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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_277/2022  
 
 
Urteil vom 20. Mai 2022  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter Marazzi, Schöbi, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Bernadette Gasche, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Obhutsumteilung (Kindesschutzmassnahme), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 30. März 2022 (VWBES.2021.490). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Parteien sind die Eltern der Mitte 2020 geborenen C.________, welche bislang unter der Obhut der Mutter lebte. 
 
Nach einer Gefährdungsmeldung des Vaters und einem entsprechenden Schreiben der Beiständin des jüngsten Halbgeschwisters von C.________ beauftragte die KESB Thal-Gäu/Dorneck-Thierstein am 19. April 2021 den Zweckverband Sozialregion U.________ mit der Abklärung. Der vom 15. Oktober 2021 datierende Bericht empfahl die Übertragung der Obhut an den Vater, unter Einräumung eines grosszügigen Besuchsrechts an die Mutter. 
 
B.  
Mit Entscheid vom 7. Dezember 2021 übertrug die KESB die Obhut über C.________ dem Vater und stellte fest, dass sich die Eltern für den persönlichen Kontakt einvernehmlich absprechen; für den Konfliktfall stellte die KESB eine Minimalregelung auf und ferner errichtete sie eine Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB
 
Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 30. März 2022 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde vom 14. April 2022 wandte sich die Mutter - nunmehr ohne anwaltliche Vertretung - an das Bundesgericht, sinngemäss mit dem Anliegen, dass ihr die Obhut über C.________ zu belassen sei, und sinngemäss mit der Bitte um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
Mit weiterer Eingabe vom 29. April 2022 verlangte sie im Wesentlichen, dass ihr die Obhut über C.________ zu belassen sei, und stellte Gesuche um aufschiebende Wirkung und unentgeltliche Rechtspflege. Mangels Begründung wurde das Gesuch um aufschiebende Wirkung mit Verfügung vom 2. Mai 2022 abgewiesen. 
 
Mit Eingabe vom 4. Mai 2022 begründete die Beschwerdeführerin ihr Gesuch um aufschiebende Wirkung dahingehend, dass der Umzug der Tochter in den väterlichen Haushalt für diese und die Halbgeschwister eine grosse Belastung darstelle und anschliessend wieder ein belastender Rückwechsel anstünde. Damit wird in Bezug auf die aufschiebende Wirkung sinngemäss ein Wiedererwägungsgesuch gestellt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Anfechtungsobjekt bildet ausschliesslich das Urteil des Verwaltungsgerichts (Art. 75 Abs. 1 BGG) und vor Bundesgericht können nur Vorbringen gemacht und Anträge gestellt werden, die bereits Thema des vorinstanzlichen Verfahrens waren (Art. 99 Abs. 1 und 2 BGG); der kantonale Instanzenzug ist mit anderen Worten nicht nur formell zu durchlaufen, sondern alle Rügen, die dem Bundesgericht unterbreitet werden, müssen soweit möglich schon bei der Vorinstanz vorgebracht worden sein (BGE 143 III 290 E. 1.1). 
 
Von vornherein unzulässig ist deshalb die Kritik am angeblichen Vorgehen der KESB bei der Anhörung; im angefochtenen Urteil finden sich dazu keine Ausführungen und die Beschwerdeführerin zeigt nicht auf, dass sie ihre Kritik (damals noch anwaltlich vertreten) bereits beim Verwaltungsgericht vorgebracht hätte. 
 
Gleiches gilt für den Vorwurf, die KESB habe kein Erziehungsfähigkeitsgutachten eingeholt, obwohl die Akten und Berichte möglicherweise voreingenommen erstellt worden seien; auch diesbezüglich legt die Beschwerdeführerin nicht dar, inwiefern sie dieses Vorbringen bereits beim Verwaltungsgericht gemacht hätte. Abgesehen davon ist die Erstellung eines Erziehungsfähigkeitsgutachtens keine formelle Voraussetzung für die Obhutszuteilung und hat die KESB umfangreiche Abklärungen getroffen (dazu E. 3). 
 
2.  
Der von der Vorinstanz festgestellte Sachverhalt ist für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesbezüglich kann nur eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung gerügt werden, für welche das strenge Rügeprinzip gilt (Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG), was bedeutet, dass das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene und belegte Rügen prüft, während es auf ungenügend substanziierte Rügen und rein appellatorische Kritik am Sachverhalt nicht eintritt (BGE 140 III 264 E. 2.3; 141 IV 249 E. 1.3.1). 
 
In rechtlicher Hinsicht hat die Beschwerde eine Begründung zu enthalten, in welcher in gedrängter Form dargelegt wird, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG), was eine sachbezogene Auseinandersetzung mit dessen Begründung erfordert (BGE 140 III 115 E. 2; 142 III 364 E. 2.4). 
 
3.  
Das Verwaltungsgericht hat ausgehend von den eingeholten Berichten und den eigenen Abklärungen der KESB den Sachverhalt umfangreich zusammengestellt, welcher zusammengefasst darin besteht, dass die Beschwerdeführerin mit C.________ und vier älteren Halbgeschwistern zusammen mit dem Vater der drei ältesten Kinder in einer 4-Zimmer-Wohnung lebe, wobei sich die Familie durch dessen IV-Rente, Ergänzungsleistungen und Hilflosenentschädigung sowie die Lehrlingslöhne der zwei ältesten Kinder finanziere, dass die Mutter mit C.________ und dem jüngsten Halbgeschwister mittellos auf der Strasse stünde, wenn sie ausziehen müsste, zumal sie ihre Arbeitstätigkeit aufgegeben habe und für die Zukunft keine klaren Ziele nennen könne, dass sie trotz der nun gewonnen Freizeit keine angemessenen Freizeitaktivitäten mit den kleinen Töchtern pflege und die Betreuung von C.________ mehrheitlich ihrem Partner und den älteren Kindern überlasse, dass sie das Besuchsrecht des Beschwerdegegners als Druckmittel einsetze, indem sie den Kontakt verweigere, wenn dieser etwas mache, was ihr nicht passe, dass C.________ dadurch später in einen starken Loyalitätskonflikt geraten könnte, dass die Beschwerdeführerin die Bedürfnisse von C.________ nicht einschätzen und wahrnehmen könne, sondern primär auf sich bezogene Wünsche äussere, dass sie kritische Fragen nicht entgegennehmen und schon gar nicht nachvollziehen könne, dass hingegen der Vater versuche, möglichst viel Zeit mit C.________ zu verbringen, dass er deren Bedürfnisse sichtbar in den Mittelpunkt stelle, sich eine neue Wohnung gesucht und dort ein Kinderzimmer eingerichtet habe und dass er auch die finanziellen Bedürfnisse von C.________ abdecken könne. 
 
4.  
Die Mutter wendet sich in erster Linie gegen die verwaltungsgerichtliche Sachverhaltsfeststellung, indem sie verschiedene Behauptungen aufstellt und den Sachverhalt aus eigener Sicht schildert (sie fühle sich wie David gegen Goliath; die Obhutsumteilung sei für ihre Patchwork-Grossfamilie eine Katastrophe; C.________ sei mit ihren 21 Monaten gut entwickelt und habe eine enge Beziehung zu ihren Geschwistern; ein Besuchsrecht alle zwei Wochen reiche für die Aufrechterhaltung der Kontakte nicht aus; das Verwaltungsgericht greife auf alte KESB-Akten im Zusammenhang mit der zweitjüngsten Tochter zurück und dort sei ihre soziale Situation ungenügend erfasst worden; ihre Familiensituation sei insgesamt unzureichend abgeklärt worden und ihre Seite der Geschichte werde nicht erwähnt; in den Akten fehle ein spezifischer Blick auf die asiatische Kultur mit Grossfamilien, wo die fast erwachsenen Kinder auf die kleineren Geschwister aufpassen würden; sie kuschle mit C.________ sehr viel in der Nacht; C.________ mangle es an nichts, sie sei gepflegt, umsorgt, habe Spielzeug und eine Tagesstruktur). Indem es durchwegs bei appellatorischen Ausführungen bleibt und keine Verfassungsrügen erhoben und substanziiert werden, ist im Zusammenhang mit der Sachverhaltsfeststellung auf die Beschwerde nicht einzutreten (vgl. E. 2) und hat es bei den Feststellungen im angefochtenen Urteil sein Bewenden. Diese bilden mithin die Grundlage der rechtlichen Erwägungen. 
 
5.  
In rechtlicher Hinsicht macht die Mutter in der Beschwerde vom 14. April 2022 keine Ausführungen. In der Eingabe vom 29. April 2022 behauptet sie eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebotes gemäss Art. 8 Abs. 1 und 2 BV. Allerdings begründet sie dieses an der Sache vorbeigehend, indem sie geltend macht, die Obhutsumteilung sei nur erfolgt, weil sie Ausländerin sei und wegen der Änderung des Migrationsgesetzes von 2019 mit ihrer Niederlassungsbewilligung als Flüchtling Probleme erhalten habe. Davon ist im angefochtenen Entscheid aber nirgends die Rede. Die Kernpunkte der verwaltungsgerichtlichen Entscheidbegründung sind in E. 3 zusammengefasst und haben keinerlei Bezug zum Geschlecht oder der Herkunft der Elternteile. Die Rüge der Verletzung des Rechtsgleichheitsgebotes - sofern überhaupt zulässig - geht daher fehl. 
 
Anderweitige Rechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Obhutsumteilung werden nicht vorgebracht und sind ausgehend von den Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Urteil auch nicht auszumachen, wenn das Verwaltungsgericht von einer Gefährdung des Kindeswohles ausgegangen ist und befunden hat, dass C.________ beim Vater besser aufgehoben wäre, weil die Beschwerdeführerin deren Bedürnisse nur unzureichend wahrnehmen könne, weil die Übertragung der Erziehungsverantwortung an Geschwister nicht angehe, weil die Beschwerdeführerin ohne das momentane, aber ungesicherte Unterstützungsnetz völlig verloren wäre und weil der Vater sichtlich um das Wohl des Kindes bemüht sei und er sich entsprechend eingerichtet habe. Insbesondere ist auch der Grundsatz, wonach Geschwister nach Möglichkeit nicht zu trennen sind, keine unumstössliche Maxime; vielmehr ist eine Geschwistertrennung hinzunehmen, wenn sie zur Wahrung des Kindeswohls unumgänglich ist (Urteile 5A_730/2020 vom 21. Juni 2021 E. 3.3.1.1; 5A_901/2017 vom 27. März 2018 E. 2.2; 5A_236/2016 vom 15. Januar 2018 E. 4.1). Dies ist vorliegend der Fall, zumal es sich um Halbgeschwister handelt, welche von vornherein nicht dem Beschwerdegegner zugeteilt werden könnten. 
 
6.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist. Damit ist das wiedererwägungsweise gestellte Gesuch um aufschiebende Wirkung vom 4. Mai 2022 gegenstandslos. 
 
7.  
Angesichts der konkreten Umstände rechtfertigt es sich, auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Damit ist das sinngemäss gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist damit gegenstandslos. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der KESB Thal-Gäu/Dorneck-Thierstein und dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 20. Mai 2022 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli