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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_432/2020  
 
 
Urteil vom 9. Oktober 2020  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, Präsident, 
Bundesrichterin Jametti, 
Bundesrichter Merz, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Theodor G. Seitz, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Kantonspolizei Zürich, 
Gewaltschutz, Postfach, 8021 Zürich 1, 
Bezirksgericht Zürich, 9. Abteilung, Badenerstrasse 90, 8004 Zürich. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Einsicht in das psychiatrische Gutachten, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 31. Juli 2020 (UH200173). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Am 6. September 2019 erhob die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich beim Bezirksgericht Zürich Anklage gegen A.________ wegen Betäubungsmitteldelikten etc. 
 
Am 25. Mai 2020 ersuchte die Präventionsabteilung Gewaltschutz der Kantonspolizei Zürich das Bezirksgericht Zürich im Rahmen des polizeipräventiven Bedrohungsmanagements um Einsicht in ein in den Strafakten liegendes psychiatrisches Gutachten über A.________. Zur Begründung führte sie an, dieser habe die private Adresse eines Staatsanwaltes ausfindig gemacht und vor dessen Haustüre Schriftstücke deponiert. Zudem habe er einen weiteren Staatsanwalt auf dessen privatem Mobiltelefon kontaktiert. 
 
Am 28. Mai 2020 hiess das Bezirksgericht Zürich das Akteneinsichtsgesuch gut. 
 
Am 31. Juli 2020 wies das Obergericht des Kantons Zürich die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde ab. 
 
B.   
Mit Beschwerde vom 21. August 2020 beantragt A.________, diesen Entscheid des Obergerichts aufzuheben und das Akteneinsichtsgesuch abzuweisen. Er ersucht zudem um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung sowie sinngemäss, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung beizulegen. 
 
C.   
Das Obergericht verzichtet auf Vernehmlassung. Die Präventionsabteilung Gewaltschutz widersetzt sich dem Gesuch um aufschiebende Wirkung und beantragt, die Beschwerde abzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit dem angefochtenen Entscheid hat das Obergericht gestützt auf Art. 101 Abs. 2 StPO die Verfügung vom 28. Mai 2020 geschützt, mit der das Bezirksgericht das Gesuch der Präventionsabteilung Gewaltschutz um Einsicht in die Akten des hängigen Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer guthiess. Es handelt sich somit um einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid in einer Strafsache, gegen den die Beschwerde in Strafsachen zulässig ist (Art. 78 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer ist durch Gewährung der Akteneinsicht in das psychiatrische Gutachten über ihn in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen und damit zur Beschwerde befugt (Art. 81 Abs. 1 BGG). Er macht die Verletzung von Bundesrecht geltend, was zulässig ist (Art. 95 lit. a BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde einzutreten ist. 
 
2.   
Gemäss Art. 101 Abs. 2 StPO können andere Behörden die Akten eines hängigen Strafverfahrens einsehen, wenn sie diese für die Bearbeitung hängiger Zivil-, Straf- oder Verwaltungsverfahren benötigen und der Einsichtnahme keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen. 
 
2.1. Nach § 3 des Zürcher Polizeigesetzes vom 23. April 2007 (PolG; SR/ZH 550.1) trägt die Polizei durch Information, Beratung, sichtbare Präsenz und andere Massnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei (Abs. 1). Sie trifft insbesondere Massnahmen zur Verhinderung und Erkennung von Straftaten (Abs. 2 lit. a) und zur Abwehr von unmittelbar drohenden Gefahren für Menschen, Tiere, Umwelt und Gegenstände sowie zur Beseitigung entsprechender Störungen (Abs. 2 lit. c). Der Beschwerdeführer bestreitet zu Recht nicht, dass die Präventionsabteilung Gewaltschutz gestützt auf diese gesetzliche Grundlage befugt ist, Abklärungen zu treffen, wenn sie Hinweise dafür hat, dass eine Person Gewalttaten vorbereitet, solche verüben oder damit drohen könnte. Weiter unbestritten ist, dass die Einsicht in das psychiatrische Gutachten grundsätzlich geeignet ist, das allenfalls vom Beschwerdeführer ausgehende Risiko, eine solche Straftat zu verüben, abzuschätzen. Dieser ist allerdings der Auffassung, die Einsichtnahme sei völlig unverhältnismässig und diene nur dazu, ihm grösstmöglich zu schaden, seine Verteidigung zu behindern und den aus verschiedenen "Polizei- und Staatsanwaltschaftskreisen" mehrfach unternommenen Versuch, ihn "psychiatrisch wegzusperren", in die Tat umzusetzen.  
 
2.2. In der Anklageschrift vom 6. September 2019 wird dem Beschwerdeführer neben Betäubungsmitteldelikten auch Drohung zu Lasten eines Polizeibeamten vorgeworfen, welchem er bei einer Kontrolle gesagt haben soll, er kenne auf der ganzen Welt Leute, weshalb die nächsten Ferien für ihn unangenehm würden. Weiter soll er verschiedene Waffen - u.a. eine Pistole und ein Gewehr mit Schalldämpfern, ein als Gehstock getarntes Gewehr, eine Maschinenpistole - in seinem Besitz gehabt haben, ohne über die erforderlichen Bewilligungen zu verfügen. Der Beschwerdeführer weist zudem eine ganze Reihe von Vorstrafen auf, u.a. eine Verurteilung vom 19. März 1996 wegen Gefährdung des Lebens, weil er mit einer Maschinenpistole bewaffnet zu seinem Kontrahenten fuhr, auf den er eifersüchtig war.  
 
Unmittelbarer Anlass zum Akteneinsichtsgesuch war insbesondere, dass der Beschwerdeführer die jedenfalls nicht ohne Weiteres öffentlich zugängliche Privatadresse eines Staatsanwaltes ausfindig machte und ihm durch das Ablegen von Schriftstücken vor der Haustüre auch zur Kenntnis brachte, dass ihm diese bekannt sei. Die Einschätzung des Obergerichts, dass dieses Vorgehen kaum etwas anderes als einen Druckversuch auf den Staatsanwalt darstellen kann, trifft offenkundig zu, und zwar unabhängig davon, ob das Deponieren dieser Schriftstücke vor der Haustür oder im Briefkasten als solches strafbar ist oder nicht. Vor dem Hintergrund der in der Anklageschrift geschilderten Tatvorwürfe, dem illegalen Besitz von getarnten und schallgedämpften Waffen und der erwähnten Vorstrafe wegen Gefährdung des Lebens erscheint der Druckversuch auf den Staatsanwalt als massiv und geeignet, diesen einzuschüchtern. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Präventionsabteilung Gewaltschutz dieses Vorgehen zum Anlass nahm, den Beschwerdeführer als potentiellen Gefährder zu überprüfen um im Sinne einer Risikobeurteilung abzuklären, ob weitere Druckversuche, Drohungen oder Gewalttaten gegen Strafverfolgungsbeamte und Gerichtsmitglieder zu erwarten sind. Für diese Risikobeurteilung ist das psychiatrische Gutachten über ihn offenkundig von wesentlicher Bedeutung. Das öffentliche Interesse, es der Präventionsabteilung Gewaltschutz zu diesem Zweck offenzulegen, überwiegt das entgegenstehende private Geheimhaltungsinteresse des Beschwerdeführers deutlich. Für seine These, die Präventionsabteilung Gewaltschutz wolle ihn mit Hilfe dieses Gutachtens "psychiatrisch wegsperren", gibt es keine Anhaltspunkte. Sie ist auch nicht plausibel, beantragt doch nicht einmal die Staatsanwaltschaft im Strafverfahren gegen ihn, zu dessen Akten das Gutachten gehört, eine therapeutische Massnahme (Art. 56 ff. StGB), sondern einzig eine Freiheitsstrafe von 4 ½ Jahren. Inwiefern seine Verteidigung durch den Umstand behindert werden soll, dass die Präventionsabteilung Gewaltschutz vom Gutachten Kenntnis erhält, ist schlechterdings unerfindlich, ist diese doch am Strafverfahren gar nicht beteiligt. Die Gewährung der Akteneinsicht ist auch unter Verhältnismässigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. 
 
3.   
Die Beschwerde ist damit abzuweisen. Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 BGG). Er hat zwar ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gestellt, welches indessen abzuweisen ist, da die Beschwerde aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Kantonspolizei Zürich, dem Bezirksgericht Zürich, 9. Abteilung, und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 9. Oktober 2020 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi