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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_631/2011 
 
Urteil vom 2. März 2012 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichter Schneider, Denys, 
Gerichtsschreiber Näf. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.________ AG, 
2. B.________ AG, 
beide vertreten durch die Rechtsanwälte André A. Girguis und Dr. Bernhard Isenring, 
Beschwerdeführerinnen, 
 
gegen 
 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Brunner, 
Beschwerdegegner, 
 
Gegenstand 
Nötigung, Hausfriedensbruch; Willkür, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 4. Juli 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ wird in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft See/Oberland des Kantons Zürich vom 26. August 2010 zur Last gelegt, er sei für eine Blockadeaktion der Gewerkschaft UNIA am 1. April 2008 in Zürich verantwortlich, durch welche unbekannte Mitglieder dieser Gewerkschaft im Rahmen einer Demonstration gegen das Verhalten des Baumeisterverbandes die Zu- und Wegfahrt zum beziehungsweise vom Gelände der damaligen C.________ AG während zweier Stunden blockiert hätten. Dadurch seien Lastwagenchauffeure daran gehindert worden, Kies zu bringen und fertigen Beton weg zu transportieren, weshalb die Betonproduktion habe eingestellt werden müssen, und seien einzelne Personen am Verlassen des Areals gehindert worden. Zudem seien rund 50 Mitglieder der Gewerkschaft in das Gelände eingedrungen und dort verblieben, obschon sie von Vertretern der Berechtigten zum Verlassen des Areals aufgefordert worden seien. Dadurch habe sich X.________ der Nötigung (Art. 181 StGB) und des Hausfriedensbruchs (Art. 186 StGB) schuldig gemacht. 
 
B. 
Die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich sprach X.________ am 4. Juli 2011 in Bestätigung des Urteils des Einzelrichters in Strafsachen des Bezirkgerichts Zürich vom 19. November 2010 von Schuld und Strafe frei. Zur Begründung führt sie aus, X.________ habe sich in seiner Funktion als Regionalsekretär und Sektionsleiter bei der Gewerkschaft UNIA darauf beschränkt, mit den Gewerkschaftern und den Vertretern der Geschädigten zu kommunizieren und die Forderungen der Letzteren zu prüfen. Das Obergericht geht davon aus, die Blockadeaktion sei schon in vollem Gange gewesen, als X.________ dazu gekommen sei und auf Wunsch der Verantwortlichen der Geschädigten versucht habe, zwischen den Parteien zu vermitteln. Die Blockade hätte genau so stattgefunden, wenn X.________ die Aktion bloss beobachtet hätte oder gar nicht anwesend gewesen wäre. In Anbetracht dieser tatsächlichen Umstände sei X.________ weder als Mittäter noch als Gehilfe anzusehen und daher freizusprechen. 
 
C. 
Die A.________ AG und die B.________ AG führen in einer einzigen Eingabe Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 4. Juli 2011 sei aufzuheben, X.________ sei im Sinne der Anklage der Nötigung und des Hausfriedensbruchs schuldig zu sprechen und hiefür zu bestrafen. Eventualiter sei die Sache zur weiteren Abklärung des Sachverhalts und zur neuen Entscheidung im Sinne des Hauptantrags an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerdeführerinnen begründen ihre Legitimation zur Beschwerde in Strafsachen gegen das den Beschwerdegegner vom Vorwurf der Nötigung und des Hausfriedensbruchs freisprechende Urteil unter Berufung auf Art. 81 Abs. 1 Ziff. 5 BGG in der seit 1. Januar 2011 in Kraft stehenden Fassung. 
 
1.1 Die Legitimation zur Beschwerde in Strafsachen bestimmt sich im vorliegenden Fall nach Art. 81 BGG in der seit 1. Januar 2011 geltenden Fassung, da der angefochtene Entscheid nach diesem Zeitpunkt ergangen ist (siehe Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 137 IV 246 E. 1.3.1). 
 
1.2 Gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt wer (a.) vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat; und (b.) ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat. Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG listet in einer nicht abschliessenden Aufzählung in Ziff. 1-7 auf, wer "insbesondere" ein solches rechtlich geschütztes Interesse hat. Dazu zählt gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG in der Fassung gemäss Anhang Ziff. II 5 des Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 2010, in Kraft seit 1. Januar 2011, die Privatklägerschaft, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann. 
1.2.1 Art. 81 Abs. 1 Ziff. 5 BGG stellt eine Neuerung im Vergleich zum früheren, bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Recht dar. Die Bestimmung ersetzt aArt. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 4 und Ziff. 5 BGG in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung. Danach hatten ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des Entscheids die Privatstrafklägerschaft, wenn sie nach dem kantonalen Recht die Anklage ohne Beteiligung der Staatsanwaltschaft vertreten hat (Ziff. 4), und das Opfer, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung seiner Zivilansprüche auswirken konnte (Ziff. 5). 
1.2.2 Mit der "Privatklägerschaft", die gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG in der seit 1. Januar 2011 in Kraft stehenden Fassung unter den in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt ist, ist die "Privatklägerschaft" im Sinne der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO; SR 312.0) gemeint. Sie ist neben der beschuldigten Person und der Staatsanwaltschaft Partei im Strafverfahren (siehe Art. 104 Abs. 1 StPO). Als Privatklägerschaft gilt die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin oder -kläger zu beteiligen (Art. 118 Abs. 1 StPO). Der Strafantrag ist dieser Erklärung gleichgestellt (Art. 118 Abs. 2 StPO). Die Erklärung ist gegenüber einer Strafverfolgungsbehörde spätestens bis zum Abschluss des Vorverfahrens abzugeben (Art. 118 Abs. 3 StPO). Hat die geschädigte Person von sich aus keine Erklärung abgegeben, so weist sie die Staatsanwaltschaft nach Eröffnung des Vorverfahrens auf diese Möglichkeit hin (Art. 118 Abs. 4 StPO). Die geschädigte Person kann die Erklärung schriftlich oder mündlich zu Protokoll abgeben (Art. 119 Abs. 1 StPO). In der Erklärung kann die geschädigte Person gemäss Art. 119 Abs. 2 StPO kumulativ oder alternativ (a.) die Verfolgung und Bestrafung der für die Straftat verantwortlichen Person verlangen (Strafklage); (b.) adhäsionsweise privatrechtliche Ansprüche geltend machen, die aus der Straftat abgeleitet werden (Zivilklage). Die geschädigte Person kann jederzeit schriftlich oder mündlich zu Protokoll erklären, sie verzichte auf die ihr zustehenden Rechte. Der Verzicht ist endgültig (Art. 120 Abs. 1 StPO). Wird der Verzicht nicht ausdrücklich eingeschränkt, so umfasst er die Straf- und die Zivilklage (Art. 120 Abs. 2 StPO). Als geschädigte Person gilt die Person, die durch die Straftat in ihren Rechten unmittelbar verletzt worden ist (Art. 115 Abs. 1 StPO). Die zur Stellung eines Strafantrags berechtigte Person gilt in jedem Fall als geschädigte Person (Art. 115 Abs. 2 StPO). 
1.2.3 Nach dem neuen, seit 1. Januar 2011 geltenden Recht ist somit die geschädigte Person zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt unter den Voraussetzungen, dass sie erstens im Strafverfahren Strafklage und/oder Zivilklage eingereicht hat und somit Privatklägerin ist und dass zweitens der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann. Der Kreis der zur Beschwerde in Strafsachen legitimierten Personen ist somit nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG erheblich weiter als gemäss aArt. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 4 und Ziff. 5 BGG. 
1.3 
1.3.1 Die Legitimation der geschädigten Person zur Beschwerde in Strafsachen setzt gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG unter anderem voraus, dass der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann. Die Vorschrift stimmt mit aArt. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG überein, wonach das Opfer beschwerdeberechtigt war, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung seiner Zivilansprüche auswirken konnte. Auch gemäss dem früheren Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege (aBStP) waren der Geschädigte (vgl. Art. 270 Abs. 1 aBStP in der seit 1. Januar 1993 geltenden Fassung) respektive das Opfer (siehe Art. 270 lit. e Ziff. 1 aBStP in der seit 1. Januar 2001 geltenden Fassung) zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nur berechtigt, wenn sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken konnte. 
1.3.2 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Beschwerdebefugnis des Opfers (aArt. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG; Art. 270 lit. e Ziff. 1 aBStP) konnte dieses gegen ein Strafurteil, durch welches der Angeschuldigte freigesprochen wurde, Rechtsmittel im Strafpunkt an das Bundesgericht (Beschwerde in Strafsachen beziehungsweise vormals eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde) grundsätzlich nur erheben, wenn es, soweit zumutbar, seine Zivilansprüche aus strafbarer Handlung adhäsionsweise im Strafverfahren geltend gemacht hatte. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck des (ersten) Opferhilfegesetzes vom 4. Oktober 1991, wie sie auch im Schlussbericht der Studienkommission zur Ausarbeitung eines Vorentwurfs zum Opferhilfegesetz vom 23. September 1986 und in der bundesrätlichen Botschaft zum Opferhilfegesetz (BBl 1990 II 961 ff.) beschrieben werden. Das Strafverfahren darf nicht nur ein Vehikel zur Durchsetzung von Zivilforderungen in einem Zivilprozess sein, den das Opfer erst nach Abschluss des Strafprozesses, je nach dessen Ausgang, anzustrengen gedenkt. Wohl war es dem Opfer freigestellt, ob es im Strafverfahren eine Zivilforderung geltend machen wollte oder nicht. Verzichtete es auf die adhäsionsweise Geltendmachung einer Zivilforderung, obschon das Einbringen einer solchen zumutbar gewesen wäre, so war es zur Beschwerde an das Bundesgericht im Strafpunkt nicht legitimiert (BGE 131 IV 195 E. 1.2.2 mit Hinweisen). Diese Grundsätze galten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts auch für den Geschädigten, welcher gemäss Art. 270 Abs. 1 aBStP in der vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert war, falls sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung seiner Zivilforderung auswirken konnte. Auch der Geschädigte konnte den Entscheid, durch welchen der Angeschuldigte freigesprochen wurde, mithin nur gemäss Art. 270 Abs. 1 aBStP in der im genannten Zeitraum geltenden Fassung mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde anfechten, wenn er seine Zivilforderungen, soweit zumutbar, im Strafverfahren adhäsionsweise geltend gemacht hatte (BGE 120 IV 44 E. 4c). 
 
1.4 Mit der Revision von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG wurde die Legitimation zur Beschwerde in Strafsachen vom Opfer auf die Privatklägerschaft erweitert. Die zusätzliche Voraussetzung, dass sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung der Zivilansprüche auswirken kann, blieb jedoch unverändert. An der Praxis, wonach die durch die Straftat in ihren Rechten unmittelbar verletzte Person zur Beschwerde in Strafsachen gegen einen Entscheid, durch welchen der Angeschuldigte freigesprochen wird, nur legitimiert ist, wenn sie, soweit zumutbar, ihre Zivilansprüche adhäsionsweise im Strafverfahren geltend gemacht hat, ist daher festzuhalten (BGE 137 IV 246 E. 1.3.1). 
 
1.5 Machte die geschädigte Person im Strafverfahren nicht adhäsionsweise Zivilansprüche gegen den Beschuldigten geltend, hat sie in der Beschwerde an das Bundesgericht einerseits darzulegen, weshalb sie dies unterliess, und andererseits darzutun, auf welchen Zivilanspruch sich der angefochtene Entscheid auswirken kann. Genügt die Beschwerde diesen Begründungsanforderungen nicht, ist darauf nicht einzutreten (BGE 127 IV 185 E. 1; 122 IV 139 E. 1; 120 IV 44 E. 8), es sei denn, dass sich die Antworten auf diese Fragen aus den Umständen des Falles ohne weiteres ergeben (BGE 127 IV 185 E. 1). An dieser Rechtsprechung zum früheren Recht ist unter dem Geltungsbereich des neuen Rechts festzuhalten. 
 
2. 
2.1 Die Beschwerdeführerinnen verlangten im Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner zwar dessen Verurteilung und Bestrafung wegen Nötigung und Hausfriedensbruchs. Sie machten aber unstreitig nicht adhäsionsweise Zivilansprüche geltend. Gemäss ihren eigenen Angaben reichten sie mit Eingabe vom 19. Dezember 2008 Klage beim Handelsgericht des Kantons Zürich ein, worin sie beantragten, der Beschwerdegegner und die Gewerkschaft UNIA seien solidarisch zu verpflichten, den beiden Klägerinnen den Betrag von Fr. 59'333.95 respektive von Fr. 38'551.-- zuzüglich Zins zu 5% seit 23. Mai 2008 zu bezahlen (siehe Beschwerdebeilage 5). 
 
2.2 Die Beschwerdeführerinnen legen in ihrer Beschwerde in Strafsachen nicht dar, aus welchen Gründen sie davon absahen, Zivilansprüche gegen den Beschwerdegegner aus den diesem zur Last gelegten Straftaten der Nötigung und des Hausfriedensbruchs adhäsionsweise im Strafverfahren geltend zu machen, und weshalb ihnen die adhäsionsweise Geltendmachung von Zivilansprüchen nicht zumutbar gewesen wäre. 
 
2.3 Auf die Beschwerde ist somit nicht einzutreten. 
 
2.4 Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob sich der angefochtene Entscheid auf eine Zivilforderung gegen den Beschwerdegegner etwa auf Ersatz eines allenfalls durch die Blockadeaktion entstandenen Schadens auswirken kann. 
 
3. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens haben die Beschwerdeführerinnen die bundesgerichtlichen Kosten je zur Hälfte und unter solidarischer Haftung für den ganzen Betrag zu zahlen. Dem Beschwerdegegner ist keine Entschädigung zuzusprechen, da ihm im bundesgerichtlichen Verfahren keine Umtriebe entstanden sind. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen je zur Hälfte und unter solidarischer Haftung für den ganzen Betrag auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Oberstaatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 2. März 2012 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Der Gerichtsschreiber: Näf