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Urteilskopf

142 III 551


68. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Stockwerkeigentümergemeinschaft B. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_898/2015 vom 11. Juli 2016

Regeste

Art. 712l Abs. 2 und Art. 737 Abs. 1 ZGB; Art. 59 Abs. 2 lit. c ZPO; Prozessfähigkeit und Aktivlegitimation der Stockwerkeigentümergemeinschaft im Zusammenhang mit einer Dienstbarkeit.
Die Stockwerkeigentümergemeinschaft ist im Bereich der gemeinschaftlichen Verwaltung prozessfähig und aktivlegitimiert (E. 2.2). Es ist nicht willkürlich, die Durchsetzung einer Pflanzungsbeschränkung als Handlung der gemeinschaftlichen Verwaltung anzusehen (E. 2.4).

Sachverhalt ab Seite 551

BGE 142 III 551 S. 551

A. C., D. und E. bilden die Stockwerkeigentümergemeinschaft B.strasse x. A. ist Eigentümer des (nicht unmittelbar) benachbarten, südlich gelegenen Grundstückes B.strasse y.
BGE 142 III 551 S. 552
Zu Gunsten des Grundstücks der Stockwerkeigentümer und zu Lasten des Grundstücks von A. ist im Grundbuch eine Dienstbarkeit eingetragen. Danach dürfen Bäume und Sträucher die Höhe von 5 m nicht übersteigen.

B. Klageweise verlangte die Stockwerkeigentümergemeinschaft, A. sei zu verpflichten, die Bäume und Sträucher auf seinem Grundstück auf 5 m zurückzuschneiden und unter der Schere zu halten.
Mit Urteil vom 23. Februar 2015 verpflichtete ihn das Bezirksgericht Zürich, die Birke sowie die schwarze Föhre auf seinem Grundstück auf die Höhe von 5 m zurückzuschneiden.
Mit Urteil vom 6. Oktober 2015 wies das Obergericht des Kantons Zürich die hiergegen erhobene Berufung ab.

C. Gegen das obergerichtliche Urteil hat A. am 9. November 2015 Beschwerde eingereicht mit den Begehren, dieses sei aufzuheben und auf die Klage sei nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Mit Zirkularbeschluss vom 4. August 2014 ermächtigten die drei Stockwerkeigentümerinnen C. als Verwalterin zur Einreichung der vorliegend interessierenden Klage. Die Klage wurde wie folgt eingereicht: "Stockwerkeigentümergemeinschaft B.strasse x, c/o C., B.strasse x, bestehend aus C., B.strasse x, D., B.strasse x, E., B.strasse x, vertreten durch die Verwalterin C., B.strasse x, diese vertreten durch Rechtsanwalt ...". In den Rubra der kantonalen Entscheide wird klägerseits aufgeführt "Stockwerkeigentümergemeinschaft ..., bestehend aus C., ..., D., ..., E., ..., Zustelladresse: C., ..., vertreten durch Rechtsanwalt ...".

2.1 Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Anwendung von Art. 59 Abs. 2 lit. c ZPO und Art. 712l ZGB sowie von Art. 730 und 737 ZGB. Ferner rügt er eine Verletzung des rechtlichen Gehörs.
Er macht geltend, dass nebst der Prozessfähigkeit auch die Aktivlegitimation der Stockwerkeigentümergemeinschaft gegeben sein müsse. Dies sei für die vorliegende Klage nicht der Fall, weil nicht die Gemeinschaft, sondern die drei Eigentümerinnen die
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Rechtsträgerinnen in Bezug auf die Dienstbarkeit und im Übrigen keine gemeinschaftlichen Teile betroffen seien.

2.2 Das Stockwerkeigentum ist gesetzlich als besondere Form des Miteigentums ausgestaltet (BGE 119 II 404 E. 4 S. 407; BGE 141 III 357 E. 3.2 S. 360). Die jeweiligen Stockwerkeigentümer bilden eine Rechtsgemeinschaft, welche zur gemeinschaftlichen Verwaltung des Stockwerkeigentums berufen ist (vgl. Art. 712l Abs. 1 ZGB). Dieser Gemeinschaft kommt keine Rechtspersönlichkeit zu (BGE 125 II 348 E. 2 S. 350). Im Rahmen ihrer Verwaltungstätigkeit erfolgt aber eine gewisse Verselbständigung, indem sie in diesem Bereich zivilrechtlich handlungsfähig ist und prozessual sowie vollstreckungsrechtlich unter ihrem Namen klagen und betreiben sowie beklagt und betrieben werden kann (Art. 712l Abs. 2 ZGB). Sodann verfügt die Gemeinschaft über ein Sondervermögen (sog. Gemeinschaftsvermögen), welches - mangels rechtlicher Selbständigkeit der Gemeinschaft - zwar im Miteigentum der Stockwerkeigentümer steht, aber im Rechtsverkehr verselbständigt ist und insbesondere selbständiges Vollstreckungsobjekt in der Betreibung gegen die Stockwerkeigentümergemeinschaft bilden kann, unter Ausschluss einer persönlichen Haftung der Stockwerkeigentümer (BGE 119 II 404 E. 6 S. 409). Nicht zu diesem Sondervermögen gehört namentlich die Liegenschaft, weil sie nicht der Verwaltung dient, sondern vielmehr Anlass für die Gemeinschaft ist (Urteil 5A_126/2015 vom 14. April 2015 E. 2). Weil sodann Grunddienstbarkeiten immer zugunsten der aktuellen Eigentümer des berechtigten Grundstücks bestehen (Art. 730 Abs. 1 ZGB), ist die Stockwerkeigentümergemeinschaft als solche auch nicht dienstbarkeitsberechtigt (WERMELINGER, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 2010, N. 59 zu Art. 712l ZGB; derselbe, Das Stockwerkeigentum, 2. Aufl. 2014, N. 76 zu Art. 712l ZGB).
Will die Stockwerkeigentümergemeinschaft in eigenem Namen klagen, ist nebst der prozessual erforderlichen Prozessfähigkeit in materieller Hinsicht ihre Sach- bzw. Aktivlegitimation, d.h. ihre Rechtszuständigkeit für den betreffenden Streitgegenstand erforderlich (vgl. WERMELINGER, Zürcher Kommentar, a.a.O., N. 129 und 141 zu Art. 712l ZGB; derselbe, Das Stockwerkeigentum, a.a.O., N. 164 zu Art. 712l ZGB). Diese besteht im Bereich der gemeinschaftlichen Verwaltung. Darunter werden gemeinhin alle Handlungen tatsächlicher oder rechtlicher Natur gezählt, welche dazu bestimmt sind, das betreffende Rechtsgut zu erhalten, zu mehren oder der seinem Zweck
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entsprechenden Verwendung zuzuführen (MEIER-HAYOZ/REY, Berner Kommentar, 1988, N. 13 zu Art. 712g ZGB). Die gemeinschaftliche Verwaltung im Sinn von Art. 712g ff. ZGB lässt sich von der Verwaltung bzw. Nutzung und Benutzung durch den einzelnen Stockwerkeigentümer im Sinn von Art. 712a Abs. 2 ZGB dadurch abgrenzen, dass sie im Interesse aller Stockwerkeigentümer erfolgt (vgl. MEIER-HAYOZ/REY, a.a.O., N. 20 zu Art. 712g ZGB).

2.3 Nach dem Gesagten kann der Beschwerdeführer nichts aus dem - vom Obergericht übrigens nicht verkannten - Umstand ableiten, dass das dienstbarkeitsberechtigte Grundstück nicht im Sondervermögen der Gemeinschaft, sondern im Miteigentum der drei Stockwerkeigentümerinnen steht und diesen als Folge auch die Berechtigung an der Dienstbarkeit zusteht. Vielmehr geht es um die Frage, ob das Durchsetzen der zugunsten des Grundstücks eingetragenen Dienstbarkeit in den Bereich der gemeinschaftlichen Verwaltungstätigkeit fällt oder nicht. Bejahendenfalls ist die Handlungszuständigkeit und damit auch die Sachlegitimation der Gemeinschaft im betreffenden Bereich gegeben.
Welche Handlungen im Zusammenhang mit nachbarschaftlichen Belangen im Allgemeinen und mit Grunddienstbarkeiten im Besonderen unter die gemeinschaftliche Verwaltung fallen, wird weder von der Lehre noch durch die Rechtsprechung einheitlich beantwortet. In der Lehre wird unter Rechtsprechungshinweisen die Berechtigung der Gemeinschaft zum Auftreten in eigenem Namen beispielsweise bejaht für Grundbuchberichtigungsklagen betreffend das Stammgrundstück, Klagen zum Schutz des Eigentums oder aus dem Nachbarrecht sowie Besitzesschutzklagen, wenn ein gemeinschaftlicher Teil betroffen ist, Enteignungsverfahren betreffend die Grundstücksfläche und Verfahren im Rahmen des Raumplanungsrechts, welche das Stockwerkeigentum betreffen (vgl. WERMELINGER, Zürcher Kommentar, a.a.O., N. 192 zu Art. 712a ZGB und N. 142 zu Art. 712l ZGB; derselbe, Das Stockwerkeigentum, N. 183, 187, 193, 194 zu Art. 712l ZGB; MEIER-HAYOZ/REY, a.a.O., N. 92 zu Art. 712l ZGB). Die Beantwortung der Frage, ob die Gemeinschaft prozessfähig und aktivlegitimiert ist, wenn es um Grunddienstbarkeiten am Stammgrundstück geht, wird in der Literatur als schwierig bezeichnet (WERMELINGER, Zürcher Kommentar, a.a.O., N. 149 zu Art. 712l ZGB). Die Ausübungsbefugnis liegt tendenziell bei den einzelnen Stockwerkeigentümern, was insbesondere für die Benutzung eines
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Wegrechtes gilt, welches nicht durch die Gemeinschaft als solche, sondern nur durch die einzelnen Eigentümer benutzt werden kann (WERMELINGER, Das Stockwerkeigentum, a.a.O., N. 76 zu Art. 712l ZGB). Es ist stets auf den Einzelfall und beispielsweise darauf abzustellen, ob es um die Errichtung, die Durchsetzung oder die Ausübung einer Grunddienstbarkeit geht, was für ein Dienstbarkeitsinhalt zur Debatte steht und wie die konkrete Interessenlage aussieht.

2.4 Das Obergericht ist davon ausgegangen, dass für die actio negatoria die Aktivlegitimation und Prozessfähigkeit der Gemeinschaft gemeinhin bejaht werde. Dies ist vor dem Hintergrund der vorstehenden Literaturhinweise, aber auch von der Sache her jedenfalls nicht willkürlich: Zwar steht das Grundstück nicht im Eigentum der Gemeinschaft und ist diese folglich auch nicht Dienstbarkeitsberechtigte; indes ändert dies nichts an ihrer Handlungszuständigkeit, soweit es um gemeinschaftliche Verwaltungstätigkeit geht. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach der konkreten Situation (dazu unten).
Sodann ist entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht willkürlich, wenn das Obergericht seine zur actio negatoria angestellten Überlegungen auf die actio confessoria übertragen hat. Zum einen scheitert die Willkürrüge bereits an der hinreichenden Substanziierung (vgl. dazu BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246; BGE 139 I 229 E. 2.2 S. 232), beschränkt sich doch der Beschwerdeführer auf die nicht weiter ausgeführte Behauptung, die beiden Klagen seien nicht vergleichbar. Zum anderen wäre aber selbst bei einer genügenden Substanziierung keine Willkür ersichtlich: Bei beiden Klagen geht es um die Durchsetzung sachenrechtlicher Abwehransprüche; bei der actio negatoria (Eigentumsfreiheitsklage gemäss Art. 641 Abs. 2 ZGB) wird der Abwehranspruch aus dem Eigentum, bei der actio confessoria (vgl. dazu BGE 95 II 14 E. 3 S. 19; Urteil 5A_652/2010 vom 4. März 2011 E. 3.1, nicht publ. in: BGE 137 III 145) aus der Grunddienstbarkeit abgeleitet. Ein grundsätzlicher und für die konkrete Fragestellung einschlägiger Unterschied ist mithin nicht auszumachen. Bei beiden Klagen geht es um die Frage, ob die konkrete Anspruchsdurchsetzung als gemeinschaftliche Verwaltungshandlung gesehen werden kann.
Diesbezüglich ist keine Willkür ersichtlich, wenn das Obergericht einen Konnex zwischen der klageweisen Durchsetzung der Pflanzungsbeschränkung und der gemeinschaftlichen Verwaltung hergestellt hat: Bei einer Dienstbarkeit des Inhalts, dass die Bäume auf
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dem belasteten Grundstück auf 5 m unter Schnitt zu halten seien, geht es - vor dem Hintergrund, dass es sich um Wohnliegenschaften handelt - offensichtlich um die Gewährung von Licht, Aussicht und Weitegefühl zugunsten des dienstbarkeitsberechtigten Grundstücks. Davon profitieren die Stockwerkeigentümer des berechtigten Grundstücks insgesamt, und zwar nicht nur in subjektiver Hinsicht (persönliches Wohlbefinden durch bessere Besonnung, Weitsicht, etc.), sondern potentiell auch wertmässig, indem die genannten Faktoren den Verkehrswert sowie den Mietwert der Stockwerkeinheiten zu beeinflussen vermögen. Sodann kann übermässiger Schattenwurf auch zu Vermoosung und erhöhtem Unterhaltsaufwand beim berechtigten Grundstück führen. Die Durchsetzung der zugunsten des Stammgrundstücks eingetragenen Dienstbarkeit kann somit durchaus dem (Wert-)Erhalt der Liegenschaft dienen und im Interesse der Eigentümer insgesamt sein; der Beschwerdeführer hat für die konkrete Situation jedenfalls nichts Gegenteiliges vorgebracht, etwa dass nur einzelne Stockwerkeinheiten von der Durchsetzung der Dienstbarkeit profitieren könnten und von einer Partikularzuständigkeit ausgegangen werden müsste. Insofern kann die Annahme des Obergerichtes, dass die Liegenschaft als solche und damit die gemeinschaftliche Verwaltung betroffen sei, nicht als willkürlich gelten.
Nach dem Gesagten erweist es sich nicht als willkürlich, wenn das Obergericht in Übereinstimmung mit dem Bezirksgericht auf die Klage eingetreten ist. Mithin erübrigt es sich, näher auf die Ausführungen in der Beschwerde einzugehen, was unter "überspitztem Formalismus" juristisch zu verstehen sei. Es sei lediglich bemerkt, dass es dem Obergericht offensichtlich um die Aussage ging, dass es insofern formalistisch sei, wenn der Beschwerdeführer die Aktivlegitimation der Gemeinschaft bestreite, als bei tatsächlicher Verneinung die Stockwerkeigentümerinnen im Sinn von Streitgenossinnen sofort eine neue identische Klage einreichen könnten. (...)

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Considérants 2

références

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