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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_640/2022  
 
 
Urteil vom 28. März 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, Bovey 
Gerichtsschreiberin Conrad. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Orly Ben-Attia, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1. B.________, 
2. Obergericht des Kantons Schaffhausen, Frauengasse 17, 8200 Schaffhausen, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Zuteilung der Obhut, Zustimmung zum Wechsel des Aufenthaltsorts etc., 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 21. Juni 2022 (30/2022/17 und 30/2022/19). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________ und B.________ sind die nicht verheirateten Eltern von C.A.________ (geb. 2020). Sie üben die elterliche Sorge gemeinsam aus. Im Mai 2021 trennten sich die Eltern, woraufhin die Mutter mit dem Kind nach U.________ (Deutschland) zu ihrer Herkunftsfamilie zog. Auf Anordnung des Amtsgerichts Stuttgart vom 20. Juli 2021 führte sie das Kind in die Schweiz zurück.  
 
A.b. Am 27. August 2021 stellte A.________ bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde des Kantons Schaffhausen (KESB) ein Gesuch betreffend superprovisorische Massnahmen. Sie beantragte, es sei ihr zu bewilligen, ihren Wohnsitz und denjenigen von C.A.________ nach U.________/D zu verlegen. Des Weiteren seien die Kinderbelange zu regeln, namentlich sei ihr das alleinige Sorgerecht zu erteilen, das Besuchsrecht des Vaters sei auf unbestimmte Zeit zu sistieren, eventualiter sei ein begleitetes Besuchsrecht anzuordnen, und der Vater sei zu verpflichten, ihr an den Kindesunterhalt einen angemessenen Betrag zu bezahlen.  
 
A.c.  
 
A.c.a. Mit Beschluss vom 23. September 2021 errichtete die KESB für C.A.________ eine Beistandschaft, ordnete eine Sozialabklärung an, teilte A.________ für die Dauer des kindesschutzrechtlichen Abklärungsverfahrens einstweilen die Obhut über C.A.________ zu und regelte das Besuchsrecht von B.________ vorsorglich. Im Übrigen entzog sie einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung.  
 
A.c.b. Gegen diesen Beschluss erhoben sowohl B.________ (am 10. Oktober 2021) als auch A.________ (am 14. Oktober 2021) Beschwerde an das Obergericht des Kantons Schaffhausen, das die Verfahren mit Verfügung vom 23. November 2021 vereinigte und die Beschwerden mit Entscheid vom 21. Juni 2022 (OGE 30/2021/16, 30/2021/18 und 30/2021/20) als gegenstandslos abschrieb, soweit es darauf eintrat, das Gesuch von A.________ um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege abwies, A.________ zwei Drittel der Verfahrenskosten auferlegte und keine Parteientschädigungen zusprach.  
 
A.d.  
 
A.d.a. Mit Beschluss vom 7. Dezember 2021 verweigerte die KESB A.________ und C.A.________ bis zum Vorliegen des Berichts der Sozialabklärung einstweilen die Zustimmung für den Wegzug nach Deutschland. Sie merkte zudem vor, die Mutter habe sich während der Dauer des vorsorglichen Massnahmeverfahrens in der Schweiz aufzuhalten und für die Realisierung des Besuchsrechts des Vaters verfügbar zu sein. Im Übrigen erweiterte sie den Auftrag der Sozialabklärung und wies die Eltern darauf hin, aktiv an dieser mitzuwirken. Ferner genehmigte sie das Gesuch der Mutter um unentgeltliche Rechtspflege und ordnete ihr rückwirkend per 27. August 2021 ihre Rechtsvertreterin als unentgeltliche Rechtsbeiständin bei. Schliesslich entzog sie einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung.  
 
A.d.b. Diesen Entscheid focht A.________ am 27. Dezember 2021 beim Obergericht an, welches mit Entscheid vom 21. Juni 2022 (OGE 30/2021/26) die Beschwerde als gegenstandslos abschrieb, soweit es darauf eintrat, das Gesuch der Beschwerdeführerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das kantonale Rechtsmittelverfahren abwies, A.________ die Kosten auferlegte und keine Parteientschädigungen zusprach.  
 
A.e.  
 
A.e.a. Mit Beschluss vom 1. März 2022 teilte die KESB A.________ die alleinige Obhut für C.A.________ zu und erteilte die Zustimmung für den Wechsel des Aufenthaltsorts des Kindes. Weiter regelte sie das Besuchsrecht des Vaters und beantragte dem Jugendamt U.________ dessen Umsetzung und Organisation. Sodann hob sie die für das Kind errichtete Beistandschaft auf und entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung.  
In der Folge zog A.________ mit C.A.________ nach U.________/D. 
 
A.e.b. Gegen den Beschluss der KESB vom 1. März 2022 erhoben sowohl B.________ (am 4. April 2022) als auch A.________ (am 6. April 2022) Beschwerde an das Obergericht des Kantons Schaffhausen, das mit Entscheid vom 21. Juni 2022 (OGE 30/2022/17 und 30/2022/19) die Verfahren vereinigte (Dispositivziffer 1), auf die Beschwerden nicht eintrat (Dispositivziffer 2), das Gesuch von A.________ um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege abwies (Dispositivziffer 3), den Parteien die Gerichtskosten je zur Hälfte auferlegte und den Parteien keine Parteientschädigung zusprach (Dispositivziffer 4).  
 
B.  
 
B.a. Mit einer einzigen Eingabe vom 22. August 2022 (Postaufgabe: 23. August 2022) erhebt A.________ (Beschwerdeführerin) gegen alle drei am 21. Juni 2022 separat ergangenen Entscheide des Obergerichts Beschwerde beim Bundesgericht. Da sich die Anfechtungsobjekte unterscheiden, hat das Bundesgericht drei Verfahren eröffnet (5A_639/2022, 5A_640/2022 und 5A_641/2022).  
Vorliegend geht es um den Entscheid, mit welchem das Obergericht über die Beschwerde gegen den Entscheid der KESB vom 1. März 2022 befunden hat (OGE 30/2022/17 und 30/2022/19). Diesbezüglich beantragt die Beschwerdeführerin, es sei Ziff. 3 des Beschlusses vom 21. Juni 2022 aufzuheben und es sei ihr für das kantonale Rechtsmittelverfahren die unentgeltliche Rechtspflege in auszuweisender Höhe unter Beiordnung ihrer Rechtsvertreterin als unentgeltliche Rechtsbeiständin zu gewähren (Rechtsbegehren Ziff. 2). Weiter sei Ziff. 2 des Beschlusses vom 21. Juni 2022 hinsichtlich des Nichteintretens auf ihre Beschwerde vom 6. April 2022 aufzuheben und es sei das Obergericht anzuweisen, über ihre Beschwerde vom 6. April 2022 zu entscheiden (Rechtsbegehren Ziff. 4). Eventualiter sei B.________ (Beschwerdegegner) auf unbestimmte Zeit zu berechtigen, C.A.________ jedes Wochenende jeweils für einen halben Tag (vier Stunden) begleitet zu sich oder mit sich zu Besuch zu nehmen (Rechtsbegehren Ziff. 5). Subeventualiter sei von einer Regelung des Besuchsrechts abzusehen und diese den entsprechenden Behörden in Deutschland zu überlassen (Rechtsbegehren Ziff. 6). Weiter sei Ziff. 4 des Beschlusses vom 21. Juni 2022 aufzuheben und die Kostenfolgen seien ausgangsgemäss und angemessen zu verteilen (Rechtsbegehren Ziff. 8). Schliesslich ersucht die Beschwerdeführerin für das Verfahren vor Bundesgericht um unentgeltliche Rechtspflege und um Beiordnung ihrer Rechtsvertreterin als unentgeltliche Rechtsbeiständin. 
 
B.b. Mit Vernehmlassung vom 27. Dezember 2022 beantragt das Obergericht die Abweisung der Beschwerde. B.________ hat sich nicht vernehmen lassen. A.________ repliziert am 13. Februar 2023 zur Eingabe des Obergerichts. B.________ reicht daraufhin mit Eingabe vom 22. Februar 2023 Bemerkungen ein.  
 
B.c. Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten eingeholt.  
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein Endentscheid (Art. 90 BGG) einer kantonal letztinstanzlichen Instanz (Art. 75 Abs. 1 BGG), die mangels internationaler Zuständigkeit auf das kantonale Rechtsmittel nicht eingetreten ist. In der Hauptsache geht es um Kinderbelange, namentlich die Zuteilung der Obhut an die Mutter, die Zustimmung zum Wechsel des Aufenthaltsorts des Kindes, die Regelung des persönlichen Verkehrs zwischen Vater und Kind und die Aufhebung der Beistandschaft, mithin um Zivilsachen (Art. 72 Abs. 1 BGG; Urteil 5A_550/2016 vom 3. Februar 2017 E. 1.1). Die Hauptsache ist nicht vermögensrechtlicher Natur, so dass die im Übrigen formgerecht und unter Berücksichtigung der Gerichtsferien auch fristgerecht (Art. 46 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 100 Abs. 1 BGG) eingereichte Beschwerde in Zivilsachen ohne Streitwerterfordernis zulässig ist (Art. 74 BGG; Urteil 5A_405/2011 vom 27. September 2011 E. 1, nicht publ. in: BGE 137 III 470). Die Beschwerdeführerin ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 76 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde ist unter Vorbehalt der nachstehenden Ausführungen grundsätzlich einzutreten.  
 
1.2. Mit der Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht in diesem Bereich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und prüft mit freier Kognition, ob der angefochtene Entscheid Recht verletzt. Das Bundesgericht befasst sich aber nur mit formell ausreichend begründeten Einwänden. In der Beschwerdebegründung ist deshalb in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 142 III 364 E. 2.4 mit Hinweis). Die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten prüft das Bundesgericht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Es gilt das strenge Rügeprinzip. Das bedeutet, das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und soweit möglich belegte Rügen, während es auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid nicht eintritt (BGE 142 III 364 E. 2.4 mit Hinweisen). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG).  
 
1.3. Soweit die Beschwerdeführerin beanstandet, die KESB habe keine Interessenabwägung im Sinn von Art. 8 EMRK vorgenommen, ist sie nicht zu hören; Anfechtungsobjekt bildet allein der angefochtene Entscheid vom 21. Juni 2022 (vgl. vorne E. 1.1).  
 
1.4. Vorliegend ist ein Nichteintretensentscheid angefochten. Dagegen kann vor Bundesgericht einzig vorgebracht werden, die Vorinstanz sei zu Unrecht auf die Beschwerde nicht eingetreten. Ein Urteil in der Sache ist ausgeschlossen. Auf die Rechtsbegehren Ziff. 5 und 6 ist demnach nicht einzutreten.  
 
2.  
Die Vorinstanz trat auf die kantonale Beschwerde der Beschwerdeführerin nicht ein, weil sie sich in Anwendung von Art. 85 Abs. 1 IPRG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Massnahmen zum Schutz von Kindern vom 19. Oktober 1996 (Haager Kindesschutzübereinkommmen, HKsÜ; SR 0.211.231.011) zur Beurteilung der Beschwerde als international unzuständig erachtete, nachdem die KESB mit Beschluss vom 1. März 2022 einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung entzogen hatte und die Beschwerdeführerin daraufhin zusammen mit dem Kind nach U.________/D gezogen war. 
Mit dem Wegzug des Kindes in einen anderen Vertragsstaat des Haager Kindesschutzübereinkommens und der Begründung gewöhnlichen Aufenthalts - der vorliegend ohne Weiteres zu bejahen ist, da der Wegzug mit dem hauptbetreuenden Elternteil erfolgt ist, welcher unbestrittenermassen am Zuzugsort einen neuen Wohnsitz begründet hat (BGE 143 III 193 E. 2 mit Hinweisen), und das Kind am neuen Ort die Kita besucht - entfällt die internationale Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte (Art. 5 Abs. 2 HKsÜ; BGE 142 III 193 E. 2; 142 III 1 E. 2.1; je mit Hinweisen). Ein widerrechtliches Verbringen im Sinn von Art. 7 HKsÜ liegt nicht vor und wird auch nicht behauptet. Der Wegfall der Entscheidzuständigkeit gilt für alle inländischen Behörden und somit auch in Bezug auf das mit einem Rechtsmittel befasste Gericht und a fortiori für das im Zeitpunkt des Wegzuges noch gar nicht mit einem Rechtsmittel befasste Gericht (BGE 142 III 193 E. 2 mit Hinweisen). Ein in Verletzung der direkten Zuständigkeit gemäss Art. 5 ff. HKsÜ ergangener materieller Entscheid könnte im Vertragsstaat des neuen gewöhnlichen Aufenthaltes auch nicht anerkannt werden (vgl. Art. 23 Abs. 2 lit. a HKsÜ). Allein unter diesen Gesichtspunkten ist die Vorinstanz zufolge Unzuständigkeit zu Recht nicht auf das kantonale Rechtsmittel der Beschwerdeführerin eingetreten (vgl. das zur Publikation vorgesehene Urteil 5A_591/2021, 5A_600/2021 vom 12. Dezember 2022 [zur Publikation vorgesehen]).  
 
3.  
 
3.1. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe Art. 29a BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK verletzt, indem sie auf die kantonale Beschwerde vom 6. April 2022 nicht eingetreten sei. Sie bezieht sich dabei namentlich auf den Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) Nr. 69444/17 vom 8. Februar 2022 in Sachen Roth gegen die Schweiz. In diesem Fall erkannte der EGMR auf eine Verletzung des konventionsrechtlichen Anspruchs auf Zugang zu einem Gericht, mithin eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Die diesem Entscheid zu Grunde liegende Ausgangslage war ähnlich wie im vorliegenden Fall: Eine Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde hatte der antragstellenden Mutter den Wegzug mit dem Kind gestattet und einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung entzogen, worauf die Mutter mit dem Kind ins Ausland zog und die angerufene Rechtsmittelinstanz mangels internationaler Zuständigkeit nicht auf die Beschwerde des Vaters eintrat. Die Besonderheit lag indes daran, dass die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde im dortigen Fall eine blosse Verwaltungsbehörde war. Die Kernüberlegung des EGMR lautet wie folgt: Hat eine Behörde über Streitigkeiten in Bezug auf zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen entschieden, welche die in Art. 6 Ziff. 1 EMRK an ihre Unabhängigkeit gestellten Anforderungen nicht erfülle ("décisions prises par les autorités administratives qui ne satisfont pas elles-mêmes aux exigences de cet article - comme c'est le cas en l'espèce avec l'APEA" [§ 65]), wie dies mit der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde der Fall sei, müsse deren Entscheid nachträglich von einer gerichtlichen Behörde sowohl in tatsächlicher wie auch rechtlicher Hinsicht überprüft werden können ("doivent faire l'objet d'un contrôle ultérieur par un 'organe judiciaire de pleine juridiction'" [a.a.O.]), was die Möglichkeit einschliesse, den behördlichen Entscheid aufzuheben ("y compris le pouvoir d'annuler à tous les égards" [a.a.O.]). Im konkreten Fall habe die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde mit dem Entzug der aufschiebenden Wirkung die tatsächliche und wirksame Prüfung durch eine richterliche Behörde verhindert (§§ 76 f.).  
Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, dass die KESB Schaffhausen mangels einer klaren Regelung nicht als eine gerichtliche Behörde qualifiziert werden könne, und folglich keine gerichtliche Beurteilung der hier allein streitigen Besuchsrechtsregelung stattgefunden habe. 
 
3.2. Als Gericht im Sinne von Art. 30 Abs. 1 BV bzw. von Art. 6 Ziff. 1 EMRK gilt eine Behörde, die nach Gesetz und Recht in einem justizförmigen, fairen Verfahren begründete und bindende Entscheidungen über Streitfragen trifft. Sie braucht nicht in die ordentliche Gerichtsstruktur eines Staates eingegliedert zu sein, muss jedoch organisatorisch und personell, nach der Art ihrer Ernennung, der Amtsdauer, dem Schutz vor äusseren Beeinflussungen und nach ihrem äusseren Erscheinungsbild sowohl gegenüber anderen Behörden als auch gegenüber den Parteien unabhängig und unparteiisch sein. Nebst den Merkmalen der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gehört zu seinem Wesen, dass ein Gericht die rechtserheblichen Tatsachen selber erhebt, die Rechtssätze auf diesen in einem rechtsstaatlichen Verfahren ermittelten Sachverhalt anwendet und für die Parteien bindende Entscheidungen in der Sache fällt. Es muss über umfassende Kognition in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht verfügen (zum Ganzen: vgl. BGE 147 III 89 E. 4.1; 142 III 732 E. 3.3; je mit Hinweisen).  
 
3.3.  
 
3.3.1. Die KESB ist eine Fachbehörde, deren Ausgestaltung den Kantonen obliegt (Art. 440 ZGB). Diese entscheiden insbesondere autonom darüber, ob die Behörde als unabhängiges Gericht oder als Verwaltungseinheit konstituiert ist (VOGEL, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch Bd. I, 7. Aufl., 2022, N. 11 zu Art. 440 ZGB; WIDER, in: FamKomm Erwachsenenschutz, 2013, N. 23 zu Art. 440 ZGB; vgl. Botschaft vom 28. Juni 2006, BBl 2006 7004, 7010 f. und 7021).  
 
3.3.2. Gemäss Art. 45 Abs. 1 des Gesetzes über die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches des Kantons Schaffhausen vom 27. Juni 1911 (EG ZGB/SH; SHR 210.100) ist die KESB Schaffhausen die erstinstanzliche Entscheidbehörde im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts. Nach Art. 45 Abs. 2 EG ZGB/SH i.V.m. dem IV. Teil (Art. 57a ff.) des Justizgesetzes des Kantons Schaffhausen vom 9. November 2009 (JG; SHR 173.200) ist sie - neben dem (erstinstanzlichen) Kantonsgericht (Art. 26 ff. JG) und dem Obergericht (Art. 38 ff. JG) - eine sog. "weitere Rechtspflegebehörde". Die Wahl der Mitglieder der KESB fällt - wie für die Mitglieder des Kantonsgerichts und auch des kantonalen Obergerichts (Art. 2 Abs. 1 lit. a JG) - in den Kompetenzbereich des Kantonsrats (Art. 2 Abs. 1 lit. e JG; vgl. Amtsblatt Nr. 2011/47, S. 1592, 1599). Dieser wird von den Stimmberechtigten (Art. 24 lit. a KV/SH) für eine Amtsdauer von vier Jahren (Art. 41 Verfassung des Kantons Schaffhausen vom 17. Juni 2002 [KV/SH; 101.000]; Art. 1 Abs. 1 Gesetz über den Kantonsrat vom 20. Mai 1996 [171.100]) gewählt. Die Mitglieder der KESB werden ebenfalls für eine Amtsdauer von vier Jahren gewählt (Art. 41 KV/SH). Art. 42 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 KV/SH garantiert für die KESB als Rechtspflegebehörde die institutionelle Unabhängigkeit, Art. 43 sowie Art. 45 KV/SH garantieren die personelle Unabhängigkeit der Mitglieder der KESB. Der kantonale Gesetzgeber hat die KESB denn auch ausdrücklich als (Spezial-) Gericht mit richterlicher Unabhängigkeit ausgestaltet (vgl. Vorlage des Regierungsrats vom 28. Juni 2011, Amtsdruckschrift 11-46, S. 26 ff., abrufbar unter: https://archiv.sh.ch/daten/Vorlagen-2011.3864.0.html, letztmals besucht am 30. Januar 2023; Vorlage der Spezialkommission vom 6. Oktober 2011, Amtsdruckschrift 11-68, S. 2, abrufbar unter: https://archiv.sh.ch/daten/Kommissionsvorlagen-2011.3851.0.html, zuletzt besucht am 30. Januar 2023; Kantonsratsprotokolle 2011, S. 490 ff., S. 531 f., abrufbar unter: https://archiv.sh.ch/daten/Protokolle-2011.3592.0.html, zuletzt besucht am 30. Januar 2023). Um die gerichtliche Unabhängigkeit zu wahren, übt nicht der Kantonsrat, sondern das Obergericht die fachliche Aufsicht über die KESB aus (Art. 6 Abs. 1 JG). Gemäss Art. 57b Abs. 1 JG organisiert sich die KESB selbst (Abs. 1) und entscheidet in Kammern mit Dreierbesetzung sowie in Einzelzuständigkeit (Abs. 3, Art. 57c und Art. 57d JG). Sie erforscht den Sachverhalt von Amtes wegen (Art. 46 Abs. 1 EG ZGB/SH i.V.m. Art. 446 Abs. 1 ZGB) und wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 46 Abs. 1 EG ZGB/SH i.V.m. Art. 446 Abs. 4 ZGB). Diese Verfahrensgrundsätze gelten auch für das Verfahren vor Obergericht (Art. 450-450 e ZGB; DROESE, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 7. Aufl. 2022, N. 13 zu Art. 450 ZGB), das Berufungs- und Beschwerdeinstanz in der Zivilrechtspflege, einschliesslich Kindes- und Erwachsenenschutzrecht, ist (Art. 41 Abs. 1 JG).  
 
3.4. Zusammengefasst ergibt sich, dass die Kompetenz der KESB Schaffhausen auf einem Gesetz beruht, die KESB gegenüber anderen Behörden und den Parteien unabhängig und in der Rechtsprechung nicht weisungsgebunden ist, der streitgegenständliche Entscheid in ihre sachliche Zuständigkeit fällt, das Verfahren justizmässig durchgeführt wurde und nicht per se unfair war. Ausserdem beruht der Entscheid der KESB auf vollständiger Sachverhaltsermittlung und freier umfassender Rechtsanwendung, mithin auf einer umfassenden Kognition in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Schliesslich hat die KESB einen begründeten bzw. bindenden Entscheid über die hier konkrete Streitfrage - den persönlichen Verkehr zwischen Vater und Kind - getroffen. Die KESB Schaffhausen ist demnach - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - ein Gericht im Sinn von Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 30 BV.  
 
3.5. Die Frage nach dem persönlichen Verkehr zwischen Vater und Kind ist vorliegend somit in Einklang mit Art. 30 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK von einer gerichtlichen Behörde in einem fairen Verfahren behandelt worden. Aus dem Entscheid des EGMR Nr. 69444/17 vom 8. Februar 2022 in Sachen Roth gegen die Schweiz vermag die Beschwerdeführerin also nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. Insoweit erweist sich die Rüge der Beschwerdeführerin als unbegründet.  
Somit ebenfalls unbegründet ist die Rüge der Verletzung von Art. 29a BV (Rechtsweggarantie); die zwischen den Parteien umstrittenen Kinderbelange (vgl. vorne E. 1.1) sind durch eine richterliche Behörde mit voller Sachverhalts- und Rechtskontrolle beurteilt worden. Ausserdem verbietet Art. 29a BV es nicht, das Eintreten auf ein Rechtsmittel von den üblichen Sachurteilsvoraussetzungen - wie der Zuständigkeit - abhängig zu machen (BGE 143 I 344 E. 8.2 mit Hinweisen). 
 
4.  
Die Beschwerdeführerin macht sodann eine Verletzung von Art. 13 EMRK i.V.m. Art. 8 EMRK geltend mit der Begründung, dass kein innerstaatlicher Instanzenzug garantiert worden sei. Der Verweis der Vorinstanz auf den Instanzenzug in Deutschland genüge den Anforderungen gemäss Art. 13 EMRK nicht. 
Nach Art. 13 EMRK hat jede Person, die in ihren konventionsmässig anerkannten Rechten oder Freiheiten verletzt worden ist, das Recht, bei einer innerstaatlichen Instanz eine wirksame Beschwerde zu erheben, auch wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben. Diese Bestimmung kann indes nicht angerufen werden, wenn die geltend gemachte Verletzung - wie hier - in einer Gerichtsentscheidung liegt, da diese Bestimmung - im Gegensatz zu Art. 2 des Protokolls Nr. 7 vom 22. November 1984, in Kraft getreten für die Schweiz am 1. November 1988 - kein Recht auf Berufung ("droit d'appel") gewährt (VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), 3. Aufl. 2020, § 27 N. 854, mit Hinweis auf das Urteil Kudla gegen Polen [GC] Nr. 30210/96 vom 26. Oktober 2000, §§ 153-154; BREUER, in: Karpenstein/Mayer, Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Kommentar, 2. Aufl. 2015, Art. 13 EMRK N. 28; FROWEIN, in: Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, Kommentar, 3. Aufl. 2009, Art. 13 EMRK N. 12-17, s. ausserdem die Entscheide des EGMR Müller gegen Oesterreich, Nr. 5849/72 vom 16. Dezember 1974; Pizzetti gegen Italien, Nr. 12444/86 vom 10. Dezember 1991, Csepyova gegen Slowakei, Nr. 67199/01 vom 14. Mai 2002). Damit zielt der Einwand der Beschwerdeführerin ins Leere.  
 
5.  
Nichts lässt sich schliesslich aus der Rechtsmittelbelehrung der KESB ableiten. Die Rechtsmittelbelehrung hat das Rechtsmittel, die Frist und die Rechtsmittelinstanz zu bezeichnen und sich allenfalls zu den Begründungsanforderungen zu äussern (vgl. statt vieler: BGE 143 III 193 E. 6.2). Abgesehen davon, dass die Rechtsmittelbelehrung der KESB zutreffend war, weil das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt am 1. März 2022 noch in der Schweiz hatte, und die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte erst mit dem Wegzug der Mutter und dem Kind nach U.________/D verloren ging, vermöchte eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung die Zuständigkeit der Rechtsmittelinstanz nicht zu begründen (vgl. BGE 143 III 193 E. 6.2). 
 
6.  
Die Beschwerdeführerin beanstandet die vorinstanzliche Kostenregelung (Rechtsbegehren Ziff. 8). Sie begründet ihren Standpunkt indessen einzig damit, dass die Vorinstanz auf ihre Beschwerde hätte eintreten müssen. Diese Annahme ist nicht eingetroffen (E. 2 - 5). Abgesehen davon genügte diese Begründung nicht; vielmehr müsste die Beschwerdeführerin aufzeigen, inwiefern ihre Beschwerde hätte gutgeheissen werden und es aus diesem Grund zu einer anderen Kostenfolge hätte kommen müssen. Bei diesem Ergebnis kann offenbleiben, ob auf das Begehren überhaupt eingetreten werden könnte, zumal die Beschwerdeführerin kein beziffertes Begehren stellt, wozu sie grundsätzlich verpflichtet wäre (dazu BGE 143 III 111 E. 1.2) und sich auch aus der Beschwerdebegründung, die zur Auslegung der Rechtsbegehren beizuziehen ist (BGE 137 III 617 E. 6.2), nicht ergibt, was sie anstrebt. 
 
7.  
 
7.1. Die Beschwerdeführerin wendet sich schliesslich gegen die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege im vorinstanzlichen Verfahren (Rechtsbegehren Ziff. 2). Sie macht geltend, die Vorinstanz hätte ihren Anspruch nicht als aussichtslos (Art. 117 lit. b ZPO) beurteilen dürfen, da eine derart offensichtliche Situation in Bezug auf die Unzuständigkeit der Vorinstanz nicht bestanden habe.  
 
7.2. Die Vorinstanz wies das Gesuch der Beschwerdeführerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ab mit der Begründung, der anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin hätte klar sein müssen, dass die Zuständigkeit nach dem Wegzug ins Ausland entfalle, zumal sie sich selbst auf die geänderte Jurisdiktion berufen habe. Zudem führt die Vorinstanz aus, inwiefern der Antrag der Beschwerdeführerin in der Sache betreffend die Einschränkung des Besuchsrechts des Beschwerdegegners offensichtlich kein Erfolg beschieden wäre. Aus diesen Gründen sei ihre Beschwerde von vornherein aussichtslos gewesen (Art. 117 lit. b ZPO).  
 
7.3. Die Beschwerdeführerin verhält sich widersprüchlich. Nach dem Beschluss der KESB vom 1. März 2022 und noch vor Einreichen der Beschwerde bei der Vorinstanz zog sie mit dem Kind nach U.________/D, womit sie die Sachlage für die Anwendung von Art. 5 Abs. 2 HKsÜ geschaffen hat. Mit ihrer Beschwerde vor der Vorinstanz verlangte sie jedoch die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Gleichzeitig liess sie ausführen, die Zuständigkeit der KESB sei nach dem Wegzug des Kindes nach U.________/D aufgrund von Art. 5 Abs. 2 HKsÜ entfallen und die Behörden in U.________/D seien nunmehr für die Regelung der Besuchskontakte zwischen dem Beschwerdegegner und dem Kind zuständig (Beschwerde vom 6. April 2002, S. 11 und 12 in fine). Die bundesgerichtliche Vorinstanz soll nach Auffassung der Beschwerdeführerin aber wiederum zuständig sein, um den Beschluss der KESB zu überprüfen und gegebenenfalls die Besuchsregelung anzupassen. Den Entzug der aufschiebenden Wirkung beanstandet sie nicht mehr. Die Beschwerdeführerin kann nicht einerseits von dem von ihr angestrebten und von der KESB genehmigten Aufenthaltswechsel profitieren und gleichzeitig in Missachtung des Zuständigkeitsregimes gemäss HKsÜ die innerstaatlichen Gerichtsbehörden weiterhin beanspruchen. Indem die Beschwerdeführerin nach Deutschland gezogen ist, hat sie den Verlust der schweizerischen Jurisdiktion in Kauf genommen. Sie kann ihre Anliegen im Zusammenhang mit dem Besuchsrecht zwischen Vater und Kind, wie erwähnt, ohne Weiteres vor den deutschen Gerichten, denen nunmehr die notwendige Sachnähe zukommt, weiterverfolgen.  
 
7.4. Angesichts der eindeutigen Sach- und infolgedessen auch Rechtslage durfte die Vorinstanz ohne Weiteres die kantonale Beschwerde der Beschwerdeführerin als von vornherein aussichtslos betrachten und folglich das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abweisen.  
 
8.  
Zusammenfassend ist die Beschwerde insgesamt abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kosten- (Art. 66 Abs. 1 BGG) nicht aber entschädigungspflichtig, da der obsiegende Beschwerdegegner nicht anwaltlich vertreten ist und er auch keine weiteren durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten geltend macht (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege für das Verfahren vor Bundesgericht ist abzuweisen, da die Beschwerde nach dem Ausgeführten von Anfang an als aussichtslos eingestuft werden muss (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.  
Es werden keine Parteikosten gesprochen. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Schaffhausen und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 28. März 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Die Gerichtsschreiberin: Conrad