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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_446/2018  
 
 
Urteil vom 18. Dezember 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiber Grünvogel. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons Solothurn, 
Allmendweg 6, 4528 Zuchwil, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Claude Wyssmann, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (vorinstanzliches Verfahren), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn 
vom 9. Mai 2018 (VSBES.2016.144). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Mit Entscheid vom 9. Mai 2018 hat das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn der 1963 geborenen A.________ in Aufhebung der Verfügung der IV-Stelle des Kantons Solothurn vom 12. April 2016 eine Invalidenrente zugesprochen und dabei u.a. auch die Kosten des vom Gericht eingeholten Gutachtens der MEDAS vom 8. Mai 2017 (inkl. Teilgutachten) von insgesamt Fr. 11'299.65 der IV-Stelle auferlegt. 
 
B.   
Dagegen erhebt die IV-Stelle insoweit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, als sie die Gutachterkosten lediglich im Umfang von Fr. 10'549.65 zu tragen bereit ist; der darüber hinausgehende Betrag von Fr. 750.- sei A.________ zu überbinden. 
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen, soweit darauf einzutreten sei. Das kantonale Gericht beantragt Abweisung der Beschwerde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Das kantonale Gericht hat den Verfahrensbeteiligten mit Verfügung vom 22. September 2017 eine Kopie der Rechnung der MEDAS vom 20. Juli 2017 zur Kenntnisnahme zugestellt. Diese beläuft sich auf Fr. 10'549.65. Im Entscheid vom 9. Mai 2018 auferlegt es der IV-Stelle hingegen Gutachterkosten in der Höhe von insgesamt Fr. 11'299.65. 
 
1.1. Dagegen wendet sich die Beschwerde. Dabei wird geltend gemacht, die Differenz von Fr. 750.- erkläre sich aus der Mitberücksichtigung des von der Gutachterstelle dem Gericht gegenüber bereits am 9. Dezember 2016 separat in Rechnung gestellten Aufwands "No shows (Absage < 14 Tage vor Termin) "; diese zweite Rechnung sei der IV-Stelle, welche die Kosten tragen solle, vor dem Entscheid darüber nicht zugestellt worden; damit sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden; erst nachdem sie beim kantonalen Gericht um detaillierten Nachweis der ihr schliesslich überbundenen Gutachterkosten ersucht hatte, habe sie überhaupt von dieser zweiten Rechnung Kenntnis nehmen können; auf eine Rückweisung an die Vorinstanz zur Gewährung des rechtlichen Gehörs und neuer Entscheidung über die Verteilung der Gutachterkosten könne vorliegend verzichtet werden, da die Angelegenheit letztinstanzlich ohne weitere Abklärungen entschieden werden könne; denn die Vorinstanz habe die Versicherte mit Verfügung vom 2. November 2018 verpflichtet, bei triftigen Hinderungsgründen sich nicht nur rechtzeitig, sondern auch mit den erforderlichen Belegen abzumelden; zumindest an Letzterem fehle es, was gestützt auf Art. 45 Abs. 3 ATSG zu einer Kostenauflage an die Versicherte führen müsse, zumal in der erwähnten Verfügung auf die Kostenfolgen bei unentschuldigtem Nichterscheinen hingewiesen wurde.  
 
1.2. Diesen Ausführungen hält die Beschwerdegegnerin entgegen, zwar ebenfalls erst nach der Urteilseröffnung von den zusätzlichen Kosten der MEDAS erfahren zu haben; indessen könne ihr nicht vorgehalten werden, für die Absage des in Rechnung gestellten Termins vom 5. Dezember 2016 in schuldhafter Weise und in Verletzung der Mitwirkungspflichten verantwortlich zu sein; sie habe unter schwerer Angina gelitten und sei von der von ihr am 5. Dezember 2016 angerufenen Person der Gutachterstelle aufgefordert worden, zu Hause zu bleiben; insoweit sei auch die Aussage, sie haben den Termin abgesagt, nicht korrekt.  
 
1.3. Das in dieser Sache ebenfalls zur Stellungnahme aufgeforderte kantonale Gericht verzichtet unter Hinweis "auf die ausführlichen Erwägungen im angefochtenen Entscheid" auf Bemerkungen zur Beschwerde.  
 
2.   
In den von der Vorinstanz dem Bundesgericht zur Verfügung gestellten Verfahrensakten fehlt die MEDAS-Rechnung vom 9. Dezember 2016. Eine Kopie dieser Rechnung liegt indessen der Beschwerdeschrift bei und wurde nach übereinstimmender Aussage der Parteien diesen nach der Eröffnung des Endentscheids zugestellt. Damit fällt dieses Schriftstück nicht unter das Novenverbot (e contrario Art. 99 Abs. 1 BGG). 
Werden die vorinstanzlichen Verfahrensakten mit diesem Dokument ergänzt, ergibt sich bezüglich des Begutachtungstermins vom 5. Dezember 2016 in tatsächlicher Hinsicht Folgendes: 
Mit Verfügung vom 2. November 2016 wies das Gericht die Versicherte darauf hin, zum Begutachtungstermin zu erscheinen und sich der Untersuchung zu unterziehen; bei triftigen Hinderungsgründen habe sie sich rechtzeitig und mit den erforderlichen Belegen abzumelden; im Unterlassungsfall könne das Gericht aufgrund der Akten entscheiden, wobei es die Verletzung der Mitwirkungspflicht bei der Beweiswürdigung und der Verteilung der Beweislast berücksichtige; das Auferlegen von Kosten, die durch ein unentschuldigtes Nichterscheinen entstünden, bliebe vorbehalten. 
 
3.   
Auf der Rechnung vom 9. Dezember 2016 ist unter "Allfällige Bemerkungen" der folgende Hinweis angebracht "Die Versicherte hat den Termin vom 05.12.2016 gleichentags abgesagt. Telefon/E-Mail für Rückfrage n karin.blaser@weissennau.ch". 
Diese Rechnung wurde mit Visum vom 15. Dezember 2016 zur Zahlung durch die Gerichtskasse freigegeben. 
Zu den näheren Umständen der "Terminabsage" oder Gründen zur Zahlungsfreigabe finden sich in den vorinstanzlichen Akten keine Hinweise. 
 
4.   
Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör. Dieser ist formeller Natur. Seine Verletzung führt ungeachtet der materiellen Begründetheit des Rechtsmittels zur Gutheissung der Beschwerde und zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids (BGE 144 I 11 E. 5.3 S. 17 mit Hinweis auf BGE 137 I 195 E. 2.2 S. 197). Nach der Rechtsprechung kann eine nicht besonders schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs als geheilt gelten, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie die Rechtslage frei überprüfen kann (BGE 135 I 279 E. 2.6.1 S. 285). Von einer Rückweisung der Sache ist selbst bei einer schwerwiegenden Verletzung des rechtlichen Gehörs dann abzusehen, wenn und soweit die Rückweisung zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen würde, die mit dem (der Anhörung gleichgestellten) Interesse der betroffenen Partei an einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren wären (BGE 137 I 195 E. 2.3.2 S. 197 f.; 133 I 201 E. 2.2 S. 204). 
 
4.1. Das rechtliche Gehör dient einerseits der Sachaufklärung, anderseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheides dar, welcher in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. Dazu gehört insbesondere das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines solchen Entscheids zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen und Einsicht in die Akten zu nehmen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst als Mitwirkungsrecht somit alle Befugnisse, die einer Partei einzuräumen sind, damit sie in einem Verfahren ihren Standpunkt wirksam zur Geltung bringen kann. Voraussetzung des Äusserungsrechts sind genügende Kenntnisse über den Verfahrensverlauf, was auf das Recht hinausläuft, in geeigneter Weise über die entscheidwesentlichen Vorgänge und Grundlagen vorweg orientiert zu werden. Wie weit dieses Recht geht, lässt sich nicht generell, sondern nur unter Würdigung der konkreten Umstände beurteilen (BGE 144 I 11 E. 5.3 S. 17 mit Hinweisen).  
 
4.2. Fest steht, dass eine Kopie der MEDAS-Rechnung vom 9. Dezember 2016 den Parteien erst nach Eröffnung des Entscheids vom 9. Mai 2018 zugestellt wurde. Lediglich die MEDAS-Rechnung vom 20. Juli 2017 im Gesamtbetrag von Fr. 10'549.65 war den Parteien vom kantonalen Gericht mit Verfügung vom 22. September 2017 zur Kenntnisnahme zugestellt worden. Die Beschwerdeführerin konnte sich daher zur hier strittigen Rechnung und zu der vorgesehenen Kostenauflage nicht äussern. Dadurch verletzte die Vorinstanz deren rechtliches Gehör. Auf diese Weise blieb es der Beschwerdeführerin verwehrt, Einwände gegen die Kostenauflage vorzubringen.  
 
4.3. Zwar hat die IV-Stelle dies nunmehr letztinstanzlich vorgetragen und die Beschwerdegegnerin hat zu diesem Vorbringen Stellung genommen. Dennoch sind die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Heilung des Mangels im letztinstanzlichen Verfahren nicht erfüllt. Denn einerseits sehen weder die von der Beschwerdeführerin angeführte Bestimmung von Art. 45 Art. 3 ATSG - so denn im kantonal-gerichtlichen Verfahren überhaupt direkte Anwendung findend -, noch das kantonale Recht (§ 56 und 77 VRPG/SO in Verbindung mit Art. 108 ZPO) eine Kostenauflage bei Verletzung der Mitwirkungspflichten zwingend vor. Wie das kantonale Gericht seinen ihm hier zustehenden Ermessensspielraum handhabt, geht weder aus dem angefochtenen Entscheid noch aus der letztinstanzlichen Stellungnahme des kantonalen Gerichts hervor. Das Bundesgericht selbst trifft grundsätzlich keine Ermessensentscheide (Art. 95 ff. und Art. 105 f. BGG; vgl. BGE 137 V 71 E. 5.2 S. 73). Darüber hinaus finden sich in den vorinstanzlichen Akten keine Angaben zu den näheren Umständen der "Terminabsage" oder den Gründen der Zahlungsfreigabe. Sodann ist die Aussage der Beschwerdegegnerin, nicht sie, sondern die Gutachterstelle habe den Termin abgesagt, nicht näher belegt und stellt daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine reine Parteibehauptung dar.  
Somit ist die Angelegenheit an das kantonale Gericht zurückzuweisen, damit es nach Gewährung des rechtlichen Gehörs und allfälligen weiteren Abklärungen über die Kostenauflage betreffend die Rechnung vom 9. Dezember 2016 neu befinde. 
 
5.   
Die Gerichts- und die Parteikosten sind in der Regel der unterliegenden Partei aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG), können indessen gestützt auf das in Art. 66 Abs. 3 BGG statuierte Verursacherprinzip ausnahmsweise auch den Vorinstanzen bzw. dem Gemeinwesen, dem die Vorinstanz angehört, überbunden werden. Dies erscheint vorliegend sachgerecht. Damit erweist sich das von der Beschwerdegegnerin vernehmlassungsweise gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege als gegenstandslos. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Ziff. 5 des Entscheids des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 9. Mai 2018 wird insoweit aufgehoben, als darin der IV-Stelle des Kantons Solothurn Gutachterkosten von mehr als Fr. 10'549.65 auferlegt werden. Das Versicherungsgericht wird über die Tragung des ihm von der MEDAS am 5. Dezember 2016 in Rechnung gestellten Betrags von Fr. 750.- neu zu befinden haben. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Kanton Solothurn auferlegt. 
 
3.   
Der Kanton Solothurn hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 750.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 18. Dezember 2018 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Grünvogel