Avis important:
Les versions anciennes du navigateur Netscape affichent cette page sans éléments graphiques. La page conserve cependant sa fonctionnalité. Si vous utilisez fréquemment cette page, nous vous recommandons l'installation d'un navigateur plus récent.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_601/2021  
 
 
Urteil vom 16. August 2022  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, als präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichterin Koch, 
Gerichtsschreiber Nabold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Advokat Gabriel Giess, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, 4051 Basel, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Genugtuung; Begründungspflicht, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Dreiergericht, vom 13. April 2021 (SB.2018.83). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
B.________ wurde am 28. Juni 2015 nachts im Park U.________ in V.________ von mehreren jungen Männern angegriffen. Diese gingen ihn verbal an, beschimpften ihn und drohten, ihm das Gesicht zu zerschneiden, wenn er den Park nicht verlasse. Schliesslich prügelte einer der Täter auf B.________ ein. Der Überfall war homophob motiviert. A.________ hielt sich in einigen Metern zu seinen Kollegen auf, die den Übergriff verübten. 
 
B.  
Das Strafgericht Basel-Stadt sprach A.________ am 12. März 2018 der Gehilfenschaft zur einfachen Körperverletzung, der Gehilfenschaft zur versuchten Nötigung und der Gehilfenschaft zur Beschimpfung schuldig. Es verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 30.-- bei einer Probezeit von zwei Jahren und unter Anrechnung der ausgestandenen Haft von einem Tag. Zudem auferlegte es ihm eine Busse von Fr. 400.--. 
Auf Berufung von A.________ sprach ihn das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 6. Dezember 2019 von den Vorwürfen der Gehilfenschaft zur einfachen Körperverletzung, der Gehilfenschaft zur versuchten Nötigung und der Gehilfenschaft zur Beschimpfung frei. Dessen Genugtuungsforderung von Fr. 500.-- nebst Zins wies das Appellationsgericht ab. 
 
C.  
Auf Beschwerde des A.________ hin hob das Bundesgericht mit Urteil 6B_491/2020 vom 13. Juli 2020 den unterinstanzlichen Entscheid auf und wies die Sache zur neuen Entscheidung an das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt zurück. Dieses bestätigte mit Urteil vom 13. April 2021 den Freispruch und sprach A.________ für den ausgestandenen Freiheitsentzug und die Verletzung des Beschleunigungsverbots eine Genugtuung von total Fr. 400.-- aus der Staatskasse zu. Weitergehende Forderungen wurden abgewiesen, soweit sie überhaupt Gegenstand des Strafverfahrens geworden seien. 
 
D.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________, es sei ihm unter teilweiser Aufhebung des kantonalen Urteils eine zusätzliche Genugtuung in der Höhe von Fr. 500.-- (zuzüglich Zins in der Höhe von 5 % seit dem 6. Dezember 2019) zuzusprechen. Weiter sei ihm auf dem von der Vorinstanz zugesprochenen Genugtuungsbetrag ein Verzugszins von 5 % seit dem 28. Juni 2015 respektive seit mittlerem Verlauf zuzusprechen. Eventuell sei die Sache an das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt zurückzuweisen. Gleichzeitig stellt A.________ ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. 
Während die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt auf Abweisung der Beschwerde schliesst, beantragt das Appellationsgericht, die Beschwerde sei soweit die Zinspflicht betreffend gutzuheissen, im Übrigen abzuweisen. 
In seiner Stellungnahme vom 11. Juli 2022 hält A.________ an seinen Anträgen fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Streitig ist vorliegend die Höhe eines Genugtuungsanspruchs nach Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO. Hiebei handelt es sich um eine spezielle Staatshaftungsnorm (vgl. WEHRENBERG/FRANK, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 6 zu Art. 429 StPO). Da jedoch Art. 85 Abs. 1 lit. a BGG für die Beschwerde in Strafsachen nicht gilt und die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen zu keinen Bemerkungen Anlass geben, ist auf die Beschwerde ungeachtet des geringen Streitwerts und unabhängig von der Frage, ob sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer rügt zunächst, das Appellationsgericht habe bei der Bemessung der Genugtuungssumme zu Unrecht die Medienberichterstattung nach der Berufungsverhandlung ausgeklammert.  
 
2.2. Wird die beschuldigte Person ganz oder teilweise freigesprochen oder wird das Verfahren gegen sie eingestellt, so hat sie gemäss Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO Anspruch auf Genugtuung für besonders schwere Verletzungen ihrer persönlichen Verhältnisse, insbesondere bei Freiheitsentzug. Die Strafbehörde prüft nach Art. 429 Abs. 2 StPO den Anspruch von Amtes wegen. Sie kann die beschuldigte Person auffordern, ihre Ansprüche zu beziffern und zu belegen.  
Wie das Bundesgericht in BGE 146 IV 231 E. 2.6.1 festgehalten hat, kann eine erhebliche Berichterstattung in den Medien eine Persönlichkeitsverletzung darstellen, welche geeignet ist, einen Genugtuungsanspruch nach Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO auszulösen. 
 
2.3. Nach Art. 107 Abs. 1 BGG darf das Bundesgericht bei seinem Urteil nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen. Heisst es die Beschwerde gut, so entscheidet es nach Art. 107 Abs. 2 BGG in der Sache selbst oder weist diese zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück.  
Im Falle eines bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheids hat die mit der neuen Entscheidung befasste untere Instanz ihrem Urteil die rechtliche Beurteilung, mit der die Rückweisung begründet wird, zugrunde zu legen. Jene bindet auch das Bundesgericht, falls ihm die Sache erneut unterbreitet wird. Aufgrund dieser Bindungswirkung ist es den erneut mit der Sache befassten Gerichten wie auch den Parteien - abgesehen von allenfalls zulässigen Noven - verwehrt, der Überprüfung einen anderen als den bisherigen Sachverhalt zugrunde zu legen oder die Sache unter rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, die im Rückweisungsentscheid ausdrücklich abgelehnt oder überhaupt nicht in Erwägung gezogen worden sind. Die neue Entscheidung der unteren Instanz ist demnach auf diejenige Thematik beschränkt, die sich aus den bundesgerichtlichen Erwägungen als Gegenstand der neuen Beurteilung ergibt. Das Verfahren wird nur insoweit neu in Gang gesetzt, als dies notwendig ist, um den verbindlichen Erwägungen des Bundesgerichts Rechnung zu tragen (BGE 143 IV 214 E. 5.2.1; 135 III 334 E. 2; Urteile 6B_107/2021 vom 18. Mai 2022 E. 2.3.1; 6B_300/2021 vom 14. Juli 2021 E. 1 und 6B_318/2020 vom 13. April 2021 E. 1.2; je mit Hinweisen). Konsequenterweise muss im resp. in den an die Rückweisung anschliessenden Verfahren auch die Grenze der Parteibegehren im Sinne von Art. 107 Abs. 1 BGG berücksichtigt werden: Die Rückweisung soll nicht dazu führen, dass ein Beschwerdeführer besser gestellt wird, als wenn das Bundesgericht reformatorisch entschieden hätte (JOHANNA DORMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2018, N. 18 zu Art. 107 BGG). 
 
2.4. Im Verfahren 6B_491/2020 beantragte der Beschwerdeführer eine Zusprechung einer Genugtuung von Fr. 500.-- (zuzüglich Zinsen) wegen einem ausgestandenen Freiheitsentzug von einem Tag, einer Verletzung des Beschleunigungsgebots und wegen der Medienberichterstattung im Zusammenhang mit dem erstinstanzlichen Entscheid. Das Bundesgericht hiess mit Urteil vom 13. Juli 2020 die Beschwerde gut und wies die Sache zum erneuten Entscheid über die Genugtuung an die Vorinstanz zurück. Demgemäss hatte die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid einen entsprechenden Anspruch zu prüfen. In der Folge stellte sie einen Genugtuungsanspruch aufgrund des ausgestandenen Freiheitsentzugs und der Verletzung des Beschleunigungsgebots fest, verneinte aber einen solchen Anspruch aufgrund der Medienberichterstattung vor der Berufungsverhandlung, da diese den Beschwerdeführer nicht in einem besonderen Mass in der Persönlichkeit verletzt hat. Nicht Gegenstand des erneuten Entscheides bildete demgegenüber die Frage, ob aufgrund der weiteren, nach der Berufungsverhandlung erfolgten, Berichterstattung ebenfalls eine Genugtuung geschuldet ist, da das Verfahren u. a. durch die im ersten Berufungsverfahren gestellten Anträge limitiert war. Es verstösst daher nicht gegen Bundesrecht, dass die Vorinstanz es ablehnte, die entsprechenden Vorbringen des Beschwerdeführers im Rückweisungsverfahren materiell zu prüfen. In diesem Punkt ist seine Beschwerde somit abzuweisen.  
 
3.  
Gutzuheissen ist die Beschwerde demgegenüber, soweit der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe sich zu Unrecht nicht zur Verzinsung der Genugtuung geäussert. Für die Art und den Umfang der Entschädigung nach Art. 429 ff. StPO dürfen nämlich die allgemeinen Bestimmungen der Art. 41 ff. OR herangezogen werden (BGE 142 IV 245 E. 4.1 S. 248 mit Hinweis). Zum Schaden gehört nach konstanter Rechtsprechung der Zins vom Zeitpunkt an, in welchem das schädigende Ereignis sich ausgewirkt hat. Der Zins bildet Teil der Genugtuung. Dessen Höhe beträgt gemäss Art. 73 OR 5 % (Urteile 6B_632/2017 vom 22. Februar 2018 E. 2. 3 und 6B_1404/2016 vom 13. Juni 2017 E. 2.2 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer hat in allen Verfahrensstadien eine Verzinsung der zugesprochenen Genugtuung verlangt. Entsprechend ist der kantonale Entscheid, soweit er implizit und ohne Begründung einer Verzinsung der zugesprochenen Genugtuungssumme verneint, aufzuheben, und die Sache ist zu erneutem Entscheid in diesem Punkt an das Appellationsgericht zurückzuweisen. 
 
4.  
Obwohl der Beschwerdeführer nur teilweise obsiegt, rechtfertigt es sich, auf die Erhebung von Gerichtskosten gänzlich zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Der Kanton Basel-Stadt hat dem Vertreter des Beschwerdeführers zudem eine reduzierte Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
Soweit das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege durch diesen Kostenentscheid nicht gegenstandslos geworden ist, ist es abzuweisen, da die Beschwerde im Hauptpunkt im vornherein aussichtslos war. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 13. April 2021 wird, soweit es die Verzinsung der Genugtuung betrifft, aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist. 
 
3.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
4.  
Der Kanton Basel-Stadt hat dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Advokat Gabriel Giess, eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. 1'000.-- zu bezahlen. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Dreiergericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 16. August 2022 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold