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[AZA] 
H 212/99 Hm 
 
I. Kammer  
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer, Borella, Bun- 
desrichterin Leuzinger und nebenamtlicher Richter Maeschi; 
Gerichtsschreiberin Hofer 
 
Urteil vom 24. Januar 2000  
 
in Sachen 
 
B.________, 1934, Beschwerdeführerin, vertreten durch 
S.________, 
 
gegen 
 
Ausgleichskasse Promea, Ifangstrasse 8, Schlieren, Be- 
schwerdegegnerin, 
und 
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
    A.- Mit Verfügung vom 20. Januar 1997 sprach die Aus- 
gleichskasse Promea der 1934 geborenen B.________ rückwir- 
kend ab 1. Dezember 1996 eine einfache Altersrente in Höhe 
von Fr. 1645.- im Monat zu. Am 12. Februar 1997 ersuchte 
die Versicherte um Anrechnung von Erziehungsgutschriften 
und Neufestsetzung der Rente unter Hinweis darauf, dass sie 
seit November 1966 ihren 1954 geborenen Neffen in Pflege 
gehabt habe und nach dem Tod seiner Mutter am 9. April 1968 
mit Beschluss der Vormundschaftsbehörde vom 10. Mai 1968 
zur Vormundin des Kindes ernannt worden sei. Die Aus- 
gleichskasse lehnte eine Neuberechnung der Rente mit der 
Begründung ab, dass Erziehungsgutschriften nur den Eltern 
gewährt werden könnten (Verfügung vom 21. Februar 1997). 
 
    B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozial- 
versicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 
7. Juni 1999 ab. 
 
    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt B.________ 
beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids und 
der Verwaltungsverfügung vom 21. Februar 1997 sei die Aus- 
gleichskasse zu verpflichten, die Altersrente rückwirkend 
auf den 1. Januar 1997 unter Anrechnung von Erziehungsgut- 
schriften für die Zeit, da sie den Neffen unter ihrer 
elterlichen Gewalt und Obhut betreut habe, neu festzuset- 
zen. 
    Während die Ausgleichskasse auf eine Stellungnahme 
verzichtet, schliesst das Bundesamt für Sozialversicherung 
auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- Wie das kantonale Gericht zutreffend dargelegt 
hat, kann die Beschwerdeführerin nach den Übergangsbestim- 
mungen zu der am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen 
10. AHV-Revision grundsätzlich eine Neufestsetzung der ihr 
seit Dezember 1996 zustehenden einfachen Altersrente unter 
Anrechnung von Erziehungsgutschriften mit Wirkung ab 
1. Januar 1997 beanspruchen (Ziff. 1 lit. g Abs. 1 Satz 2 
UebBest AHV 10). 
    2.- In BGE 125 V 245 hat das Eidgenössische Versiche- 
rungsgericht dargelegt, dass der Gesetzgeber den Anspruch 
auf Anrechnung von Erziehungsgutschriften nicht auf Pfle- 
gekindverhältnisse ausdehnen wollte und der Anspruch grund- 
sätzlich davon abhängig ist, dass der Versicherte über 
eines oder mehrere Kinder die elterliche Gewalt im Sinne 
von Art. 296 ff. ZGB ausgeübt hat. Nach diesen Bestimmungen 
haben Pflegeeltern keine elterliche Gewalt, sondern ledig- 
lich die Befugnis, die leiblichen Eltern in der elterlichen 
Gewalt zu vertreten, soweit es zur gehörigen Erfüllung 
ihrer Aufgaben angezeigt ist (Art. 300 Abs. 1 ZGB). Eine 
Ausnahme von der Voraussetzung der elterlichen Gewalt sieht 
das AHVG lediglich insofern vor, als der Bundesrat 
Vorschriften über die Anrechnung von Erziehungsgutschriften 
u.a. für den Fall erlassen kann, dass Eltern Kinder unter 
ihrer Obhut haben, ohne die elterliche Gewalt über sie aus- 
zuüben (Art. 29sexies Abs. 1 lit. a AHVG). Die vom 
Bundesrat gestützt hierauf erlassene Bestimmung von Art. 
52e AHVV beschränkt sich darauf, einen Anspruch auf 
Anrechnung von Erziehungsgutschriften auch für Jahre 
vorzusehen, in denen Eltern Kinder in ihrer Obhut hatten, 
ohne dass ihnen die elterliche Gewalt zustand. Geregelt 
wird damit der Fall, dass den leiblichen Eltern, Stief- 
oder Adoptiveltern die elterliche Gewalt entzogen wurde, 
die Kinder jedoch einem Elternteil zur Pflege und Erziehung 
überlassen werden (Art. 311 ff. ZGB; vgl. hiezu BGE 112 II 
21 Erw. 5). 
 
    3.- a) Gesetz und Verordnung enthalten keine Bestim- 
mung darüber, wie es sich hinsichtlich des Anspruchs auf 
Anrechnung von Erziehungsgutschriften verhält, wenn ein 
Kind nach Art. 368 Abs. 1 ZGB bevormundet ist und faktisch 
unter der Obhut eines Vormundes oder einer Vormundin lebt. 
Nach Auffassung der Vorinstanz liegt diesbezüglich eine 
Lücke im Gesetz vor. Die Beschwerdeführerin bestreitet das 
Vorliegen einer Gesetzeslücke und macht geltend, sie habe 
als Vormundin seit dem 10. Mai 1968 im Sinne von Art. 
29 sexies AHVG die elterliche Gewalt über das Kind ausgeübt. 
Aus dem Gesetz ergäben sich keine Hinweise, dass nur leib- 
liche Kinder einen Anspruch auf Erziehungsgutschriften zu 
begründen vermöchten. 
 
    b) Gemäss Art. 29sexies Abs. 1 AHVG werden den Ver- 
sicherten Erziehungsgutschriften für Jahre angerechnet, in 
welchen sie die elterliche Gewalt über eines oder mehrere 
Kinder ausgeübt haben, die das 16. Altersjahr noch nicht 
erreicht haben. Der Begriff der elterlichen Gewalt ist im 
Sinne von Art. 296 ff. ZGB zu verstehen. Nach dem Wortlaut 
des Gesetzes und den Materialien beruht der Anspruch auf 
Anrechnung von Erziehungsgutschriften grundsätzlich auf 
einem Kindesverhältnis im Sinne von Art. 252 ff. ZGB. An- 
spruchsberechtigt sind daher nicht nur die leiblichen 
Eltern, sondern auch Adoptiveltern, nicht dage- 
gen die Pflegeeltern (BGE 125 V 246 Erw. 2a). 
    Entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen 
Meinung folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht, dass ein 
Anspruch auf Anrechnung von Erziehungsgutschriften auch 
dann besteht, wenn ein Kind in der Obhut (Pflege und Erzie- 
hung) eines Vormundes steht. Anderseits schliesst das Ge- 
setz einen solchen Anspruch auch nicht aus. Zwar knüpft 
Art. 29sexies Abs. 1 AHVG an ein Kindesverhältnis an, setzt 
ein solches jedoch nicht ausdrücklich voraus. Massgebendes 
Abgrenzungskriterium bildet die elterliche Gewalt. Unter 
diesem Gesichtspunkt ist aber nicht von vornherein auszu- 
schliessen, dass ein Anspruch auf Erziehungsgutschriften 
auch dann gegeben ist, wenn das nach Art. 368 Abs. 1 ZGB 
bevormundete Kind in der Obhut eines Vormundes steht, wel- 
chem nach Art. 405 Abs. 2 ZGB, unter Vorbehalt der Mitwir- 
kung der Vormundschaftsbehörde, die gleichen Rechte zuste- 
hen wie den Eltern. Es liegt diesbezüglich auch kein quali- 
fiziertes Schweigen des Gesetzgebers vor, wie es für den 
Anspruch auf Erziehungsgutschriften bei Pflegeverhältnissen 
anzunehmen ist (BGE 125 V 248 Erw. 3). 
 
    4.- a) Nach Auffassung der Vorinstanz lässt es der 
klare Wille des Gesetzgebers nicht zu, der Beschwerdeführe- 
rin, welche nicht die elterliche Gewalt über ihren Neffen 
innegehabt und zudem ein Kostgeld erhalten habe, Erzie- 
hungsgutschriften anzurechnen. Das Bundesamt für Sozialver- 
sicherung hält dem zu Recht entgegen, dass - im Gegensatz 
zu den Pflegeeltern, welche lediglich die Befugnis haben, 
die Eltern in der elterlichen Gewalt zu vertreten, soweit 
es zur gehörigen Erfüllung ihrer Aufgaben angezeigt ist 
(Art. 300 Abs. 1 ZGB) - dem Vormund bei Unmündigkeit des 
Bevormundeten grundsätzlich die gleichen Rechte wie den 
Eltern zustehen, unter Vorbehalt der Mitwirkung der vor- 
mundschaftlichen Behörden (Art. 405 Abs. 2 ZGB). Aus Sinn 
und Zweck dieser Bestimmung ergibt sich, dass die Vormund- 
schaft die elterliche Gewalt ersetzt und der Vormund (als 
Elternersatz) auch für den Aufgabenbereich der Eltern ein- 
zustehen hat, soweit dieser nicht unmittelbar von einer 
besonderen Beziehungsnähe oder dem rechtlichen Kindesver- 
hältnis abhängig ist (Affolter, in: Kommentar zum schweiz. 
Privatrecht, N 4 zu Art. 405 ZGB). Der Vormund hat zwar 
nicht die elterliche Gewalt, verfügt jedoch über Befug- 
nisse, welche der elterlichen Gewalt gleichkommen. Er übt 
diese nicht bloss vertretungsweise, sondern grundsätzlich 
selbstständig aus, weil die elterliche Gewalt den leib- 
lichen Eltern entzogen worden ist oder aus anderen Gründen 
(insbesondere wegen des Todes) nicht mehr ausgeübt werden 
kann. Lebt das Kind - wie im vorliegenden Fall - auch 
faktisch in der Obhut des Vormundes, so verhält es sich 
nicht wesentlich anders, als wenn das Kind unter der 
elterlichen Gewalt der leiblichen Eltern oder eines 
Elternteils als alleinigen Inhabers der elterlichen Gewalt 
steht. Anderseits besteht gegenüber einem einfachen 
Pflegekindverhältnis insofern ein wesentlicher Unterschied, 
als der Vormund die Rechte und Pflichten des Kindes 
grundsätzlich selbstständig und nicht wie die Pflegeeltern 
neben dem Inhaber oder den Inhabern der elterlichen Gewalt 
(oder einem Vormund) wahrnimmt. Damit entfällt auch die 
Gefahr eines doppelten Anspruchs auf Erziehungsgutschrif- 
ten, wie sie der Gesetzgeber mit dem Ausschluss der 
Pflegekindverhältnisse von der Anspruchsberechtigung 
verhindern wollte (Amtl. Bull. 1994 S 550). Insgesamt 
rechtfertigt es sich daher, den Vormund, welcher ein 
unmündiges Kind in seiner persönlichen Obhut hat, dem 
Inhaber der elterlichen Gewalt im Sinne von Art. 29sexies  
Abs. 1 AHVG gleichzustellen. Dementsprechend ist sein An- 
spruch auf Erziehungsgutschriften zu bejahen, so lange das 
nach Art. 368 Abs. 1 ZGB bevormundete Kind in seiner Obhut 
gelebt hat. 
 
    b) Nach dem Gesagten hat die Beschwerdeführerin für 
die Jahre ab 1969 (Art. 52f AHVV) Anspruch auf Erziehungs- 
gutschriften nach Art. 29sexies AHVG. Hieran ändert nichts, 
dass die Beschwerdeführerin vom leiblichen Vater des Kindes 
vorübergehend ein Kostgeld bezogen hat. So werden auch bei 
geschiedenen Frauen Erziehungsgutschriften unabhängig davon 
angerechnet, ob und gegebenenfalls inwieweit der geschie- 
dene Mann zu Unterhaltsbeiträgen verpflichtet war. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wer-  
    den der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des 
    Kantons Zürich vom 7. Juni 1999 und die Verfügung der 
    Ausgleichskasse Promea vom 21. Februar 1997 aufgeho- 
    ben, und es wird die Sache an die Verwaltung zurück- 
    gewiesen, damit sie die der Beschwerdeführerin ab 
    1. Januar 1997 zustehende einfache Altersrente unter 
    Berücksichtigung der ihr ab 1969 gebührenden Erzie- 
    hungsgutschriften neu festsetze. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.  
 
III. Die Ausgleichskasse Promea hat der Beschwerdeführerin  
    für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versiche- 
    rungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1500.- 
    (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
 
IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche-  
    rungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für 
    Sozialversicherung zugestellt. 
 
 
Luzern, 24. Januar 2000 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der I. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: