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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2A.465/2003 /kil 
 
Urteil vom 14. Oktober 2003 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Hungerbühler, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Müller, Merkli, 
Gerichtsschreiber Klopfenstein. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt 
Dr. Duri Poltera, Hadwigstrasse 6a, 9000 St. Gallen, 
 
gegen 
 
Kantonales Ausländeramt St. Gallen, 
Oberer Graben 32, 9001 St. Gallen, 
Verwaltungsrekurskommission des Kantons 
St. Gallen, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, Unterstrasse 28, 9001 St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Verlängerung der Ausschaffungshaft gemäss 
Art. 13b Abs. 2 ANAG
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, vom 
22. September 2003. 
 
Das Bundesgericht stellt fest und zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 X.________ reiste am 5. Oktober 2000 illegal in die Schweiz ein. Er trat unter dem erwähnten Namen auf und machte geltend, er stamme aus A.________ (Algerien), sei am ... 1978 geboren worden und ledig. Seit Ende 1998 werde er von der algerischen Polizei gesucht; 1999 sei seine Familie zuhause "geschlachtet" worden. 
 
Am 16. Januar 2001 lehnte das Bundesamt für Flüchtlinge das Asylgesuch von X.________ ab und wies ihn aus der Schweiz weg. Eine gegen diesen Entscheid gerichtete Beschwerde wies die schweizerische Asylrekurskommission am 22. April 2003 ab. Daraufhin forderte das Bundesamt für Flüchtlinge X.________ auf, die Schweiz bis zum 16. Mai 2003 zu verlassen. Gleichzeitig machte es ihn darauf aufmerksam, dass er verpflichtet sei, bei der Beschaffung gültiger Reisepapiere mitzuwirken. Bei einem Ausreisegespräch mit dem Ausländeramt des Kantons St. Gallen machte X.________ geltend, er besitze keine heimatlichen Dokumente und könne sich diese auch nicht beschaffen. Im Übrigen werde er keinesfalls nach Algerien zurückkehren. Das kantonale Ausländeramt stellte in der Folge beim Bundesamt für Flüchtlinge ein Gesuch um Vollzugsunterstützung. Am 24. Juni 2003 ordnete es gestützt auf Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG gegen X.________ Ausschaffungshaft an, da dieser inzwischen mehrfach straffällig geworden und darüber hinaus untergetaucht sei. Am 25. Juni 2003 bewilligte der zuständige Einzelrichter der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen (Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht) die Haft bis zum 23. September 2003. 
 
1.2 Mit Gesuch vom 4. September 2003 beantragte das Ausländeramt, X.________ sei für weitere drei Monate in Ausschaffungshaft zu belassen. Die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen (Einzelrichter) bewilligte die Verlängerung der Haft am 22. September 2003 indessen nur für zwei Monate (längstens bis zum 23. November 2003). 
 
Gegen diesen Entscheid führt X.________ mit Eingabe vom 29. September 2003 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Er beantragt, den Entscheid der Verwaltungsrekurskommission aufzuheben; ausserdem sei er aus der Haft zu entlassen. Sodann ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
 
Das Ausländeramt des Kantons St. Gallen hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (Abteilung Vollzugsunterstützung) hat sich vernehmen lassen, ohne einen ausdrücklichen Antrag zu stellen. Der Beschwerdeführer hat von der Möglichkeit, sich ergänzend zu äussern, nicht Gebrauch gemacht. 
2. 
Wurde ein erstinstanzlicher, nicht notwendigerweise auch rechtskräftiger Weg- oder Ausweisungsentscheid eröffnet, so kann die zuständige kantonale Behörde (Art. 13c Abs. 1 ANAG) einen Ausländer zur Sicherstellung von dessen Vollzug in Ausschaffungshaft nehmen, wenn die Voraussetzungen von Art. 13b ANAG (s. auch Art. 13c Abs. 3 und 5 lit. c ANAG) erfüllt sind, insbesondere wenn ein gesetzlicher Haftgrund gemäss Art. 13b Abs. 1 ANAG vorliegt. Die Haft darf vorerst für höchstens drei Monate angeordnet werden; stehen dem Vollzug der Weg- oder Ausweisung besondere Hindernisse entgegen, so kann die Haft mit Zustimmung der richterlichen Behörde, welche aufgrund einer mündlichen Verhandlung über deren Rechtmässigkeit und Angemessenheit befindet (vgl. Art. 13c Abs. 2 ANAG), um höchstens sechs Monate verlängert werden (Art. 13b Abs. 2 ANAG); die Ausschaffungshaft darf damit maximal neun Monate dauern. Die Haft ist zu beenden, wenn sich erweist, dass der Vollzug der Wegweisung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen undurchführbar ist (Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG), d.h. wenn nicht mehr ernsthaft damit gerechnet werden kann, dass sich die Ausschaffung innert der maximal möglichen Haftdauer bewerkstelligen lässt. Die für den Vollzug der Weg- oder Ausweisung notwendigen Vorkehrungen sind umgehend zu treffen (Art. 13b Abs. 3 ANAG; Beschleunigungsgebot). 
3. 
3.1 Gegen den Beschwerdeführer liegt ein rechtskräftiger Wegweisungsentscheid vor. Die angeordnete, verlängerte Ausschaffungshaft dient der Sicherstellung des Vollzugs der Wegweisung. Der Beschwerdeführer erfüllt aufgrund seines bisherigen Verhaltens nach wie vor den Haftgrund von Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG (Untertauchensgefahr; vgl. BGE 125 II 369 E. 3b/aa S. 375): Er verhält sich unkooperativ und macht offensichtlich unwahre Angaben über seine Identität, so dass er von den algerischen Behörden nicht identifiziert werden kann (vgl. Vernehmlassung der Abteilung Vollzugsunterstützung, S. 2 unten); gegen ihn liegen zudem mehrere Strafurteile vor (u.a. wegen Hausfriedensbruch und wegen Vermögensdelikten, vgl. Entscheid des Haftrichters vom 25. Juni 2003, S. 2); ausserdem hatte er häufig das ihm zugewiesene Asylbewerberzentrum verlassen, ohne sich abzumelden (erwähnter Entscheid, S. 7). Seiner Beteuerung, er werde im Falle der Haftentlassung selbständig ausreisen (vgl. Befragungsprotokoll vom 14. August 2003), kann unter den gegebenen Umständen kein Glauben geschenkt werden; im Übrigen ist nicht ersichtlich, wie er ohne gültige Papiere das Land auf legale Weise verlassen könnte. 
3.2 
3.2.1 Der Beschwerdeführer rügt, die schweizerischen Behörden hätten das Beschleunigungsgebot verletzt. Die einzigen effektiven Massnahmen seien am 16./18. Juli 2003 durchgeführt worden, nämlich eine ausführliche Identitätsbefragung und ein Gesuch ans Bundesamt betreffend einer Lingua-Analyse und betreffend Abklärungen in Schweden. Seit diesem Datum stehe das Verfahren praktisch still. Die mangelnde Mitwirkung des Beschwerdeführers könne hierfür nicht als Entschuldigung angeführt werden, da "der 'Ball' bei den Schweizer Behörden gelegen wäre". 
3.2.2 Die Vollzugsbehörden müssen versuchen, die Identität des Ausländers festzustellen und die für seine Ausschaffung erforderlichen Papiere auch ohne seine Mitwirkung zu beschaffen. Ob das Beschleunigungsgebot verletzt wurde, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Das Bundesgericht hat eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes bejaht, wenn während rund zwei Monaten keinerlei Vorkehren mehr im Hinblick auf die Ausschaffung getroffen wurden, ohne dass die Verzögerung in erster Linie auf das Verhalten ausländischer Behörden oder des Betroffenen selber zurückging (BGE 124 II 49 E. 3a S. 50 f., mit Hinweisen). 
3.2.3 Der Haftrichter hat erwogen, am 16. Juli 2003 sei der Beschwerdeführer zu seiner Herkunft befragt worden; am 18. Juli 2003 hätten die Vollzugsbehörden sodann die Durchführung einer Lingua-Abklärung sowie einen daktyloskopischen Vergleich in Schweden beantragt. Auch die Befragung des Beschwerdeführers betreffend seine Reisebereitschaft vom 14. August 2003 könne als zielgerichtete Vorkehr gewertet werden. Weitere Vorkehren seien aber nicht ersichtlich. Es zeige sich deshalb, dass dem Beschleunigungsgebot, "wenn auch in nur knapp ausreichender Form", entsprochen worden sei (angefochtener Entscheid, S. 8). Dabei dürfe nicht übersehen werden, dass bereits am 18. Juli 2003 eine Lingua-Abklärung beantragt worden sei. Weshalb diese noch nicht habe durchgeführt werden können, sei nicht erkennbar. 
3.2.4 Die Papierbeschaffung verzögerte sich vorliegend wegen des Verhaltens des Beschwerdeführers und allenfalls wegen der strengen Praxis, welche die Vertretung des Heimatstaates des Beschwerdeführers bei der Ausstellung eines Reisepapiers verfolgt. Darin liegen besondere Hindernisse im Sinne von Art. 13b Abs. 2 ANAG, welche die Verlängerung der Ausschaffungshaft grundsätzlich zu rechtfertigen vermögen (Urteil 2A.390/2003 vom 25. September 2003, E. 3.2, mit Hinweis). Die Beurteilung des Haftrichters, das Beschleunigungsgebot sei vorliegend noch gerade eingehalten worden, lässt sich nicht beanstanden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer eine Identität behauptet, die in seinem Heimatstaat nicht bekannt ist. Die Verzögerung des Wegweisungsvollzugs ist daher in erster Linie vom Verhalten des Beschwerdeführers und demjenigen der algerischen Behörden abhängig. Davon, dass das Verfahren seit mehr als zwei Monaten praktisch stillstehe, kann sodann nicht die Rede sein: Nachdem die Durchführung einer Lingua-Analyse beantragt worden war, hat - was vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt wird und woran zu zweifeln für das Bundesgericht kein Anlass besteht - jedenfalls inzwischen mindestens ein Gespräch mit dem bestellten Gutachter stattgefunden (worauf dieser zum Schluss gekommen sei, der Beschwerdeführer stamme mit grosser Wahrscheinlichkeit aus Algerien, vgl. Vernehmlassung der Abteilung Vollzugsunterstützung). Es darf in diesem Zusammenhang auch mitberücksichtigt werden, dass noch nicht alle Interpol-Anfragen beantwortet worden sind, was nicht den fremdenpolizeilichen Behörden anzulasten ist (vgl. angefochtener Entscheid, S. 9). 
3.3 Die Verlängerung der Ausschaffungshaft erweist sich vorliegend auch nicht als unverhältnismässig; der Haftrichter hat insbesondere dem psychisch angeschlagenen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers Rechnung getragen (S. 11 des angefochtenen Entscheides). 
3.4 Schliesslich lässt der Umstand allein, dass die Ausreise nur schwer organisiert werden kann, die Haft nicht bereits dahinfallen oder die Ausschaffung als undurchführbar erscheinen. Gerade wegen solcher Schwierigkeiten und Ungewissheiten hat der Gesetzgeber die zulässige Haftdauer erheblich erhöht und die Möglichkeit der Haftverlängerung geschaffen (BBl 1994 I 305 ff. S. 316). Lediglich die vage und höchst unwahrscheinliche, rein theoretische Möglichkeit, den Vollzug noch innert absehbarer Frist durchführen zu können, begründet die Unzulässigkeit der Haft, nicht aber die entsprechende ernsthafte, wenn auch allenfalls nur geringfügige Möglichkeit (Urteil 2A.35/2003 vom 6. Februar 2003, E. 3.3). 
 
Vorliegend bestehen keine Anzeichen dafür, dass die Ausschaffung nicht in absehbarer Zeit vollzogen werden könnte bzw. sie rechtlich oder tatsächlich unmöglich wäre. 
4. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich damit als unbegründet und ist abzuweisen. 
 
Der Beschwerdeführer hat um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung ersucht. Dem Gesuch ist vorliegend zu entsprechen (Art. 152 Abs. 1 und 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen. 
2.1 Es werden keine Kosten erhoben. 
2.2 Rechtsanwalt Dr. Duri Poltera wird als amtlicher Vertreter des Beschwerdeführers bestellt, und es wird ihm für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse ein Honorar von Fr. 1'500.-- ausgerichtet. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Kantonalen Ausländeramt St. Gallen und der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen (Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht) sowie dem Bundesamt für Flüchtlinge schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 14. Oktober 2003 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: