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Chapeau

84 I 56


8. Auszug aus dem Urteil vom 12. Februar 1958 i.S. Compagnie Continentale d'Importation gegen Eberle und Bezirksgerichtspräsident von Gossau.

Regeste

Art. 1 lit. e et art. 4 ch. 1 de la Convention de Genève pour l'exécution des sentences arbitrales étrangères, du 26 septembre 1927.
1. Réserve relative à l'ordre public de l'Etat où l'exécution doit avoir lieu. Caractère exécutoire d'une sentence de la Chambre arbitrale de Paris dans un litige entre une maison française appartenant à une association affiliée à la Chambre arbitrale et une maison suisse. Conséquence du fait que l'une des parties a procédé, sans faire de réserves, devant un tribunal arbitral dont la composition pouvait donner lieu à contestation (consid. 4).
2. Conditions de forme que doit remplir la copie d'une sentence arbitrale rendue en France, copie produite avec la demande d'exequatur (consid. 5).

Faits à partir de page 56

BGE 84 I 56 S. 56

A.- Am 24. und 26. August 1954 kaufte Viktor Eberle, der in Gossau Grosshandel mit Getreide und Futtermitteln betreibt, von der Compagnie Continentale d'Importation SA (CCI) in Paris je 100 Tonnen Weizen "aux conditions générales du contrat de Paris Nr. 14 (exportation par fer) de la Chambre syndicale des Grains et Farines et de la Meunerie de Paris sowie eventuelles Schiedsgericht der
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Chambre Arbitrale de Paris". Der erwähnte "Contrat de Paris Nr. 14" enthält folgende Schiedsklausel:
"Arbitrage: Tout différend survenant à l'occasion du présent contrat entre le vendeur, l'acheteur, le courtier ou entre deux d'entre eux, sera jugé par la CHAMBRE ARBITRALE DE PARIS (Bourse de Commerce, Paris 1er), qui le résoudra en dernier ressort, avec les pouvoirs d'arbitre amiable compositeur, et conformément à ses règlements que les contractants déclarent connaître et accepter."
Da Eberle die Ware im vereinbarten Zeitpunkt nicht abnahm, verkaufte die CCI sie und belangte hierauf Eberle bei der Chambre Arbitrale de Paris aus dem ersten Kaufvertrag auf SFr. 3953.10 und aus dem zweiten auf SFr. 3278.-- Schadenersatz. Die von der Commission d'arbitrage du premier degré erlassenen Urteilsentwürfe kamen zur Gutheissung beider Klagen. Der Beklagte Eberle, der inzwischen einen Anwalt in Paris mit seiner Vertretung beauftragt hatte, verlangte die Beurteilung durch eine Commission d'arbitrage du deuxième degré. Der Präsident der Chambre Arbitrale bestellte hierauf eine solche Schiedskommission aus 5 in der Schiedsrichterliste aufgeführten Personen. Diese erliess nach mehreren mündlichen Verhandlungen, an denen der Beklagte Abweisung beider Klagen beantragte, am 8. März 1956 zwei Urteile. Mit dem einen wies sie die Klage der CCI aus dem ersten Kaufvertrag wegen Verwirkung ab und verpflichtete die CCI, dem Beklagten Verfahrenskosten im Betrage von FFr. 20'000.-- zu ersetzen; mit dem andern hiess sie die Klage aus dem zweiten Kaufvertrag gut, verurteilte den Beklagten zur Zahlung von SFr. 3150.-- nebst Zins seit 17. März 1955 und verpflichtete ihn, der CCI Verfahrenskosten im Betrage von FFr. 10'000.-- sowie die allfälligen Kosten der Registrierung und Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs zu ersetzen. Dieser Schiedsspruch wurde bei der Kanzlei des Tribunal civil de 1re instance du Département de la Seine hinterlegt, dort am 5. Juli 1956 unter Erhebung einer Gebühr von FFr. 12'052.-- registriert und vom Vizepräsidenten des Gerichts für vollstreckbar erklärt.
BGE 84 I 56 S. 58

B.- Die CCI leitete hierauf mit Zahlungsbefehl Nr. 8328 des Betreibungsamts Gossau Betreibung ein gegen Eberle für Fr. 3 150.-- nebst 5% Zins seit 17. März 1955 und stellte, als der Betriebene Recht vorschlug, unter Berufung auf das Genfer Abkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 26. September 1927 das Begehren um definitive Rechtsöffnung für den genannten Betrag.
Durch Verfügung vom 25. Juni 1957 verweigerte der Bezirksgerichtspräsident von Gossau die Rechtsöffnung, im wesentlichen mit folgender Begründung: Die Vollstreckung des Schiedsgerichts in der Schweiz würde gegen die schweizerische öffentliche Ordnung verstossen. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 80 I 340 und dort zitierte frühere Urteile) sei ein Schiedsspruch nicht vollstreckbar, wenn einer Partei bei der Bestellung des Schiedsgerichts eine Vorzugsstellung zukomme. Das treffe hier zu. Die CCI sei Mitglied des Syndicat des Grains et Farines et de la Meunerie de Paris, das zusammen mit andern Berufsverbänden die Chambre Arbitrale de Paris bilde. Da die Schiedsrichter auf Vorschlag dieser Verbände gewählt würden, habe die CCI direkt oder indirekt Einfluss auf ihre Wahl. Auf jeden Fall habe sie, im Gegensatz zu Eberle, im Schiedsgericht eine bevorzugte Stellung. Es fehle somit an den Vollstreckungsvoraussetzungen, wie sie in Art. 1 lit. e des Genfer Abkommens in Verbindung mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung festgelegt seien. Überdies erhebe sich noch die Frage, ob die Gläubigerin die Voraussetzungen des Art. 4 des Genfer Abkommens erfüllt habe. Es sei unmöglich, die von ihr ins Recht gelegte Urkunde mit der Überschrift "Sentence arbitrale" auf deren Rechtsgültigkeit und Vollstreckbarkeit zu überprüfen; diesbezügliche Bedenken schienen sich zu rechtfertigen.

C.- Gegen diesen Entscheid hat die Compagnie Continentale d'Importation SA am 2. Juli 1957 staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Antrag, es sei ihr in
BGE 84 I 56 S. 59
Aufhebung des angefochtenen Entscheids die definitive Rechtsöffnung für Fr. 3150.-- nebst 5% Zins seit 17. März 1955 zu gewähren. Als Beschwerdegrund wird Verletzung des Genfer Abkommens geltend gemacht.

D.- Der Bezirksgerichtspräsident von Gossau hat auf Vernehmlassung verzichtet. Der Beschwerdegegner Viktor Eberle beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde gutgeheissen.

Considérants

Aus den Erwägungen:

4. Nach Art. 1 lit. e des Genfer Abkommens darf die Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs in der Schweiz verweigert werden, wenn sie der öffentlichen Ordnung der Schweiz widersprechen würde.
a) (Verweisung auf BGE 84 I 46 Erw. 4 und 5).
b) Nach dem Reglement der Chambre Arbitrale de Paris vom 2. April 1952 (wie schon nach demjenigen vom 25. März 1926, abgedruckt bei SCHÖNKE, Die Schiedsgerichtsbarkeit in Zivil- und Handelssachen in Europa Bd. II S. 300 ff.) können grundsätzlich nur solche Personen zu Schiedsrichtern ernannt werden, die in der vom Comité der Chambre Arbitrale (auf Vorschlag der ihr angeschlossenen Verbände) aufgestellten Schiedsrichterliste eingetragen sind und die französische Staatsangehörigkeit besitzen (Art. 5 und 6; vgl. immerhin Art. 8, wonach der Präsident der Chambre Arbitrale auch andere Personen als Schiedsrichter ernennen oder zulassen kann). Eine derartige Beschränkung auf eine geschlossene Richterliste ist, wie das Bundesgericht im Urteil vom heutigen Tag i.S. Ligna c. Baumgartner & Co. SA (BGE 84 I 50 Erw.6a) festgestellt hat, nicht nur im englisch-amerikanischen Rechtskreis üblich, sondern auch in Europa verbreitet (vgl. die bei SCHÖNKE a.a.O. I 493 ff. abgedruckten Schiedsgerichtsordnungen der Internationalen Handelskammer, der Internationalen Filmkammer und der Internationalen Foederation der Spediteurorganisationen, ferner die bei MAYENFISCH, La clause attributive de juridiction et la
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clause arbitrale dans les contrats de vente de caractère international, Diss. Fribourg 1957, S. 92 ff. wiedergegebenen Schiedsgerichtsordnungen osteuropäischer Handelskammern). Dieses Listensystem mag neben Vorteilen auch Nachteile haben, verletzt jedoch als solches keinesfalls das einheimische Rechtsgefühl in unerträglicher Weise.
Das Reglement der Chambre Arbitrale sieht zwei Instanzen von Schiedsgerichten vor: die untere, die nur einen Urteilsentwurf erlässt, besteht aus drei Schiedsrichtern, von denen jede Partei einen und der Präsident der Chambre Arbitrale den Obmann ernennt (Art. 13); die obere ist zusammengesetzt aus 5 Schiedsrichtern, die von Fall zu Fall vom Präsidenten der Chambre Arbitrale ernannt werden (Art. 17). Es fragt sich, ob diese Ernennung des Obmanns des untern und aller 5 Mitglieder des obern Schiedsgerichts durch den Präsidenten der Chambre Arbitrale die Unabhängigkeit der Schiedsgerichte als beeinträchtigt erscheinen lässt. Die Chambre Arbitrale de Paris ist, nach den Statuten vom 26. Mai 1955, eine Vereinigung von 42 nationalen und regionalen Berufsverbänden des Handels und der Industrie verschiedener Branchen und hat als Hauptzweck die rasche, einfache und billige Erledigung der ihr unterbreiteten Handelsstreitigkeiten. Ihr Präsident wird vom Comité gewählt, das sich aus den Präsidenten der Sektionen zusammensetzt, welche aus den Delegierten der angeschlossenen Verbände gebildet werden. Die Beschwerdeführerin, die Mitglied eines dieser Verbände ist, hatte somit im Gegensatz zum Beschwerdegegner, der es nicht ist, einen gewissen, wenn auch zweifellos nur ganz geringen und indirekten Einfluss auf die vom Präsidenten der Chambre Arbitrale getroffene Wahl der Schiedsrichter, die den vorliegenden Schiedsspruch gefällt haben. In seiner Rechtsprechung zu Art. 61 BV hat das Bundesgericht offen gelassen, ob ein so geringfügiger Einfluss der einen Prozesspartei auf die Bestellung eines Schiedsgerichts dessen Unabhängigkeit derart beeinträchtige, dass die Vollstreckung seiner Entscheide ausgeschlossen sei (BGE 72 I 89Erw. 2 a,
BGE 84 I 56 S. 61
BGE 78 I 114). Diese Frage ist jedenfalls für Schiedsgerichte von Handelskammern, Börsen usw. zu verneinen, da diese Institutionen nicht wie die Wirtschaftsverbände, auf deren Schiedsgerichte sich jene Rechtsprechung bezieht, die Interessen einer bestimmten, meist kartellmässig organisierten Berufsgruppe vertreten. Mag auch die paritätische Wahl der Schiedsrichter durch die Parteien oder ihre Ernennung durch ein staatliches Gericht, wie sie das Bundesgericht für Verbandsschiedsgerichte empfohlen hat, im allgemeinen den Vorzug verdienen, so kann doch in der Bestellung durch eine Handelskammer, Börse usw. oder durch deren Vorsitzenden, zumal bei der im Gebiete der Urteilsvollstreckung gebotenen Zurückhaltung in der Anwendung der ordre public-Klausel (BGE 78 II 251, BGE 81 I 145), kein Verstoss gegen die schweizerische öffentliche Ordnung erblickt werden (vgl. auch BGE 84 I 51 Erw. 6 c).
c) Wäre die Bestellung des Schiedsgerichts aus dem Gesichtspunkt der schweizerischen öffentlichen Ordnung zu beanstanden, so würde sich die Frage erheben, ob der Beschwerdegegner das Recht zur Berufung auf diesen Mangel nicht dadurch verwirkt hat, dass er die obere Schiedskommission selber angerufen und am Verfahren vor ihr teilgenommen hat, ohne ihre Zusammensetzung zu beanstanden. Das Bundesgericht hat freilich in seiner Rechtsprechung zu Art. 61 BV wiederholt ausgesprochen, dass auch eine Partei, die sich auf das Schiedsgerichtsverfahren vorbehaltlos einlasse, noch bei der Vollstreckung des Schiedsspruchs geltend machen könne, dem Schiedsgericht habe die erforderliche Unabhängigkeit gefehlt (BGE 80 I 343 und dort zitierte frühere Urteile). Ob an dieser Rechtsprechung, gegen die gewichtige Einwendungen erhoben worden sind (GULDENER, Die Gerichtsbarkeit der Wirtschaftsverbände, ZSR 1952 S. 251 a ff.), festzuhalten sei, ist fraglich. Selbst wenn sie aber für Schiedssprüche von Verbandsschiedsgerichten über Streitigkeiten zwischen dem Verband und einem Mitglied beizubehalten wäre, könnte sie kaum auf Schiedssprüche wie den vorliegenden
BGE 84 I 56 S. 62
ausgedehnt werden. Es ist mit dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben, der auch im Prozessrecht gilt (vgl. BGE 83 II 348 ff.), nicht wohl vereinbar, dass ein Grosskaufmann eine Schiedsklausel abschliesst und sich auf das Verfahren vor dem vereinbarten ausländischen Schiedsgericht einer Handelskammer oder Börse vorbehaltlos einlässt, um dann im Falle des Unterliegens die Zusammensetzung des Schiedsgerichts zu beanstanden unter Berufung auf Grundsätze des schweizerischen Rechts, die, wie hier, offenbar weder der Gegenpartei noch den Mitgliedern des Schiedsgerichts bekannt waren.

5. Nach Art. 4 Ziff. 1 des Genfer Abkommens hat die Partei, welche die Vollstreckung des Schiedsspruchs verlangt, dessen Urschrift vorzulegen oder eine Abschrift, die nach der Gesetzgebung des Landes, in dem er ergangen ist, alle für ihre Beweiskraft erforderlichen Bedingungen erfüllt. Dass die von der Beschwerdeführerin vorgelegte Urkunde diesen Anforderungen genüge, wird vom Bezirksgerichtspräsidenten und vom Beschwerdegegner zu Unrecht bezweifelt. Es handelt sich um die auf Ersuchen der Beschwerdeführerin erstellte, mit der Unterschrift des Gerichtsschreibers und dem Amtsstempel des Gerichts versehene Abschrift einer Verfügung des (Vize-) Präsidenten des Tribunal civil de première instance du Département de la Seine. Diese Verfügung stellt fest, dass der (darin samt Begründung vollständig wiedergegebene) Schiedsspruch gemäss Art. 1020 CPC am 27. März 1956 bei der Gerichtskanzlei hinterlegt worden ist, und erklärt den Schiedsspruch für vollstreckbar; dazu wird in der Abschrift bestätigt, dass das Original dieser Verfügung vom Präsidenten und Gerichtsschreiber unterzeichnet und am 5. Juli 1956 unter Erhebung einer Gebühr von FFr. 12'052.-- registriert worden ist. Diese Abschrift entspricht den Anforderungen des französischen Rechts. Nach diesem ist die Urschrift des Schiedsspruchs bei der Kanzlei des Gerichts, dessen Präsident zum Erlass der Exequaturverfügung zuständig ist, zu hinterlegen und bleibt bei dessen Akten, und der
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Gerichtsschreiber erstellt, wie von andern Urteilen, die erforderlichen Ausfertigungen, davon eine erste, "grosse" genannte und mit der Exekutionsformel versehene für die obsiegende Partei (vgl. GARSONNET et CEZAR-BRU, Traité de procédure III Nr. 685 und VIII Nr. 299, 302, 303; DALLOZ, Répertoire de procédure civile, 1955, unter "Expédition et Grosse" Nr. 56). Diese Ausfertigungen müssen mit der Unterschrift des Gerichtsschreibers und mit dem Gerichtsstempel versehen seien (DALLOZ a.a.O. Nr. 27). Die Angabe des Datums, an welchem die Ausfertigung (Abschrift) erstellt wurde, ist dagegen nicht erforderlich; es genügt, dass daraus der Zeitpunkt der Hinterlegung des Schiedsspruchs und der Registrierung der Exequaturverfügung ersichtlich ist. Die vorliegende Urkunde erfüllt somit alle nach dem französischen Recht für ihre Beweiskraft erforderlichen Bedingungen (Art. 4 Ziff. 1 des Genfer Abkommens).