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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6S.58/2005 /pai 
 
Urteil vom 21. Juni 2005 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd, 
Gerichtsschreiber Garré. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Hug, 
 
gegen 
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Strafzumessung, 
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 21. Dezember 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Am 21. Juni 2001 fuhr X.________ um zirka 20.50 Uhr mit seinem VW Polo beim Weiler Hermikon (Gemeinde Dübendorf) in die Buenstrasse, wo er die entgegenkommenden Velofahrer A.________ und B.________ kreuzte. Beim Vorbeifahren hatte X.________ den Eindruck, er sei von A.________ angespuckt worden. Wütend hielt er sein Fahrzeug an, legte den Rückwärtsgang ein, fuhr zunächst einige Meter im Schritttempo und dann mit höchstmöglicher Geschwindigkeit gegen die an der Kreuzung wartenden Velofahrer. A.________ wurde vom Fahrzeug erfasst und durch die Luft geschleudert. Er erlitt Prellungen und Schürfungen sowie ein grossflächiges Hämatom am Oberschenkel. Sein Fahrrad wurde beschädigt. 
X.________ ist vorbestraft. Ende 1996 zündete er in einem Treppenhaus diverse Gegenstände an. Er wurde zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 60 Tagen verurteilt. 
B. 
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X.________ am 21. Dezember 2004 der versuchten schweren Körperverletzung sowie der Sachbeschädigung schuldig und bestrafte ihn mit 2 ½ Jahren Gefängnis. Er ordnete eine stationäre Behandlung des Verurteilten an und schob den Vollzug der Freiheitsstrafe während der Dauer der Massnahme auf. 
C. 
X.________ führt Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof und beantragt, das Urteil der Vorinstanz sei, was die Strafzumessung angeht, aufzuheben. Er stellt zudem ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. 
D. 
Das Obergericht des Kantons Zürich hat auf eine Stellungnahme zur Beschwerde verzichtet. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die Vorinstanz geht davon aus, das gesetzliche Strafmaximum bei Konkurrenz zwischen schwerer Körperverletzung und Sachbeschädigung betrage 13 Jahre Zuchthaus. Der deliktische Erfolg der schweren Körperverletzung sei aber nicht eingetreten, sodass gemäss Art. 65 in Verbindung mit Art. 36 StGB die Freiheitsstrafe nach unten lediglich durch das Mindestmass einer Gefängnisstrafe von drei Tagen begrenzt sei, wobei eine allfällige Verminderung der Zurechnungsfähigkeit auch die Bindung an die Strafart wegfallen liesse (Art. 11 in Verbindung mit Art. 66 StGB). Der Beschwerdeführer habe das Opfer aus nichtigem Anlass massiv attackiert. Selbst wenn er davon ausgegangen sei, das Opfer habe sein Fahrzeug angespuckt, rechtfertigte dies keinen derart brutalen Angriff auf Leib und Leben. Die Motivation des Beschwerdeführers sei kaum einfühlbar. Gestützt auf das psychiatrische Gutachten werde ihm eine verminderte Zurechnungsfähigkeit im Sinne von Art. 11 StGB attestiert, die innerhalb des konkret anwendbaren Strafrahmens eine merkliche Strafminderung nach sich ziehe (Art. 66 StGB). Strafmindernd zu berücksichtigen seien sein Geständnis, die freiwillige Rückkehr zum Tatort, die Entschuldigung vor Ort und das Verhalten in der Untersuchung. Auch wenn Konkurrenz zwischen zwei Taten vorliege, falle die Straferhöhung gemäss Art. 68 Ziff. 1 Abs. 1 StGB nicht stark ins Gewicht, da es sich bei der Sachbeschädigung um ein blosses Begleitdelikt handle, dem subjektiv kaum eine eigenständige Bedeutung zukomme. Schliesslich vermöge sich die Vorstrafe für die im Jahr 1996 begangene Tat nicht wesentlich auf das Verschulden auszuwirken, habe es sich doch auch damals offenkundig um ein Geschehen gehandelt, das weitgehend von der psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers geprägt gewesen sei. In Würdigung aller belastenden und entlastenden Strafzumessungsgründe erweise sich eine Freiheitsstrafe von 2 ½ Jahren Gefängnis als dem Verschulden und den persönlichen Verhältnissen des Täters angemessen (angefochtenes Urteil S. 8 ff.). 
2. 
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe die Strafmilderungsgründe (verminderte Zurechnungsfähigkeit, Versuch) und -minderungsgründe (Geständnis, Einsicht) nicht hinreichend gewichtet, so dass die ausgesprochene Freiheitsstrafe unvertretbar hoch ausgefallen sei. Da die Vorinstanz von einer in schwerem Umfang verminderten Zurechnungsfähigkeit ausgegangen sei, würde eine Bestrafung mit 2 ½ Jahren Gefängnis grundsätzlich bedeuten, dass ohne die Verminderung der Zurechnungsfähigkeit eine Strafe von 10 Jahren Zuchthaus ausgesprochen worden wäre, die klarerweise unangemessen wäre. Überdies liege eine versuchte Tat vor, bei der die Auswirkungen der Tat verhältnismässig leicht seien, was in der Strafzumessung zu berücksichtigen sei. Schliesslich sei das Gebot der Transparenz bei der Strafzumessung missachtet worden (Beschwerde S. 4 ff.). 
3. 
3.1 Gemäss Art. 63 StGB misst der Richter die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu; er berücksichtigt die Beweggründe, das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Schuldigen. Das Bundesgericht hat die bei der Strafzumessung zu berücksichtigenden Grundsätze letztmals im Entscheid 129 IV 6 E. 6 publiziert. Es kann darauf verwiesen werden. Dem Sachrichter steht bei der Gewichtung der im Rahmen der Strafzumessung zu beachtenden Komponenten ein erheblicher Spielraum des Ermessens zu. Das Bundesgericht greift in diesen nur ein, wenn der kantonale Richter den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn er von rechtlich nicht massgebenden Gesichtspunkten ausgegangen ist oder wenn er wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. in Überschreitung oder Missbrauch seines Ermessens falsch gewichtet hat. 
3.2 Gemäss Art. 11 StGB kann der Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern, wenn der Täter zur Zeit der Tat vermindert zurechnungsfähig war, wobei er weder an die Strafart noch an das Strafmass, wohl aber an das gesetzliche Mindestmass der jeweiligen Strafart gebunden ist (Art. 66 StGB). Dem Strafmilderungsgrund der verminderten Zurechnungsfähigkeit muss der Richter mindestens strafmindernd Rechnung tragen (BGE 118 IV 1 E. 2), ohne dass er gehalten wäre, die Strafe linear nach einem bestimmten Tarif zu reduzieren (BGE 123 IV 49 E. 2c S. 51). Eine leichte, mittelgradige oder schwere Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit führt daher nicht zwingend zu einer rein mathematischen Reduktion der Strafe um 25, 50 oder 75 % (BGE 129 IV 22 E. 6.2 S. 35). Vielmehr geht es darum, der Verminderung der Schuld Rechnung zu tragen, freilich im ganzen Ausmass dieser Verminderung (BGE 118 IV 1 E. 2 S. 5). Der Richter kann daher nicht die Strafe lediglich um die Hälfte reduzieren, wenn er feststellt, die Zurechnungsfähigkeit sei in sehr schwerwiegendem Masse eingeschränkt, und er kann auch nicht ausgehend von einer mittleren Einschränkung der Zurechnungsfähigkeit die Strafe lediglich um 40 % reduzieren, ohne für dieses Vorgehen eine schlüssige Erklärung zu geben (BGE 129 IV 22 E. 6 S. 35 f.). 
3.3 Wird die strafbare Tätigkeit zu Ende geführt, tritt aber der zur Vollendung des Verbrechens oder des Vergehens gehörende Erfolg nicht ein, so kann der Täter gemäss Art. 22 Abs. 1 StGB i.V.m. Art. 65 StGB milder bestraft werden. Das Gesetz stellt es somit in das Ermessen des Richters, ob er die Strafe in Anwendung von Art. 65 StGB mildern will. Nach der Rechtsprechung ist die Sanktion jedenfalls im Rahmen der Strafzumessung gemäss Art. 63 StGB zu mindern. Das Mass der zulässigen Reduktion hängt beim vollendeten Versuch unter anderem von der Nähe des tatbestandsmässigen Erfolges und von den tatsächlichen Folgen der Tat ab (BGE 121 IV 49 E. 1). 
3.4 Hat jemand durch eine oder mehrere Handlungen mehrere Freiheitsstrafen verwirkt, so verurteilt ihn der Richter zu der Strafe der schwersten Tat und erhöht deren Dauer angemessen. Er kann jedoch das höchste Mass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist er an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden (Art. 68 Ziff. 1 Abs. 1 StGB). Beim Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen oder Strafbestimmungen hat das Gericht also zunächst die schwerste Tat sowie unter Berücksichtigung aller Strafzumessungsgründe deren Strafe (die sog. Einsatzstrafe) zu bestimmen. Erst in einer zweiten Phase erfolgt die Sanktionierung der anderen Taten durch eine angemessene Erhöhung der Einsatzstrafe, ebenso unter Berücksichtigung aller entsprechenden Strafzumessungsgründe (sog. Asperationsprinzip; BGE 127 IV 101 E. 2b; 116 IV 300 E. 2b/aa). 
3.5 Der Beschwerdeführer ist der versuchten schweren Körperverletzung und der Sachbeschädigung schuldig gesprochen worden. Als schwerste Tat wird gemäss Art. 122 StGB die schwere Körperverletzung mit Zuchthaus bis zu 10 Jahren oder mit Gefängnis bis zu 5 Jahren bestraft. Da der tatbestandsmässige Erfolg nicht eingetreten ist, kann das Gericht die Strafe mildern. Sollte es auf keine Strafmilderung erkennen, muss es jedenfalls eine Strafminderung vornehmen. Ob in casu eine Strafmilderung oder mindestens eine Strafminderung erfolgte, ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Zwar findet sich ein Hinweis auf Art. 65 StGB, jedoch ohne rechtsgenügende Erwägungen, sodass letztlich nicht ersichtlich ist, ob das Gericht eine Strafmilderung anerkannt hat (vgl. angefochtenes Urteil S. 8 und 13 ff.). Unter diesen Voraussetzungen ist es für das Bundesgericht nicht möglich, die Gesetzesanwendung nachzuprüfen. Die Sache ist daher gemäss Art. 277 BStP an die kantonale Behörde zurückzuweisen. Diese wird im Sinne der obigen Erwägungen und im Rahmen ihres Ermessens zunächst überprüfen, ob eine Strafmilderung im Sinne von Art. 65 StGB vorzunehmen ist. Wenn dies nicht der Fall sein sollte, muss sie jedenfalls eine Strafminderung gewähren. Zur Bestimmung der Einsatzstrafe wird sie ferner die anderen Umstände berücksichtigen, insbesondere die verbindlich festgestellte verminderte Zurechnungsfähigkeit in mittlerem bis starkem Ausmass gemäss Art. 11 StGB, die zu einer Strafmilderung im Sinne von Art. 66 StGB führen kann, aber mindestens strafmindernd berücksichtigt werden muss. Dabei genügt es nicht von einer "merklichen Strafminderung" (angefochtenes Urteil S. 15) ohne entsprechende Erwägungen auszugehen. Unter Vorbehalt gewisser Ausnahmen (s. BGE 118 IV 119 E. 2c betreffend die retrospektive Konkurrenz) ist das Gericht zwar nicht verpflichtet, im Urteil in absoluten Zahlen oder in Prozenten anzugeben, inwieweit es bestimmte strafzumessungsrelevante Tatsachen straferhöhend oder strafmindernd berücksichtigt hat (BGE 121 IV 49 E. 2a/aa S. 56). Aber aus dem Urteil muss ersichtlich sein, welche konkreten Überlegungen zur ausgefällten Strafe geführt haben, damit das Bundesgericht überprüfen kann, ob die Vorinstanz die von ihr festgestellte Verminderung der Zurechnungsfähigkeit hinreichend berücksichtigt hat. Dies ist hier nicht der Fall, sodass die Sache auch in diesem Punkt an die kantonale Behörde zurückzuweisen ist. 
4. 
4.1 Die Beschwerde ist gutzuheissen. Das angefochtene Urteil ist gemäss Art. 277 BStP aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung zurückzuweisen. 
4.2 Es sind keine Kosten zu erheben. Der Beschwerdeführer ist aus der Bundesgerichtskasse zu entschädigen. Damit ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos geworden. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäss Art. 277 BStP gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 21. Dezember 2004 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird als gegenstandslos abgeschrieben. 
3. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
4. 
Dem Beschwerdeführer wird für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet. 
5. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 21. Juni 2005 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: