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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_184/2020  
 
 
Urteil vom 13. September 2021  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Denys, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichterin Koch, 
Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiber Traub. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Fingerhuth, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Gewerbsmässiger Betrug, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 22. Oktober 2019 (SB180110-O/U/ad). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich wirft A.________ u.a. vor, er habe im Rahmen seiner Tätigkeit für die Firma B.________ Services Ltd. mittäterschaftlich über ein Einwahlprogramm (sog. Dialer), das lokale Telefonnummern verwende, Privatpersonen aus der jeweiligen Region zufällig anrufen und die Verbindungen jeweils gleich wieder abbrechen lassen. Dadurch sei bei den Angerufenen der Eindruck entstanden, eine Person aus der Umgebung habe sie kontaktiert. Im Tatzeitraum zwischen ca. März und Mai 2010 seien so mindestens zehntausend Personen veranlasst worden, auf die Telefonnummer des Dialer zurückzurufen. Es sei jeweils eine Tonbandaufnahme abgespielt worden, lautend wie folgt: " B.________ Services hallo. Nach der Anmeldung zum Infodienst gegen Grippe und Pandemie erhalten Sie die Zugangsdaten per Post zugestellt. Die Anmeldung dieses Dienstes für zwölf Monate kostet einmalig nur 130 Franken und danach nur 2 Franken pro Minute. Bleiben Sie bis nach dem Signalton in der Leitung. Dadurch wird der mündliche Vertrag rechtsgültig ". Innert weniger Sekunden erfolgte nach Signaltönen die Ansage: " Wir bedanken uns für Ihre Anmeldung ". Anschliessend hätten die Beschuldigten allen Personen, die zurückgerufen und nach der Ansage nicht sogleich aufgelegt hatten, eine Rechnung mit Einzahlungsschein für die Jahresgebühr von Fr. 130.-- gesendet. Auf der Rechnung sei u.a. eine Kundennummer, das Datum und die genaue Uhrzeit des Rückrufs sowie die Telefonnummer der angerufenen Person aufgeführt gewesen. Unter dem Eindruck, einen gültigen Vertrag abgeschlossen zu haben, hätten 174 Geschädigte den geforderten Betrag an eine Inkassofirma überwiesen. Diejenigen Rechnungsempfänger, die die angebotene Dienstleistung ("Pandemie-Infodienst") tatsächlich beanspruchen wollten, seien getäuscht worden, weil kein solcher Dienst betrieben worden sei; auf dem Tonband des angeblichen Dienstes seien lediglich Musik und eine kurze, teilweise unverständliche Durchsage zu hören gewesen. Dies sei vor Bezahlung der Gebühr nicht überprüfbar gewesen (Anklage-Ziff. I, "B.________").  
Weiter wird A.________ vorgeworfen, er habe zusammen mit einem Mittäter ab Anfang März 2010 bis zu seiner Verhaftung am 8. Juli 2010 über ein Callcenter Tausende von Personen telefonisch kontaktieren und fragen lassen, ob sie einen Geldbetrag an den Verein "C.________" spenden wollten, der die "grassierende Jugendgewalt" bekämpfe. Angerufene, die weitere Informationen über das Projekt wünschten, seien auf eine Website mit erfundenen resp. falschen Informationen über angebliche Hilfsprojekte und die Vereinsorgane verwiesen worden. Spendenwilligen seien Dankesschreiben mit Einzahlungsscheinen zugestellt worden. 1'209 Personen hätten insgesamt Fr. 45'203.45 auf ein auf "C.________" lautendes Konto einbezahlt. Die Spendengelder seien nicht für Projekte gegen Jugendgewalt verwendet worden, sondern zum einen Teil unter den beiden Beschuldigten aufgeteilt und zum anderen Teil für Ausgaben wie die Entlöhnung von Mitarbeitern des Callcenters verwendet worden (Anklage-Ziff. II, "C.________"). 
Das Bezirksgericht Zürich verurteilte A.________ in beiden angeklagten Punkten wegen gewerbsmässigen Betrugs. Es sprach eine bedingte Freiheitsstrafe von 24 Monaten (Probezeit: zwei Jahre) aus (Urteil vom 22. November 2017). 
A.________ erhob Berufung, die Staatsanwaltschaft Anschlussberufung im Strafpunkt. 
 
B.  
Das Obergericht des Kantons Zürich erkannte A.________ des gewerbsmässigen Betrugs hinsichtlich Anklage-Ziff. II ("C.________") schuldig. Vom Vorwurf des gewerbsmässigen Betrugs hinsichtlich Anklage-Ziff. I ("B.________") sprach es ihn frei. Es stellte eine Verletzung des Beschleunigungsgebots fest und belegte ihn mit 13 Monaten Freiheitsstrafe, mit bedingtem Vollzug bei einer Probezeit von zwei Jahren (Urteil vom 22. Oktober 2019). 
 
C.  
Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt Beschwerde in Strafsachen. Sie stellt den Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, was den Freispruch vom Vorwurf des gewerbsmässigen Betrugs ("B.________"), den Strafpunkt, den bedingten Vollzug und die Kostenfolgen betreffe. Die Sache sei zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventuell sei das angefochtene Urteil in den angefochtenen Punkten aufzuheben und A.________ auch des gewerbsmässigen Betrugs hinsichtlich "B.________" schuldig zu sprechen und angemessen zu bestrafen. 
A.________ beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Das Obergericht verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdegegner hält der beschwerdeführenden Oberstaatsanwaltschaft entgegen, ihre Argumentation zur Frage der Arglist entspreche nicht dem, was in der Anklageschrift vertreten worden sei. Vor Bundesgericht werfe sie ihm vor, sein täuschendes Unterfangen habe bewusst auf die Schwächsten im Rechtsverkehr abgezielt. In der Anklageschrift habe sie hingegen noch ausgeführt, mit den Rechnungen hätten die Beschuldigten die Geschädigten unter Druck gesetzt, nachdem diese die angegebene Telefonnummer zu der auf der Rechnung angegebenen Zeit tatsächlich angerufen hatten. Den neuen Vorwurf (des gezielten Ausnutzens Schwacher) erhebe die Beschwerdeführerin, nachdem sie mit ihrer ursprünglichen Begründung vor Obergericht nicht durchgedrungen sei.  
 
1.2. Der Anklagegrundsatz (Art. 9 Abs. 1 und Art. 325 StPO; Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV; Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. a und lit. b EMRK) und dessen Informationsfunktion (BGE 144 I 234 E. 5.6.1; 143 IV 63 E. 2.2) lassen Raum für die in der Beschwerde vorgetragene Begründung des Arglistvorwurfs. Das Tatbestandselement geht aus der detaillierten Beschreibung des Tatgeschehens in der Anklageschrift hervor (vgl. Sachverhalt lit. A). Soweit die Beschwerdeführerin vorträgt, der Beschwerdegegner habe gerade diejenigen Personen erreichen wollen, die wegen Unerfahrenheit, fortgeschrittenen Alters oder aus anderen Gründen besonders täuschungsanfällig seien, bezieht sie sich auf Sachverhalte, die das in der Anklageschrift beschriebene Vorgehen nach der Vorstellung der Täter zielführend machen sollten. Die fraglichen Motive können aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung unterstellt werden; sie bilden keinen notwendigen Teil der Anklageschrift (vgl. Urteil 6P.105/1993 vom 1. Oktober 1993 E. 2b/⁠bb).  
 
2.  
 
2.1. Die beschwerdeführende Oberstaatsanwaltschaft beanstandet den vorinstanzlichen Schluss, der Beschwerdegegner habe im Rahmen des Sachverhalts "B.________" nicht im Sinn von Art. 146 Abs. 1 StGB arglistig getäuscht.  
 
2.1.1. Sie bringt vor, der Beschwerdegegner habe mit grossem Aufwand und auf raffinierte Weise 174 Personen dazu verleitet, eine Rechnung zu bezahlen, obwohl keine Forderung bestand. Opferverantwortung beseitige die arglistige Natur einer Täuschung nur ausnahmsweise. Hier sei keine Ausnahme gegeben. Die professionell anmutenden, individualisierten Rechnungen bezögen sich ausdrücklich auf die durch vorherige Dialer-Anrufe provozierten Rückrufe der Opfer (mit Datum, Zeit und Telefonnummer). Damit werde dem Empfänger insinuiert, zur Bezahlung eines Preises verpflichtet zu sein. Dessen Höhe von 130 Franken sei gering genug, um die Geschädigten von gründlichen Nachforschungen abzuhalten. Faktisch sei es zudem unmöglich gewesen nachzuprüfen, ob der angebliche "Pandemie-Info-Dienst" tatsächlich betrieben werde. Die Vorinstanz verkenne, dass Arglist nicht nur dann vorliege, wenn sich eine durchschnittlich vorsichtige und aufmerksame Person täuschen liesse. Die Täterschaft habe es bewusst auf anonyme Massenkontakte angelegt, dies in der berechtigten Hoffnung, damit genau diejenigen (relativ wenigen) Personen zu erreichen, die wegen Unerfahrenheit, fortgeschrittenen Alters oder aus anderen Gründen täuschungsanfällig seien.  
Der Beschwerdegegner hält seine Täuschungshandlungen für ausgesprochen plump. Wer eine Rechnung auf solcher Grundlage bezahle, verhalte sich leichtsinnig. Bezeichnenderweise sei nur eine kleine Anzahl der verschickten Rechnungen beglichen worden. Zudem sei die Sache schon am 27. April 2010, noch im angeklagten Deliktszeitraum, in der Konsumentenschutzsendung "Kassensturz" des Schweizer Fernsehens thematisiert worden. Ab da sei der warnende Beitrag im Internet greifbar gewesen. 
 
2.1.2. Die Vorinstanz bejaht eine massgebliche, Arglist ausschliessende Opferverantwortung. Sie begründet dies mit der - gemessen an der grossen Zahl angegriffener Personen - geringen Zahl von Geschädigten. Der Beschwerdegegner sei zwar für ein ausgeklügeltes System täuschender Machenschaften mitverantwortlich gewesen (Verleitung zum Rückruf auf eine regionale Telefonnummer; Vorspiegelung eines Vertragsschlusses durch blosses Innehalten und Nichtauflegen des Hörers; gezieltes Spekulieren auf fehlendes juristisches Wissen, d.h. darauf, Betroffene würden zumal angesichts des nicht allzu hohen Rechnungsbetrags darauf verzichten, über die Gültigkeit des Vertrags Auskunft einzuholen; Verwendung falscher Namen; Ausübung von Druck durch Angabe einer kurzen Zahlungsfrist von zehn Tagen und durch Hinweise auf eine allfällige Mahngebühr und Betreibung). Von den etwa 10'000 Rechnungsempfängern hätten aber lediglich 174 Personen, also weniger als zwei Prozent, die verlangten 130 Franken bezahlt. Eine überwältigende Mehrheit habe von der Bezahlung abgesehen. Trotz einer gewissen Raffinesse seien die täuschenden Machenschaften folglich nicht so überzeugend gewesen, dass eine durchschnittlich aufmerksame Person zur irrtümlichen Annahme verleitet worden wäre, sie sei zur Bezahlung eines Abonnements verpflichtet. Bei einer tatsächlich arglistigen Täuschung wäre zu erwarten gewesen, dass mehr als nur rund 1,74 Prozent der betroffenen Personen die Rechnung beglichen hätten.  
 
2.1.3. Nach Art. 146 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer in Bereicherungsabsicht jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt.  
Betrug ist ein Interaktionsdelikt; der Täter ruft beim Geschädigten eine von der Wirklichkeit abweichende Vorstellung hervor und veranlasst ihn so, durch eine Vermögensverfügung sich selbst zu schädigen. Die Täuschung ist arglistig, wenn der Täter mit einer gewissen Raffinesse ("Durchtriebenheit") täuscht. Arglist liegt auch vor, wenn der Täter aufgrund gezielter Vorkehren damit rechnen kann, dass ein Opfer davon absehen wird, den mit der täuschenden Handlung gesetzten Anschein zu hinterfragen (dazu BGE 147 IV 73 E. 3.2; in BGE 144 IV 52 nicht publ. E. 3.3 des Urteils 6B_150/2017 vom 11. Januar 2018). 
Ein Täuschungsangriff gilt nicht als arglistig, wenn er so beschaffen ist, dass schon ein Mindestmass an Aufmerksamkeit des Geschädigten den Irrtum ohne Weiteres und zwangsläufig verhindert. Kein strafrechtlicher Schutz besteht also, wenn der Irrtum und die dadurch bestimmte Vermögensverfügung eine Leichtfertigkeit voraussetzen, der gegenüber das betrügerische Verhalten vollkommen in den Hintergrund tritt (BGE 143 IV 302 E. 1.2, 1.3 und 1.4.1; 142 IV 153 E. 2.2.2; 135 IV 76 E. 5.1 und 5.2; Urteil 6B_497/2014 vom 6. März 2015 E. 3.4.2). Das Strafrecht kennt grundsätzlich keine Verschuldenskompensation, was die Ebene der Tatbestandsmässigkeit betrifft (Urteil 6S.168/2006 vom 6. November 2006 E. 2.3; vgl. dazu MICHA NYDEGGER, Grund und Grenzen der Arglist beim Betrug, in: ZStrR 2013 S. 301 ff.). Insofern ist die Aufmerksamkeit und Vorsicht, die das Opfer effektiv aufbringt (resp. vermissen lässt), bei einem an sich tauglichen Täuschungsangriff nicht massgebend dafür, ob die Arglist zu bejahen oder zu verneinen ist (sondern nur dafür, ob ein versuchtes oder ein vollendetes Delikt vorliegt). Vielmehr muss die Irreführung als solche geeignet sein, beim anvisierten Opfer einen Irrtum zu bewirken (MAEDER/ NIGGLI, in: Basler Kommentar, Strafrecht II, 4. Aufl. 2019, N 69 ff. zu Art. 146 StGB; URSULA CASSANI, Der Begriff der arglistigen Täuschung als kriminalpolitische Herausforderung, in: ZStrR 1999 S. 164). Dies hängt auch von dessen Möglichkeiten ab, sich eigenverantwortlich zu schützen. Mithin richtet sich die Eignung der Tathandlung, die angegriffene Person in die Irre zu führen, nicht nach der hypothetischen Reaktion eines durchschnittlich vorsichtigen und erfahrenen Dritten. Es kommt darauf an, wieviel Selbstschutz individuell möglich und zumutbar ist. Persönliche Eigenschaften wie Geistesschwäche, Unerfahrenheit und alters- oder krankheitsbedingte Beeinträchtigungen werden berücksichtigt (BGE 147 IV 73 E. 3.2; 142 IV 153 E. 2.2.2; 135 IV 76 E. 5.2; GARBARSKI/BORSODI, in: Commentaire romand, Code pénal II, 2017, N 46 zu Art. 146 StGB; HEIDI SÄGESSER, Opfermitverantwortung beim Betrug, 2014, S. 88 ff.). Der individuelle Sorgfaltsmassstab ist freilich zu objektivieren: Massgebend ist die Vorsicht, wie sie auch jeder anderen Person in der gleichen Lage und mit denselben Eigenschaften zumutbar wäre (SÄGESSER, a.a.O., S. 201 f.).  
 
2.1.4. Die Vorinstanz erwägt, von den rund 10'000 Rechnungsempfängern hätten sich nur deren 174, also weniger als zwei Prozent, täuschen lassen und infolge dieser Täuschung eine "Jahresgebühr" von 130 Franken bezahlt. Dem liegt der Gedanke zugrunde, die Täuschungsresistenz der klaren Mehrheit zeige, dass sich die Minderheit qualifiziert nachlässig verhalten habe. Wie die Beschwerdeführerin zu Recht anmerkt, war dem Beschwerdegegner und seinem Mittäter durchaus bewusst, dass verhältnismässig wenige Menschen auf die Scheinrechnungen ansprechen würden. Ausgehend davon suchten sie nach dem "Köderprinzip" (MARC JEAN-RICHARD-DIT-BRESSEL, "Am Köder vorbei in die Falle": Arglist, Opfermitverantwortung und "Köderprinzip" bei Serienbetrügen [Art. 146 StGB], in: Liber amicorum für Andreas Donatsch, Cavallo et al. [Hrsg.], 2012, S. 77 ff.) möglichst viel Breitenwirkung zu erzielen (vgl. auch GUNTHER ARZT, Basler Kommentar, Strafrecht II, 3. Aufl. 2013, N 90 zu Art. 146 StGB). Das betrügerische Unterfangen griff die Opfer nicht gezielt an, sondern suchte beliebige Personen zu erreichen, die aus welchen Gründen auch immer individuell täuschungsanfällig sind. Aus Tätersicht war es zwingend erforderlich, einen weiten Personenkreis anzusprechen, um einen wirtschaftlichen Taterfolg zu erzielen. So betrachtet handelt es sich bei den 174 Personen um eine signifikante Grösse. Nicht die "Erfolgsquote" des täuschenden Vorgehens zählt, sondern dessen qualitative Eignung, den zumutbaren Selbstschutz von potentiellen Opfern - und sei es wie hier nur eine Minderheit der ingesamt erreichten Personen - zu überwinden und sie im Sinn von Art. 146 Abs. 1 StGB in die Irre zu führen. Würde aus dem verhältnismässig geringen Anteil an Täuschungserfolgen auf ein massgebliches Selbstverschulden der Getäuschten geschlossen, so hätte dies zur Folge, dass der mit Art. 146 StGB bezweckte Schutz ausgerechnet bei Personen versagte, die wegen einer bestimmten persönlichen Eigenschaft unbeholfen sind (vgl. oben E. 2.1.3). Das bewusste, gezielte Ausnutzen von Vulnerabilitäten - nicht von reinem Leichtsinn - stellt gerade ein arglisttypisches Unrechtselement dar (BGE 135 IV 76 E. 5.2 S. 80 unten). In diesem Umfang legitimiert die Schutzbedürftigkeit des Getäuschten den staatlichen Strafanspruch auch im Fall von plumpen Täuschungen. Dies entspricht einer weit zurückreichenden Rechtsprechung: In BGE 80 IV 156 E. 6 hielt das Bundesgericht fest, es "wäre eine sonderbare Rechtsordnung, wenn sie gerade den, der infolge verminderter Geistesgaben in vermehrtem Masse der Gefahr ausgesetzt ist, sich zu irren, nicht strafrechtlich gegen die betrügerische Hervorrufung und Ausnützung von Irrtümern schützen würde" (so auch BGE 119 IV 210 E. 3c; SÄGESSER, a.a.O., S. 88 Rz. 196; JOSITSCH/LÜTHI, Betagte Menschen - prädestinierte Betrugsopfer? Auseinandersetzung über die⁠ Grenzen der arglistigen Täuschung, in: 6. Zürcher Präventionsforum - Ältere Menschen und ihre Erfahrungen mit der Kriminalität, Schwarzenegger/Nägeli [Hrsg.], 2013, S. 44 ff.; CASSANI, a.a.O., S. 165 ff.; WILLI WISMER, Das Tatbestandselement der Arglist beim Betrug, 1988, S. 79 ff.).  
 
2.1.5. Indessen sind nicht alle Personen, die der betrügerischen Forderung nachgegeben haben, aus persönlichen Gründen besonders täuschungsanfällig. Gewisse Empfänger haben die Rechnung beglichen, ohne sich über den Grund der angeblichen Forderung Gedanken zu machen (dazu unten E. 2.2.2).  
Bei einem auf einen weiten Kreis möglicher Opfer abzielenden (gewerbsmässigen) Serienbetrug kommt ein überindividuelles Interesse an der Bekämpfung von sozialgefährlichem Verhalten ins Spiel (JEAN-RICHARD-DIT-BRESSEL, a.a.O., S. 100; vgl. NIGGLI/RIEDO, in: Basler Kommentar, Strafrecht II, 4. Aufl. 2019, N 84 zu Art. 139 StGB; GUNTHER ARZT, Basler Kommentar, Strafrecht II, 2. Aufl. 2007, N 64 zu Art. 146 StGB). Wie im persönlichen Täter-Opfer-Verhältnis der Selbstschutz dem Opfer individuell zumutbar sein muss (SÄGESSER, a.a.O., S. 203 Rz. 397 ff.), hat die Strafbarkeitsschwelle beim "Massenbetrug" den etablierten Rahmenbedingungen von Alltagsgeschäften Rechnung zu tragen. Auch der geschäftliche Courant normal fällt in den Schutzbereich des Betrugstatbestands (BGE 142 IV 153 E. 2.2.4). Der moderne Geschäftsverkehr mit seinen oft anonymen, automatisierten Abläufen ist ohne gegenseitiges Vertrauen der Beteiligten nicht funktionstüchtig: Bei routinemässig abzuwickelnden Alltagsgeschäften ist es üblich, auf eine Überprüfung der Angaben der Vertragspartei weitgehend zu verzichten (NYDEGGER, a.a.O., S. 308 f.; MATTHIAS HÄRRI, Die nicht arglistige Täuschung, in: plädoyer 1998 S. 29; vgl. BGE 143 IV 302 E. 1.3.3). Solches Verhalten liegt weit von einer Missachtung grundlegendster Vorsichtsmassnahmen entfernt. In vertraglichen Angelegenheiten kann beim Partner ein Minimum an Redlichkeit vorausgesetzt werden; ihm muss nicht grundsätzlich mit Misstrauen begegnet werden (BGE 147 IV 73 E. 3.2). Selbst eine erhebliche Naivität des Geschädigten hat nicht in jedem Fall zur Folge, dass der Täter straflos ausgeht (BGE 142 IV 153 E. 2.2.2). Der mit Art. 146 StGB bezweckte Vermögensschutz orientiert sich daher notwendigerweise auch am Grundsatz von Treu und Glauben (NYDEGGER, a.a.O., S. 307 ff.). Wenn der Schutz des Strafrechts gegen den betrügerischen Angriff nur erhalten bliebe, wenn sich das Zielpublikum einer erhöhten Abwehrverantwortung unterzöge, so schränkte dies den Schutz von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr empfindlich ein. Die Ausnutzung von sozialadäquatem Vertrauen ist regelmässig als arglistig zu werten. Im Übrigen kann es nicht Aufgabe des Strafrechts sein, das (potentielle oder tatsächliche) Opfer zu grösserer Vorsicht zu erziehen (vgl. NYDEGGER, a.a.O., S. 297 ff.; JEAN-RICHARD-DIT-BRESSEL, a.a.O., S. 99). Der Ausgleich mit Verantwortlichkeitsanteilen des Opferkollektivs erfolgt über die Strafzumessung (vgl. JOSITSCH/LÜTHI, a.a.O., S. 47; MARC THOMMEN, Opfermitverantwortung beim Betrug, in: ZStrR 2008 S. 40).  
 
2.1.6. Nach dem Gesagten verbietet es sich im vorliegenden Zusammenhang, die Gutgläubigkeit der Rechnungsempfänger mit einer Sorglosigkeit gleichzusetzen, die einer Anwendung des Betrugstatbestands entgegenstünde. Damit kann es von vornherein nicht darauf ankommen, dass schon im Deliktszeitraum in einer Konsumentenschutzsendung des Fernsehens über den Fall berichtet wurde.  
 
2.2. Weiter ist das Vorhandensein eines Kausal- resp. Motivationszusammenhangs zwischen Täuschung und Selbstschädigung strittig.  
 
2.2.1. Der Beschwerdegegner betont, die Einzahlungen seien mehrheitlich nicht wegen eines Irrtums über den Bestand der vorgetäuschten Schuld getätigt worden. Es müsse auf die verbindliche Feststellung der Vorinstanz abgestellt werden, wonach zahlreiche Privatkläger bereits aufgrund des blossen Erhalts einer Rechnung bezahlten oder weil sie davon ausgingen, sie schuldeten den in Rechnung gestellten Betrag aus irgendeinem anderen Grund.  
 
2.2.2. Die Vorinstanz erwägt, in der überwiegenden Zahl der Fälle bestehe kein Kausalzusammenhang zwischen Täuschung und Selbstschädigung. Aussagen von Privatklägern zeigten, dass viele davon bezahlt hätten, ohne den Grund für die Rechnungstellung zu kennen und ohne diese mit dem fraglichen Telefonanruf resp. mit dem vermeintlichen Abschluss eines Abonnements zu verbinden. Für zahlreiche Privatkläger sei bereits der Erhalt einer Rechnung Grund genug gewesen. Das folge aus aktenkundigen Aussagen wie: " Wir gehen davon aus, dass wir nur Rechnungen bekommen, wenn wir wirklich etwas zahlen müssen "; " Das war einfach automatisch. Ich habe den Einzahlungsschein genommen und bezahlt. Meine Ärzte haben ihr Konto auch in U.________. Heute würde ich sicher genauer schauen, was der Grund für die Rechnung ist "; " Ich war sehr stutzig. Der Firmenname sagte mir nichts. Ich bezahlte trotzdem. Ich ging einfach davon aus, dass ich die Rechnung zahlen musste "; " Ja, wenn man eine Rechnung bekommt, geht man davon aus, dass man bezahlen muss ". Andere Privatkläger hätten gemeint, die Rechnung aus einem anderen Grund erhalten zu haben: " Ich surfte im Internet und dann bekam ich eine Rechnung. Ich sagte dann zu meiner Frau, dass ich jetzt etwas angeklickt haben muss, das Geld gekostet hat. Dann bezahlte ich die Rechnung "; " Ich hatte ein Paket mit Kleidern per Versand bestellt und bereits eine Teilzahlung geleistet. Ich dachte, die Rechnung könnte deswegen gekommen sein, daher bezahlte ich die Rechnung ". Wiederum andere hätten die Rechnung aus Angst vor negativen Konsequenzen bezahlt, ohne der Meinung zu sein, einen mündlichen Vertrag geschlossen zu haben: " Mein Mann bezahlte, weil er keine Mahnung wollte "; " Das stand so geschrieben, dass ich Angst hatte, dass wenn ich nicht einzahle, dass dann etwas nicht mehr gut ist ".  
 
2.2.3. Nach Art. 146 Abs. 1 StGB müssen der Irrtum und die darauf beruhende Vermögensdisposition des Irrenden Folge der täuschenden Einwirkung durch den Täter sein (Motivationszusammenhang; BGE 128 IV 255 E. 2e/aa; 126 IV 113 E. 3a; MAEDER/NIGGLI, a.a.O., N 60 und 126 ff. zu Art. 146 StGB; GARBARSKI/BORSODI, a.a.O., N 96 ff. zu Art. 146 StGB; NYDEGGER, a.a.O., S. 299). Irreführung und Motiv der Vermögensverfügung müssen sich inhaltlich entsprechen (vgl. Urteil 6B_236/2020 vom 27. August 2020 E. 4.3.1). Wenn das Opfer "sich überzeugen lässt, ohne die vom Täter angebotene Arglist hinreichend zu würdigen" (JEAN-RICHARD-DIT-BRESSEL, a.a.O., S. 78), ist - unter der Voraussetzung, dass die Täuschung überhaupt geeignet ist, beim anvisierten konkreten Opfer einen Irrtum zu bewirken (E. 2.1.3) - allenfalls ein versuchter Betrug gegeben.  
Die obigen Zitate von Opferaussagen illustrieren die Unterschiedlichkeit der Zahlungsmotive. Soweit die Selbstschädigung auf einen Irrtum über das Zustandekommen eines Vertrags anlässlich des telefonischen Rückrufs zurückzuführen war, verwirklichte sich die (vom Täter in erster Linie beabsichtigte) Täuschung über den Bestand einer vertraglichen Zahlungspflicht. Hier steht die Kausalität ausser Frage. Die Vorinstanz nimmt indessen an, dass viele Empfänger der fraglichen Rechnungen eine andere Vorstellung über den Bestand einer Geldschuld entwickelten. Danach haben etliche Rechnungsempfänger bezahlt, ohne die Rechnung dem angeblichen Abonnementsvertrag zuzuordnen, so etwa, weil sie vom Bestehen irgendeiner anderen Schuld ausgegangen sind. Es stellt sich die Frage, ob der Motivationszusammenhang zwischen Täuschung und Selbstschädigung mit Bezug auf diese Fälle ebenfalls gegeben ist. 
Wo Täter und Opfer in direktem Kontakt stehen, erfolgen die Täuschung und die darauf beruhende selbstschädigende Vermögensentäusserung regelmässig im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses, das mit der betrügerischen Interaktion gezielt ausgenutzt wird (vgl. SÄGESSER, a.a.O., S. 153 ff. und 188 ff.). Der Massenbetrug hingegen adressiert einen offenen, anonymen Personenkreis. Bei dieser Ausgangslage sieht der typische Tatplan entsprechend unterschiedliche Kausalverläufe vor. Der erforderliche Motivationszusammenhang ist hier auch für Selbstschädigungen zu bejahen, die nur eingetreten sind, weil etliche Adressaten dem vorgetäuschten Schuldverhältnis aus praktischen Gründen unkritisch begegneten. Die Rechnungen mit auf den jeweiligen Empfänger abgestimmten Angaben waren nicht nur darauf angelegt, über den Abschluss eines Abonnementsvertrags zu täuschen. Das Kalkül des Beschwerdegegners schloss zweifellos auch die nach allgemeiner Lebenserfahrung naheliegende Möglichkeit ein, dass Rechnungsempfänger die vorgetäuschte Schuld (gerade mit Blick auf den relativ geringen Betrag) routinemässig und vertrauensselig, ohne nähere Prüfung des Grundes, begleichen würden (vgl. Urteil 6S.776/2000 vom 14. Mai 2001 E. 8). Haben schliesslich gewisse Empfänger aus blosser Furcht vor Unannehmlichkeiten bezahlt - d.h. etwa aufgrund einer falschen Vorstellung über zu gewärtigende Inkassomassnahmen -, so realisierte sich darin ein Ausnützen der menschlichen Scheu vor (juristischen) Auseinandersetzungen. Bei einem Massenbetrug nach vorliegendem Muster ist auch dieses Irrtums- und Handlungsmotiv Teil des Tatplans. 
 
2.3. Zusammengefasst liegt im Anklagepunkt "B.________" eine arglistige Täuschung des Publikums vor (E. 2.1); der betrügerische Erfolg ist dieser Täuschung kausal zuzurechnen (E. 2.2). Der Freispruch verletzt Bundesrecht (Art. 95 lit. a BGG). Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Anträge der Beschwerdeführerin betreffend Strafmass, Vollzug und Kostenfolgen haben keine eigenständige Bedeutung, sondern leiten sich aus dem Antrag ab, der Beschwerdegegner sei auch hinsichtlich der Anklage-Ziff. I ("B.________") schuldig zu sprechen.  
 
3.  
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdegegner kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführerin erhält keine Parteientschädigung, da sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegt (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 22. Oktober 2019 wird aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Dem Beschwerdegegner werden Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 13. September 2021 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Der Gerichtsschreiber: Traub