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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
8C_23/2015  
   
   
 
 
 
Urteil vom 24. Juli 2015  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin, 
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine, 
Gerichtsschreiber Lanz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt David Husmann, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, 
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 12. November 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1962 geborene A.________ bezog gestützt auf die Verfügungen der IV-Stelle des Kantons Schwyz vom 7. Mai und 7. Oktober 2004 ab 1. September 2001 bei einem Invaliditätsgrad von 54 % eine halbe Invalidenrente. Im Rahmen eines Rentenrevisionsverfahrens holte die IV-Stelle des Kantons Aargau ein polydisziplinäres (Psychiatrie, Neurologie, Rheumatologie) Gutachten der Klinik B.________, vom 19. Juni 2013 ein. Mit Verfügung vom 24. Dezember 2013 stellte die IV-Stelle die Rente gestützt auf lit. a der Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 2011 des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket; nachfolgend: SchlBest IVG) auf den ersten Tag des zweiten der Verfügungszustellung folgenden Monats ein. 
 
B.   
A.________ erhob hiegegen Beschwerde. Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies die Parteien darauf hin, es werde die Frage prüfen, ob die ursprünglichen Rentenverfügungen zweifellos unrichtig gewesen seien und die Revisionsverfügung mit der substituierten Begründung der Wiedererwägung zu schützen sei. Die Parteien konnten sich dazu äussern. Mit Entscheid vom 12. November 2014 wies das Gericht die Beschwerde mit der erwähnten substituierten Begründung ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei die IV-Stelle zu verpflichten, die gesetzlichen Leistungen, namentlich eine halbe Rente der Invalidenversicherung ab 1. Februar 2014, zuzusprechen. 
 
Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Beschwerde, ohne sich weiter zur Sache zu äussern. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
D.   
In zwei weiteren Eingaben nimmt A.________ nochmals Stellung. Sie bezieht sich dabei namentlich auf das zwischenzeitlich ergangene Urteil des Bundesgerichts 9C_492/2014 vom 3. Juni 2015. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280; vgl. auch BGE 140 V 136 E. 1.1 S. 137 f.). 
 
 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob die seit 2001 ausgerichtete halbe Invalidenrente zu Recht eingestellt wurde. 
 
2.1. Das kantonale Gericht hat erwogen, ob die Rente im Sinne der Verwaltungsverfügung vom 24. Dezember 2013 gestützt auf lit. a SchlBest IVG eingestellt werden dürfe, könne offen bleiben. Denn die ursprüngliche Rentenzusprechung gemäss Verfügungen vom 7. Mai und 7. Oktober 2004 sei als zweifellos unrichtig zu betrachten. Eine korrekte Invaliditätsprüfung ergebe, dass die geklagten Beschwerden überwindbar seien und daher keine Invalidität bestehe. Demnach sei die Renteneinstellung mit der substituierten Begründung der Wiedererwägung zu bestätigen.  
 
 Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung erfüllt sind. 
 
2.2. Gemäss Art. 53 Abs. 2 ATSG kann der Versicherungsträger auf formell rechtskräftige Verfügungen oder - im vorliegenden Fall nicht interessierend - Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Wird die zweifellose Unrichtigkeit der ursprünglichen Rentenverfügung erst vom Gericht festgestellt, so kann es die im Revisionsverfahren verfügte Aufhebung der Rente mit dieser substituierten Begründung schützen (SVR 2014 IV Nr. 7 S. 27, 8C_33/2013 E. 4.1 mit Hinweis, nicht publ. in: BGE 140 V 8). Die Praxis der substituierten Begründung kommt auch im Zusammenhang mit einer - fehlgeschlagenen - Anwendung der SchlBest IVG zur Anwendung (SVR 2014 IV Nr. 39 S. 137, 9C_121/2014 E. 3.2.2; Urteil 9C_890/2014 vom 10. April 2015 E. 3.2). Voraussetzung einer Wiedererwägung ist, dass kein vernünftiger Zweifel an der Unrichtigkeit der Verfügung möglich, also nur dieser eine Schluss denkbar ist. Ob dies zutrifft, beurteilt sich nach der bei Erlass der Verfügung bestandenen Sach- und Rechtslage, einschliesslich der damaligen Rechtspraxis (BGE 140 V 77 E. 3.1 S. 79; 138 V 324 E. 3.3 S. 328; je mit Hinweisen). Um wiedererwägungsweise auf eine verfügte Leistung zurückkommen zu können, genügt es aber nicht, wenn ein einzelnes Anspruchselement rechtswidrig festgelegt wurde. Vielmehr hat sich die Leistungszusprache auch im Ergebnis als offensichtlich unrichtig zu erweisen (BGE 140 V 77 E. 3.1 S. 79 f. mit Hinweisen).  
 
2.2.1. Das kantonale Gericht hat erwogen, dass die Versicherte im Zeitpunkt der Rentenzusprechung auch in einer leidensangepassten Tätigkeit erheblich beeinträchtigt gewesen sei, lasse sich den damaligen Akten nicht verlässlich entnehmen.  
 
 Selbst wenn dies zuträfe, liesse sich eine Wiedererwägung aber nur rechtfertigen, wenn sich die Rentenzusprechung auch im Ergebnis als offensichtlich unrichtig erweist. 
 
2.2.2. Die Vorinstanz bejaht dies mit der Begründung, die geklagten Beschwerden seien im Sinne der Rechtsprechung gemäss BGE 130 V 352 (und seitherige Entscheide, u.a. BGE 139 V 547) überwindbar und daher nicht invalidisierend.  
 
 Der Leitentscheid BGE 130 V 352, auf dem die besagte Rechtsprechung namentlich beruht, ist am 12. März 2004 ergangen und im am 3. November 2004 erschienenen BGE-Heft publiziert worden. Es erscheint daher fraglich, ob die darin enthaltenen Grundsätze auf die Rentenverfügungen von Mai und Oktober 2004 als damalige Rechtspraxis Anwendung finden können. Das muss indessen nicht abschliessend beantwortet werden, da die Wiedererwägung schon aus den nachfolgend dargelegten Gründen unzulässig ist. 
 
2.2.3. Hervorzuheben ist, dass im polydisziplinären Gutachten der Klinik B.________ vom 19. Juni 2013 aus fachärztlicher Sicht von einer erheblichen gesundheitsbedingten Beeinträchtigung ausgegangen wird, welche sich seit der Rentenzusprechung nicht verändert habe. Ob sich daraus auch nach rein rechtlichen Gesichtspunkten eine rentenbegründende Invalidität ergibt, bedürfte näherer Betrachtung. Die fachärztliche Einschätzung steht aber jedenfalls der Annahme, die Rentenverfügungen seien offensichtlich unrichtig, klar entgegen. Das kantonale Gericht begründet seine abweichende Auffassung mit eigenen Wertungen und Ermessensbefunden zu Kriterien gemäss BGE 130 V 352. Diese Beurteilung ist - unabhängig von der Anwendbarkeit der besagten Rechtsprechung - nicht geeignet, die Rentenzusprechung als offensichtlich unrichtig erscheinen zu lassen. Die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung sind daher nicht erfüllt.  
 
2.3. Damit bleibt zu prüfen, ob sich die Einstellung der Rente, wie von der IV-Stelle verfügt, auf lit. a SchlBest IVG stützen lässt. Das kantonale Gericht hat diese Frage offen gelassen. Die Beschwerdeführerin verneint sie. Die Sache wird zur Beurteilung dieses Streitpunktes an die Vorinstanz zurückgewiesen.  
 
3.   
Bei diesem Verfahrensausgang ist die Beschwerdegegnerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1, Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 12. November 2014 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 24. Juli 2015 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Leuzinger 
 
Der Gerichtsschreiber: Lanz