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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
2C_248/2015; 2C_249/2015  
   
   
 
 
 
Urteil vom 2. Oktober 2015  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, Präsident, 
Bundesrichter Seiler, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichter Haag, 
Gerichtsschreiber Wyssmann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Herren Thomas Jaussi und Markus Pfirter, JP Steuer AG, 
 
gegen  
 
Kantonales Steueramt Solothurn. 
 
Gegenstand 
Staatssteuer 2011 (Verfahren 2C_248/2015) 
direkte Bundessteuer 2011 (Verfahren 2C_249/2015), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonalen Steuergerichts Solothurn vom 12. Januar 2015. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der Steuerpflichtige, A.________, diplomierter Treuhänder, gründete im Jahr 2006 seine Einzelfirma "A.________ Buchhaltungen und Steuern" in U.________/SO. Er blieb aber teilzeitlich (80 %) bei der X.________ AG in V.________ erwerbstätig. 
Auf den 1. März 2011 gab er die unselbständige Teilzeittätigkeit auf und war ausschliesslich Selbständigerwerbender. Im gleichen Jahr liess er sich von der Vorsorgeeinrichtung Basler Leben AG infolge Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit das Vorsorgekapital (2. Säule) von Fr. 78'637.65 auszahlen. Das Steueramt des Kantons Solothurn erfasste diese Auszahlung als Kapitalleistung aus Vorsorge mit der Sondersteuer zum reduzierten Satz. Diese Veranlagung ist rechtskräftig (Veranlagungsverfügung vom 24. Oktober 2011). 
Am 10. Juni 2013 erfolgte die definitive Veranlagung für die direkte Bundessteuer und die Staatssteuern 2011 (Ermessensveranlagung). 
Mit "berichtigter definitiver Veranlagung 2011" vom 27. Mai 2014 erfasste die Veranlagungsbehörde Dorneck/Thierstein die Kapitalzahlung aus der 2. Säule von Fr. 78'638.-- nebst den übrigen Einkünften zum ordentlichen Satz. In der Begründung wies sie darauf hin, anhand der nachgereichten Steuererklärung 2011 sei festgestellt worden, dass das Vorsorgekapital zur Bestreitung der privaten Lebenshaltungskosten, Äufnung des privaten Vermögens sowie Rückzahlung von privaten Schulden verwendet worden sei. Ein Nachweis für die Investition der Kapitalzahlung in den Betrieb des Selbständigerwerbenden sei nicht erbracht worden. Da kein Barauszahlungsgrund vorliege, sei die Kapitalzahlung zusammen mit dem übrigen Einkommen zum Normalsatz zu besteuern. 
 
B.   
Beschwerde und Rekurs des Steuerpflichtigen gegen die berichtigte definitive Veranlagung wies das Steuergericht des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 12. Januar 2015 ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt der Steuerpflichtige, das Urteil des Steuergerichts vom 12. Januar 2015 sowie die berichtigte definitive Veranlagung vom 27. Mai 2014 seien hinsichtlich der direkten Bundessteuer und der Staatssteuern des Kantons aufzuheben, und die Auszahlung des Vorsorgekapitals im Betrag von Fr. 78'637.65 sei in der Steuerperiode 2011 getrennt vom übrigen Einkommen zum ermässigten Satz zu besteuern. 
Steueramt und Steuergericht des Kantons Solothurn sowie Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) beantragen Abweisung der Beschwerde (soweit darauf einzutreten ist). Der Beschwerdeführer hält replicando an den gestellten Begehren fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die vorliegende Sache betrifft sowohl die direkte Bundessteuer wie auch die Staatssteuern des Kantons. Die Vorinstanz hat die beiden Steuern in einem einzigen Urteil behandelt. Das Bundesgericht eröffnet grundsätzlich zwei Verfahren, wenn die kantonalen Steuern und die direkte Bundessteuer streitig sind, es behält sich aber vor, die beiden Verfahren zu vereinigen (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 24 BZP; vgl. BGE 135 II 260 E. 1.3.2 S. 264 f.; 131 II 553 E. 4.2). Das rechtfertigt sich auch hier. Es geht um den gleichen Sachverhalt und die gleichen Rechtsfragen in einem durch das Steuerharmonisierungsgesetz harmonisierten Bereich (vgl. nachfolgende E. 8).  
 
1.2. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wurde unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42 BGG) eingereicht und richtet sich gegen einen Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten, oberen kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 und 2 BGG) in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG i.V.m. Art. 146 DBG [SR 642.11]). Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Urteil besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde, die auch den übrigen formellen Anforderungen genügt, ist einzutreten.  
 
1.3. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und 96 BGG geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde vorgebrachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 139 II 404 E. 3 S. 415). Trotz Rechtsanwendung von Amtes wegen prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen (Urteil 2C_309/2013, 2C_310/2013 vom 18. September 2013 E. 1.5, in: StE 2013 B 72.14.2 Nr. 42). Was die Anwendung des harmonisierten kantonalen Steuerrechts durch die kantonalen Instanzen betrifft, prüft das Bundesgericht diese gleich wie Bundesrecht mit freier Kognition. In den Bereichen, in denen das Steuerharmonisierungsgesetz den Kantonen einen gewissen Gestaltungsspielraum belässt oder keine Anwendung findet, beschränkt sich die Kognition des Bundesgerichts auf Willkür (BGE 134 II 207 E. 2 S. 210; 130 II 202 E. 3.1 S. 205 f.; Urteil 2C_95/2013, 2C_96/2013 vom 21. August 2013 E. 1.6, in: StE 2013 B 22.2 Nr. 28, StR 68/2013 S. 810).  
 
1.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), sofern die diesbezüglichen Feststellungen nicht offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 105 Abs. 2 BGG). Vorliegend wird der Sachverhalt, wie er im Entscheid des Steuergerichts festgehalten worden ist, vom Beschwerdeführer ausdrücklich anerkannt.  
 
I. Direkte Bundessteuer  
 
2.   
Streitig ist, ob die Barauszahlung des Vorsorgekapitals der 2. Säule im Betrag von Fr. 78'637.65 gestützt auf Art. 22 und 38 DBG als Kapitalleistung aus Vorsorge im Rahmen der Sondersteuer vom übrigen Einkommen getrennt, das heisst mit einer vollen Jahressteuer zu einem reduzierten Satz, oder im Rahmen der ordentlichen Veranlagung zu erfassen ist. 
Das Steueramt des Kantons Solothurn veranlagte die Kapitalleistung zunächst mit der Sondersteuer (Sondersteuerveranlagung vom 24. Oktober 2011). Mit "berichtigter [ordentlicher] Veranlagung" vom 27. Mai 2014 erfasste es die Kapitalleistung im Rahmen der ordentlichen Veranlagung 2011 (unter Vorbehalt der Korrektur der Sondersteuerveranlagung nach Eintritt der Rechtskraft der ordentlichen Veranlagung). Im Zeitpunkt der ordentlichen Veranlagung war indes die Sondersteuerveranlagung bereits in Rechtskraft erwachsen. Eine Korrektur dieser Veranlagung zu Ungunsten des Steuerpflichtigen ist nur im Rahmen eines Nachsteuerverfahrens (Art. 151 ff. DBG) möglich (Urteil 2C_200/2014 vom 4. Juni 2015 E. 2.4). Die Einleitung eines Nachsteuerverfahrens setzt voraus, dass aufgrund von Tatsachen oder Beweismitteln, die der Steuerbehörde nicht bekannt waren, eine Veranlagung zu Unrecht unterblieben oder unvollständig ist (Art. 151 Abs. 1 DBG). Soweit der Steuerpflichtige Einkommen, Vermögen, Reingewinn in seiner Steuererklärung vollständig und genau angegeben sowie das Eigenkapital zutreffend ausgewiesen und die Steuerbehörde die Bewertung anerkannt hat, ist die Erhebung einer Nachsteuer ausgeschlossen (Art. 151 Abs. 3 DBG); ein Irrtum der Steuerverwaltung oder eine falsche Rechtsanwendung geben nicht Anlass zu einer Nachbesteuerung (Vallender/Looser, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/2b, 2. Aufl. 2008, N. 16 zu Art. 151 DBG). Die Einleitung des Nachsteuerverfahrens ist dem Steuerpflichtigen zudem schriftlich mitzuteilen (Art. 153 Abs. 1 DBG). 
Ob die Voraussetzungen für die Einleitung eines Nachsteuerverfahrens vorliegend erfüllt sind, müsste geprüft werden. Die Frage kann offen bleiben, wenn sich ergibt, dass die Erfassung der Kapitalzahlung mit der Sondersteuer zu Recht erfolgte. 
 
3.  
 
3.1. Art. 22 DBG regelt die steuerliche Behandlung der "Einkünfte aus Vorsorge" (vgl. Abschnittstitel vor Art. 22 DBG). Steuerbar sind nach Absatz 1 "alle Einkünfte (...) aus Einrichtungen der beruflichen Vorsorge und aus anerkannten Formen der gebundenen Selbstvorsorge, mit Einschluss der Kapitalabfindungen und Rückzahlungen von Einlagen, Prämien und Beiträgen". Dazu gehören namentlich auch die Einkünfte aus der beruflichen Vorsorge (2. Säule).  
 
3.2. Werden Leistungen aus Vorsorge (Art. 22 DBG) als Kapitalleistungen ausbezahlt, findet Art. 38 DBG Anwendung. Gemäss Art. 38 Abs. 1 DBG werden solche Kapitalleistungen (sowie Zahlungen bei Tod oder für bleibende körperliche oder gesundheitliche Nachteile) gesondert besteuert und unterliegen stets einer vollen Jahressteuer. Es handelt sich um eine besonders privilegierte Besteuerung, da die Steuer lediglich zu einem Fünftel des Tarifs nach Art. 36 DBG berechnet wird (Abs. 2) und überdies die Kapitalleistungen getrennt vom übrigen Einkommen besteuert werden (Sondersteuer), womit die Progressionswirkung durch das übrige Einkommen entfällt.  
 
3.3. Die Sonderbesteuerung nach Art. 38 DBG kommt auch dann zur Anwendung, wenn die Kapitalleistung aus der 2. Säule im Rahmen der Wohneigentumsförderung zum Erwerb von Wohneigentum verwendet wird (vgl. Peter Locher, Kommentar zum DBG, I. Teil, 2001, N. 6 zu Art. 38 DBG mit Hinweisen zur Rechtsprechung) oder als Freizügigkeitsleistung im Hinblick auf die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit ausbezahlt wird (Gladys Laffely Maillard, in: Commentaire romand, Impôt fédéral direct, 2008, N. 5 zu Art. 38 DBG). Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung, dass ein Barauszahlungsgrund nach den massgebenden sozialversicherungsrechtlichen Erlassen erfüllt ist. Die Vorsorgeeinrichtungen sind nicht mit Verfügungsbefugnis ausgestattet (Scartazzini/Hürzeler, Bundessozialversicherungsrecht, 4. Aufl. 2012, § 15 Rz. 140 S. 332). Im Zweifelsfall ist deshalb durch die Steuerbehörden vorfrageweise zu prüfen, ob ein Barauszahlungsgrund vorliegt (Urteil 2C_156/2010 vom 7. Juni 2011 E. 3.3, in: ASA 81 S. 379; StE 2011 B 26.13 Nr. 27, StR 66/2011 S. 856; SVR 2012 BVG Nr. 6 S. 23).  
 
3.4. Das Bundesgericht befasste sich in zwei Urteilen mit der Frage, ob ein Barauszahlungsgrund als Voraussetzung für die Besteuerung nach Art. 38 DBG vorlag:  
 
3.4.1. Im Urteil 2C_156/2010 vom 7. Juni 2011 (vorerwähnt) war über eine Barauszahlung (Kapitalleistungen) aus beruflicher Vorsorge infolge Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit (Art. 5 Abs. 1 lit. b FZG [SR 831.42]) zu befinden. Das Bundesgericht erwog, von Verfassungs wegen soll die berufliche Vorsorge zusammen mit der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) und der schweizerischen Invalidenversicherung (IV) die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise ermöglichen (Art. 113 Abs. 2 lit. a BV). Um dem Verfassungsauftrag Nachachtung zu verschaffen, sei Art. 38 DBG auf die in Gesetz und Verordnung umschriebenen Fälle zu beschränken. Nicht der Vorsorge dienten Barauszahlungen, wenn von Anfang an ein Barauszahlungsgrund nicht vorliege oder wenn die Barauszahlung nicht zweckentsprechend verwendet werde. Im konkreten Fall verneinte das Bundesgericht die Anwendung von Art. 38 DBG auf die Kapitalleistung, da der Steuerpflichtige eine selbständige Erwerbstätigkeit gar nicht aufgenommen hatte.  
 
3.4.2. Im Urteil 2C_325/2014, 2C_326/2014 vom 29. Januar 2015 (nicht publ.) ging es um einen Vorbezug von Leistungen aus beruflicher Vorsorge im Rahmen der Wohneigentumsförderung (Art. 30c BVG [SR 831.40]). Art. 1 - 4 der Verordnung vom 3. Oktober 1994 über die Wohneigentumsförderung mit Mitteln der beruflichen Vorsorge (WEFV; SR 831.411) regeln im Einzelnen die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit Mittel der beruflichen Vorsorge für die Wohneigentumsförderung verwendet werden dürfen. Erlaubt ist der Erwerb und die Erstellung von Wohneigentum, die Beteiligung an solchem sowie die Rückzahlung von Hypothekardarlehen. Im beurteilten Fall verwendeten die Beschwerdeführer die aus der Vorsorgeeinrichtung bezogene Kapitalleistung zur Rückzahlung eines Hypothekardarlehens, was nach der Verordnung einen zulässigen Vorbezugsgrund darstellte (Art. 30 c Abs. 1 BVG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 lit. c WEFV). Sie erhöhten aber im gleichen Jahr eine andere Hypothek, womit sie wirtschaftlich das gleiche Ergebnis erzielten, wie wenn sie von Anfang an über die Barauszahlung frei verfügt hätten. In diesem Fall kam Art. 38 DBG ebenfalls nicht zur Anwendung.  
 
4.  
 
4.1. Das kantonale Steuergericht hat im angefochtenen Entscheid bejaht, dass der Beschwerdeführer eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnahm und befugt war, aus diesem Grund das Vorsorgegeld aus der 2. Säule zu beziehen. Dies selbst dann, wenn die Einzelfirma seit 2006 bestand. Allerdings habe der Beschwerdeführer die BVG-Gelder nicht in die selbständige Erwerbstätigkeit investiert, sondern diese für Lebenshaltung und Schuldentilgung verwendet. Das schliesse die steuerliche Privilegierung gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung aus. Diesen Ausführungen pflichtet die kantonale Steuerverwaltung bei.  
 
4.2. Die ESTV macht geltend, gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sei die steuerliche Privilegierung durch Art. 38 DBG auf die in Gesetz und Verordnung umschriebenen Fälle zu beschränken. Nicht der Vorsorge dienten Barauszahlungen (Kapitalleistungen), wenn ein Barauszahlungsgrund von Anfang an nicht gegeben sei oder wenn die Barauszahlung zweckentfremdet verwendet werde. Das gelte namentlich für den Barauszahlungsgrund der "Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit" (Art. 5 Abs. 1 lit. b FZG). Die Ansicht des Beschwerdeführers, wonach aus Sicht der beruflichen Vorsorge die Mittelverwendung nicht relevant sei, widerspreche der Auffassung, die in Rechtsprechung und Doktrin sowie in der Botschaft des Bundesrates vom 26. Februar 1992 zu einem Bundesgesetz über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen und Invalidenversicherung (BBl 1992 III S. 576 Ziff. 632.4) zum Ausdruck komme.  
 
4.3. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass hier kein Missbrauchsfall im Sinne einer "Scheinselbständigkeit" vorliege, sondern er tatsächlich eine selbständige Erwerbstätigkeit aufgenommen habe. Das Obligatorium in Bezug auf die Säule 2 bei unselbständiger Erwerbstätigkeit sei damit erloschen und es seien sämtliche Voraussetzungen von Art. 5 Abs.1 lit. b FZG für eine Barauszahlung infolge Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit erfüllt. Dieser Barauszahlungsgrund sei an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft: Weder Art. 5 Abs. 1 lit. b FZG noch Art. 22 DBG würden sich zu Mittelverwendung in Bezug auf die steuerbaren Leistungen aus der beruflichen Vorsorge äussern. Das sei schon deshalb nicht der Fall, weil Einkünfte aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit keiner obligatorischen Vorsorge unterlägen. Das Bundesgericht habe in BGE 139 V 367 E. 2.2. S. 369 unmissverständlich festgehalten, die Barauszahlung setze (kumulativ) die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit und das Fehlen eines Versicherungsobligatoriums voraus. Darin liege der Grund für die Barauszahlung. Die ratio legis von Art. 5 Abs. 1 lit. b FZG könne daher nicht als zwingende Investition des Barbezugs in das Geschäftsvermögen verstanden werden. Nichts anderes folge aus der Botschaft.  
 
5.  
 
5.1. Übereinstimmung besteht zwischen den Parteien darin, dass die Verweisung in Art. 38 DBG auf Art. 22 DBG nicht so verstanden werden kann, dass auch eine von vornherein rechtswidrig bezogene Kapitalleistung aus einer Vorsorgeeinrichtung steuerlich privilegiert behandelt werden muss (erwähntes Urteil 2C_156/2010 vom 7. Juni 2011). Es ist auch unbestritten, dass der Beschwerdeführer seine unselbständige Erwerbstätigkeit vollständig aufgegeben hat und ein selbständiger Haupterwerb vorliegt. Mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses endete somit das Obligatorium in der 2. Säule und ist der Beschwerdeführer nicht mehr obligatorisch versichert (Art. 10 Abs. 2 lit. b BVG; vgl. Scartazzini/Hürzeler, Bundessozialversicherungsrecht, 4. Aufl. 2012, § 15 Rz. 51 S. 284).  
 
5.2. Mit der Beendigung des Vorsorgeverhältnisses in der 2. Säule stellt sich die Frage der Mittelverwendung. Das Freizügigkeitsgesetz verwirklicht den Grundsatz, dass die Austrittsleistung der Erhaltung des Vorsorgeschutzes dienen soll und deshalb in der Regel an die neue Vorsorgeeinrichtung überwiesen werden muss (Art. 3 Abs. 1 FZG) oder in einer anderen zulässigen Form als Freizügigkeitspolice oder -konto erhalten bleiben soll (Art. 10 der Verordnung vom 3. Oktober 1994 über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen und Invalidenvorsorge, FZV; SR 831.425; vgl. Scartazzini/ Hürzeler, a.a.O., § 15 Rz. 92 S. 307, auch im Folgenden). Nur unter ganz besonderen Umständen ist eine Barauszahlung der Freizügigkeitsleistung zulässig. Diese Barauszahlungsgründe sind in Art. 5 FZG abschliessend geregelt. Ein Barauszahlungsgrund liegt gemäss Art. 5 Abs. 1 FZG vor, wenn die versicherte Person die Schweiz endgültig verlässt (lit. a), eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnimmt und der obligatorischen Vorsorge nicht mehr untersteht (lit. b) oder die Auszahlung weniger als ihr Jahresbeitrag beträgt (lit. c).  
 
5.3. Art. 5 Abs. 1 lit. b FZG stellt somit für die Barauszahlung das zweifache Erfordernis auf, dass die versicherte Person eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnimmt und der obligatorischen Vorsorge nicht mehr untersteht. Demgegenüber wollen die Vorinstanz, die kantonale und die Eidgenössische Steuerverwaltung die steuerliche Anerkennung der Barauszahlung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. b FZG zusätzlich davon abhängig machen, dass der Beschwerdeführer diese ins Geschäftsvermögen investiert. Sie berufen sich hierfür auf die "ratio legis" von Art. 5 Abs. 1 lit. b FZG und die Rechtsprechung des Bundesgerichts im erwähnten Urteil 2C_156/2010 vom 7. Juni 2011.  
 
5.4. Wie das Bundesgericht bereits in BGE 139 V 367 festgehalten hat, ist der Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 lit. b FZG klar. Die Barauszahlung setzt (kumulativ) die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit und das Fehlen eines Versicherungsobligatoriums voraus. Es sind keine Gründe ersichtlich, vom Wortlaut des Gesetzes abzuweichen. Ratio legis von Art. 5 Abs. 1 lit. b FZG ist die finanzielle Unterstützung beim Aufbau einer Unternehmung; dies als Ausnahme vom Grundsatz, dass das Vorsorgeguthaben als Altersvorsorge erhalten bleiben soll. Dabei ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass der Aufbau einer selbständigen Existenz als Grundlage für eine ausreichende Altersvorsorge durch Selbstvorsorge dient, weshalb der Versicherte keiner beruflichen Vorsorge mehr bedarf (BGE 139 V 367 E. 2.2 mit Hinweisen).  
 
5.5. Eine rechtliche Verpflichtung zur Investition des freigewordenen Vorsorgegeldes in das Geschäftsvermögen lässt sich daraus aber nicht ableiten. Eine solche Bindung würde sich namentlich dann als unzweckmässig erweisen, wenn die Freizügigkeitsleistung als Kompensation für das weggefallene Arbeitseinkommen vorerst für den Lebensunterhalt herangezogen werden muss oder wenn die selbständige Erwerbstätigkeit nur auf wenige Betriebsmittel angewiesen ist. Der Gesetzgeber geht zudem davon aus, dass die selbständig erwerbende Person für die Erhaltung ihres Vorsorgeschutzes selbst verantwortlich ist.  
Wenn daher der Bundesrat in der Botschaft (a.a.O.) ausführte, dass die Barauszahlung der versicherten Person die Möglichkeit eröffnet, das Vorsorgegeld als Startkapital für die selbständige Erwerbstätigkeit zu benutzen ("possibilité d'utiliser les fonds de prévoyance comme capital de départ", FF 1992 III 573), kann daraus nicht abgeleitet werden, dass die Barauszahlung weiterhin in bestimmter Form der Vorsorge verhaftet bleiben muss. Das würde implizit auf ein teilweises Obligatorium für Selbständigerwerbende in der 2. Säule hinauslaufen. Selbständigerwerbende sind aber von Verfassungs und Gesetzes wegen dem Obligatorium der beruflichen Vorsorge nicht unterstellt (Art. 113 Abs. 2 lit. d BV; BGE 134 V 170 E. 3.1). 
 
5.6. Wenn daher die Vorinstanz vom Beschwerdeführer verlangt, dass er die Freizügigkeitsleistung entweder in der beruflichen Vorsorge belässt oder in die selbständige Erwerbstätigkeit investiert, besteht hierfür keine gesetzliche Grundlage. Das verletzt Bundesrecht.  
 
6.   
Im Übrigen ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer eine selbständige Erwerbstätigkeit aufgenommen und, allerdings zeitversetzt, auch die unselbständige Erwerbstätigkeit aufgegeben hat. Der Barauszahlungsgrund nach Art. 5 Abs. 1 lit. b FZG ist damit erfüllt (s. auch Bundesamt für Sozialversicherungen BSV, Mitteilungen über die berufliche Vorsorge Nr. 118 vom 2. Juni 2010, Ziff. 744). Die Besteuerung der Freizügigkeitsleistung nach Art. 38 DBG (Sonderveranlagung) erweist sich als rechtmässig. 
Die Beschwerde ist hinsichtlich der direkten Bundessteuer begründet und der angefochtene Entscheid des kantonalen Steuergerichts aufzuheben. Die Veranlagungsbehörde wird ihre Verfügung betreffend die ordentliche Veranlagung für die direkte Bundessteuer 2011 berichtigen müssen, indem sie die Kapitalauszahlung nicht mit der ordentlichen Veranlagung erfasst. 
 
II. Staatssteuer  
 
7.   
Art. 22 Abs. 1 DBG über die Besteuerung von Einkünften aus Einrichtungen der beruflichen Vorsorge sowie Art. 38 Abs. 1 DBG betreffend Sondersteuer stimmen inhaltlich mit Art. 7 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 3 StHG sowie mit § 30 Abs. 1 und § 47 des (solothurnischen) Gesetzes vom 1. Dezember 1985 über die Staats- und Gemeindesteuern (StG) überein und sind harmonisiert. Die Beschwerde ist daher auch hinsichtlich der Staatssteuer gutzuheissen, der angefochtene Entscheid des kantonalen Steuergerichts ist aufzuheben und die Veranlagungsbehörde anzuweisen, ihre Verfügung betreffend die ordentliche Veranlagungen für die Staatssteuer 2011 zu berichtigen. 
 
8.   
Als unterliegende Partei hat der Kanton Solothurn die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dieser hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 68 BGG). Über die Kosten- und Entschädigungsfolgen hat die Vorinstanz entsprechend dem Ausgang des Verfahrens neu zu befinden. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird hinsichtlich der direkten Bundessteuer 2011 gutgeheissen, der angefochtene Entscheid des Steuergerichts des Kantons Solothurn vom 12. Januar 2015 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Veranlagung im Sinne der Erwägungen an die Veranlagungsbehörde Dorneck-Thierstein zurückgewiesen. 
 
2.  
Die Beschwerde wird hinsichtlich der Staatssteuer 2011 gutgeheissen, der angefochtene Entscheid des Steuergerichts des Kantons Solothurn vom 12. Januar 2015 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Veranlagung im Sinne der Erwägungen an die Veranlagungsbehörde Dorneck-Thierstein zurückgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden dem Kanton Solothurn auferlegt. 
 
4.  
Der Kanton Solothurn hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen. 
 
5.  
Über die Kosten- und Entschädigungsfolgen im kantonalen Verfahren hat das Steuergericht des Kantons Solothurn neu zu entscheiden. 
 
6.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten sowie dem Kantonalen Steueramt Solothurn und dem Kantonalen Steuergericht Solothurn schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 2. Oktober 2015 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Zünd 
 
Der Gerichtsschreiber: Wyssmann