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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_168/2023  
 
 
Urteil vom 14. März 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, Schöbi, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Clemens Wymann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Barbara Lind, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Ehescheidung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts 
des Kantons Aargau, Zivilgericht, 2. Kammer, 
vom 27. Januar 2023 (ZOR.2022.32). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Parteien heirateten im Jahr 2009 und haben zwei Söhne (geb. 2010 und 2012). Mit Eheschutzentscheid vom 30. November 2018 wies das Bezirksgericht Laufenburg die Obhut über die Kinder der Mutter zu. 
 
B.  
Mit Scheidungsurteil vom 11. Januar 2022 verpflichtete das Bezirksgericht Laufenburg den Vater zu Unterhaltsbeiträgen für den älteren Sohn von Fr. 755.-- bis November 2022, von Fr. 730.-- ab Dezember 2022 bis Juli 2026 und von Fr. 685.-- ab August 2026 sowie für den jüngeren Sohn von Fr. 555.-- bis November 2022, von Fr. 730.-- ab Dezember 2022 bis Juli 2026, von Fr. 735.-- ab August 2026 bis Juli 2028 und von Fr. 690.-- ab August 2028; es ging beim Vater von einem (hypothetischen) Einkommen von Fr. 4'285.-- und bei der Mutter (bei einem Pensum von 70 %) von einem Einkommen von Fr. 2'180.-- aus. 
Die hiergegen erhobene Berufung des Vaters wies das Obergericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 27. Januar 2023 ab. 
 
C.  
Dagegen hat der Vater am 1. März 2023 eine Beschwerde in Zivilsachen eingereicht mit den Begehren um diesbezügliche Aufhebung des bezirksgerichtlichen und des obergerichtlichen Entscheides sowie um Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen bis November 2022 von Fr. 690.-- für den älteren und Fr. 490.-- für den jüngeren Sohn sowie ab Dezember 2022 von je Fr. 458.-- pro Kind. Ferner werden Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege und aufschiebende Wirkung gestellt; das Letztere wurde mit Verfügung vom 3. März 2023 abgewiesen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Soweit sich die Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Entscheid richtet, ist auf sie von vornherein nicht einzutreten; Anfechtungsobjekt kann ausschliesslich derjenige des Obergerichtes bilden (Art. 75 Abs. 1 BGG). Diesbezüglich steht die rechtzeitig eingereichte Beschwerde in Zivilsachen grundsätzlich offen (Art. 72 Abs. 1, Art. 51 Abs. 1 und 4 i.V.m. Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 90 und Art. 100 Abs. 1 BGG). 
 
2.  
Der von der Vorinstanz festgestellte Sachverhalt ist für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesbezüglich kann nur eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung gerügt werden, für welche das strenge Rügeprinzip gilt (Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG), was bedeutet, dass das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene und belegte Rügen prüft, während es auf ungenügend substanziierte Rügen und rein appellatorische Kritik am Sachverhalt nicht eintritt (BGE 142 III 364 E. 2.4; 144 V 50 E. 4.2; 145 II 32 E. 2.1). 
In rechtlicher Hinsicht hat die Beschwerde eine Begründung zu enthalten, in welcher in gedrängter Form dargelegt wird, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG), was eine sachbezogene Auseinandersetzung mit dessen Begründung erfordert (BGE 140 III 115 E. 2; 142 III 364 E. 2.4). 
 
3.  
Der Beschwerdeführer hatte berufungsweise vorgebracht, längerfristig im Sozialbereich tätig sein zu wollen. Wie bereits das Bezirksgericht hat ihm das Obergericht mit Fr. 4'285.-- hypothetisch das Einkommen angerechnet, welches er in seinem Beruf als Detailhandelsfachmann, in welchem er auch ausgebildet ist, erzielen könnte, und befunden, angesichts der finanziell angespannten Verhältnisse und der Anstrengungspflicht im Zusammenhang mit dem Kindesunterhalt könne keine das Einkommen reduzierende Weiterbildung als Arbeitsagoge berücksichtigt werden. 
In Bezug auf das Existenzminimum ist das Obergericht (wie schon das Bezirksgericht) von der Tatsache ausgegangen, dass der Beschwerdeführer mit einer neuen Partnerin im Konkubinat lebt, mit welcher er zwei Kinder hat. Es hat ihm ein Existenzminimum von Fr. 1'620.-- zugestanden (Grundbetrag von Fr. 850.--, Wohnkosten von Fr. 690.--, Arbeitswegkosten von Fr. 80.--). 
 
4.  
Beschwerdegegenstand ist zunächst das für die Unterhaltsfestsetzung massgebliche Einkommen des Beschwerdeführers. 
 
4.1. Dieser bestreitet nicht, dass er als Detailhandelsfachmann einen Nettoverdienst von Fr. 4'285.-- erzielen könnte. Er macht aber geltend, dass er in einem sozialen Beruf tätig sein wolle, was ihm grosse Erfüllung und Freude bereite; es sei für ihn motivierend, Menschen in schwierigen Lebenssituationen zu helfen. Deshalb sei sein Entscheid zu respektieren und ihm insbesondere auch eine Weiterbildung zu ermöglichen, zumal diese seine Erwerbsaussichten langfristig sicherlich verbessern könnte.  
 
4.2. Bei der Festsetzung der Unterhaltsbeiträge ist grundsätzlich vom tatsächlich erzielten Einkommen auszugehen. Soweit dieses allerdings nicht ausreicht, um den ausgewiesenen Bedarf zu decken, kann ein hypothetisches Einkommen angerechnet werden, sofern dieses zu erreichen zumutbar und möglich ist. In Bezug auf den Kindesunterhalt gilt nach ständiger Rechtsprechung eine besondere Anstrengungspflicht, in deren Rahmen der unterhaltspflichtige Elternteil zur vollen Ausschöpfung seiner Erwerbskraft angehalten ist (BGE 137 III 118 E. 2.3 und 3.1; 144 III 481 E. 4.7.7; 147 III 265 E. 7.4; Urteile 5A_839/2018 vom 1. Februar 2021 E. 4; 5A_549/2019 vom 18. März 2021 E. 3.4; 5A_745/2022 vom 31. Januar 2023 E. 3.1), was insbesondere auch dazu führen kann, dass er seine persönliche Lebensgestaltung neu ausrichten muss, um der Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern nachzukommen (BGE 147 III 265 E. 7.4; Urteil 5A_745/2022 vom 31. Januar 2023 E. 3.1).  
 
4.3. Vorliegend sind die vorhandenen Ressourcen augenfällig äusserst knapp; mit der vom Beschwerdeführer anbegehrten Unterhaltsfestsetzung könnten nicht einmal die Grundbeträge der Kinder gedeckt werden. Vor diesem Hintergrund hat das Obergericht kein Recht verletzt, wenn es dem Beschwerdeführer zumutet, ein Einkommen zu generieren, welches dem als Detailhandelsfachmann erzielbaren entspricht.  
 
5.  
In verschiedenen Punkten kritisiert der Beschwerdeführer sodann die Berechnung seines Existenzminimums. 
 
5.1. Das Obergericht sah von einem Zuschlag für auswärtige Verpflegung ab mit der Begründung, diesbezüglich liege keine Substanziierung vor und es sei auch nicht ersichtlich, inwiefern der Beschwerdeführer hierauf angewiesen sei.  
Dieser bringt vor, dass er die Kosten rechtskonform behauptet habe und es ihm angesichts der Distanz zwischen Wohn- und Arbeitsort unmöglich sei, nach Hause zurückzukehren. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass solche Auslagen anfallen würden und praxisgemäss sei ihm ein Betrag von Fr. 200.-- pro Monat anzurechnen. 
 
Das Obergericht hat sich bei der Berechnung des Existenziminimums auf die einschlägigen Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und knkursbeamten für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums gestützt. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass zum einen unabhängig von den individuellen Kosten ein pauschaler Grundbetrag (Richtlinien Ziff. I) für die allgemeinen Grundkosten wie Nahrung, Kleidung, Gesundheitspflege u.ä.m. gewährt wird und zum anderen für konkrete Auslagen zusätzlich einzelne Zuschläge (Richtlinien Ziff. II), welche vom Vorliegen der entsprechenden Tatsachen abhängig, aber teilweise als solche auch wieder pauschaliert sind (z.B. bei auswärtiger Verpflegung Fr. 9.-- bis Fr. 11.-- pro Hauptmahlzeit). 
Ob die Voraussetzungen gegeben sind, dass Zuschläge gewährt werden können, betrifft die Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung, weshalb diesbezüglich nur Willkürrügen möglich sind (vgl. E. 2). Solche werden nicht erhoben und die Ausführungen würden auch inhaltlich den Anforderungen an Willkürrügen nicht genügen, wird doch bloss behauptet, aber nicht im Einzelnen aufgezeigt, an welcher Stelle kantonal entsprechende Ausführungen erfolgt sein sollen, und wird auch bloss abstrakt eine zu grosse Distanz behauptet, ohne dass nähere Angaben zum Arbeitsweg erfolgen. 
Insoweit ist auf die Beschwerde mangels hinreichender Begründung nicht einzutreten. 
 
5.2. Das Obergericht sah von einem Zuschlag für Krankenkassenprämien (Richtlinien Ziff. II) ab, weil Prämienverbilligungen anzurechnen sind (Richtlinien Ziff. IV) und dem gleichzustellen sei, dass der Beschwerdeführer, was ihm schon das Bezirksgericht vorgehalten habe, davon absehe, Prämienverbilligungen geltend zu machen, obwohl er - der angefochtene Entscheid enthält diesbezüglich ausführliche Berechnungen zum steuerbaren Einkommen - vollumfänglich Anspruch auf solche hätte.  
Auch in Bezug auf diese Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung erhebt der Beschwerdeführer keine Willkürrügen, sondern belässt es bei der allgemeinen Aussage, es erscheine unbillig und bundesrechtswidrig, solche Auslagen im Grundbedarf nicht anzurechnen, obschon die Prämien anfallen würden. Soweit er damit sinngemäss auch zum Ausdruck bringen möchte, der Verzicht auf Verbilligungen hätte nicht dem tatsächlichen Erhalt von Verbilligungen gleichgesetzt werden dürfen, wäre zwar eine Rechtsfrage angesprochen; diesbezüglich würde es aber einer Art. 42 Abs. 2 BGG genügenden Begründung fehlen, inwiefern Recht verletzt worden sein soll. Auf das Vorbringen ist mithin mangels hinreichender Begründung nicht einzutreten. 
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, es wäre ihm zumindest eine Übergangsfrist zu gewähren, um Prämienverbilligungen geltend zu machen, erfolgt weder eine Auseinandersetzung mit der obergerichtlichen Feststellung, dass ihm bereits das Bezirksgericht den Verzicht auf die Verbilligung vorgehalten habe, noch eine Auseinandersetzung mit der weiteren Feststellung, dass fraglich sei, ob die Prämienrechnungen überhaupt beglichen würden, nachdem der Beschwerdeführer festgehalten habe, diese ein halbes Jahr nicht bezahlt zu haben. Die Beschwerde ist somit auch in dieser Hinsicht nicht hinreichend begründet. 
 
5.3. Das Kantonsgericht gestand dem Beschwerdeführer und seiner Partnerin lediglich Wohnkosten von Fr.1'875.-- statt von Fr. 1'990.-- zu mit der Begründung, sie seien per 1. Februar 2022 von einer 4½-Zimmer-Wohnung für Fr. 1'850.-- in eine 4½-Zimmer-Wohnung für Fr. 1'990.-- umgezogen. Gemäss Ziff. II der Richtlinien könnten nur angemessene Wohnkosten berücksichtigt werden. Die frühere Wohnung sei zwar etwas kleiner gewesen, habe aber näher am Arbeitsort gelegen. Gemäss Art. 10 Abs. 1 lit. b ELG betrügen die maximal anrechenbaren Kosten für einen 4-Personen-Haushalt Fr. 1'875.-- pro Monat. Von diesem Betrag sei auszugehen. Davon sei für die beiden Kinder je ein Wohnkostenanteil von Fr. 250.-- abzuziehen und der Rest hälftig auf den Beschwerdeführer und seine neue Partnerin zu verteilen, was für den Beschwerdeführer einen Betrag von Fr. 690.-- ergebe.  
Der Beschwerdeführer kritisiert, dass nur ein Betrag von Fr. 1'875.-- anerkannt worden sei; die Bestimmungen im Ergänzungsleistungsrecht könnten nicht einfach unbesehen übernommen werden. Es sei vom tatsächlichen Mietzins von Fr. 1'990.-- auszugehen, davon sei je ein Wohnkostenanteil von Fr. 250.-- pro Kind abzuziehen und es sei die gesamte Restanz von Fr. 1'490.-- in seinem Existenzminimum zu berücksichtigen, weil seine Partnerin wegen der Geburt des zweiten Kindes zur Zeit nicht erwerbstätig sei. 
Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, dass bei einer Wohnung, welche für eine 4-köpfige Familie genügend Platz bietet, der Betrag von Fr. 1'875.-- als ortsunüblich angesehen werden müsste oder eine solche faktisch nicht zu finden wäre (was alles den Sachverhalt beträfe und wofür Willkürrügen nötig wären), sondern er zielt vielmehr auf die Rechtsfrage, ob die effektiven Wohnkosten überhaupt gekürzt werden dürfen. Indes setzt er sich diesbezüglich nicht mit den rechtlichen Ausführungen im angefochtenen Entscheid auseinander (dass die Wohnkosten, zumal angesichts des erfolgten Umzuges in eine teurere 4½-Zimmer-Wohnung, vor dem Hintergrund der sehr angepannten finanziellen Situation übersetzt und deshalb in Anwendung von Ziff. II der Richtlinien auf ein ortsübliches Mass herabzusetzen seien) und es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern das Obergericht diesbezüglich von seinem weiten Ermessen (Art. 4 ZGB) unsachgemässen Gebrauch gemacht haben könnte. 
Dass sodann die anfallenden Wohnkosten (nach Ausscheidung der Anteile für die Kinder) zwischen den Partnern hälftig zu teilen sind, entspricht der konstanten Rechtsprechung, wobei dieser Grundsatz unabhängig von der Frage zur Anwendung gelangt, ob der eine Partner den anderen finanziell unterstützt, denn massgeblich ist allein die Tatsache, dass der Beschwerdeführer durch das Faktum des Zusammenlebens Einsparungen bei seinem eigenen Existenzminimum hat (BGE 138 III 97 E. 2.3.2; 144 III 502 E. 6.6; Urteile 5A_833/2012 vom 30. Mai 2013 E. 3.1; 5A_882/2014 vom 2. Juli 2015 E. 2.3.3; 5A_403/2016 vom 24. Februar 2017 E. 5.4.2; 5A_1024/2021 vom 1. Dezember 2022 E. 3.2.1). Der Beschwerdeführer setzt sich damit nicht auseinander, sondern er beschränkt sich auf das Vorbringen, dass seine Partnerin im Moment nicht arbeite. Abgesehen davon, dass dies eine neue und damit unzulässige Sachbehauptung ist (Art. 99 Abs. 1 BGG), würde sie nach dem Gesagten an der Aufteilung der Wohnkosten nichts ändern. Mithin bleibt die Beschwerde auch in diesem Punkt unbegründet. 
 
6.  
Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, konnte der Beschwerde angesichts der mangelhaften Begründung von Anfang an kein Erfolg beschieden sein, weshalb es an den materiellen Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege fehlt (Art. 64 Abs. 1 BGG) und das entsprechende Gesuch abzuweisen ist. 
 
7.  
Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 2. Kammer, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. März 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli