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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1B_90/2012 
 
Urteil vom 21. März 2012 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Merkli, 
Gerichtsschreiber Härri. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, Postfach, 8090 Zürich, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
X.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Till Gontersweiler. 
 
Gegenstand 
Vorzeitiger Strafantritt, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss vom 17. Januar 2012 des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Am 2. Dezember 2011 erhob die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich (im Folgenden: Staatsanwaltschaft) gegen X.________ Anklage beim Bezirksgericht des Kantons Zürich insbesondere wegen versuchten Mordes. Sie wirft ihr vor, am 31. August 2010 das Opfer unter einem Vorwand an den Tatort gelockt zu haben, um es dort mit dem flüchtigen Mitbeschuldigten aus Rache zu töten. X.________ und der Mitbeschuldigte hätten in der Folge auf das Opfer eingeschlagen bzw. -gestochen. Das Opfer habe flüchten können. Es habe insbesondere mehrere schwere Stichverletzungen erlitten und sich in unmittelbarer Lebensgefahr befunden. Die Staatsanwaltschaft beantragt, X.________ sei eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren aufzuerlegen. 
 
X.________ befindet sich seit dem 3. November 2010 in Haft. 
 
B. 
Einen Tag vor der Anklageerhebung verweigerte die Staatsanwaltschaft X.________ den vorzeitigen Strafvollzug. 
 
C. 
Die von X.________ hiergegen erhobene Beschwerde hiess das Obergericht des Kantons Zürich (III. Strafkammer) mit Beschluss vom 17. Januar 2012 gut. Es hob die angefochtene Verfügung auf und bewilligte den vorzeitigen Strafvollzug. Es ordnete an, dieser könne ab sofort erfolgen unter gleichzeitiger Entlassung von X.________ aus der Sicherheitshaft. Die Gewährung von Urlaub bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils sei ausgeschlossen. X.________ werde im Sinne einer Ersatzmassnahme anstelle von Sicherheitshaft ab sofort untersagt, den Mitbeschuldigten persönlich (mündlich, telefonisch, schriftlich, per SMS/Mail etc.) oder über Dritte zu kontaktieren, unter Androhung der Bestrafung wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung im Sinne von Art. 292 StGB (Busse bis Fr. 10'000.--) im Widerhandlungsfalle. 
 
Das Obergericht erwog, der vorzeitige Strafvollzug wäre ausgeschlossen, wenn eine konkrete und erhebliche Kollusionsgefahr bestünde. Eine solche könne nicht angenommen werden. Die theoretische Möglichkeit der Kollusion genüge nicht. Den verbleibenden Bedenken könne mit einem Kontaktverbot Rechnung getragen werden. 
 
D. 
Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben. 
 
E. 
Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. 
 
X.________ hat sich vernehmen lassen mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG ist gegen den angefochtenen Entscheid die Beschwerde in Strafsachen gegeben. Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist nach Art. 80 BGG zulässig. Die Beschwerdeführerin ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG zur Beschwerde befugt. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten (vgl. Urteil 1B_483/2011 vom 6. Oktober 2011 E. 1). 
 
2. 
2.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, der angefochtene Entscheid verletze Art. 236 StPO
 
2.2 Gemäss Art. 236 Abs. 1 StPO kann die Verfahrensleitung der beschuldigten Person bewilligen, Freiheitsstrafen vorzeitig anzutreten, sofern der Stand des Verfahrens es erlaubt. 
 
Der vorzeitige Strafantritt stellt seiner Natur nach eine strafprozessuale Zwangsmassnahme auf der Schwelle zwischen Strafverfolgung und Strafvollzug dar. Er soll ermöglichen, dass der beschuldigten Person bereits vor einer rechtskräftigen Urteilsfällung verbesserte Chancen auf Resozialisierung im Rahmen des Strafvollzugs geboten werden können (BGE 133 I 270 E. 3.2.1 S. 277). Für eine Fortdauer der strafprozessualen Haft in den Modalitäten des vorzeitigen Strafvollzugs muss weiterhin ein besonderer Haftgrund wie namentlich Kollusionsgefahr gegeben sein. Dieser Haftgrund dient primär der Sicherung einer ungestörten Strafuntersuchung. Je weiter das Strafverfahren fortgeschritten ist und je präziser der Sachverhalt bereits abgeklärt werden konnte, desto höhere Anforderungen sind grundsätzlich an den Nachweis von Kollusionsgefahr zu stellen (BGE 132 I 21 E. 3.2 f. S. 23 f. mit Hinweisen). 
 
Für den vorzeitigen Strafvollzug ist, auch wenn er in einer Strafanstalt erfolgt, grundsätzlich das Haftregime der Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft massgebend. Die für den ordentlichen Strafvollzug geltenden Vollzugserleichterungen können nach Massgabe der Erfordernisse des Verfahrenszweckes und gemäss den Notwendigkeiten, die sich aus dem besonderen Haftgrund der Kollusionsgefahr ergeben, beschränkt werden (vgl. Art. 236 Abs. 4 StPO; BGE 133 I 270 E. 3.2.1 S. 278; Urteile 1B_195/2009 vom 6. November 2009 E. 5 und 1B_84/2010 vom 12. April 2010 E. 2.3.3). Allerdings ist nicht zu verkennen, dass Kollusionshandlungen im Strafvollzug nicht gleich wirksam verhindert werden können wie in der Untersuchungs- und Sicherheitshaft. Der vorzeitige Strafantritt ist deshalb zu verweigern, wenn die Kollusionsgefahr derart hoch ist, dass mit der Gewährung des vorzeitigen Strafantritts der Haftzweck und die Ziele des Strafverfahrens gefährdet würden (Urteil 1B_483/2011 vom 6. Oktober 2011 E. 2.3 mit Hinweis). 
 
2.3 Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Anklage lege der Beschwerdegegnerin die Hauptverantwortung für die Tat zur Last. Die Beschwerdegegnerin versuche, die Hauptverantwortung auf den flüchtigen Mitbeschuldigten abzuschieben. Es bestehe die Gefahr, dass sich die Beschwerdegegnerin mit dem Mitbeschuldigten absprechen und diesen zu einer für sie günstigen Aussage bewegen könnte. 
 
Der Mitbeschuldigte ist flüchtig. Um eine Aussage zu machen, müsste er sich den Behörden stellen. Dass er dies tun wird, kann kaum angenommen werden. Falls es sich gleichwohl so verhielte, wäre wenig wahrscheinlich, dass er die Hauptverantwortung für die Tat übernähme. Denn damit belastete er sich selbst. Zudem ist nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG) das Verhältnis zwischen der Beschwerdegegnerin und dem Mitbeschuldigten inzwischen erheblich getrübt. Damit ist es noch unwahrscheinlicher, dass er die Hauptverantwortung übernehmen würde. Im Übrigen ist die Strafuntersuchung nahezu abgeschlossen. Das Bezirksgericht hat mit Beschluss vom 15. Dezember 2011 die Anklage an die Staatsanwaltschaft zurückgewiesen, da es sich nicht mit der Zusammenfassung von Telefonabhörprotokollen begnügen wollte, sondern die wörtliche Übersetzung zumindest eines Teils der Protokolle für erforderlich hielt. Es werden also noch Telefonabhörprotokolle wörtlich zu übersetzen sein. In der Folge wird die Beschwerdegegnerin dazu Stellung nehmen können. Ansonsten sind keine weiteren Untersuchungsmassnahmen mehr zu tätigen. Damit sind nach der dargelegten Rechtsprechung erhöhte Anforderungen an die Annahme von Kollusionsgefahr zu stellen. 
 
Würdigt man dies gesamthaft, kann die Kollusionsgefahr nicht als derart hoch eingestuft werden, dass der vorzeitige Strafvollzug ausser Betracht fiele. Wenn die Vorinstanz diesen bewilligt hat, verletzt das kein Bundesrecht. 
 
Der Umstand, dass die Beschwerdegegnerin nur teilweise geständig ist, steht dem vorzeitigen Strafvollzug nicht entgegen (Urteil 1B_483/2011 vom 6. Oktober 2011 E. 2.4 mit Hinweis). 
 
3. 
Die Beschwerde ist danach abzuweisen. 
 
Mit dem Entscheid in der Sache braucht über das Gesuch um aufschiebende Wirkung nicht mehr befunden zu werden. 
 
Kosten sind keine zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton hat der Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3. 
Der Kanton Zürich hat der Beschwerdegegnerin eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- zu bezahlen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 21. März 2012 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Fonjallaz 
 
Der Gerichtsschreiber: Härri