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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
12T_4/2010 
 
Entscheid vom 2. August 2010 
Verwaltungskommission 
 
Besetzung 
Bundesrichter L. Meyer, Präsident, 
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Kolly, 
Generalsekretär Tschümperlin. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, vertreten durch Rechtsanwältin 
Heidi Koch-Amberg, 
Anzeiger, 
 
gegen 
 
Bundesverwaltungsgericht, 
angezeigtes Gericht. 
 
Gegenstand 
Aufsichtsanzeige (BGG); Nichtleisten des Kostenvorschusses, Rechtsverweigerung. 
 
Erwägungen: 
1. Das Bundesverwaltungsgericht hat am 8. April 2010 das Gesuch von X.________ um Fristverlängerung zur Bezahlung des Kostenvorschusses abgewiesen. Im gleichen Entscheid ist es in der Folge wegen Nichtleisten des Kostenvorschusses auf die Beschwerde gegen die Verfügung des Bundesamtes für Migration vom 3. Februar 2010 nicht eingetreten, mit welcher das Asylgesuch von X.________ abgewiesen und dieser aus der Schweiz weggewiesen wurde. 
X.________ hat beim Bundesgericht mit Eingabe vom 19. April 2010 Aufsichtsanzeige gegen das Urteil vom 8. April 2010 eingereicht. Der Anzeiger beschwert sich im Wesentlichen darüber, dass das Bundesverwaltungsgericht sein Gesuch um Erstreckung der Frist zur Bezahlung des Kostenvorschusses trotz Gerichtsferien und Ferienabwesenheit nicht erstreckt habe. Dies verletze rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze, sei willkürlich und begründe eine Rechtsverweigerung. 
Das Bundesverwaltungsgericht verzichtet in der Vernehmlassung vom 14. Juni 2010 auf eine Stellungnahme und beantragt, auf die Anzeige nicht einzutreten. Diese beanstande die Rechtsprechung in einem konkreten Einzelfall und berühre keine aufsichtsrechtlich relevanten Bereiche. 
2. Die Rechtsprechung ist von der Aufsicht des Bundesgerichts ausgenommen (Art. 2 Abs. 2 Aufsichtsreglement des Bundesgerichts; SR 173.110.132). Die Frage, ob ein Kostenvorschuss rechtzeitig geleistet worden ist oder ein Fristerstreckungsgesuch verlängert werden soll, sind typische Fragen der Rechtsanwendung, die der administrativen Aufsicht grundsätzlich entzogen sind. Vorbehalten ist, dass der Nichteintretensentscheid wegen Nichtleistung des Kostenvorschusses nicht in eine Rechtsverweigerung mündet, die auf organisatorische Mängel hinweist. Ob eine Rechtsverweigerung vorliegt, prüft das Bundesgericht als Aufsichtsbehörde nach den gleichen Grundsätzen, welche die Rechtsprechung im Rechtsmittelverfahren entwickelt hat (12T_1-3/2007, je E. 3). Als besondere Spielart der Rechtsverweigerung gilt dies auch für die Frage, ob der Zugang zum Gericht in rechtsgleicher Weise gewährleistet ist (12T_3/2008) und dieser nicht durch eine übertriebene Beurteilung der formellen oder finanziellen Voraussetzungen ungebührlich eingeschränkt wird. Dass auch Letzteres Prüfungsgegenstand der administrativen Aufsicht ist, ergibt sich schon daraus, dass dies beim Bundesgericht von der parlamentarischen Oberaufsichtsbehörde geprüft wird (Parlamentarische Oberaufsicht über die eidgenössischen Gerichte, Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 28. Juni 2002, BBl 2002 7630 ff., 7632; Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrollstelle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 11. März 2002, Zur Tragweite der parlamentarischen Oberaufsicht über die Gerichte - Positionen in der Rechtslehre, BBl 2002 7690 ff., 7706). Ob überhaupt Recht gesprochen wird, ist eben nicht nur eine Rechtsfrage, sondern auch eine Frage, ob der Geschäftsgang den Anforderungen entspricht und das Gericht seine Aufgabe wahrnimmt. Dem Bundesverwaltungsgericht kann somit nicht beigepflichtet werden, wenn es diese Fragen in jedem Fall allein der Rechtsprechung zuordnet. 
3. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Zwischenverfügung vom 17. März 2010 das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege mit einlässlicher Begründung wegen Aussichtslosigkeit abgewiesen und dem Anzeiger Frist gesetzt, bis zum 1. April 2010 einen Kostenvorschuss von Fr. 600.-- zu bezahlen mit der ausdrücklichen Anordnung, dass sonst auf die Beschwerde ohne Ansetzen einer Nachfrist nicht eingetreten werde. Dabei wies es darauf hin, dass bei einem weiteren Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege oder um Erlass des Kostenvorschusses oder dessen Reduktion, oder um Ratenzahlung oder um Fristverlängerung, das mit ungenügenden finanziellen Mitteln begründet werde, bei unveränderter Sachlage keine Nachfrist gewährt werde. Das Gericht hat damit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass allein eine geänderte Sachlage Grund für eine Änderung bezüglich der unentgeltlichen Rechtspflege, des Kostenvorschusses oder dessen Fristverlängerung bilden können. Namentlich ungenügende finanzielle Mittel könnten nicht als Grund berücksichtigt werden. 
 
3.1 Eine Zahlungsfrist von zehn Tagen oder etwas mehr mag als kurz betrachtet werden, ist jedoch nicht so kurz, dass dadurch der Zugang zum Gericht de facto ausgeschlossen und damit eine Rechtsverweigerung begangen würde, die als organisatorischer Mangel im Zahlungsablauf bzw. als Mangel im Geschäftsgang betrachtet werden kann. Zahlungsfristen von zehn Tagen für Kostenvorschüsse mit der Androhung des Nichteintretens kommen auch in anderen Rechtsgebieten vor, ohne dass diese vom Bundesgericht bisher als solche beanstandet worden wären (BGE 135 I 102 betreffend Art. 9 Abs. 2 VZG; 1P.400/1995 betreffend Beschwerde gegen eine strafrechtliche Einstellungsverfügung). In letzterem Fall hat das Bundesgericht zwar angemerkt, dass eine solche Frist knapp bemessen sei und auch ein aufmerksamer Gesuchsteller, der sich ohne Verzug um die Beschaffung der amtlichen Belege über seine finanziellen Verhältnisse kümmere, auf die volle Frist angewiesen sein könne. Als rechtsverweigernd kurz hat es sie nicht betrachtet. 
 
3.2 Im Übrigen besteht von Verfassungs wegen kein Anspruch auf Fristverlängerung (1C_330/2008 E. 3.2). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung wird allerdings vorausgesetzt, dass die Parteien über die Höhe des Kostenvorschusses, die Zahlungsfrist und die Folgen der Nichtleistung in angemessener Weise aufmerksam gemacht werden und die Kostenvorschusspflicht in einem Gesetz im formellen Sinn vorgesehen ist (BGE 133 V 402 E. 3.3 und 3.4; 105 Ia 105 E. 5; 96 I 521 E. 4). 
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Gemäss Art. 6 Asylgesetz richtet sich das Verfahren grundsätzlich nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz. Ein Anspruch auf Fristverlängerung besteht nach diesem Gesetz nicht (vgl. 1C_330/2008 E. 3.2 für den Fall der Fristwiederherstellung). Art. 22 Abs. 2 VwVG sieht nur vor, dass eine behördlich angesetzte Frist aus zureichenden Gründen erstreckt werden kann. Gemäss Art. 23 VwVG kann eine Behörde, die eine Frist ansetzt, gleichzeitig auch Säumnisfolgen androhen, die im Säumnisfall eintreten. Im Asylbereich gilt diesbezüglich kein Sonderrecht. Art. 17b Abs. 3 Asylgesetz sieht im Gegenteil ausdrücklich vor, dass das Bundesamt einen Gebührenvorschuss verlangen und zu dessen Leistung eine angemessene Frist unter Androhung des Nichteintretens ansetzen kann. Im Beschwerdeverfahren gilt nichts anderes. Das Bundesverwaltungsgericht konnte die Fristansetzung zur Leistung des Kostenvorschusses somit mit der Androhung verbinden, dass es bei dessen Nichtleistung oder nicht rechtzeitiger Leistung auf die Beschwerde nicht eintreten werde. 
 
3.3 Im konkreten Fall hat das Bundesverwaltungsgericht durch die Art und Weise der Fristansetzung weder eine Rechtsverweigerung begangen noch sonst rechtsstaatliche Verfahrensgarantien verletzt, die aufsichtsrechtlich relevant sein könnten. Es hat vielmehr in seiner Verfügung vom 17. März 2010 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass eine Fristverlängerung nur unter besonders strengen Voraussetzungen in Betracht kommen könne. Damit entspricht die Verfügung den Anforderungen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, die es genügen lässt, wenn die Verfügung zum Ausdruck bringt, dass eine nach Art. 22 VwVG angesetzte Frist voraussichtlich nicht verlängert oder zumindest nur schwerlich gewährt würde (2A.458/1999 E. 2). 
 
3.4 Was der Anzeiger dagegen vorbringt, ist nicht stichhaltig. Mit seinem Hinweis auf die Gerichtsferien übersieht er, dass die Bestimmung des VwVG über den Fristenstillstand gemäss Art. 17 Abs. 1 Asylgesetz im Asylverfahren keine Anwendung findet. Zudem gilt der Fristenstillstand gemäss Art. 22a VwVG - genau gleich wie nach Art. 46 BGG - ausdrücklich nur für nach Tagen bestimmte Fristen, nicht aber für Fristen, die wie hier am 1. April 2010 an einem festgelegten Datum ablaufen. Wenn das Bundesverwaltungsgericht bevorstehende Feiertage - zumal der Fristenstillstand über die Ostertage von Gesetzes wegen nicht gilt - und Ferienabwesenheiten, die erfahrungsgemäss einen gewissen Bezug zum ausgeschlossenen Fristenstillstand aufweisen, in Anbetracht der Besonderheiten des Asylverfahrens nicht als zureichende Gründe für eine Fristverlängerung anerkennt, so ist dies eine Frage der Rechtsanwendung, die der Aufsichtskompetenz des Bundesgerichts entzogen ist. Aus der Zwischenverfügung vom 17. März und dem Urteil vom 8. April 2010 ergibt sich nicht, dass das Bundesverwaltungsgericht im Asylverfahren generell keine Nachfristen zur Bewilligung der Bezahlung von Kostenvorschüssen bewilligt; es hat sie nur für bestimmte Gründe ausgeschlossen. Schliesslich stösst auch das Argument ins Leere, die Ablehnung des Gesuchs hätte während der laufenden Frist erfolgen müssen. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Anzeiger nach Erhalt des Fristerstreckungsgesuchs am 29. März, drei Tage vor Ablauf der Frist, unter Hinweis auf die angedrohte Folge des Nichteintretens nochmals ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass eine Nachfrist nur in besonders begründeten Ausnahmefällen erstreckt werden könne, die aufgrund der Akten und seiner Eingabe nicht ersichtlich seien. Es hat die Grundsätze eines fairen Verfahrens damit auch insoweit beachtet. Von einer Rechtsverweigerung kann keine Rede sein. 
 
3.5 Die Aufsichtsanzeige erweist sich damit als unbegründet; es ist ihr keine Folge zu geben. 
4. Das Aufsichtsverfahren ist - besondere Umstände vorbehalten, die hier nicht vorliegen - kostenlos (Art. 10 der Verordnung über Kosten und Entschädigungen im Verwaltungsverfahren; SR 172.041.0). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Der Aufsichtsanzeige wird keine Folge geleistet. 
 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben und keine Entschädigungen zugesprochen. 
 
3. 
Dieser Entscheid wird dem Bundesverwaltungsgericht schriftlich mitgeteilt. Dem Anzeiger wird eine Orientierungskopie zugestellt. 
 
Lausanne, 2. August 2010 
Im Namen der Verwaltungskommission 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Generalsekretär: 
 
Meyer Tschümperlin