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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_188/2011 
 
Urteil vom 8. Juni 2011 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterinnen Leuzinger, Niquille, 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Verfahrensbeteiligte 
M.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Zimmermann, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau, Bahnhofstrasse 78, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau 
vom 25. Januar 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die 1947 geborene M.________ war seit 1. Januar 2003 bis zu ihrer vorzeitigen Pensionierung auf den 30. November 2009 als Sachbearbeiterin bei der Firma X.________ AG tätig gewesen. Am 5. Juni 2009 meldete sie sich zur Arbeitsvermittlung und am 13. Oktober 2009 zum Taggeldbezug bei der Arbeitslosenversicherung an. Die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau legte den versicherten Verdienst auf Fr. 5'671.- fest, indem sie nebst einer Überbrückungsrente in der Höhe von Fr. 1'824.- und einer monatlichen Altersrente von Fr. 1'797.- einen als Alterskapital qualifizierten Betrag von Fr. 9'529.- (in Form eines monatlichen Anteils von Fr. 123.90) an die Taggeldleistungen anrechnete (Verfügung vom 23. Februar 2010). Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 14. April 2010 fest. 
 
B. 
Die hiegegen geführte Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 25. Januar 2011 ab. 
 
C. 
M.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids seien lediglich Altersleistungen in der Höhe von Fr. 3'621.- bei der Berechnung des versicherten Verdienstes zu berücksichtigen. 
Während die Arbeitslosenkasse auf Abweisung der Beschwerde schliesst, hat das Staatssekretariat für Wirtschaft auf eine Stellungnahme verzichtet. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2. 
Der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung setzt unter anderem voraus, dass die versicherte Person ganz oder teilweise arbeitslos ist (Art. 8 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 10 AVIG) und einen anrechenbaren Arbeitsausfall erlitten hat (Art. 8 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 11 AVIG). Der Arbeitsausfall ist gemäss Art. 11 Abs. 1 AVIG anrechenbar, wenn er einen Verdienstausfall zur Folge hat und mindestens zwei aufeinanderfolgende volle Arbeitstage dauert. Er gilt so lange nicht als anrechenbar, als freiwillige Leistungen des Arbeitgebers den durch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Verdienstausfall decken (Art. 11a Abs. 1 AVIG). Als freiwillige Leistungen des Arbeitgebers bei der Auflösung des privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisses gelten Leistungen, die nicht Lohn- oder Entschädigungsansprüche nach Art. 11 Abs. 3 AVIG darstellen (Art. 10a AVIV). Freiwillige Leistungen bis zum Betrag von Fr. 126'000.- (Art. 3 Abs. 2 AVIG in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 UVV) werden nicht berücksichtigt (Art. 11a Abs. 2 AVIG). 
 
3. 
Umstritten ist, ob die Leistung, die die Beschwerdeführerin von der ehemaligen Arbeitgeberin in der Höhe von Fr. 9'529.- erhalten hat, der Arbeitslosenentschädigung anzurechnen ist. 
 
3.1 Gemäss vorinstanzlicher Sachverhaltsfeststellung vereinbarten die Firma X.________ AG und die Versicherte am 28. September 2009, dass sich die Beschwerdeführerin vorzeitig pensionieren lässt, wobei sie zusätzlich zu den reglementarischen Leistungen 3/5 der bis zum Erreichen des ordentlichen Pensionierungsalters (64) fehlenden Altersgutschriften als Sonderzahlung im Betrag von Fr. 9'529.- auf das Altersguthaben erhält. 
 
3.2 Das kantonale Gericht erwog hiezu, diese Leistung orientiere sich an der Summe der Altersgutschriften, welche der Beschwerdeführerin aufgrund der unverschuldeten Kündigung und vorzeitigen Pensionierung entgangen sei. Da hierbei der Versicherungsgedanke im Vordergrund stehe und das Risiko Alter und nicht das Risiko Arbeitslosigkeit abgedeckt werden sollte, zumal Anspruch hierauf gemäss Vereinbarung nur bei vorzeitiger Pensionierung und nicht bei "normalem" Austritt aus der Unternehmung bestanden habe (Ziff. 2.8 der Vereinbarung), sei die Leistung als Altersleistung zu qualifizieren und im Sinne von Art. 18c AVIG zu Recht von der Arbeitslosenentschädigung abgezogen worden. 
 
3.3 In der Beschwerde wird hiegegen eingewendet, es handle sich bei der Sonderzahlung um eine freiwillige Leistung der Arbeitgeberin aus dem Sozialplan, auf welche die Versicherte keinen gesetzlichen oder reglementarischen Anspruch gehabt habe. Sie habe über diesen Betrag in Form einer Kapitalabfindung frei verfügt, weshalb kein Vorsorgecharakter auszumachen sei. In einem Schreiben vom 21. April 2010 habe dies die Arbeitgeberin bestätigt, indem sie festgehalten habe, dass es sich um eine rein freiwillige Leistung gehandelt habe, um die wirtschaftlichen Folgen der Entlassung zu mildern. Dies sei weder durch Gesetz, Reglement oder Gesamtarbeitsvertrag vorgeschrieben gewesen und stelle eine Härtefallleistung dar. Der Betrag sei an die Pensionskasse überwiesen worden, da die Beschwerdeführerin die Summe in Kapitalform habe beziehen wollen. Im Austrittsfall (anstelle des Pensionierungsfalls) hätte sie ein ebenso freiwilliges Austrittsgeld in ungefähr vergleichbarer Höhe (Ziff. 2.7 der Vereinbarung) erhalten. 
3.4 
3.4.1 Altersleistungen der beruflichen Vorsorge werden von der Arbeitslosenentschädigung abgezogen (Art. 18c Abs. 1 AVIG), ungeachtet dessen, ob sie in Form einer Rente oder aber ganz oder teilweise in Form einer Kapitalabfindung ausgerichtet werden (SVR 2000 AlV Nr. 7 S. 21 [C 72/03]). Bei denjenigen Vorsorgeeinrichtungen, welche die Möglichkeit einer vorzeitigen Pensionierung vorsehen, ist unter Eintritt des Versicherungsfalls "Alter" rechtsprechungsgemäss (BGE 120 V 306) das Erreichen der reglementarischen Altersgrenze für eine vorzeitige Pensionierung zu verstehen; ohne Belang ist die Absicht der versicherten Person, anderweitig erwerbstätig zu sein (BGE 129 V 381 E. 4.1 S. 382). Gemäss BGE 129 V 381 gilt dies grundsätzlich auch unter der Herrschaft des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1993 über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Freizügigkeitsgesetz, FZG; SR 831.42). 
3.4.2 Als Altersleistungen gelten Leistungen der obligatorischen und weitergehenden beruflichen Vorsorge, auf die bei Erreichen der reglementarischen Altersgrenze für die vorzeitige Pensionierung ein Anspruch erworben wurde (Art. 32 AVIV). Sie umfassen Altersrenten, Kapitalabfindungen und Überbrückungsrenten, nicht aber Freizügigkeitsleistungen, auch wenn sie gegen Ende einer beruflichen Laufbahn in Wert und Wirkung einer Altersleistung sehr nahe kommen, weil sie nicht für das versicherte Risiko des Alters ausgerichtet werden (BGE 123 V 147 E. 5a S. 148). Leistungen des Arbeitgebers fallen jedoch nicht darunter (THOMAS NUSSBAUMER Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 2. Auflage, Basel/Genf/München 2007, S. 2246 Rz. 226). 
3.4.3 Bei der in der Vereinbarung vom 28. September 2009 festgesetzten Sonderzahlung von Fr. 9'529.- handelt es sich unbestrittenermassen um eine freiwillige Leistung der Firma. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung ist sie jedoch nicht als Abfindungssumme oder Abgangsentschädigung ohne Vorsorgecharakter zu qualifizieren. Mit Blick auf Ziff. 2.8 der genannten Vereinbarung wird diese Sonderleistung einzig bei der Wahl der vorzeitigen Pensionierung zusätzlich zu den reglementarischen Leistungen geschuldet, wobei dieser Betrag 3/5 der bis zum Erreichen des ordentlichen Pensionsalters fehlenden Altersgutschriften entspricht. Unter diesen Umständen ist von einer freiwilligen Leistung der Arbeitgeberfirma mit Vorsorgecharakter auszugehen, die als Kapitalleistung von der Pensionskasse ausbezahlt wurde. Massgebendes Kriterium ist, dass mit der Leistung das versicherte Risiko Alter abgegolten wird. Eine Austrittsleistung (im Umfang von 3 % des aktuellen vertraglichen Monatslohnes pro vollem Dienstjahr; Fr. 6'910.10) wäre dementgegen einzig dann zum Zuge gekommen, wenn sich die Beschwerdeführerin für einen Austritt aus der Firma anstelle der vorzeitigen Pensionierung (mit Altersleistung) entschieden hätte (Ziff. 2.7 der Vereinbarung). Gedeckt ist hier der Lohnverlust infolge vorzeitiger Pensionierung, sodass das Risiko Alter (und nicht dasjenige der Arbeitslosigkeit) versichert worden ist. 
3.4.4 Nicht gefolgt werden kann Vorinstanz und Verwaltung jedoch insoweit, als von einer von der Arbeitslosenentschädigung abzuziehenden Altersleistung ausgegangen wurde: Die freiwilligen Arbeitgeberleistungen an die berufliche Vorsorge werden vielmehr durch Art. 11a Abs. 3 AVIG in Verbindung mit Art. 10b AVIV erfasst (THOMAS NUSSBAUMER, a.a.O., S. 2246 Rz. 226 und FN. 458). Dies führt dazu, dass der Arbeitsausfall so lange nicht als anrechenbar gilt, als freiwillige Leistungen des Arbeitgebers den durch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Verdienstausfall decken. Da freiwillige Leistungen bis zum Betrag von Fr. 126'000.- (E. 2) nicht berücksichtigt werden, bewirkt die hier zu beurteilende Sonderzahlung in der Höhe von Fr. 9'529.- keinen Leistungsaufschub. 
Somit verletzt der angefochtene Entscheid insofern Bundesrecht, als darin von der Anrechenbarkeit der Sonderleistung an die Arbeitslosenentschädigung ausgegangen wurde. Die Beschwerdeführerin hat nach dem Gesagten Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung auf der Grundlage eines versicherten Verdienstes ohne Abzug der auf monatlich Fr. 123.90 bezifferten Sonderleistung. 
 
4. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 62 BGG). Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der Arbeitslosenkasse aufzuerlegen, die nicht unter den Ausnahmetatbestand von Art. 66 Abs. 4 BGG fällt (BGE 133 V 637 E. 4; Art. 66 Abs. 1 BGG). Der obsiegenden Beschwerdeführerin steht für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 25. Januar 2011 und der Einspracheentscheid der Öffentlichen Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau vom 14. April 2010 werden aufgehoben. Die Sache wird an die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau zurückgewiesen, damit sie die Arbeitslosenentschädigung im Sinne der Erwägungen neu festsetze. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3. 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons Aargau zurückgewiesen. 
 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Staatssekretariat für Wirtschaft schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 8. Juni 2011 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Ursprung Polla