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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_393/2022  
 
 
Urteil vom 22. Juni 2022  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, Bovey, 
Gerichtsschreiberin Gutzwiller. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde 
des Kantons Glarus, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Region St. Gallen, 
Bahnhofplatz 1, Postfach 23, 9001 St. Gallen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Kompetenzstreitigkeit (Erwachsenenschutz), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Glarus, II. Kammer, vom 21. April 2022 (VG.2022.00009). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________ wohnt in Thailand. Sein Heimatort liegt im Kanton Glarus. Vor seinem Wegzug nach Thailand lebte er im Kanton St. Gallen. Am 31. Juli 2018 errichtete A.________ einen Vorsorgeauftrag, in welchem er seine Tochter, B.________, als Vorsorgebeauftragte bezeichnete. Diese gelangte am 12. Februar 2021 an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde des Kantons Glarus (KESB Glarus) und beantragte die Validierung des Vorsorgeauftrags. Am 23. Februar 2021 begehrte sie ausserdem die Anordnung von vorsorglichen Massnahmen. Die KESB Glarus trat am 25. Februar 2021 auf die Gesuche nicht ein mit der Begründung, sie sei örtlich nicht zuständig. Sie überwies die Sache an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Region St. Gallen (KESB St. Gallen), die ihrerseits befand, dass sie örtlich nicht zuständig sei (Verfügung vom 16. März 2021), und die Sache an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Wil-Uzwil (KESB Wil-Uzwil) weiter verwies. Diese wiederum retournierte die Akten an die KESB St. Gallen mit dem Hinweis, dass Letztere sich zwecks einer abschliessenden Klärung der örtlichen Zuständigkeit an die KESB Glarus zu wenden habe.  
 
A.b. B.________ erhob am 29. März 2021 Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Glarus (VG.2021.00026) und verlangte, es sei die KESB Glarus anzuweisen, den Antrag auf Validierung des Vorsorgeauftrags materiell zu behandeln und die anbegehrten superprovisorischen Massnahmen zu erlassen. Das Verwaltungsgericht sistierte das Verfahren bis zum rechtskräftigen Entscheid der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen über die bei dieser anhängig gemachte Beschwerde. Diese hob die Verfügung der KESB St. Gallen vom 16. März 2021 auf und wies die Sache zur Durchführung eines Meinungsaustauschverfahrens mit der KESB Glarus an die KESB St. Gallen zurück. In der Folge nahm das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus das bei ihm anhängige Verfahren wieder auf. Es hiess die Beschwerde am 13. Januar 2022 gut und wies die Sache zur Durchführung eines Meinungsaustauschverfahrens mit der KESB St. Gallen zurück. Das Meinungsaustauschverfahren blieb erfolglos.  
 
B.  
In der Folge unterbreitete die KESB Glarus die Frage ihrer Zuständigkeit am 10. Februar 2022 dem Verwaltungsgericht des Kantons Glarus. Parteien dieses Verfahrens waren die KESB Glarus und die KESB St. Gallen. Mit Entscheid vom 21. April 2022 stellte das Verwaltungsgericht fest, dass die KESB Glarus für die Validierung des Vorsorgeauftrags von A.________ örtlich zuständig sei. 
 
C.  
Mit Eingabe vom 25. Mai 2022 wendet sich die KESB Glarus an das Bundesgericht. Sie beantragt, es sei festzustellen, dass nicht sie, sondern die KESB St. Gallen, eventuell die KESB Wil-Uzwil, für die Validierung des Vorsorgeauftrags von A.________ zuständig sei. 
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein in Anwendung von Art. 444 Abs. 4 ZGB ergangener Entscheid einer oberen kantonalen Instanz, die über die örtliche Zuständigkeit in einer Angelegenheit des Erwachsenenschutzes, mithin in einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Zivilrecht steht, entschieden hat (Art. 72 Abs. 2 Bst. b Ziff. 6 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Mit der Marginalie "Prüfung der Zuständigkeit" bestimmt Art. 444 ZGB, dass die Erwachsenenschutzbehörde ihre Zuständigkeit von Amtes wegen prüft (Abs. 1) und die Sache, soweit sie sich nicht für zuständig hält, unverzüglich der Behörde überweist, die sie als zuständig erachtet (Abs. 2). Zweifelt sie an ihrer Zuständigkeit, so pflegt sie einen Meinungsaustausch mit der Behörde, deren Zuständigkeit in Frage kommt (Abs. 3). Kann im Meinungsaustausch keine Einigung erzielt werden, so unterbreitet die zuerst befasste Behörde die Frage ihrer Zuständigkeit der gerichtlichen Beschwerdeinstanz (Abs. 4).  
 
2.2. Die gestützt auf Art. 444 Abs. 4 ZGB angerufene Beschwerdeinstanz hat darüber zu entscheiden, ob die an sie gelangende Behörde örtlich zuständig ist oder nicht; hingegen ist sie nicht befugt, die Zuständigkeit der Erwachsenenschutzbehörde eines anderen Kantons mit bindender Wirkung zu bestimmen (BGE 141 III 84 E. 4.7). Vor dem Verwaltungsgericht war folglich nur die Frage der Zuständigkeit der KESB Glarus Streitgegenstand. Daher geht das Begehren um Feststellung der Zuständigkeit der KESB St. Gallen, eventuell der KESB Wil-Uzwil, über den Streitgegenstand hinaus, weshalb auf jenen Teil der Rechtsbegehren nicht eingetreten werden kann (Art. 99 Abs. 2 BGG).  
 
2.3.  
 
2.3.1. Erachtet die Beschwerdeinstanz im Sinn von Art. 444 Abs. 4 ZGB eine ausserkantonale Behörde als zuständig, liegt ein negativer interkantonaler Kompetenzkonflikt vor und steht als Rechtsweg nur die Klage nach Art. 120 Abs. 1 Bst. b BGG offen (BGE 141 III 84 E. 4.7); auf eine gegen den Entscheid der Beschwerdeinstanz gerichtete Beschwerde tritt das Bundesgericht nicht ein (Urteil 5A_998/2014 vom 14. April 2015 E. 1.2.3).  
 
2.3.2. Bejaht hingegen die Beschwerdeinstanz die örtliche Zuständigkeit der ihr die Zuständigkeitsfrage unterbreitenden Behörde, liegt kein interkantonaler Zuständigkeitskonflikt mehr vor und ist die erstinstanzliche Behörde, wie bei innerkantonalen Zuständigkeitskonflikten, an den Entscheid der kantonalen Beschwerdeinstanz gebunden (zur Bindung im innerkantonalen Verhältnis: MARANTA/AUER/MARTI, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, 6. Aufl. 2018, N. 15 zu Art. 444 ZGB). Damit hat das Hauptsacheverfahren grundsätzlich seinen Fortgang zu nehmen. Die Sache ist so zu halten, wie wenn die gerichtliche Beschwerdeinstanz den die örtliche Zuständigkeit verneinenden Entscheid der Erwachsenenschutzbehörde aufgehoben und die Angelegenheit zu neuem Entscheid in der Sache zurückgewiesen hätte. In diesem Sinn hat die KESB Glarus die Stellung einer verfügenden Behörde.  
 
2.4. Zu prüfen bleibt daher, ob die KESB Glarus, deren Zuständigkeit die gerichtliche Beschwerdeinstanz bejaht, zur Beschwerde an das Bundesgericht legitimiert ist.  
 
2.4.1. Bei der KESB Glarus handelt es sich um eine kantonale Verwaltungsbehörde (Art. 9 des Gesetzes vom 7. Mai 1911 über die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches im Kanton Glarus [EG ZGB/GL; GS III B/1/1]). Rechtsprechungsgemäss ist eine kantonale Behörde zur Beschwerde legitimiert, falls sie durch einen angefochtenen Entscheid gleich oder ähnlich wie ein Privater oder aber in spezifischer, schutzwürdiger Weise in der Wahrnehmung einer hoheitlichen Aufgabe betroffen wird, namentlich wenn einem Entscheid präjudizielle Bedeutung für die öffentliche Aufgabenerfüllung zukommt. Die Beschwerdebefugnis zur Durchsetzung hoheitlicher Anliegen setzt eine erhebliche Betroffenheit in wichtigen öffentlichen Interessen voraus. Das Interesse an der richtigen Rechtsanwendung verschafft keine Beschwerdeberechtigung im Rahmen der Beschwerdelegitimation. Gestützt auf die allgemeine Legitimationsklausel sind Gemeinwesen nur restriktiv zur Beschwerdeführung zuzulassen (BGE 141 III 353 E. 5.2). Insbesondere ist die verfügende Behörde, deren Entscheid im Rechtsmittelverfahren ganz oder teilweise abgeändert wurde, nicht berechtigt, den Rechtsmittelentscheid an das Bundesgericht zu ziehen (BGE 140 V 321 E. 2.1.1 mit Hinweisen).  
 
2.4.2. Die KESB Glarus äussert sich nicht spezifisch zu diesen Fragen und es wäre auch nicht ersichtlich, inwiefern dem angefochtenen Entscheid zufolge der Bejahung der örtlichen Zuständigkeit präjudizielle Bedeutung für die öffentliche Aufgabenerfüllung zukommen könnte. Sie beruft sich stattdessen auf das Urteil 5A_927/2014 vom 26. Januar 2015 (BGE 141 III 84) und verweist auf die dortige E. 3.5, um ihre Beschwerdelegitimation zu begründen. An besagter Stelle gab das Bundesgericht die in BGE 137 III 593 E. 1.2 enthaltene Erwägung wieder, im dort zu beurteilenden (altrechtlichen) Fall sei die neue Regelung über die Prüfung der Zuständigkeit gemäss Art. 444 ZGB nicht anwendbar, wonach laut Botschaft interkantonale Zuständigkeitskonflikte nicht mehr auf dem Klageweg dem Bundesgericht, sondern der kantonalen gerichtlichen Beschwerdeinstanz unterbreitet werden sollten, deren Entscheid wiederum mit Beschwerde in Zivilsachen vor Bundesgericht angefochten werden könne. Daraus kann die KESB Glarus indessen nichts zu ihren Gunsten ableiten. In der fraglichen Erwägung wies das Bundesgericht darauf hin, dass in der blossen Wiedergabe des Botschaftstextes keine Stellungnahme zur zu beantwortenden Streitfrage liege. Auch mit Bezug auf die hier zu beurteilende Frage besteht mithin kein Präjudiz im Sinn der Rechtsauffassung der KESB Glarus. Diese ist nach dem vorstehend Erläuterten vielmehr als verfügende Behörde weder durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt, noch kommt ihr ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung zu. Daher ist sie nicht im Sinn von Art. 76 Abs. 1 BGG zur Beschwerde legitimiert.  
 
2.4.3. Unmittelbar gestützt auf Art. 76 Abs. 2 BGG beschwerdebefugt sind die Bundeskanzlei, die Departemente des Bundes oder, soweit das Bundesrecht es vorsieht, die ihnen unterstellten Dienststellen, wenn der angefochtene Entscheid die Bundesgesetzgebung in ihrem Aufgabenbereich verletzen kann. Absatz 2 wird zu Recht nicht angerufen.  
 
 
3.  
Nach dem Ausgeführten kann mangels Beschwerdeberechtigung auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. Die KESB Glarus hat in ihrem amtlichen Wirkungskreis gehandelt, ohne dass es sich um ihre Vermögensinteressen handelt. Folglich dürfen ihr keine Gerichtskosten auferlegt werden (Art. 66 Abs. 4 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Glarus, II. Kammer, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. Juni 2022 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Die Gerichtsschreiberin: Gutzwiller