas Edelmann, 
 
gegen 
 
B.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Fürsprecher lic. iur. Franz Hollinger, Stapferstrasse 28, Postfach, 5201 Brugg, 
Obergericht des Kantons Aargau, 5. Zivilkammer, Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau. 
 
Gegenstand 
Art. 9 BV (Kostenfolge; Eheschutz, Anweisung an den Arbeitgeber), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 5. Zivilkammer, vom 22. September 2003. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Urteil vom 13. Mai 2002 des Gerichtspräsidiums Zurzach wurde B.________ (Beklagter) im Rahmen von Eheschutzmassnahmen unter anderem dazu verpflichtet, A.________ (Klägerin) an deren persönlichen Unterhalt sowie an jenen der gemeinsamen Kinder ab dem 1. Mai 2002 einen Beitrag von insgesamt Fr. 4'280.-- zu bezahlen. Das Urteil wurde dem Beklagten am 17. Mai 2002 im Dispositiv und auf Verlangen am 17. Juni 2002 in vollständiger Ausfertigung zugestellt. Mit Eingabe vom 27. Juni 2002 erhob der Beklagte dagegen fristgerecht Beschwerde beim Obergericht des Kantons Aargau. 
 
Mit Schreiben vom 10. Juni 2002 setzte die Klägerin dem Beklagten Frist bis zum 18. Juni 2002 zur Begleichung des für den Monat Juni 2002 noch ausstehenden Differenzbetrages. Da der Beklagte dieser Aufforderung nicht nachkam, ersuchte die Klägerin mit Eingabe vom 21. Juni 2002 beim Präsidenten des Bezirksgerichts Zurzach darum, die Arbeitgeberin des Beklagten anzuweisen, von dessen Lohn monatlich Fr. 4'280.-- in Abzug zu bringen und auf das Konto der Klägerin zu überweisen. In der Folge liess die Klägerin am 9. Dezember 2002 erklären, sie verzichte auf die Anweisung der Arbeitgeberin, unter Vorbehalt des Entscheids über die Kosten. 
B. 
Mit Urteil vom 20. Januar 2003 schrieb der Präsident des Bezirksgerichts Zurzach das Verfahren zufolge Klagerückzuges von der Kontrolle ab, auferlegte die Kosten dem Beklagten und verpflichtete diesen überdies zur Leistung von Parteikosten an die Klägerin. Demgegenüber auferlegte das Obergericht des Kantons Aargau in Gutheissung einer Beschwerde des Beklagten die Verfahrenskosten der Klägerin und verpflichtete diese zur Leistung von Parteikosten an den Beklagten mit der Begründung, das Gesuch um Anweisung an die Arbeitgeberin hätte kaum Aussicht auf Erfolg gehabt. 
C. 
Mit rechtzeitiger staatsrechtlicher Beschwerde ersucht die Klägerin um Aufhebung des obergerichtlichen Entscheids. Für das bundesgerichtliche Verfahren verlangt sie die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Es ist keine Vernehmlassung eingeholt worden. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das Obergericht hält dafür, die Verteilung der Prozesskosten sei nach Massgabe von Obsiegen und Unterliegen gemäss § 112 Abs. 1 ZPO/AG vorzunehmen. Bei der Beurteilung der für die Kostenverteilung wesentlichen Frage, wer im Verfahren obsiegt hätte, ist es alsdann zum Schluss gelangt, die Klage hätte keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Das Dispositiv des Urteils des Gerichtspräsidiums Zurzach vom 13. Mai 2002 sei dem Beschwerdegegner am 17. Mai 2002 zugestellt worden; die innert zehn Tagen verlangte Ausfertigung des begründeten Urteils habe er am 17. Juni 2002 erhalten, weshalb die Unterhaltsbeiträge entgegen der Auffassung von Beschwerdeführerin und Vorinstanz erst ab diesem Zeitpunkt vollstreckbar und fällig gewesen seien. Die Beschwerdeführerin habe dem Beschwerdegegner am 10. Juni 2002 Frist bis zum 18. Juni 2002 zur Bezahlung des für den Monat Juni 2002 noch ausstehenden Betrages gesetzt und überdies die Anweisung an die Arbeitgeberin angedroht, falls der Aufforderung nicht statt gegeben werde. Das genannte Schreiben sei vor der Zustellung des begründeten Urteils (17. Juni 2002) erfolgt und die Unterhaltsbeiträge zum Zeitpunkt des Schreibens somit noch gar nicht vollstreckbar und fällig gewesen. Daher sei der Beschwerdegegner auch nicht verpflichtet gewesen, auf das Schreiben zu reagieren. Am 21. Juni 2002 habe die Beschwerdeführerin das Begehren um Anweisung gestellt und dem Beschwerdegegner mithin lediglich vier Tage seit Fälligkeit der Beiträge gewährt, um die Unterhaltsnachzahlungen (Differenzzahlungen zwischen den geleisteten und den richterlich festgesetzten Beiträgen) für die Monate Mai und Juni 2002 zu tätigen. Diese Frist sei indessen zu kurz bemessen, um bei deren Nichteinhaltung eine ernsthafte Gefährdung künftiger Unterhaltszahlungen anzunehmen. Die Anweisung nach Art. 177 ZGB hätte unter solchen Umständen als unverhältnismässig unterbleiben müssen. 
 
Die Beschwerdeführerin wirft dem Obergericht vor, dessen Argumentation beruhe auf einer willkürlichen Auslegung von § 298 Abs. 4 ZPO/AG. Der Hinweis auf diese Bestimmung sei offensichtlich widersprüchlich, sehe sie doch vielmehr ausdrücklich vor, dass in Unterhaltssachen einem noch nicht definitiven und später durch das Obergericht möglicherweise abgeänderten Entscheid eines Gerichtspräsidiums vorläufige Vollstreckbarkeit zukomme. Auch im summarischen Verfahren könne das Gerichtspräsidium seinen Entscheid den Parteien vorerst im Dispositiv eröffnen (§ 299 i.V.m. § 277 ZPO/AG). In § 298 Abs. 4 ZPO werde nicht zwischen einem begründeten und einem vorläufig im Dispositiv erlassenen Entscheid unterschieden. Die obergerichtliche Auffassung lasse sich überdies auch nicht durch die Materialien stützen; danach gehe es bei § 298 Abs. 4 ZPO/AG gerade darum, das direkte Inkasso der Unterhaltsbeiträge zu ermöglichen, zumal der Ehegatte auch bei streitigen Unterhaltsbeiträgen für die Kinder sorgen müsse. Die obergerichtliche Begründung lasse sich schliesslich auch nicht durch den Grundsatz rechtfertigen, dass ein Entscheid ohne Angabe von Entscheidgründen keine Wirkung entfalte. 
2. 
2.1 Die obergerichtliche Begründung erweckt in der Tat Bedenken. Mit seinem Verweis auf § 298 Abs. 4 ZPO/AG geht das Obergericht davon aus, dass die Eheschutzmassnahmen im summarischen Verfahren erlassen werden. Nach § 298 Abs. 4 ZPO/AG hemmt die Beschwerde - gegenteilige Anordnung des Instruktionsrichters des Obergerichts vorbehalten - Rechtskraft und Vollstreckbarkeit namentlich dann nicht, wenn - wie hier - mit dem Entscheid Unterhaltsbeiträge zugesprochen werden. Bei der Beschwerde gegen Entscheide erster Instanz über Unterhaltsbeiträge im Rahmen von Eheschutzmassnahmen handelt es sich demnach um ein ausserordentliches Rechtsmittel (zum Charakter des Rechtsmittels nach § 298 Abs. 4 ZPO/AG siehe: Markus Roth, Das summarische Verfahren in der Zivilprozessordnung des Kantons Aargau vom 18. Dezember 1984, Diss. Bern 1993, S. 173). Dem angefochtenen Entscheid lässt sich nicht entnehmen, dass der Instruktionsrichter des Obergerichts eine gegenteilige Anordnung getroffen und der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt hätte. Nach § 277 ZPO/AG kann der Gerichtspräsident als Einzelrichter die schriftliche Eröffnung auf die Zustellung des Urteilsspruchs (Dispositiv) beschränken mit dem Hinweis, dass das Urteil rechtskräftig wird, wenn innert zehn Tagen keine Partei eine vollständige Ausfertigung verlangt. Diese Art der Eröffnung des Urteils gilt grundsätzlich auch für das summarische Verfahren (Bühler/Edelmann/Killer, Kommentar zur aargauischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 1998, N. 1 zu § 298 ZPO/AG). Im vorliegenden Fall hat das Gerichtspräsidium dem Beschwerdegegner den Entscheid vom 13. Mai 2002 am 17. Mai 2002 im Dispositiv zugestellt. Mit der Zustellung des Dispositivs erwuchs das Urteil des Gerichtspräsidiums in Rechtskraft. Dieser im Dispositiv zugestellte rechtskräftige Entscheid gilt als Vollstreckungstitel im Sinne von Art. 80 SchKG (vgl. Poudret/Sandoz-Monod, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Band I, 1990, N. 1.5 zu Art. 37 OG). Daran ändert nichts, dass § 277 ZPO/AG den Parteien eine Frist von 10 Tagen seit Zustellung des Dispositivs einräumt, um eine begründete Ausfertigung des Urteils zu verlangen. Ein Entscheid ist jedoch nur dann wegen Willkür aufzuheben, wenn er nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis unhaltbar ist (BGE 127 I 54 E. 2b S. 56; 128 I 81 E. 2 S. 86). Davon kann hier freilich keine Rede sein: 
2.2 Kommt ein Ehegatte seiner familienrechtlichen Unterhaltspflicht nicht nach, so kann sein Schuldner vom Richter gestützt auf Art. 177 ZGB angewiesen werden, seine Zahlungen ganz oder teilweise dem andern Ehegatten zu leisten. Bei der Anweisung handelt es sich um eine einschneidende Massnahme, die nicht leichtfertig angeordnet werden darf. Sie erweist sich namentlich dann als unverhältnismässig, wenn nur ausnahmsweise ein Unterhaltsbeitrag ganz oder teilweise ausbleibt oder sich verzögert und darin kein Indiz für künftige Wiederholungen erblickt werden kann (statt vieler: Hausheer/Reusser/Geiser, Berner Kommentar, N. 8 zu Art. 177 ZGB). Laut den nicht als willkürlich beanstandeten Feststellungen des Obergerichts hat der Beschwerdegegner die Differenz zwischen den geleisteten und den richterlich festgesetzten Beiträgen für die Monate Mai und Juni 2002 nicht geleistet. Dem angefochtenen Entscheid lassen sich überdies keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass auch danach Unterhaltszahlungen gänzlich unterblieben oder nur in reduziertem Umfang geleistet worden sind. Dem Obergericht kann unter den gegebenen Umständen nicht vorgeworfen werden, es habe aufgrund der summarischen Prüfung und Würdigung des aktenkundigen Sach- und Streitstandes im Zeitpunkt des Eintrittes des Erledigungsgrundes (vgl. dazu: Addor, Die Gegenstandslosigkeit des Rechtsstreits, Bern 1997, S. 225) im Ergebnis einen willkürlichen Kostenentscheid gefällt. 
3. 
Damit ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Sie schuldet der Gegenpartei für das bundesgerichtliche Verfahren keine Entschädigung, da keine Vernehmlassung eingeholt worden ist. 
4. 
Da sich die Beschwerde nach den Erwägungen nicht als von Anfang an aussichtslos erwiesen hat und die Beschwerdeführerin nachgewiesen als bedürftig gilt, ist dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege zu entsprechen. Der Beschwerdeführerin wird ein Rechtsanwalt beigeordnet, welcher für seine Bemühungen im bundesgerichtlichen Verfahren aus der Bundesgerichtskasse zu entschädigen ist. Die auf die Beschwerdeführerin entfallende Gerichtsgebühr ist einstweilen auf die Bundesgerichtskasse zu nehmen (Art. 152 Abs. 1 und 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen. Der Beschwerdeführerin wird Fürsprecher Dr. Andreas Edelmann, Bahnhofstrasse 1, Postfach 31, 5330 Zurzach, als Rechtsbeistand beigeordnet. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt, einstweilen aber auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
4. 
Fürsprecher Dr. Andreas Edelmann wird für das bundesgerichtliche Verfahren ein Honorar von Fr. 1'500.-- aus der Bundesgerichtskasse entrichtet. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, 5. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 12. Dezember 2003 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: