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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
12T_3/2018  
 
Entscheid vom 22. Mai 2018 
Verwaltungskommission 
 
Besetzung 
Bundesrichter Meyer, Präsident, 
Bundesrichterin Niquille, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Generalsekretär Tschümperlin. 
 
A.________, 
Anzeiger, 
 
gegen  
 
Bundesverwaltungsgericht, Kreuzackerstrasse 12, 9000 St. Gallen, 
angezeigte Gerichtsbehörde. 
 
Gegenstand 
Aufsichtsanzeige (BGG), Spruchkörperbildung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Rechtsanwalt A.________ vertritt in vielen Verfahren Asylsuchende vor dem Bundesverwaltungsgericht. Mit Eingabe vom 21. Februar 2018 beanstandet er die Spruchkörperbildung in den Abteilungen IV und V. Gestützt auf statistische Auswertungen müsse von schwerwiegenden unstatthaften Manipulationen bei der Bestellung der Spruchkörper ausgegangen werden. Die Behauptung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Spruchkörperbildung durch ein Computerprogramm zufällig erfolge, tendiere in der statistischen Wahrscheinlichkeit gegen Null.  
 
1.2. Mit Verfügung vom 22. März 2018 trat der Bundesgerichtspräsident auf das Gesuch um Erlass vorsorglicher Massnahmen nicht ein.  
 
1.3. Das Bundesverwaltungsgericht beantragt mit Vernehmlassung vom 24. April 2018, der Aufsichtsanzeige keine Folge zu geben.  
 
2.  
 
2.1. Beim vorliegenden Verfahren handelt es sich um eine Aufsichtsanzeige im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Bundesgerichtsgesetz (BGG; SR 173.110), Art. 3 lit. f Aufsichtsreglement des Bundesgerichts (AufRBGer; SR 173.110.132) und Art. 3 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsgesetz (VGG; SR 173.32) i.V.m. Art. 71 Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021). Die Aufsicht des Bundesgerichts über das Bundesverwaltungsgericht ist administrativer Art. Die Rechtsanwendung ist von der administrativen Aufsicht des Bundesgerichts ausgenommen (Art. 2 Abs. 2 AufRBGer).  
 
2.2. Die Frage der Spruchkörperbildung ist im Wesentlichen eine Frage der Rechtsanwendung. Das Bundesgericht hat sich in seiner Rechtsprechung wiederholt und ausführlich zu den Grundsätzen geäussert, die nach Bundesverfassung und im Lichte der EMRK zur Vorbestimmtheit der Spruchkörper zu beachten sind. Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Abs. 1 EMRK verlangen, dass für die Spruchkörperbildung im Voraus abstrakte Kriterien definiert werden, wobei eine gefestigte Praxis genügt. Der Anspruch darauf, dass das Gericht richtig zusammengesetzt ist, schliesst ein gewisses Ermessen bei der Zusammensetzung des Spruchkörpers nicht aus, solange diese auf einer gesetzlichen Grundlage und auf sachlichen, der sach- und zeitgerechten Fallerledigung dienenden Kriterien beruht. Der Einsatz eines Computerprogrammes ist möglich, objektiviert die Bestimmung des Spruchkörpers zusätzlich, ist aber rechtlich nicht vorgeschrieben. Soweit das massgebliche Verfahrensrecht keine oder nur lückenhafte Regeln zur Besetzung des Spruchkörpers enthält, obliegt es dem Vorsitzenden, die Richterbank im Einzelfall nach objektiven Kriterien zu besetzen und das ihm dabei zustehende Ermessen pflichtgemäss auszuüben (Urteile 1B_517/2017 vom 13. März 2018 E. 4 - 6 und 6B_1356/2016 vom 5. Januar 2018 E. 2, beide zur Publikation vorgesehen).  
 
2.3. Soweit die Spruchkörperbildung Gegenstand der erwähnten Rechtsprechung ist, besteht kein Raum für die administrative Aufsicht des Bundesgerichts. Nicht Gegenstand der Aufsicht ist demnach die konkrete und individuelle Spruchkörperbildung im Einzelfall. Denn dies liefe darauf hinaus, indirekt einen gesetzlich nicht vorgesehenen besonderen Beschwerdeweg zu schaffen. Dennoch ist nicht zu übersehen, dass die Spruchkörperbildung auch aufsichtsrechtliche Aspekte aufweisen kann (12T_4/2007). Der Aufsicht unterstehen alle Bereiche der Geschäftsführung, insbesondere auch die Organisation und die Fallerledigung (Art. 2 Abs. 2 Aufsichtsreglement des Bundesgerichts, SR 173.110.132). Wie das Bundesgericht in seiner jüngsten Aufsichtspraxis betreffend den Zugang zum Recht präzisiert hat, beschränkt sich die Aufsichtskompetenz des Bundesgerichts auf die Kontrolle, ob generelle Mechanismen eines erstinstanzlichen Gerichts des Bundes eine übermässige Einschränkung des Zugangs zur Justiz bewirken (BGE 144 II 56 E. 2). Dieser Grundsatz gilt analog bei der Spruchkörperbildung, bei der ebenfalls Fragen der Rechtsanwendung im Vordergrund stehen. Aufsichtsrechtlicher Prüfungsgegenstand ist auch hier einzig die Frage, ob generelle organisatorische oder administrative Mängel vorliegen, welche den gesetzlichen Anforderungen zuwiderlaufen bzw. deren Einhaltung übermässig erschweren. Die Besetzung der Richterbank ist mit anderen Worten aufsichtsrechtlich nur insoweit relevant, als sich darin generelle organisatorische Mängel manifestieren.  
 
2.4. Im Folgenden ist zu prüfen, wie das Bundesverwaltungsgericht die gesetzlichen Vorgaben zur Spruchkörperbildung strukturell umgesetzt hat.  
 
2.4.1. Die gesetzlichen Vorgaben sind am Bundesverwaltungsgericht gleich wie am Bundesgericht: Art. 24 VGG entspricht Art. 22 BGG. Das Bundesverwaltungsgericht regelt gemäss dieser Vorschrift die Verteilung der Geschäfte auf die Abteilung nach Rechtsgebieten sowie die Bildung der Spruchkörper durch Reglement. In Ausführung von Art. 24 VGG bestimmt Art. 23 des Geschäftsreglements für das Bundesverwaltungsgericht (VGR; SR 173.320.1), für welche Rechtsgebiete die einzelnen Abteilungen zuständig sind, und Art. 31 Abs. 1 VGR, dass die Abteilungspräsidien die zugeteilten Geschäfte auf die Kammern verteilen. Die Abteilungen erlassen hierfür Richtlinien (Art 26 Abs. 1 VGR). Übernehmen die Kammerpräsidien nicht selbst die Verfahrensleitung, so teilen sie die Geschäfte einem Richter oder einer Richterin zur Prozessinstruktion und Fallerledigung zu (Art. 31 Abs. 2 VGR). Diese Bestimmung entspricht Art. 39 Abs. 1 VGG (vgl. auch die weitgehend identischen Bestimmungen von Art. 32 Abs. 1 und 2 BGG). Sobald feststeht, dass das Geschäft nicht in die Erledigungskompetenz eines Einzelrichters fällt, bezeichnet das Kammerpräsidium nach einem im Voraus festgelegten Schlüssel die weiteren Mitglieder des Spruchkörpers, wobei die Reihenfolge der Geschäftsgeingänge massgebend ist und die Amtssprachen, der Beschäftigungsgrad und andere Aufgaben der Richter und Richterinnen angemessen zu berücksichtigen sind (Art. 32 Abs. 1 VGR i.V.m. Art. 31 Abs. 3 VGR).  
 
2.4.2. Gestützt auf diese gesetzlichen und reglementarischen Vorgaben hat das Bundesverwaltungsgericht die Spruchkörperbildung durch ein EDV-gestütztes Programm weitgehend automatisiert. Dieses bestimmt den Spruchkörper aufgrund der reglementarischen Kriterien grundsätzlich zufällig. Aus Gründen der Effizienz, aus Dringlichkeit, zum Ausgleich der Arbeitslast, zur Vermeidung einer einseitigen politischen Zusammensetzung der Richterbank oder wegen Ausstand kann in die automatische Verteilung eingegriffen werden. Diese Eingriffe beruhen somit auf objektiven Kriterien, welche die gesetzlichen und reglementarischen Vorgaben umsetzen und konkretisieren. Damit die Abteilungskanzleien die Daten in den verschiedenen Fallkonstellationen richtig ins Computerprogramm eingeben, bestehen Anleitungen zur Richterzuteilung. So ist in der Anleitung der Abteilung IV beispielsweise die Regel enthalten, dass der Zweitrichter aus einer anderen Kammer oder einer anderen Abteilung stammen muss (in Anwendung von Art. 11 lit. a - c des internen Reglements über die Zusammenarbeit der Abteilungen IV und V des Bundesverwaltungsgerichts; ZASAR). Die Anleitung der Abteilung V enthält als weiteres Beispiel anhand der effektiven Anwesenheit und Erreichbarkeit ausführliche Regeln, welchen Richtern und Richterinnen sehr dringende, dringende und normale Verfahren zugeteilt werden können. Die Regeln sind insgesamt sehr detailliert.  
 
2.4.3. Aufgrund der vielen zu beachtenden Regeln und der auf objektiven Kriterien beruhenden Übersteuerungsmöglichkeiten des Computerprogramms fällt die These des Anzeigers, dass eine gleichmässige Verteilung der von ihm vertretenen Fälle auf sämtliche Richter und Richterinnen der Asylabteilungen zu erwarten wäre, schon im Ansatzpunkt in sich zusammen. Alle Übersteuerungen des Zufallsgenerators werden transparent aufgezeichnet. Bei 146 Verfahren, die der Anzeiger im Jahre 2017 geführt hat, wurden in 44 Fällen ein oder mehrere Richter bzw. Richterinnen anhand eines objektiven Kriteriums manuell bestimmt, und zwar in Anwendung der Sprachregel, wegen Hängigkeit eines generellen Ausstandsbegehrens, zum Ausgleich der Arbeitslast, bzw. zur Entlastung eines Richters oder einer Richterin während der Einarbeitung oder vor der Pensionierung, zur Ergänzung des Spruchkörpers mit zwei Richterinnen in einem Grundsatzverfahren, wegen Dringlichkeit, Mitwirkung im vorangegangenem Verfahren, Konnexität, Ferienabwesenheit und Vorbefassung.  
Damit ist erstellt, dass der Vorwurf unstatthafter Manipulationen bei der Spruchkörperbildung jeder Grundlage entbehrt. Der Aufsichtsanzeige ist keine weitere Folge zu geben. 
 
3.  
Aufsichtsbeschwerden sind grundsätzlich kostenlos. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme gemäss Art. 10 der Verordnung über Kosten und Entschädigungen im Verwaltungsverfahren (SR 172.041.0) sind vorliegend nicht gegeben. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Der Aufsichtsanzeige wird keine Folge gegeben. 
 
2.  
Dieser Entscheid wird dem Bundesverwaltungsgericht schriftlich mitgeteilt. Dem Anzeiger wird eine Orientierungskopie zugestellt. 
 
 
Lausanne, 22. Mai 2018 
 
Im Namen der Verwaltungskommission 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Meyer 
 
Der Generalsekretär: Tschümperlin