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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_309/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 13. Juli 2017  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichterin Glanzmann, Bundesrichter Parrino, 
Gerichtsschreiberin Fleischanderl. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Elena Kanavas, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung 
(Invalidenrente; Arbeitsunfähigkeit), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid 
des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 8. März 2017. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
 
A.a. Mit Verfügung vom 22. Juli 2005, bestätigt durch in Rechtskraft erwachsenen Einspracheentscheid vom 28. Oktober 2005, beschied die IV-Stelle des Kantons Zürich das Gesuch des 1965 geborenen A.________ um Rentenleistungen mangels anspruchsbegründender Invalidität abschlägig.  
Auf ein Ende März 2006 erneut gestelltes Leistungsbegehren hin trat die IV-Stelle mit Verfügung vom 18. April 2006 nicht ein. 
Nachdem A.________ Ende November 2007 abermals bei der Invalidenversicherung vorstellig geworden war, zog die Verwaltung u.a. Berichte des Hausarztes Dr. med. B.________, Allgemeinmedizin FMH, vom 7. Dezember 2007, des Dr. med. C.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 6. Juni 2008 und des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) vom 29. Juli 2008 bei. Gestützt darauf stellte sie vorbescheidweise die Ablehnung des Rentenersuchens in Aussicht. Nach Einwand des Versicherten wurden weitere Auskünfte des Dr. med. C.________ vom 4. September 2009 und des Prof. Dr. med. D.________, Facharzt für Psychiatrie, RAD, vom 25. Januar 2010 eingeholt. Auf dieser Basis ermittelten die IV-Organe einen Invaliditätsgrad von 70 % und sprachen A.________ rückwirkend ab 1. Januar 2008 eine ganze Invalidenrente zu (Verfügungen vom 20. Oktober 2010). 
 
A.b. Im Rahmen der im September 2013 von Amtes wegen eingeleiteten Revision veranlasste die IV-Stelle u.a. polydisziplinäre Abklärungen durch die MEDAS Zentralschweiz, Interdisziplinäre medizinische Gutachterstelle, welche ihre Ergebnisse in der Expertise vom 24. Juli 2015 festhielt. Mit Vorbescheid vom 15. September 2015 kündigte die IV-Stelle, nachdem sie das MEDAS-Gutachten dem RAD vorgelegt und dieser sich mit Stellungnahme vom 19. August 2015 dazu geäussert hatte, infolge Vorliegens einer Invalidität von 22 % die Wiedererwägung der Verfügungen vom 20. Oktober 2010 und die Aufhebung der bisherigen Rente an. Am 24. November 2015 verfügte sie in diesem Sinne und stellte die Rentenleistungen auf das Ende des der Verfügungszustellung folgenden Monats ein.  
 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich gut und hob die angefochtene Verfügung mit der Feststellung auf, dass A.________ weiterhin Anspruch auf eine ganze Invalidenrente habe (Entscheid vom 8. März 2017). 
 
C.   
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und ersucht um Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids. Eventualiter sei festzustellen, dass die Verfügungen vom 20. Oktober 2010 zu Recht wiedererwägungsweise aufgehoben worden seien, und es sei die Sache zur Beurteilung des aktuellen Rentenanspruchs an das kantonale Gericht zurückzuweisen. Ferner sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu gewähren. 
Die Vorinstanz enthält sich in materieller Hinsicht einer Stellungnahme. A.________ lässt beantragen, es sei auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventuell sei diese abzuweisen; dem Gesuch um aufschiebende Wirkung sei nicht stattzugeben. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
 
2.   
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob Bundesrecht verletzte wurde, indem die Vorinstanz die Voraussetzungen einer Wiedererwägung der Rentenverfügungen vom 20. Oktober 2010 verneint und die Verfügung der Beschwerdeführerin vom 24. November 2015 mit der Feststellung aufgehoben hat, dem Beschwerdegegner stehe weiterhin eine ganze Rente zu.  
 
2.2. Im angefochtenen Entscheid wurden die entscheidwesentlichen Bestimmungen und Grundsätze zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.  
 
2.2.1. Korrekt erwogen hat das kantonale Gericht namentlich, dass der Versicherungsträger nach Art. 53 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 2 ATSG und Art. 1 Abs. 1 IVG auf formell rechtskräftige Verfügungen, welche nicht Gegenstand materieller richterlicher Überprüfung gebildet haben, zurückkommen kann, wenn diese nach damaliger Sach- und Rechtslage zweifellos unrichtig sind und - was auf periodische Dauerleistungen regelmässig zutrifft (vgl. BGE 119 V 475 E. 1c S. 480 mit Hinweisen) - ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Die Wiedererwägung im Sinne dieser Bestimmung dient der Korrektur einer anfänglich unrichtigen Rechtsanwendung einschliesslich unrichtiger Feststellung im Sinne der Würdigung des Sachverhalts. Zweifellose Unrichtigkeit meint dabei, dass kein vernünftiger Zweifel an der (von Beginn weg bestehenden) Unrichtigkeit der Verfügung möglich, also einzig dieser Schluss denkbar ist (BGE 138 V 324 E. 3.3 S. 328). Soweit ermessensgeprägte Teile der Anspruchsprüfung vor dem Hintergrund der Sach- und Rechtslage einschliesslich der Rechtspraxis im Zeitpunkt der rechtskräftigen Leistungszusprechung (BGE 125 V 383 E. 3 S. 389 f.) in vertretbarer Weise beurteilt worden sind, scheidet die Annahme zweifelloser Unrichtigkeit aus (BGE 141 V 405 E. 5.2 S. 414 f.; Urteil 9C_766/2016 vom 3. April 2017 E. 1.1.2 mit diversen Hinweisen).  
 
2.2.2. Die Feststellungen, welche der Beurteilung der zweifellosen Unrichtigkeit zugrunde liegen, sind tatsächlicher Natur und folglich nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. E. 1 hiervor). Dagegen ist die Auslegung (Konkretisierung) dieses unbestimmten Rechtsbegriffs als Wiedererwägungsvoraussetzung eine grundsätzlich frei prüfbare Rechtsfrage (Art. 95 lit. a BGG; Urteile 9C_11/2016 vom 22. Februar 2016 E. 3.3 und 9C_994/2010 vom 12. April 2011 E. 2, in: SVR 2011 IV Nr. 71 S. 213).  
 
3.   
 
3.1. Im vorinstanzlichen Entscheid wurde die den Rentenverfügungen vom 20. Oktober 2010 zugrunde gelegene medizinische Aktenlage, insbesondere die Berichte des Dr. med. B.________ vom 7. Dezember 2007, des Dr. med. C.________ vom 6. Juni 2008 und 4. September 2009 sowie des Prof. Dr. med. D.________, RAD, vom 25. Januar 2010, detailliert wiedergegeben. Gestützt darauf, namentlich die nach einer psychiatrischen Standortbestimmung durch Prof. Dr. med. D.________ vorgenommene Einschätzung, wonach der Beschwerdegegner auf Grund des vorhandenen Krankheitsbildes (Lumboischialgie mit Diskushernie bei degenerativer Veränderung der Wirbelsäule, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren [ICD-10: F45.41] sowie Neurasthenie [ICD-10: F48.0]) in einer leidensangepassten Tätigkeit zu 30 bis maximal 50 % arbeitsfähig sei, kam das kantonale Gericht zum Schluss, die dannzumalige Annahme der Beschwerdeführerin eines verwertbaren Leistungsvermögens des Versicherten von 30 % beruhe auf einer nachvollziehbaren, jedenfalls aber nicht zweifellos unrichtigen Würdigung der echtzeitlichen ärztlichen Angaben. Dieses Ergebnis untermauerten ferner die - von Prof. Dr. med. D.________ ebenfalls berücksichtigten - Auskünfte der Dres. med. B.________ und C.________, welche von einer Arbeitsfähigkeit im Rahmen adaptierter Beschäftigungen von 50 (bis 100) % ausgegangen seien. Dazu komme, dass der Beschwerdegegner eine Arbeitsfähigkeit in diesem Umfang mit der im August 2008 aufgenommenen teilzeitlichen Erwerbstätigkeit als Barman auch entsprechend verwertet habe. Schliesslich vermöge an dieser Schlussfolgerung, so die Vorinstanz abschliessend, der Umstand nichts zu ändern, dass ein vergleichbarer Sachverhalt nach aktueller Praxis wohl anders beurteilt würde.  
 
3.2. Die Vorbringen in der Beschwerde sind nicht geeignet, die Rechtmässigkeit dieser vorinstanzlichen Betrachtungsweise ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Entgegen der Auffassung der IV-Stelle ist nicht ersichtlich, inwieweit das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt haben könnte, indem es die Wiedererwägungsvoraussetzung der zweifellosen Unrichtigkeit verneint hat. Wie der Beschwerdegegner zu Recht anmerken lässt, kann nicht die Rede sein, dass die damalige Einschätzung des RAD vom 25. Januar 2010 unhaltbar gewesen und nur einziger Schluss, derjenige auf die Unrichtigkeit der Rentenverfügungen vom 20. Oktober 2010, möglich ist. Auch wenn hinsichtlich der Würdigung versicherungsinterner ärztlicher Auskünfte in beweisrechtlicher Hinsicht praxisgemäss strenge Anforderungen gelten (BGE 135 V 465 E. 4 S. 467 ff.; 122 V 157 E. 1d S. 162 f.), ist nicht erkennbar, inwiefern die im "Feststellungsblatt für den Beschluss" wiedergegebene Beurteilung des Prof. Dr. med. D.________ diesen nicht genügen sollte. Vielmehr fasst sie die anlässlich der psychiatrischen Standortbestimmung erhobenen Befunde zusammen, ordnet sie konkreten Diagnosen zu, stellt die Entwicklung und den Verlauf der psychischen Erkrankung dar und berücksichtigt auch die echtzeitlichen Angaben und Arbeitsfähigkeitseinschätzungen der behandelnden Ärzte Dres. med. B.________ und C.________. Anhaltspunkte dafür, dass die betreffende Stellungnahme "auch nicht nur ansatzweise nachvollziehbar oder plausibel" ist, bestehen entgegen der Behauptung in der Beschwerde mit der Vorinstanz nicht. Im Gegenteil deutet der Umstand, dass die MEDAS-Gutachter im Rahmen ihrer Expertise vom 24. Juli 2015 immer noch von einer leidensangepasst (lediglich) 50 - und nicht 100 - %igen Arbeitsfähigkeit ausgingen und auch Dr. med. C.________ dem Beschwerdegegner mit Bericht vom 4. Februar 2014 kein erheblich höheres Leistungsvermögen bescheinigte, zumindest nicht auf eine Unhaltbarkeit der damaligen medizinischen Einschätzung (und damit der Rentenzusprache) hin. Kein anderes Ergebnis lässt sich schliesslich aus der von der Beschwerdeführerin angerufenen Tatsache herleiten, dass das kantonale Gericht in einem anderen, ebenfalls eine Stellungnahme des Prof. Dr. med. D.________ betreffenden Fall gegenteilig entschieden hatte.  
Insgesamt ist die vorinstanzliche Beurteilung unter Berücksichtigung der gebotenen Zurückhaltung hinsichtlich der für die Berentung im Jahr 2010 massgeblichen, mit einem gewissen Ermessen verbundenen Bewertung der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdegegners wie auch der Kognition des Bundesgerichts nicht zu beanstanden. Dass sich die Beschwerdeführerin heute auf eine angebliche Unvollständigkeit und mithin fehlende Beweiskraft der Stellungnahme des RAD vom 25. Januar 2010 beruft, rechtfertigt nach dem Gesagten kein Rückkommen auf ihre Rentenverfügungen vom 20. Oktober 2010. 
 
3.3.  
 
3.3.1. Indes stellt sich hier die Frage, ob die gestützt auf den Titel der Wiedererwägung verfügte Rentenaufhebung vom 24. November 2015 mit der substituierten Begründung der revisionsweisen Anpassung nach Art. 17 ATSG geschützt werden kann. Diesbezügliche Hinweise ergeben sich namentlich aus der Expertise der MEDAS vom 24. Juli 2015. Darin wurde die Frage, ob im Vergleich zur Situation im Jahr 2010 eine anhand von objektiven Kriterien nachvollziehbare Verbesserung des Gesundheitsschadens - und nicht nur eine andere Beurteilung eines im Wesentlichen gleichen Gesundheitszustands - stattgefunden habe, unter Hinweis auf die ausführliche Stellungnahme im psychiatrischen Teilgutachten klar mit "Ja" beantwortet.  
 
3.3.2. Die Vorinstanz hat sich in dieser Hinsicht noch nicht geäussert. Aus Rechtsschutzgründen (kein Verlust der ersten und einzigen Instanz mit freier Beweiswürdigung) ist die Sache zur entsprechenden Anhandnahme an sie zurückzuweisen. Dabei wird zu beachten sein, dass nach der im Sozialversicherungsrecht geltenden Praxis zum Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) der versicherten Person insbesondere dann vorgängig Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen ist, wenn eine zu Unrecht ergangene Revisionsverfügung mit der substituierten Begründung der Wiedererwägung (BGE 125 V 368; Urteile 9C_384/2016 vom 12. Juli 2016 E. 3 und 8C_1027/2009 vom 17. August 2010 E. 2.2) oder die wiedererwägungsweise verfügte Rentenherabsetzung oder -aufhebung mit der substituierten Begründung der revisionsweisen Anpassung geschützt wird (Urteil 8C_386/2011 vom 19. September 2011 E. 3.2). In diesen besonderen Konstellationen können die Parteien grundsätzlich mit der Einräumung des rechtlichen Gehörs rechnen, wenn das Gericht eine Begründungssubstitution vornimmt (Urteil 9C_766/2016 vom 3. April 2017 E. 3.2 mit Hinweis).  
 
4.   
Mit dem Urteil in der Hauptsache wird das Gesuch der Beschwerdeführerin um Gewährung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos. 
 
5.   
Die Rückweisung der Sache an die Verwaltung oder an die Vorinstanz zu erneuter Abklärung (mit noch offenem Ausgang) gilt für die Frage der Auferlegung der Gerichtskosten wie auch der Parteientschädigung als vollständiges Obsiegen im Sinne von Art. 66 Abs. 1 Satz 1 sowie Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG, unabhängig davon, ob sie beantragt oder ob das entsprechende Begehren im Haupt- oder im Eventualantrag gestellt wird (BGE 132 V 215 E. 6.1 S. 235; u.a. Urteil 8C_279/2015 vom 27. August 2015 E. 4.1 mit Hinweisen). Demgemäss sind die Prozesskosten dem Beschwerdegegner zu überbinden. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 8. März 2017 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 13. Juli 2017 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Fleischanderl