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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_412/2019  
 
 
Urteil vom 11. September 2019  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, Präsident, 
Bundesrichter Merkli, Kneubühler, 
Gerichtsschreiber Härri. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Manuel Kägi, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich, 
Abteilung für schwere Gewaltkriminalität, 
Molkenstrasse 15/17, 8004 Zürich. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; vorzeitiger Strafvollzug, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts 
des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 17. Juli 2019 
(UH190134-O/U/PFE). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ wegen des Verdachts insbesondere der sexuellen Handlungen mit Kindern, der sexuellen Nötigung, der Freiheitsberaubung, der schweren Körperverletzung und der Gefährdung des Lebens. Sie wirft ihm vor, er habe seine Kinder häufig schwer geschlagen und misshandelt. Zwei Kinder habe er im Keller eingesperrt, so dass sie dort die Notdurft hätten verrichten müssen. Zudem habe er diesen beiden Kindern die notwendige Nahrung vorenthalten, weshalb sie an starkem Untergewicht gelitten hätten. An einer Tochter habe er, als diese sieben bis zwölf Jahre alt gewesen sei, alle zwei bis drei Tage sexuelle Handlungen vorgenommen. Ebenso habe er an seiner Stieftochter derartige Handlungen vorgenommen und sie zum Oralverkehr gezwungen. Seine frühere Ehefrau habe er gewürgt, bis sie das Bewusstsein verloren habe. 
Am 26. April 2018 nahm die Polizei A.________ fest. Zwei Tage später versetzte ihn das Zwangsmassnahmengericht am Bezirksgericht Zürich in Untersuchungshaft. Diese verlängerte es in der Folge jeweils, letztmals bis zum 3. Oktober 2019. 
 
B.  
Am 23. April 2019 ersuchte A.________ um Bewilligung des vorzeitigen Strafvollzugs. 
Am 30. April 2019 lehnte die Staatsanwaltschaft das Gesuch ab. 
Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich (III. Strafkammer) am 17. Juli 2019 ab. Es befand, die hohe Kollusionsgefahr stehe dem vorzeitigen Strafvollzug entgegen. 
 
C.  
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, den Beschluss des Obergerichts aufzuheben und den vorzeitigen Strafvollzug zu bewilligen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. 
 
D.  
Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft haben auf Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben. Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist nach Art. 80 BGG zulässig. Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. Der angefochtene Entscheid kann ihm einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken (Urteile 1B_372/2019 vom 27. August 2019 E. 1; 1B_449/2015 vom 15. Januar 2016 E. 1). Auf die Beschwerde ist daher - unter Vorbehalt der folgenden Erwägungen -einzutreten. 
 
2.  
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz sei ihrer Begründungspflicht nicht hinreichend nachgekommen. 
Die Rüge ist unbegründet. Nach der Rechtsprechung brauchte sich die Vorinstanz nicht mit jedem tatsächlichen und rechtlichen Einwand des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen. Wenn sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränkt hat, ist das nicht zu beanstanden (BGE 143 III 65 E. 5.2 S. 70 f.; 139 IV 179 E. 2.2 S. 183; je mit Hinweisen). Eine Verletzung der Begründungspflicht kann ihr nicht vorgeworfen werden. 
 
3.  
Soweit der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe den Sachverhalt offensichtlich unrichtig und damit willkürlich festgestellt, beschränkt er sich auf unzulässige appellatorische Kritik. Darauf ist nicht einzutreten (BGE 144 V 50 E. 4.2 S. 53 mit Hinweisen). 
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Verweigerung des vorzeitigen Strafvollzugs verletze Art. 236 StPO.  
 
4.2. Gemäss Art. 236 StPO kann die Verfahrensleitung der beschuldigten Person bewilligen, Freiheitsstrafen vorzeitig anzutreten, sofern der Stand des Verfahrens es erlaubt (Abs. 1). Mit dem Eintritt in die Vollzugsanstalt tritt die beschuldigte Person ihre Strafe an; sie untersteht von diesem Zeitpunkt an dem Vollzugsregime, wenn der Zweck der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft dem nicht entgegensteht (Abs. 4).  
Der vorzeitige Strafvollzug stellt seiner Natur nach eine strafprozessuale Zwangsmassnahme auf der Schwelle zwischen Strafverfolgung und Strafvollzug dar. Der vorzeitige Strafvollzug bezweckt, dem Beschuldigten schon vor einem rechtskräftigen Strafurteil ein Haftregime zu ermöglichen, das auf seine persönliche Situation zugeschnitten ist, und ihm verbesserte Chancen auf Resozialisierung zu bieten. Für eine Fortdauer der strafprozessualen Haft in den Modalitäten des vorzeitigen Strafvollzugs muss weiterhin ein besonderer Haftgrund wie namentlich Kollusionsgefahr nach Art. 221 Abs. 1 lit. b StPO vorliegen (BGE 143 IV 160 E. 2.1 S. 162; 133 I 270 E. 3.2.1 S. 277). 
Der Stand des Verfahrens muss gemäss Art. 236 Abs. 1 StPO den vorzeitigen Strafantritt erlauben. Dieser Stand ist erreicht, wenn die Anwesenheit des Beschuldigten für die Beweiserhebungen nicht mehr erforderlich ist. So verhält es sich grundsätzlich, wenn die Strafuntersuchung kurz vor dem Abschluss steht. Die Einschränkung, wonach der Stand des Verfahrens den vorzeitigen Strafantritt erlauben muss, beruht in erster Linie auf praktischen Bedürfnissen, da die Strafvollzugsanstalt vom Ort der Beweiserhebungen in der Regel weiter entfernt ist. Der Beschuldigte soll daher grundsätzlich erst dann in den vorzeitigen Strafvollzug übertreten können, wenn seine Anwesenheit für die weiteren Beweiserhebungen entbehrlich ist. 
Der Zweck der Untersuchungshaft kann gemäss Art. 236 Abs. 4 StPO Einschränkungen des Haftregimes des Gefangenen im vorzeitigen Strafvollzug erfordern. So können bei Kollusionsgefahr die Beziehungen zur Aussenwelt beschränkt werden (Art. 84 Abs. 2 StGB). Im Strafvollzug, in welchem der Gefangene Kontakt namentlich mit den Mitgefangenen hat, von denen der eine oder andere gegebenenfalls demnächst Urlaub erhält oder (bedingt) entlassen wird, kann der Kollusionsgefahr allerdings nicht gleich wirksam begegnet werden wie in Untersuchungshaft. Nach der Rechtsprechung kann der vorzeitige Strafvollzug daher auch im erwähnten fortgeschrittenen Verfahrensstadium nicht bewilligt werden, wenn eine hohe Kollusionsgefahr besteht (Urteile 1B_372/2019 vom 27. August 2019 E. 2.1; 1B_449/2015 vom 15. Januar 2016 E. 2.3; je mit Hinweisen). 
 
4.3. Der Beschwerdeführer bestreitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Diese wiegen schwer. Im Falle einer Verurteilung muss er deshalb mit einer empfindlichen Strafe rechnen. Entsprechend besteht für ihn ein erheblicher Anreiz, auf die Geschädigten Einfluss zu nehmen, um sie zum Rückzug oder zur Abschwächung ihrer belastenden Aussagen zu veranlassen. Die Staatsanwaltschaft stützt ihre Vorwürfe zur Hauptsache auf die belastenden Angaben der Geschädigten. Dabei stehen jeweils die Aussagen der Geschädigten jenen des Beschwerdeführers gegenüber. Bei dieser Sachlage besteht ein erhöhtes öffentliches Interesse, die Geschädigten vor möglichen Beeinflussungen durch den Beschwerdeführer abzuschirmen. Bei den Geschädigten handelt es sich um die Kinder, ein Stiefkind und die frühere Ehefrau des Beschwerdeführers. Namentlich bei den Kindern ist aufgrund der engen familiären Beziehung von einer hohen Beeinflussbarkeit auszugehen, zumal sie teilweise noch jung sind und Angst vor dem Beschwerdeführer haben. So gab die Tochter, an welcher der Beschwerdeführer alle zwei bis drei Tage sexuelle Handlungen vorgenommen haben soll, an, sie fürchte um ihr Leben; wenn der Beschwerdeführer von ihren Aussagen erfahre, könnte er sie entführen und umbringen; sie glaube, dass er das tun würde. Auch die Stieftochter gab zu Protokoll, sie fürchte sich vor dem Beschwerdeführer; sie gehe davon aus, dass er nach Kenntnis ihrer Aussagen wieder Drohungen aussprechen und sie aufsuchen werde. Ein Sohn erklärte, er wolle zum Beschwerdeführer keinen Kontakt mehr, da er nicht wisse, ob dieser ihn wieder schlagen werde. Die Kinder bestanden sodann teilweise darauf, dass ihre Wohnadressen nicht in den Akten erscheinen, was ihre Angst vor dem Beschwerdeführer belegt. Dafür, dass von diesem Verdunkelungshandlungen zu befürchten sind, spricht auch die Aussage der leiblichen Tochter, an der er sexuelle Handlungen vorgenommen haben soll, er habe ihr jeweils gedroht, er werde ihre Mutter und danach sie selbst töten, falls sie der Mutter etwas vom Vorgefallenen erzähle. Die Stieftochter sodann gab an, der Beschwerdeführer habe ihr gesagt, sie werde schon noch sehen, was passiere, wenn sie ihrer Mutter von den sexuellen Übergriffen erzähle. Für Kollusionsgefahr spricht im Weiteren der Umstand, dass nach den Aussagen zweier Kinder bzw. der Stieftochter sich der Beschwerdeführer immer wieder vor ihrem Wohnort bzw. jenem ihrer Mutter aufgehalten und diesen beobachtet habe. Der Beschwerdeführer weist überdies eine Vorstrafe aus dem Jahr 2014 wegen einfacher Körperverletzung zum Nachteil des Lebenspartners gemäss Art. 123 Ziff. 2 Abs. 6 StGB auf, was zeigt, dass er vor Gewalt gegenüber einer nahen Bezugsperson nicht zurückschreckt.  
Würdigt man dies gesamthaft, hält es vor Bundesrecht stand, wenn die Vorinstanz eine hohe Kollusionsgefahr annimmt, die den vorzeitigen Strafvollzug ausschliesst. Zwar steht die Strafuntersuchung kurz vor dem Abschluss. Da sich die Aussagen des Beschwerdeführers und der Geschädigten widersprechen, ist jedoch davon auszugehen, dass das erstinstanzliche Gericht die Geschädigten nochmals persönlich befragen wird, um einen unmittelbaren Eindruck von ihnen zu erhalten (Art. 343 Abs. 3 StPO). Im Hinblick darauf besteht weiterhin ein öffentliches Interesse an der Verhinderung von Kollusionshandlungen. Dem durfte die Vorinstanz Rechnung tragen (Urteile 1B_372/2019 vom 27. August 2019 E. 2.3; 1B_205/2018 vom 14. Mai 2018 E. 3.1 und 3.4). 
 
5.  
Die Beschwerde ist demnach abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
Die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers kann angenommen werden. Da er sich schon länger in Untersuchungshaft befindet bzw. die Untersuchung kurz vor dem Abschluss steht, konnte er sich zur Beschwerde veranlasst sehen. Die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nach Art. 64 BGG wird daher bewilligt. Es werden keine Gerichtskosten erhoben und dem Vertreter des Beschwerdeführers wird eine Entschädigung ausgerichtet. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Manuel Kägi, wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- ausgerichtet. 
 
5.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft I und dem Obergericht des Kantons Zürich (III. Strafkammer) schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 11. September 2019 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: Härri