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[AZA 0/4] 
2P.389/1998/bol 
 
II. ÖFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG 
********************************** 
Sitzung vom 3. März 2000 
 
Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter Betschart, Hungerbühler, Bundesrichterin Yersin, Ersatzrichter Zünd und Gerichtsschreiber Häberli. 
 
In Sachen 
C.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Uhlmann, 
Vorstadt 40/42, Schaffhausen, 
 
gegen 
Kanton S c h a f f h a u s e n, vertreten durch die kantonale Steuerverwaltung, 
Kanton A a r g a u, vertreten durch das kantonale Steueramt, 
 
betreffend 
Art. 46 Abs. 2 aBV (Doppelbesteuerung), 
 
Bis und mit dem 30. Juni 1997 war C.________ bei der X.________ AG angestellt. Auf den 1. Juli 1997 hat er von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich frühzeitig (d.h. vor Erreichen des ordentlichen Rentenalters gemäss Art. 13 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [BVG; SR 831. 40]) pensionieren zu lassen, wie es die betroffene Vorsorgeeinrichtung vorsieht (vgl. Art. 13 Abs. 1 des Reglements der Rentenversicherung der Pensionskasse Y.________ [gültig ab 1. Januar 1996] in Verbindung mit Art. 13 Abs. 2 BVG). Mit Aufgabe der Erwerbstätigkeit kamen C.________ - neben Leistungen aus dem Arbeitsverhältnis selbst (Mitarbeiteraktien, Abschiedsgeschenk) - insbesondere Ansprüche aus der beruflichen Altersvorsorge zu: Die Pensionskasse Y.________ und die Vorsorgestiftung der X.________ AG überwiesen ihm am 1. Juli 1997 eine Kapitalleistung von insgesamt Fr. 732'371. -- (vgl. Art. 13 Ziff. 6 des Reglements); ab dem gleichen Datum richteten sie überdies eine monatliche Altersrente aus. 
Als C.________ für die X.________ AG tätig war, wohnte er in Rheinfelden (AG); auf den 1. Juli 1997 zog er nach Schaffhausen um. 
Während die Steuerhoheit bezüglich der übrigen Einkünfte unumstritten blieb, beanspruchten sowohl die Behörden des neuen wie auch jene des alten Wohnorts das Recht, das ausbezahlte Alterskapital zu besteuern: Die Steuerverwaltung der Stadt Schaffhausen erhob am 8. Dezember 1997 eine Einmalsteuer im Rechnungsbetrag von Fr. 96'956. 35, welche C.________ ohne Verzug bezahlte. Mit Veranlagung vom 5. März 1998 stellte auch das Gemeindesteueramt Rheinfelden Einkommenssteuern in Rechnung; die geforderte Summe von Fr. 75'148. 60 überwies C.________ am 14. Juli 1998 auf Mahnung hin. Zuvor hatte er gegen diese zweite Veranlagung Einsprache erhoben, welche von der Steuerkommission Rheinfelden am 22. September 1998 abgewiesen wurde. 
Hiergegen hat C.________ am 28. Oktober 1998 staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht mit dem Antrag, die Doppelbesteuerung durch die Kantone Aargau und Schaffhausen zu beseitigen sowie den unterliegenden Kanton zu verhalten, die zu Unrecht bezahlten Steuern samt Zinsen zurückzuzahlen. 
In ihren Vernehmlassungen beharren die kantonale Steuerverwaltung Schaffhausen und das Steueramt des Kantons Aargau auf der Steuerhoheit ihres jeweiligen Kantons. 
 
Aus den Erwägungen: 
 
2.- Eine gegen Art. 46 Abs. 2 aBV verstossende Doppelbesteuerung liegt vor, wenn ein Steuerpflichtiger von zwei oder mehreren Kantonen für das gleiche Steuerobjekt und für die gleiche Zeit zu Steuern herangezogen wird (aktuelle Doppelbesteuerung) oder wenn ein Kanton in Verletzung der geltenden Kollisionsnormen seine Steuerhoheit überschreitet und eine Steuer erhebt, die einem anderen Kanton zustehen würde (virtuelle Doppelbesteuerung; BGE 125 I 54 E. 1b S. 55 f.). Vorliegend steht eine aktuelle Doppelbesteuerung in Frage, da der Beschwerdeführer für das nämliche Steuerobjekt - das in bar ausbezahlte Alterskapital - von zwei Kantonen in Anspruch genommen wurde. 
 
a) Unter den Parteien ist zu Recht unbestritten, dass die fragliche Kapitalabfindung vom Wohnsitzkanton des Leistungsempfängers zu besteuern ist. Bezüglich Renten aus Personalvorsorge hat das Bundesgericht ausdrücklich in diesem Sinne entschieden (vgl. BGE 99 Ia 223 E. 2 i.f. S. 228, mit Hinweisen); Gleiches muss grundsätzlich auch für Kapitalleistungen gelten, welche die Altersrente einer Vorsorgeeinrichtung (ganz oder teilweise) ersetzen (vgl. Art. 37 Abs. 3 BVG): Für ein Erwerbsersatzeinkommen, das zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Pensionierten dienen soll, ist die Besteuerung durch den Wohnsitzkanton des Leistungsempfängers sachgerecht. 
 
b) Ebenfalls unstreitig ist, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bis zum 30. Juni 1997 in Rheinfelden (AG) hatte und dort - bis zu diesem Zeitpunkt - unbeschränkt steuerpflichtig war. Einig sind sich die betroffenen Kantone und der Beschwerdeführer weiter darüber, dass das Steuerdomizil des Letzteren seit dem 1. Juli 1997 in Schaffhausen liegt. Die hier zu beurteilende Kollision kantonaler Steueransprüche beruht einzig auf dem Umstand, dass der Beschwerdeführer auf die Pensionierung hin umgezogen ist. So stellt sich die Frage, ob die Steuerhoheit über das Alterskapital dem bisherigen oder dem neuen Wohnsitzkanton zusteht. 
 
c) Aus der Beziehungsnähe der Kantone zum Steuerobjekt ergibt sich keine schlüssige Antwort: Einerseits legen gewisse Gegebenheiten die Besteuerung am bisherigen Wohnsitz nahe (beispielsweise die Steuerbefreiung der Pensionskassenbeiträge, die typischerweise im Hinblick auf eine spätere Besteuerung von Leistungen der Vorsorgeeinrichtung erfolgt); andererseits sprechen ebenso gewichtige Argumente für ein Besteuerungsrecht des neuen Wohnorts (insbesondere die Bestimmung des Alterskapitals, die Kosten für den künftigen Lebensunterhalt zu decken). Für die Steuerbarkeit einen anderen Anknüpfungspunkt zu wählen als den Wohnsitz im Zeitpunkt der Steuerbarkeit der Kapitalleistung, lässt sich nicht rechtfertigen. 
 
d) aa) Einkommen wird im Moment steuerbar, in dem es dem Steuerpflichtigen zugerechnet werden kann (vgl. Ernst Känzig, Die Eidgenössische Wehrsteuer, 2. Auflage, Basel 1982, N. 6 zu Art. 21 BdBSt). Über die Frage, wann dies der Fall sei, haben die beiden Kantone sowie der Beschwerdeführer je verschiedene Ansichten: Nach Auffassung des Kantons Aargau ist die Fälligkeit des Anspruchs massgebend, wobei diese am letzten Arbeitstag eintrete. Auch der Beschwerdeführer stellt für die Besteuerung der Kapitalleistung auf das Fälligkeitsdatum ab; er geht jedoch davon aus, dass dieses auf den ersten Tag nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses falle. Demgegenüber will sich der Kanton Schaffhausen für die zeitliche Fixierung des Einkommens an die tatsächliche Auszahlung des Alterskapitals halten. 
bb) Auch in der Literatur wird kontrovers diskutiert, in welchem Zeitpunkt die Leistung effektiv zufliesst. Ausgehend von der Tatsache, dass Ansprüche aus beruflicher Vorsorge nach Art. 84 BVG vor ihrer Fälligkeit steuerbefreit sind, wird die Meinung vertreten, Vorsorgeleistungen seien zu besteuern, wenn sie fällig würden (Danielle Yersin, L'échéance des prestations provenant du 2ème pilier et du 3ème pilier A et le moment de leur imposition, in: StR 45/1990 S. 233 ff.; Felix Richner, Zeitpunkt des Zufliessens von Leistungen der beruflichen Vorsorge und der gebundenen Selbstvorsorge, in: ASA 62 S. 513 ff., namentlich S. 524); dabei wird teilweise angenommen, die Fälligkeit trete am letzten Tag des Arbeitsverhältnisses ein (Richner, a.a.O., S. 526 ff.). Die Gegenmeinung, wonach für den Leistungszufluss der Auszahlungszeitpunkt massgebend sei, wird zunächst damit begründet, dass Einkommen in der Form von Geld regelmässig erst dann steuerlich zugerechnet werde, wenn es durch Barzahlung (oder Überweisung auf ein Konto) in das Vermögen des Steuerpflichtigen übergehe (Gotthard Steinmann, Aktuelle Anwendungsfälle und Entwicklungen bei der gebundenen und freien Vorsorge aus der Sicht der EStV, in: StR 51/1996 S. 16 f.). Verschiedentlich wird jedoch auch mit Blick auf Barauszahlungsbegehren bei Freizügigkeitsleistungen auf Gründe der Praktikabilität hingewiesen (vgl. Wolfgang Maute/Martin Steiner/Adrian Rufener, Steuern und Versicherungen, Überblick über die steuerliche Behandlung von Versicherungen, 2. Auflage, Muri b. Bern 1999, S. 158 f.; Rainer Zigerlig/Adrian Rufener, in: Zweifel/Athanas [Hrsg. ], Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Band I/1: Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden, N. 26 zu Art. 35 StHG). 
 
3.- a) Entgegen der Auffassung, welche vom Beschwerdeführer und dem Kanton Aargau (sowie einem Teil der Lehre) vertreten wird, schliesst Art. 84 BVG nicht aus, dass Vorsorgeleistungen (erst) im Zeitpunkt ihrer Auszahlung besteuert werden. Die fragliche Bestimmung verbietet lediglich, Steuern auf Vorsorgeansprüchen zu erheben, bevor diese fällig sind; aus ihr lässt sich nicht ableiten, dass die Steuern tatsächlich im Zeitpunkt der Fälligkeit geschuldet sind. 
 
b) Nicht zu überzeugen vermag der Rechtsstandpunkt des Kantons Aargau ferner, soweit dieser vom Eintritt der Fälligkeit am letzten "Arbeitstag" (vorliegend der 30. Juni 1997) ausgeht: 
aa) Das kantonale Steueramt verkennt insbesondere, dass der Anspruch des Beschwerdeführers auf Altersleistungen nicht bereits am letzten Tag "gewiss" sein konnte, an dem das Arbeitsverhältnis noch Bestand hatte. Bis zu dessen Ablauf dauerte der Versicherungsschutz aus beruflicher Vorsorge unverändert an. Daraus folgt, dass der Beschwerdeführer, wäre er am letzten Arbeitstag noch verstorben, keinen Anspruch auf Altersleistungen erworben hätte; an dessen Stelle wären allenfalls eine Witwen- bzw. Waisenrente für Hinterbliebene getreten. Bei vorzeitiger Pensionierung sind Altersleistungen nur geschuldet, wenn das Arbeitsverhältnis und das damit verbundene (obligatorische) Versicherungsverhältnis vollständig beendet ist, ohne dass ein (anderes) versichertes Ereignis (Tod oder Invalidität; Art. 18 ff. bzw. Art. 23 ff. BVG) eingetreten ist; sie werden mithin frühestens am ersten Tag fällig, an dem kein Versicherungsschutz mehr besteht. Am 30. Juni 1997 dauerten vorliegend die Rechtsbeziehungen aus Arbeits- und Vorsorgeverhältnis noch an, weshalb die Kapitalabfindung erst am 1. Juli 1997 entstehen und fällig werden konnte. 
bb) Dem steht nicht entgegen, dass nach dem Wortlaut von Art. 13 Abs. 2 BVG der Anspruch auf Altersleistungen bei vorzeitiger Pensionierung "mit der Beendigung der Erwerbstätigkeit" entsteht. Diese Bestimmung wurdeaufAntragderStänderatskommissionindasGesetzaufgenommen, umnebendem-bereitsinderBotschaftdesBundesrats(BBl1976 I 149 ff.) vorgesehenen - Aufschub von Leistungen auch deren Vorbezug zu ermöglichen (vgl. Amtl. Bull. SR 1980 S. 268). In diesem Sinne ermächtigt Art. 13 Abs. 2 BVG die Vorsorgeeinrichtungen, den Versicherten die Möglichkeit zu eröffnen, vor Erreichen des ordentlichen Rentenalters in den Ruhestand zu treten. Eine präzise Bestimmung des Zeitpunkts, in welchem gegebenenfalls der Anspruch auf Leistungen entsteht, wollte der Gesetzgeber damit nicht vornehmen. Aus der fraglichen Bestimmung lässt sich deshalb nicht ableiten, Altersrenten oder Kapitalabfindungen würden bereits am letzten Tag der Erwerbstätigkeit fällig. 
cc) Nichts anderes ergibt sich aus den vom Steueramt des Kantons Aargau zitierten Entscheiden des Eidgenössischen Versicherungsgerichts (BGE 117 V 303 E. 2c S. 308; 116 V 106 E. 3 S. 109; 115 V 27 E. 5 S. 33; 114 V 33 E. 2d S. 39 f.). Zum einen betreffen diese allesamt Freizügigkeitsleistungen, weshalb die fragliche Rechtsprechung nicht unbesehen auf den vorliegend interessierenden Bereich der Altersleistungen übertragen werden könnte. Zum anderen äussert sich keines dieser Urteile zur Frage, ob die Fälligkeit des Leistungsanspruchs am letzten Tag, an dem das Vorsorgeverhältnis noch andauert, oder am ersten Tag nach dessen Beendigung eintritt; es wird lediglich festgehalten, dass der Anspruch entstehe, wenn die Rechtsbeziehungen aus dem Arbeitsverhältnis und der beruflichen Vorsorge beendet seien. 
 
4.- a) Nach dem Gesagten kann offen bleiben, ob das umstrittene Alterskapital mit Fälligkeit oder Auszahlung steuerbar wurde: Die Kapitalleistung war am 1. Juli 1997 (dem ersten Tag nach dem Ende des Versicherungsverhältnisses) fällig und wurde dem Beschwerdeführer gleichentags gutgeschrieben. Fälligkeitstermin und Erfüllungszeitpunkt des fraglichen Anspruchs fallen damit auf das gleiche Datum; weil der Beschwerdeführer ab diesem Tag (dem 1. Juli 1997) in Schaffhausen Wohnsitz hatte, kommt das Recht zur Besteuerung des ausbezahlten Alterskapitals so oder anders dem Kanton Schaffhausen zu. 
 
b) Demnach ist die staatsrechtliche Beschwerde gegen den Kanton Aargau gutzuheissen, soweit darauf einzutreten ist; dieser ist antragsgemäss zu verpflichten, die vom Beschwerdeführer auf dem Alterskapital von Fr. 732'371. -- bezahlten Einkommenssteuern zurückzuerstatten. 
Der Kanton Aargau, der im vorliegenden Verfahren finanzielle Interessen vertreten hat, ist für das bundesgerichtliche Verfahren kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Abs. 2 OG); ferner hat er dem Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 159 Abs. + 2 OG). 
 
Lausanne, 3. März 2000