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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_667/2020  
 
 
Urteil vom 3. Februar 2021  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Gerichtsschreiberin Unseld. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A._________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Kurt Gaensli, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Strafzumessung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer, vom 29. Januar 2020 
(SK 19 156). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Das Regionalgericht Oberland erklärte A._________ mit Urteil vom 14. Februar 2019 der Vernachlässigung von Unterhaltspflichten (Art. 217 Abs. 1 StGB), begangen in der Zeit vom 1. Dezember 2002 bis 16. August 2017, schuldig. Es verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 160 Tagessätzen zu Fr. 50.-- und einer Verbindungsbusse von Fr. 2'000.--. Dagegen erhoben A._________ Berufung und die Staatsanwaltschaft Anschlussberufung. 
Das Obergericht des Kantons Bern sprach A._________ am 29. Januar 2020 vom Vorwurf der Vernachlässigung der Unterhaltspflichten, begangen in der Zeit vom 1. Dezember 2002 bis 31. Dezember 2004, frei. Im Übrigen bestätigte es den erstinstanzlichen Schuldspruch. Es bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 220 Tagessätzen zu Fr. 50.-- und einer Verbindungsbusse von Fr. 3'000.--. 
 
B.   
A._________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil vom 29. Januar 2020 sei im Strafpunkt aufzuheben und er sei zu einer bedingten Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu Fr. 50.-- und einer Verbindungsbusse von Fr. 1'500.-- zu verurteilen. A._________ ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die vorinstanzliche Strafzumessung. Er rügt, die Vorinstanz habe ihr Ermessen falsch ausgeübt. Nicht nachvollziehbar sei, weshalb sie eine höhere Strafe ausspreche als das Regionalgericht, obschon sie im Vergleich zum erstinstanzlichen Urteil auf die zweite, mildere Tatbestandsvariante von Art. 217 StGB (blosses Untätigbleiben) abstelle und auch die Tatdauer verkürzt habe. Die erstinstanzliche Strafe sei entsprechend der Verkürzung der Tatdauer um 25% zu reduzieren.  
Hinsichtlich der konkreten Strafzumessung beanstandet der Beschwerdeführer, nicht nachgewiesen sei, dass seitens der B._________ AG eine Scheinkündigung stattgefunden habe. Die Vorinstanz lasse weiter unberücksichtigt, dass die Zivilklägerin abgesehen von betreibungsrechtlichen Schritten jahrelang nichts unternommen habe, obschon sie längstens ein Strafverfahren hätte anstrengen können. Bei einer Verurteilung vor zehn Jahren hätte das Strafgericht eine Weisung erlassen können. Verbunden mit dem Druck einer zweiten Verurteilung wäre es möglich gewesen, ihn mit mehr Vehemenz zu einem gesetzeskonformen Verhalten anzuhalten. Diese Chance sei verpasst worden. 
 
1.2. Den Tatbestand der Vernachlässigung von Unterhaltspflichten gemäss Art. 217 Abs. 1 StGB erfüllt, wer seine familienrechtlichen Unterhalts- oder Unterstützungspflichten nicht erfüllt, obschon er über die Mittel dazu verfügt oder verfügen könnte. Die Tat wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft (Art. 217 Abs. 1 StGB).  
Das Gericht misst die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu (Art. 47 Abs. 1 Satz 1 StGB). Das Verschulden bestimmt sich nach allen objektiven und subjektiven Elementen der Tat, namentlich der Schwere der Verletzung oder Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung oder Verletzung zu vermeiden (Art. 47 Abs. 2 StGB; BGE 142 IV 137 E. 9.1 S. 147; 141 IV 61 E. 6.1.1 S. 66; 129 IV 6 E. 6.1 S. 20). Das Gericht berücksichtigt zudem das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Täters, die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters sowie dessen Verhalten nach der Tat und im Strafverfahren (sog. Täterkomponenten; Art. 47 Abs. 1 Satz 2 StGB; BGE 141 IV 61 E. 6.1.1 S. 66 f.; 129 IV 6 E. 6.1 S. 20 f.). 
Es liegt im Ermessen des Sachgerichts, in welchem Umfang es die verschiedenen Strafzumessungsfaktoren berücksichtigt. Das Bundesgericht greift auf Beschwerde hin in die Strafzumessung nur ein, wenn das Sachgericht den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn es von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wenn es wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. in Überschreitung oder Missbrauch seines Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 144 IV 313 E. 1.2 S. 319; 136 IV 55 E. 5.6 S. 61). 
 
1.3.  
 
1.3.1. Unbegründet ist die Kritik des Beschwerdeführers, die Vorinstanz hätte sich für die Strafzumessung am erstinstanzlichen Urteil orientieren müssen. Die Vorinstanz nahm eine eigene Strafzumessung vor, wozu sie berechtigt und verpflichtet war (Urteile 6B_848/2020 vom 3. Dezember 2020 E. 2.2; 6B_502/2019 vom 27. Februar 2020 E. 3.4 mit Hinweisen). Sie musste hierfür nicht zwingend auf die erstinstanzliche Strafzumessung Bezug nehmen und explizit begründen, weshalb sie in Gutheissung der Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft eine höhere Strafe ausspricht (Urteile 6B_1028/2019 vom 19. Dezember 2019 E. 3.3.1; 6B_794/2014 vom 9. Februar 2015 E. 6.3.2). Angesichts der Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft im Strafpunkt war sie nicht an das Verschlechterungsverbot ("reformatio in peius", Art. 391 Abs. 2 StGB) gebunden. Eine Verletzung der in Art. 50 StGB verankerten Begründungspflicht liegt entgegen der Kritik des Beschwerdeführers nicht vor.  
 
1.3.2. Die Vorinstanz stellt u.a. fest, der Beschwerdeführer sei Aktionär, Geschäftsführer und einziger Verwaltungsrat der von ihm im Jahr 2003 gegründeten B._________ AG gewesen. Mit dieser Gesellschaft, welche auch seinen Namen trage, habe er sein Hobby, den Motorsport, zu seinem Beruf gemacht. Hierfür habe er eine massgebliche Einkommensreduktion in Kauf genommen, obschon er damals bereits für drei Kinder unterhaltspflichtig gewesen sei. Er hätte nach der Rechtsprechung (BGE 126 IV 131 E. 3) spätestens nach zwei Jahren in der nicht einträglichen Selbstständigkeit eine unselbstständige Arbeit annehmen müssen. Der Beschwerdeführer habe sein Einkommen bei der B._________ AG zudem bewusst tief gehalten, um nicht für seine privaten Schulden belangt werden zu können. Die B._________ AG habe, obschon sie gemäss den Geschäftsabschlüssen kaum Gewinne erwirtschaftet habe, dennoch über gewisse finanzielle Mittel verfügt, da sie unter anderem eine teure Liegenschaft erworben habe, grosse Darlehenssummen zurückbezahlt habe und auf den bilanzierten Fahrzeugen nicht unwesentliche stille Reserven vorhanden gewesen sein dürften. Der Beschwerdeführer habe auch ein Boot, das er privat aufgerüstet habe, nicht direkt verkauft, sondern dieses zuerst auf die B._________ AG übertragen und den Verkaufsgewinn bei dieser belassen. Die Vorinstanz geht weiter davon aus, der tatsächliche Lohn des Beschwerdeführers sei höher als die deklarierten Fr. 1'000.--/Monat gewesen, da die B._________ AG auch für private Auslagen des Beschwerdeführers wie z.B. Miete, Zahnarztrechnungen, Socken, Rasierklingen, Duschgel, Feuerwehrsteuer und die Hundemarke aufgekommen sei (zum Ganzen: angefochtenes Urteil S. 8-11).  
Dass der Beschwerdeführer über massgebliche finanzielle Mittel verfügte, welche er in eine Aktiengesellschaft einbrachte, er seinen eigenen Lohn bewusst tief hielt bzw. sein Lohn in Wirklichkeit höher ausfiel als deklariert, wirkt sich bei der Strafzumessung zu seinen Ungunsten aus. Daran ändert nichts, dass die Vorinstanz die zweite Tatbestandsvariante von Art. 217 Abs. 1 StGB ("über die Mittel dazu verfügen könnte") zur Anwendung bringt. 
Die Vorinstanz wirft dem Beschwerdeführer vor, per 31. Dezember 2016 sei eine Scheinkündigung erfolgt. Der Beschwerdeführer habe auch nach diesem Datum zum gleichen Lohn für die B._________ AG weitergearbeitet (angefochtenes Urteil S. 10). Der Beschwerdeführer bestreitet dies, ohne jedoch Willkür darzutun (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 146 IV 114 E. 2.1 S. 118, 88 E. 1.3.1 S. 91 f.). Darauf ist nicht einzutreten. 
 
1.3.3. Der Beschwerdeführer beruft sich weiter zu Unrecht auf die Richtlinien des Verbands Bernischer Richter und Richterinnen, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte (VBRS-Richtlinien), welche für den Referenzsachverhalt von Art. 217 StGB eine Strafandrohung von 60 Strafeinheiten vorsehen (angefochtenes Urteil E. 17 S. 15; Beschwerde S. 9). Daraus kann der Beschwerdeführer bereits deshalb nichts zu seinen Gunsten ableiten, weil vorliegend andere Tatumstände zu beurteilen sind. Im Übrigen sind solche Richtlinien für Strafgerichte nicht bindend (Urteil 6B_144/2018 vom 21. März 2019 E. 3.2 mit Hinweisen).  
 
1.3.4. Unbegründet ist schliesslich die Kritik des Beschwerdeführers, die Zivilklägerin hätte früher Strafanzeige erstatten können. Die Vorinstanz legt korrekt dar, dass die Zivilklägerin dazu nicht verpflichtet war. Die Vorinstanz geht willkürfrei davon aus, die Zivilklägerin habe erst nach der Scheinkündigung durch die B._________ AG einen klaren Hinweis darauf erhalten, dass der Beschwerdeführer wohl ganz bewusst versucht habe, sich seinen Zahlungspflichten zu entziehen. Der Zeitpunkt des Strafantrags am 18. August 2017 ist daher nachvollziehbar (angefochtenes Urteil E. 14 S. 12).  
 
1.3.5. Insgesamt beschränkt sich der Beschwerdeführer darauf darzulegen, wie die einzelnen Strafzumessungsfaktoren seiner Meinung nach zu gewichten gewesen wären. Damit verkennt er, dass das Bundesgericht keine eigene Strafzumessung vorzunehmen hat. Die Strafzumessung obliegt den Sachgerichten und ist vom Bundesgericht nur auf Rechtsfehler zu überprüfen (Urteile 6B_1059/2019 vom 10. November 2020 E. 5.6; 6B_744/2020 vom 26. Oktober 2020 E. 2.3.1; 6B_1033/2019 vom 4. Dezember 2019 E. 5.3). Weshalb die Vorinstanz die massgeblichen Strafzumessungskriterien offensichtlich falsch gewichtet und das ihr zustehende Ermessen damit überschritten haben könnte, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf und ist auch nicht ersichtlich. Die von der Vorinstanz ausgesprochene Strafe hält sich ohne Weiteres im Rahmen des sachrichterlichen Ermessens.  
 
2.   
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, weil die Beschwerde von vornherein aussichtslos war. Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist mit herabgesetzten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. Februar 2021 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Unseld