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[AZA 0/2] 
6S.531/2000/sch 
 
KASSATIONSHOF 
************************* 
 
27. Dezember 2000 
 
Es wirken mit: Bundesrichter Schubarth, Präsident des 
Kassationshofes, Bundesrichter Wiprächtiger, Ersatzrichter 
Killias und Gerichtsschreiber Monn. 
 
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In Sachen 
X.________, zzt. Strafanstalt Oberschöngrün, Solothurn, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprech Konrad Jeker, Bielstrasse 9, Solothurn, 
 
gegen 
Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, 
betreffend 
 
 
Raub (Art. 140 Ziff. 4 StGB), 
Diebstahl (Art. 139 Ziff. 1 StGB), hat sich ergeben: 
 
A.- X.________ überfiel zusammen mit Y.________ am 27. November 1995 den 77-jährigen A.________ in dessen Haus. 
 
 
Auf Grund eines Hinweises von Z.________ gingen die Täter davon aus, dass es beim Opfer "viel Geld zu holen" gebe. X.________ hatte zudem ebenfalls von Z.________ eine Pistole erworben. Die Täter vereinbarten, dass Y.________ dem Opfer mit der Pistole Angst einflössen und X.________ in der Wohnung nach Geld suchen werde. Nachdem zunächst niemand auf das Läuten der Täter reagiert und sie vergeblich versucht hatten, durch den Keller ins Haus zu gelangen, öffnete das Opfer schliesslich auf ihr erneutes Läuten hin doch noch die Haustüre. Y.________ drängte das Opfer ins Innere der Wohnung, bedrohte es mit der Waffe und verlangte Geld von ihm. Während das Opfer beteuerte, kein Geld zu haben, durchsuchte X.________ die Räumlichkeiten. 
Y.________ schlug in dieser Zeit mit den Fäusten, der Pistole und mit anderen Gegenständen, unter anderem einem Schraubenschlüssel, derart heftig auf das Opfer ein, dass es am Kopf erhebliche Verletzungen davontrug und stark blutete. Einmal behändigte X.________ die Waffe selber und nahm das Magazin heraus, damit das Opfer sehen konnte, dass die Waffe echt war. Darauf gab er die Pistole an Y.________ zurück und durchsuchte erneut das Wohnzimmer, während Y.________ mit dem Opfer im Korridor blieb. Plötzlich fiel ein Schuss, worauf X.________ in den Korridor rannte und sah, wie das Opfer getroffen auf dem Boden lag. Y.________ stand davor und schrie das Opfer immer wieder an, es solle ihm Geld geben. Ausser sich vor Wut zielte Y.________ sodann erneut auf das Opfer und gab einen zweiten, tödlichen Schuss auf es ab. 
B.- Das Kriminalgericht des Kantons Solothurn sprach X.________ am 24./25. Mai 2000 des qualifizierten Raubes (sowie in anderem Zusammenhang des mehrfachen Diebstahls, der Sachbeschädigung und der mehrfachen Widerhandlung gegen das Waffengesetz) schuldig und bestrafte ihn mit dreieinhalb Jahren Zuchthaus, unter Anrechnung der vom 4. März bis 22. April 1996 ausgestandenen Untersuchungshaft. 
 
C.- X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, das Urteil des Kriminalgerichts sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Dem Beschwerdeführer sei die unentgeltliches Rechtspflege zu bewilligen, und Fürsprech Konrad Jeker sei als unentgeltlicher Rechtsbeistand einzusetzen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- a) Der Beschwerdeführer rügt, er sei in Verletzung von Bundesrecht wegen qualifizierten Raubes im Sinne von Art. 140 Ziff. 4 StGB verurteilt worden, obwohl der dafür erforderliche Vorsatz bzw. Eventualvorsatz nicht erfüllt gewesen sei. Er hätte als Mittäter nur auf Grund von Art. 140 Ziff. 2 StGB verurteilt werden dürfen (Beschwerde S. 2/3 Ziff. 4 und S. 4 Ziff. 11). 
 
Ein qualifizierter Raub im Sinne von Art. 140 Ziff. 4 StGB liegt vor, wenn der Täter (oder einer von mehreren Mittätern) das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grau- sam behandelt. Demgegenüber wird der (Mit-)Täter gemäss Ziff. 2 der Bestimmung mit einer geringeren Minimalstrafe bedroht, wenn er "nur" zum Zwecke des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt. Der für eine Verurteilung nötige (Eventual-)Vorsatz muss die qualifizierenden Tatbestandsmerkmale umfassen. 
 
Der Beschwerdeführer macht geltend, Y.________ habe entgegen dem gemeinsamen Tatentschluss bzw. dem ursprünglichen Tatplan die Waffe geladen, entsichert und auf das Opfer gerichtet. Darin liege ein Exzess, der dem Beschwerdeführer nicht zuzurechnen sei. Er habe die Gefährdung des Opfers weder gewollt noch in Kauf genommen (Beschwerde S. 4 Ziff. 11). 
 
b) Nach den im vorliegenden Verfahren gemäss Art. 277bis Abs. 1 Satz 2 BStP verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz war zwischen den Tätern vereinbart worden, dass die Waffe nach Breitenbach mitgenommen und gegebenenfalls zur Bedrohung des Opfers verwendet werde. 
Dem Beschwerdeführer war dabei bewusst, dass sich in der Pistole ein Magazin mit mehreren Schuss Munition befand. 
Er nahm am Tatort überdies wahr, dass Y.________ - entgegen dem ursprünglichen Tatplan - eine Ladebewegung machte, die Waffe entsicherte und auf das Opfer zielte. 
Zudem sah er, wie Y.________ wiederholt auf das Opfer einschlug, und hörte dieses schreien, Y.________ solle aufhören. In Bezug auf Y.________ war ihm bewusst, "wenn dieser nervös sei, mache er auch unbedachte Sachen". 
Dennoch intervenierte er "weder physisch noch verbal", obwohl er z.B. die Waffe von Y.________ hätte zurückverlangen können, wie er es kurz zuvor bereits einmal getan hatte, als er dem Opfer das Magazin zeigte. Auch verliess er nicht den Tatort, um "aus der Tat auszusteigen", obwohl ihm dies möglich gewesen wäre. Statt dessen beteiligte er sich weiterhin an der Tatausführung, indem er das Opfer mit Y.________ alleine (im Korridor) zurückliess und damit fortfuhr, die Wohnung zu durchsuchen (vgl. angefochtener Entscheid S. 11/12 und 14/15). 
 
Von diesem verbindlich festgestellten Sachverhalt ist im Folgenden auszugehen. Der Beschwerdeführer macht geltend, es wäre ihm nicht möglich gewesen, die Waffe ohne Gefährdung des Opfers von Y.________ zurückzuverlangen, und es sei ihm "gar nichts anderes" übrig geblieben, als möglichst rasch die erwartete Beute zu finden und seinen Komplizen dadurch wieder zu beruhigen (vgl. Beschwerde S. 5 Ziff. 13 und 14). Mit diesen Ausführungen, die sich in unzulässiger Weise gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz richten (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP), ist der Beschwerdeführer nicht zu hören. 
 
c) Die Vorinstanz kommt beim von ihr festgestellten Sachverhalt zunächst zu Recht zum Schluss, dass sich das Opfer ab dem Moment in Lebensgefahr befand, in dem Y.________, von dem der Beschwerdeführer selber befürchtete, er mache "unbedachte Sachen", die durchgeladene und entsicherte Waffe auf das Opfer richtete. Diese Gefährlichkeit der Situation sei dem Beschwerdeführer, der den Charakter seines Komplizen kannte, auch bewusst gewesen (vgl. angefochtener Entscheid S. 14). Dies wird vom Beschwerdeführer zu Recht anerkannt (Beschwerde S. 5 Ziff. 12). 
 
d) Die Vorinstanz führt in rechtlicher Hinsicht weiter aus, auch wenn die "Wendung der Dinge" nicht mehr dem ursprünglichen Tatplan entsprochen habe, müsse sich der Beschwerdeführer das Verhalten seines Komplizen anrechnen lassen. Der Beschwerdeführer, der mit der Suche nach dem Geld einen entscheidenden Tatbeitrag geleistet und ein Interesse daran gehabt habe, eine möglichst grosse Beute zu erzielen, habe trotz der neuen Lage an der Arbeitsteilung festgehalten, wie sie vor der Tat vereinbart worden sei. Sein Verhalten könne nicht anders denn als stillschweigende Genehmigung und letztlich als Inkaufnahme des Vorgehens von Y.________ ausgelegt werden (vgl. angefochtener Entscheid S. 14/15). 
 
Geht man von dem Sachverhalt aus, den die Vorinstanz festgestellt hat, so liegt auf der Hand, dass der Beschwerdeführer die Abweichung vom ursprünglichen Tatplan durch Y.________ zumindest eventualvorsätzlich in Kauf genommen hat. Hätte er die Gefährdung (und im Übrigen auch die erhebliche Verletzung und die grausame Behandlung) des Opfers nicht gebilligt, so hätte er zumindest versuchen können, auf seinen Komplizen mässigend einzuwirken. Statt dessen heizte er die Situation zusätzlich an, indem er dem Opfer das Magazin zeigte, um es noch mehr in Angst und Schrecken zu versetzen. Dieser Akt der Terrorisierung eines wehrlosen alten Mannes, der keine Möglichkeit hatte, den Tätern Geld zu geben und dadurch seine Lage zu entschärfen, stellt eine psychische Misshandlung dar, die für sich allein schon den Qualifikationsgrund der psychischen Grausamkeit im Sinne von Art. 140 Ziff. 4 StGB erfüllt. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer mit der Tatwaffe zuvor Schiessübungen vorgenommen (angefochtener Entscheid S. 20), was von vornherein Zweifel an seiner Darstellung aufkommen lässt, dass ein Einsatz der Schusswaffe nie geplant gewesen sei. Es kann keine Rede davon sein, dass er das Geschehene "weder gewollt noch in Kauf genommen" hätte. 
2.- a) Der Beschwerdeführer wurde wegen Diebstahls schuldig gesprochen, weil er in einem Warenhaus im Zeitraum von einer Woche vier T-Shirts, eine Hose und ein Portemonnaie im Gesamtwert von Fr. 367. 70 mitgenommen hat, ohne zu bezahlen (angefochtener Entscheid S. 17/18 E. 8). 
 
Er macht geltend, er sei zu Unrecht wegen "mehrfachen" Diebstahls im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 StGB verurteilt worden, da es sich bei seinen Taten um geringfügige Vermögensdelikte im Sinne von Art. 172ter StGB gehandelt habe (Beschwerde S. 3 Ziff. 4). Dabei geht er in rechtlicher Hinsicht davon aus, dass die einzelnen Entwendungen nicht als rechtliche Einheit behandelt und die Ladendiebstähle, die er innerhalb von einer Woche begangen habe, nicht als andauernd pflichtwidriges Verhalten qualifiziert werden dürften (angefochtener Entscheid S. 7 Ziff. 20). 
 
b) Soweit er ausführt, er sei wegen "mehrfachen" Diebstahls verurteilt worden (Beschwerde S. 3 Ziff. 4), ist er von vornherein nicht zu hören. Die Vorinstanz hat ihn im vorliegenden Zusammenhang nur "des Diebstahls nach Art. 139 Ziff. 1 StGB" schuldig gesprochen (angefochtener Entscheid S. 19). 
 
c) Richtet sich ein Diebstahl nur auf einen geringen Vermögenswert, so liegt der privilegierte Tatbestand eines geringfügigen Vermögensdeliktes im Sinne von Art. 172ter Abs. 1 StGB vor. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung liegt die Grenze für den geringen Vermögenswert bei Fr. 300.-- (BGE 123 IV 113 S. 119 mit Hinweis). 
Eine einzige strafbare Handlung im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit liegt dann vor, wenn das gesamte, auf einem einheitlichen Willensakt beruhende Tätigwerden des Täters kraft eines engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhanges der Einzelakte bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv noch als ein einheitliches, zusammengehörendes Geschehen erscheint, indem in diesen Fällen durch mehrere Einzelhandlungen ein einheitlicher Deliktserfolg herbeigeführt wird (BGE 118 IV 91 E. 4a mit Hinweisen). 
 
So ist derjenige Täter wegen eines Diebstahls zu verurteilen, der in einem räumlich-zeitlichen Kontext von Laden zu Laden wandert und bei den einzelnen Entwendungen jeweils die Geringwertigkeitsschwelle einhält (Gunther Arzt, Geringfügige Vermögensdelikte, recht 16/1998, S. 232; ebenso Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, BJM 1998, S. 316 ff.). Warum dies für einen Täter, der in kurzen zeitlichen Abständen in demselben Laden Gegenstände unterhalb der Geringfügigkeitsschwelle entwendet, grundsätzlich nicht gelten soll (Arzt, a.a.O.), ist nicht ersichtlich. Auch in einem solchen Fall kommt es darauf an, ob die einzelnen Entwendungen ein einheitliches, zusammengehörendes Geschehen bilden. 
 
d) Die Vorinstanz stellt fest, der Beschwerdeführer habe aus finanziellen Gründen gehandelt. Er habe damals Kleider nötig gehabt und sein Geld für die Ferien sparen wollen. Er habe sich gemäss einem vor den Taten gefassten festen Plan gezielt mit einer Reihe von bestimmten Kleidungsstücken eingedeckt und im Zeitraum von einer Woche jeweils bei günstiger Gelegenheit gehandelt (vgl. angefochtener Entscheid S. 18/19). Bei dieser Sachlage bilden die einzelnen Entwendungen des Beschwerdeführers ein einheitliches Geschehen, so dass er zu Recht wegen eines Diebstahls schuldig gesprochen worden ist. 
3.- Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung kann gutgeheissen werden, weil die Rechtsbegehren nicht von vornherein aussichtslos waren. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.- Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen. 
 
3.- Es werden keine Kosten erhoben. 
 
4.- Der Vertreter des Beschwerdeführers, Fürsprech Konrad Jeker, wird für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 2'500.-- entschädigt. 
 
5.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft und dem Kriminalgericht des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt. 
______________ 
Lausanne, 27. Dezember 2000 
 
Im Namen des Kassationshofes des 
SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: