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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
4A_95/2013  
   
   
 
 
 
 
Urteil vom 27. Juni 2013  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Klett, Präsidentin, 
Bundesrichter Corboz, Kolly, 
Gerichtsschreiber Leemann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________ Incorporation,  
vertreten durch Rechtsanwälte 
Michele Caratsch und Patrick von Arx, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Y.________ AG,  
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Urs Zenhäusern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Internationales Schiedsgericht, 
 
Beschwerde gegen den Schiedsentscheid des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Zürich vom 15. Januar 2013. 
 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die X.________ Incorporation (Beklagte, Beschwerdeführerin) ist ein kanadisches Bergbauunternehmen. Sie schloss am 4. April 2008 mit der Y.________ AG (Klägerin, Beschwerdegegnerin) mit Sitz in Deutschland, eine als "Technical Assistance Contract" bezeichnete Vereinbarung ab. Diese enthält eine Schiedsvereinbarung. 
Die Klägerin verpflichtete sich mit dieser Vereinbarung unter anderem dazu, Beratungsdienstleistungen im Zusammenhang mit der Ausarbeitung einer Vorprojektstudie ("pre-feasibility study") für die Errichtung einer sogenannten Pelletieranlage in der kanadischen Arktis zu erbringen. Dafür wurde ein Entgelt von insgesamt EUR 1'358'000.-- vereinbart, wovon 30 % als Anzahlung bei Vertragsunterzeichnung, 40 % bei der Zustellung von Flussdiagrammen ("flow sheets") und 30 % bei der Zustellung der technischen Dokumente zu bezahlen waren. 
Die erste Rate wurde an die Klägerin überwiesen. Die zweite Rate im Betrag von EUR 543'200.-- bezahlte die Beklagte hingegen nicht, woraufhin die Klägerin die Vereinbarung vom 4. April 2008 auflöste. 
 
B.  
Am 6. Juli 2011 leitete die Y.________ AG ein Schiedsverfahren nach den Bestimmungen der Internationalen Handelskammer (ICC) ein und beantragte, die X.________ Incorporation sei zur Zahlung von EUR 543'200.--, zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 19. Juli 2008, zu verpflichten. Diese beantragte die Abweisung der Schiedsklage, in erster Linie mit der Begründung, sie habe die von der Klägerin vertraglich geschuldeten Flussdiagramme nie erhalten. 
Die Parteien einigten sich in der Folge darauf, dass ein Einzelschiedsrichter über den Rechtsstreit entscheiden solle. Am 8. Dezember 2011 ernannte der ICC-Gerichtshof einen Einzelschiedsrichter. 
Am 24./25. Oktober 2012 fand in Zürich eine mündliche Verhandlung statt, in deren Rahmen verschiedene Zeugen einvernommen wurden. 
Mit Schiedsentscheid vom 15. Januar 2013 hiess der Einzelschiedsrichter die Klage gut. Er erachtete es dabei nach Würdigung der eingereichten Beweise und der Zeugenaussagen anlässlich der mündlichen Verhandlung insbesondere als erwiesen, dass die Beklagte das Flussdiagramm von der Klägerin zum ersten Mal am 6. Juni 2008 per E-Mail erhalten hatte. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beklagte dem Bundesgericht, es sei der Schiedsentscheid vom 15. Januar 2013 aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das Schiedsgericht zurückzuweisen. 
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung der Beschwerde. Der Einzelschiedsrichter äusserte sich mit Eingabe vom 14. März 2013 einzig zu einer von der Beschwerdeführerin erwähnten Beilage und verzichtete im Übrigen auf eine Vernehmlassung. 
 
D.  
Mit Verfügung vom 30. April 2013 wies das Bundesgericht das Gesuch der Beschwerdeführerin um Erteilung der aufschiebenden Wirkung ab. 
 
 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Nach Art. 54 Abs. 1 BGG ergeht der Entscheid des Bundesgerichts in einer Amtssprache, in der Regel in jener des angefochtenen Entscheids. Wurde dieser in einer anderen Sprache redigiert, verwendet das Bundesgericht die von den Parteien gewählte Amtssprache. Der angefochtene Entscheid ist in englischer Sprache abgefasst. Da es sich dabei nicht um eine Amtssprache handelt und sich die Parteien vor Bundesgericht der deutschen Sprache bedienen, ergeht der Entscheid des Bundesgerichts auf Deutsch. 
 
2.  
Im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ist die Beschwerde in Zivilsachen unter den Voraussetzungen der Art. 190-192 IPRG (SR 291) zulässig (Art. 77 Abs. 1 lit. a BGG). 
 
2.1. Der Sitz des Schiedsgerichts befindet sich vorliegend in Zürich. Beide Parteien hatten im relevanten Zeitpunkt ihren Sitz ausserhalb der Schweiz. Da die Parteien die Bestimmungen des 12. Kapitels des IPRG nicht schriftlich ausgeschlossen haben, gelangen diese zur Anwendung (Art. 176 Abs. 1 und 2 IPRG).  
 
2.2. Zulässig sind allein die Rügen, die in Art. 190 Abs. 2 IPRG abschliessend aufgezählt sind (BGE 134 III 186 E. 5 S. 187; 128 III 50 E. 1a S. 53; 127 III 279 E. 1a S. 282). Nach Art. 77 Abs. 3 BGG prüft das Bundesgericht nur die Rügen, die in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden sind; dies entspricht der in Art. 106 Abs. 2 BGG für die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht vorgesehenen Rügepflicht (BGE 134 III 186 E. 5 S. 187 mit Hinweis). Appellatorische Kritik ist unzulässig (BGE 134 III 565 E. 3.1 S. 567; 119 II 380 E. 3b S. 382).  
 
2.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den das Schiedsgericht festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung des Schiedsgerichts weder berichtigen noch ergänzen, selbst wenn diese offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (vgl. Art. 77 Abs. 2 BGG, der die Anwendbarkeit von Art. 97 BGG sowie Art. 105 Abs. 2 BGG ausschliesst). Allerdings kann das Bundesgericht die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Schiedsentscheids überprüfen, wenn gegenüber diesen Sachverhaltsfeststellungen zulässige Rügen im Sinne von Art. 190 Abs. 2 IPRG vorgebracht oder ausnahmsweise Noven berücksichtigt werden (BGE 138 III 29 E. 2.2.1 S. 34; 134 III 565 E. 3.1 S. 567; 133 III 139 E. 5 S. 141; je mit Hinweisen). Wer sich auf eine Ausnahme von der Bindung des Bundesgerichts an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz beruft und den Sachverhalt gestützt darauf berichtigt oder ergänzt wissen will, hat mit Aktenhinweisen darzulegen, dass entsprechende Sachbehauptungen bereits im vorinstanzlichen Verfahren prozesskonform aufgestellt worden sind (vgl. BGE 115 II 484 E. 2a S. 486; 111 II 471 E. 1c S. 473; je mit Hinweisen).  
 
3.  
Die Beschwerdeführerin wirft dem Schiedsgericht in dreierlei Hinsicht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG) vor. 
 
3.1. Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG lässt die Anfechtung wegen der zwingenden Verfahrensregeln gemäss Art. 182 Abs. 3 IPRG zu. Danach muss das Schiedsgericht insbesondere den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör wahren. Dieser entspricht im Wesentlichen dem in Art. 29 Abs. 2 BV gewährleisteten Verfassungsrecht (BGE 130 III 35 E. 5 S. 37 f.; 128 III 234 E. 4b S. 243; 127 III 576 E. 2c S. 578 f.). Die Rechtsprechung leitet daraus insbesondere das Recht der Parteien ab, sich über alle für das Urteil wesentlichen Tatsachen zu äussern, ihren Rechtsstandpunkt zu vertreten, ihre entscheidwesentlichen Sachvorbringen mit tauglichen sowie rechtzeitig und formrichtig offerierten Mitteln zu beweisen, sich an den Verhandlungen zu beteiligen und in die Akten Einsicht zu nehmen (BGE 130 III 35 E. 5 S. 38; 127 III 576 E. 2c S. 578 f.; je mit Hinweisen). Dem entspricht eine Pflicht des Schiedsgerichts, die rechtserheblichen Vorbringen der Parteien tatsächlich zu hören und zu prüfen. Das bedeutet jedoch nicht, dass es sich ausdrücklich mit jedem Argument der Parteien auseinandersetzen muss (BGE 133 III 235 E. 5.2 S. 248 f.; 121 III 331 E. 3b S. 333). Ein Anspruch auf Begründung des Entscheids ergibt sich aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG nach ständiger Rechtsprechung nicht (BGE 134 III 186 E. 6.1 S. 187 mit Hinweisen).  
 
3.2. Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, sie habe im Schiedsverfahren den Standpunkt vertreten, dass sie die fraglichen Flussdiagramme von der Beschwerdegegnerin nie erhalten hatte; zum Beweis habe sie dem Schiedsgericht die schriftliche Zeugenerklärung (witness statement) ihres technischen Direktors Dr. A.________ eingereicht, der anlässlich der Verhandlung am 24. Oktober 2012 auch mündlich als Zeuge befragt wurde. Sowohl in seiner schriftlichen Zeugenerklärung als auch im Rahmen seiner mündlichen Befragung habe Dr. A.________ mehrfach bezeugt, dass weder er noch ein anderer Mitarbeiter der Beschwerdeführerin die besagten Flussdiagramme jemals erhalten hätten.  
Die Vorbringen der Beschwerdeführerin lassen nicht darauf schliessen, dass das Schiedsgericht die Aussagen ihres Hauptzeugen zum zentralen Prozessthema "komplett ignoriert" hätte. Sie legt selbst dar, dass ihr Zeuge vor dem Schiedsgericht aussagen konnte und darin unter anderem seine schriftliche Erklärung wiederholte, wonach sie die Flussdiagramme nie erhalten habe. Die Beschwerdeführerin bestätigt zudem, dass die fraglichen Zeugenaussagen vom Schiedsgericht protokolliert wurden. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht ist in dem von ihr ins Feld geführten Umstand, dass die Zeugenaussage von Dr. A.________ in den einschlägigen Erwägungen des angefochtenen Schiedsentscheids unerwähnt bleibt, keine Verletzung der in Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG aufgeführten Grundsätze zu erblicken. Das Schiedsgericht hat es aufgrund einer eingehenden Untersuchung des E-Mail-Austauschs zwischen Vertretern der Beschwerdegegnerin und Dr. A.________ bzw. B.________ von der Beschwerdeführerin im massgebenden Zeitraum als erwiesen erachtet, dass diese die strittigen Flussdiagramme erhalten hatte. Darin, dass es in der Folge nicht mehr ausdrücklich auf die in der Beschwerde erwähnten Zeugenaussagen einging, sondern nur noch allgemein erwog, die übrigen Beweismittel - so insbesondere die Zeugenaussagen - vermöchten am Beweisergebnis nichts mehr zu ändern, liegt weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs noch eine formelle Rechtsverweigerung. 
 
3.3. Die Beschwerdeführerin trägt weiter vor, das Schiedsgericht habe ein aktenkundiges beweisrelevantes E-Mail ihres Geschäftsleitungsmitglieds B.________ an C.________ vom 15. August 2008 gänzlich unberücksichtigt gelassen.  
Zwar trifft zu, dass das E-Mail vom 15. August 2008, das von der Beschwerdegegnerin als Beilage C-52 eingereicht und von der Beschwerdeführerin in ihrer Duplikschrift vom 14. September 2012 erwähnt wurde, im angefochtenen Schiedsentscheid nicht ausdrücklich erwähnt wird. Die Beschwerdegegnerin weist allerdings zu Recht darauf hin, dass der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin das besagte Dokument auch anlässlich des Kreuzverhörs des Zeugen C.________ vorlegte und seinen Inhalt erwähnte. Aus dem Protokoll der Zeugeneinvernahme geht zweifelsfrei hervor, dass dem Einzelschiedsrichter das E-Mail vom 15. August 2008 vorlag und er von seinem Inhalt Kenntnis erlangte. Der Umstand, dass das fragliche Dokument im angefochtenen Entscheid nicht ausdrücklich aufgeführt wird, lässt entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht nicht darauf schliessen, dass es vom Einzelschiedsrichter bei der Entscheidfindung gänzlich ignoriert worden wäre. Entgegen dem, was die Beschwerdeführerin anzunehmen scheint, ergibt sich aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG kein Anspruch auf Begründung. Soweit sie eine unzureichende Begründung des angefochtenen Entscheids rügt, zeigt sie keinen gesetzlich vorgesehenen Beschwerdegrund auf (vgl. BGE 134 III 186 E. 6.1 S. 187 f.; 127 III 576 E. 2b S. 577 f.; je mit Hinweisen). 
 
3.4. Die Beschwerdeführerin behauptet in ihrer weiteren Beschwerdebegründung, das Kreuzverhör des Zeugen C.________ sei im angefochtenen Schiedsentscheid zwar formell erwähnt worden, das Schiedsgericht habe jedoch bei der Entscheidfindung die aktenkundigen Zeugenaussagen von C.________ "nicht in vollem Umfang zur Kenntnis genommen"; diese belegten exemplarisch, dass im Zusammenhang mit der Zustellung und dem Empfang der Flussdiagramme verschiedene offensichtliche Ungereimtheiten bestanden hätten.  
Damit vermag die Beschwerdeführerin keine Gehörsverletzung aufzuzeigen. Vielmehr kritisiert sie lediglich in appellatorischer Weise das schiedsgerichtliche Beweisergebnis. 
 
4.  
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 8'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 9'500.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. Juni 2013 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Klett 
 
Der Gerichtsschreiber: Leemann