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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
5A_210/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 19. Juni 2014  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter von Werdt, Präsident, 
Bundesrichterin Escher, 
Bundesrichter Marazzi, Herrmann, Schöbi, 
Gerichtsschreiber von Roten. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. X.________, 
2. Y.________, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gian Sandro Genna, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Z.________.  
 
Gegenstand 
superprovisorische Anerkennung und Vollstreckung eines Herausgabebeschlusses, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Zivilabteilung, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, vom 21. Februar 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
X.________ und Y.________ (Beschwerdeführer) sind die Eltern von A.________, geboren 1996, und von B.________, geboren 2004. 
 
B.   
Am 8. November 2013 übermittelte das Bundesamt für Justiz der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Z.________ den dringenden Antrag der deutschen Zentralbehörde auf automatische Anerkennung sowie Vollstreckung des Herausgabebeschlusses des Amtsgerichts C.________ vom 1. September 2013 gemäss den Bestimmungen des Übereinkommens über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Massnahmen zum Schutz von Kindern (Haager Kindesschutzübereinkommen, HKsÜ; SR 0.211.231.011). Im genannten Beschluss wurde den Beschwerdeführern als sorgeberechtigten Eltern das Recht zur Aufenthaltsbestimmung, das Recht zur Regelung der ärztlichen Versorgung, das Recht zur Regelung der schulischen Belange sowie der Ausbildungs- und Berufswahl für ihre Kinder A.________ und B.________ vorläufig entzogen und die Herausgabe der Kinder an den Ergänzungspfleger angeordnet. Ausserdem wurden die sofortige Wirksamkeit und die Zulässigkeit der Vollstreckung des Beschlusses vor der Zustellung an die Eltern angeordnet. 
 
C.   
Die KESB anerkannte und vollstreckte den Herausgabebeschluss des Amtsgerichts C.________ vom 1. September 2013 (Dispositiv-Ziff. 1), verfügte die Anordnung superprovisorisch (Dispositiv-Ziff. 2), erteilte der Kantonspolizei entsprechende Aufträge (Dispositiv-Ziff. 3 und 4) und gab der Kindsmutter Gelegenheit, innert zehn Tagen Stellung zu nehmen (Dispositiv-Ziff. 5 des Entscheids vom 8. November 2013). Die Kantonspolizei vollzog die Aufträge am 8. November 2013. Sie hielt die beiden Kinder am Wohnort ihrer Grossmutter an, fuhr sie im Dienstfahrzeug an die Grenze und übergab die beiden Kinder der deutschen Bundespolizei (Anhaltungsrapport vom 9. November 2013). 
 
D.   
Die Beschwerdeführer legten gegen den Entscheid der KESB vom 8. November 2013 eine Beschwerde ein. Das Obergericht des Kantons Bern trat auf die Beschwerde nicht ein. Es begründete seinen Entscheid damit, beim angefochtenen Entscheid handle es sich um eine superprovisorische Massnahme, gegen die kein Rechtsmittel zur Verfügung stehe (Entscheid vom 21. Februar 2014). 
 
E.   
Mit Eingabe vom 13. März 2014 beantragen die Beschwerdeführer dem Bundesgericht, den obergerichtlichen Entscheid aufzuheben, dem Herausgabebeschluss des Amtsgerichts C.________ (Deutschland) vom 1. September 2013 die Anerkennung und Vollstreckung in der Schweiz zu verweigern und die unverzügliche Rückführung der Schweizer Staatsbürgerin B.________ in die Schweiz anzuordnen, eventualiter den Entscheid des Obergerichts aufzuheben und zu einem neuen Entscheid in der Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es sind die kantonalen Akten eingeholt worden. Während das Obergericht auf eine Vernehmlassung verzichtet und auf seinen Entscheid und die Akten verwiesen hat, bekräftigt die KESB, sie sei verpflichtet gewesen, den Gerichtsentscheid des Amtsgerichts C.________ vom 1. September 2013 zu anerkennen und zu vollstrecken. Die Beschwerdeführer haben die Vernehmlassungen angezeigt erhalten, innert eingeräumter Frist aber keine Stellungnahme eingereicht. Über die Beschwerde hat die II. zivilrechtliche Abteilung des Bundesgerichts an der öffentlichen Beratung vom 19. Juni 2014 entschieden. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Den Beschwerdeführern geht es um die unverzügliche Rückführung ihrer Tochter B.________ in die Schweiz und damit letztlich um die Wiederherstellung ihrer elterlichen Befugnisse. Was ihre ältere Tochter angeht, stellen die Beschwerdeführer vor Bundesgericht keine Anträge, zumal A.________ aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts C.________ vom 22./27. November 2013 zu ihnen hat zurückkehren können. Soweit die Beschwerdeführer beantragen, das Bundesgericht solle die unverzügliche Rückführung ihrer Tochter B.________ anordnen, kann darauf nicht eingetreten werden. Denn mit Bezug auf diese Frage ist zufolge des Nichteintretensentscheids der Rechtsweg nicht ausgeschöpft. Zulässig ist nur der Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids verbunden mit der Rückweisung zu neuem Entscheid (vgl. BGE 138 III 46 E. 1.2 S. 48). 
 
2.   
Zur Beschwerde in Zivilsachen ist gemäss Art. 76 Abs. 1 BGG berechtigt, wer (a.) vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat und (b.) durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat. Die Voraussetzungen, dass die Beschwerdeführer am Verfahren vor Obergericht teilgenommen haben und durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt sind, sind erfüllt. Es stellt sich hingegen die Frage, inwiefern die Beschwerdeführer ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids haben. 
 
2.1. Nach der Rechtsprechung und allgemeinen Prozessgrundsätzen erschöpft sich das schutzwürdige Interesse nicht einfach in der sogenannten Beschwer, d.h. darin, dass einzelnen Begehren der Beschwerdeführer nicht oder nicht voll entsprochen worden ist. Erforderlich ist vielmehr, dass der Entscheid über die Beschwerde geeignet ist, den Beschwerdeführern den angestrebten materiellrechtlichen Erfolg zu verschaffen. Damit soll Prozessen und Verfahren vorgebeugt werden, die von vornherein oder mit Rechtsmitteln Unerreichbares anstreben, die selbst dann, wenn die vorgebrachte Rechtsauffassung begründet ist, dem Gericht nicht erlauben, die Rechtslage entsprechend zu gestalten (BGE 114 II 189 E. 2 S. 190; 127 III 41 E. 2b S. 42; vgl. Bernard CORBOZ, in: Commentaire de la LTF, 2. Aufl. 2014, N. 37 zu Art. 76 BGG; Fabienne Hohl, Procédure civile, T. II, 2. Aufl. 2010, S. 410 Rz. 2244).  
 
2.2. Das Bestehen des erforderlichen praktischen Interesses an der Beschwerde ist vorliegend unter dem Blickwinkel der internationalen Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte zu prüfen:  
 
2.2.1. Vor dem Verbringen in die Schweiz hatte das Kind B.________ seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Das Haager Kindesschutzübereinkommen (HKsÜ), auf das Art. 1 Abs. 2 i.V.m. Art. 85 Abs. 1 IPRG verweist, ist für Deutschland am 1. Januar 2011 und für die Schweiz am 1. Juli 2009 in Kraft getreten.  
 
2.2.2. Gemäss Art. 5 Abs. 1 HKsÜ sind die Behörden des Vertragsstaats, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zuständig, Massnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes zu treffen. Bei widerrechtlichem Verbringen des Kindes bleiben die Behörden des Vertragsstaats, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, so lange zuständig, bis das Kind einen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat erlangt hat (Art. 7 Abs. 1 HKsÜ).  
 
2.2.3. Zuständig waren die Schweizer Behörden für die Anerkennung und Vollstreckung des in Deutschland ergangenen Entscheids, den die KESB auch anerkannt und sofort vollstreckt hat (Art. 23 ff. HKsÜ). Das Kind B.________ befindet sich deshalb seit dem 8. November 2013 wieder an seinem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Damit aber sind die deutschen Behörden für den Erlass von Kindesschutzmassnahmen zuständig, und zwar auch für eine allfällige Rückkehr ihrer Tochter in die Schweiz, um die es den Beschwerdeführern in der Sache selbst geht. Gerade dazu sind die Schweizer Behörden international nicht zuständig. Der im kantonalen Verfahren eingereichte Entscheid des Amtsgerichts C.________ vom 22./27. November 2013 belegt, dass sich das deutsche Gericht seit der Rückkehr der Kinder an ihren gewöhnlichen Aufenthalt am 8. November 2013 daselbst weiter mit Massnahmen zum Schutz der Kinder befasst und die am 1. September 2013 getroffenen Massnahmen gegenüber der älteren Tochter der Beschwerdeführer aufgehoben hat.  
 
2.3. Insgesamt können die Beschwerdeführer mit ihrer Beschwerde nicht erreichen, was sie wollen, nämlich dass die Schweizer Behörden dafür sorgen, dass ihre Tochter wieder in die Schweiz zurück gebracht wird. Sie haben mithin kein praktisches Interesse an der Beschwerde. Aufgrund der Tatsache, dass die Tochter B.________ in Deutschland ist, wo sie auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, sind die Schweizer Behörden nicht zuständig, um Kindesschutzmassnahmen zu treffen. Im Übrigen ist nicht dargetan, dass die Beschwerdeführer angesichts des ihnen gerichtlich entzogenen Aufenthaltsbestimmungsrechts für die Kinder mit dem Verbringen in die Schweiz einen gewöhnlichen Aufenthaltsort hätten begründen können (vgl. Art. 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 7 HKsÜ), weshalb die Schweizer Behörden zu keinem Zeitpunkt ordentlich zuständig waren. Auch unter diesem Gesichtspunkt mangelt es an dem für die Beschwerde erforderlichen Interesse.  
 
3.   
Die Rechtsprechung verzichtet ausnahmsweise auf das Erfordernis des aktuellen und fortdauernden praktischen Interesses, wenn sich die gerügte Rechtsverletzung jederzeit wiederholen könnte und eine rechtzeitige gerichtliche Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre (sog. virtuelles Interesse: BGE 136 III 497 E. 1.1 S. 499; 139 I 206 E. 1.1 S. 208). Inwiefern dieser Ausnahmetatbestand erfüllt sein könnte, ist weder ersichtlich noch dargetan. Das Kindesschutzverfahren ist in Deutschland hängig, so dass sich die Beschwerdeführer an die dort zuständigen deutschen Behörden wenden können und müssen. 
 
4.   
Aus den dargelegten Gründen kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. Die Beschwerdeführer werden damit kosten-, hingegen nicht entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und 5 und Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Z.________, dem Obergericht des Kantons Bern, Zivilabteilung, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, und dem Landratsamt D.________ schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 19. Juni 2014 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: von Werdt 
 
Der Gerichtsschreiber: von Roten