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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_960/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 22. Mai 2014  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi, 
Gerichtsschreiber Faga. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Christian Schroff, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Zürcherstrasse 323, 8510 Frauenfeld,  
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Genugtuung für Untersuchungs- und Sicherheitshaft; Entschädigung der amtlichen Verteidigung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 28. August 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
X.________ wurde am 30. Dezember 2012 festgenommen. Er befand sich bis 28. Februar 2013, somit während insgesamt 61 Tagen, in Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft. 
Die Staatsanwaltschaft Bischofszell erhob am 7. Februar 2013 Anklage im abgekürzten Verfahren. An der Gerichtsverhandlung anerkannte X.________ die Anklage und stellte den Antrag, es sei ihm für die Überhaft von 34 Tagen (25. Januar bis 28. Februar 2013) eine Genugtuung zuzusprechen. Das Bezirksgericht Arbon verurteilte X.________ am 28. Februar 2013 wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und Verletzung von Verkehrsregeln zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, unter Anrechnung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft von 61 Tagen. Zugleich hob es die Sicherheitshaft auf und ordnete die Entlassung von X.________ aus der Haft an. Es sistierte den Entscheid über die beantragte Genugtuung bis zum Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau über die dort anhängigen Beschwerdeverfahren betreffend Untersuchungs- und Sicherheitshaft. 
 
B.  
Nach der Festnahme von X.________ ordnete das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Thurgau am 3. Januar 2013 die Untersuchungshaft an und verlängerte sie am 28. Januar 2013 bis 1. März 2013. Nachdem die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hatte, verfügte es am 11. Februar 2013 Sicherheitshaft bis einstweilen 6. Mai 2013. Das Obergericht des Kantons Thurgau wies eine gegen die Haftverlängerung gerichtete Beschwerde am 21. Februar 2013 ab, soweit sie nicht durch die Anordnung der Sicherheitshaft gegenstandslos geworden war. Das Bundesgericht trat auf die dagegen gerichtete Beschwerde am 30. April 2013 mangels aktuellem praktischem Interesse nicht ein. In der Begründung führte es aus, dass keine offensichtliche Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention vorliegt und das Haftverfahren formell korrekt durchgeführt wurde (Urteil 1B_143/2013 vom 30. April 2013 E. 2.2.2). 
Das Obergericht des Kantons Thurgau schützte am 7. März 2013 die gegen die Anordnung der Sicherheitshaft gerichtete Beschwerde, soweit sie wegen der in der Zwischenzeit erfolgten Haftentlassung nicht gegenstandslos geworden war, und stellte fest, dass "die Sicherheitshaft nicht rechtmässig war". Der Begründung lässt sich entnehmen, dass die Beschwerdeinstanz das Vorliegen eines besonderen Haftgrunds verneinte, weil X.________ seine Zustimmung zum abgekürzten Verfahren erklärt hatte. 
 
C.  
Nach Abschluss der Beschwerdeverfahren vor dem Obergericht nahm das Bezirksgericht Arbon das sistierte Verfahren betreffend Haftentschädigung wieder an die Hand und sprach X.________ am 4. Juni 2013 "für rechtswidrige Untersuchungs- und Sicherheitshaft" eine Genugtuung von Fr. 4'000.-- nebst Zins zu 5% seit 16. Februar 2013 zu. Das Obergericht erhöhte am 28. August 2013 die Genugtuung auf Fr. 5'000.--, legte den Beginn des Zinsenlaufs auf den 14. Februar 2013 und setzte die Entschädigung der amtlichen Verteidigung auf Fr. 1'300.--, zuzüglich 8% MwSt, fest. 
 
D.  
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt die Zusprechung einer Genugtuung von Fr. 6'800.-- nebst Zins zu 5% seit 14. Februar 2013 und einer Parteientschädigung für das vorinstanzliche Verfahren von Fr. 2'142.20. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Entscheide, die der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen, müssen u.a. die massgebenden Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art, insbesondere die Angaben der angewendeten Gesetzesbestimmungen enthalten (Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht kann einen Entscheid, der diesen Anforderungen nicht genügt, an die kantonale Behörde zur Verbesserung zurückweisen oder aufheben (Art. 112 Abs. 3 BGG).  
 
1.2. Der angefochtene Entscheid genügt den gesetzlichen Eröffnungsanforderungen nicht. Er beschränkt sich im Wesentlichen auf eine Wiedergabe des Verfahrensablaufs, der Parteistandpunkte und der vorinstanzlichen Erwägungen, ohne sich zur tatsächlichen oder rechtlichen Anspruchsgrundlage der zugesprochenen Entschädigung zu äussern. Bezeichnenderweise fehlt jeder Hinweis auf die angewendeten Gesetzesbestimmungen.  
 
1.3. Ein mangelhaft eröffneter Entscheid ist nicht nichtig (BGE 122 I 97 E. 3a/aa). Den Parteien darf aber aus einer mangelhaften Eröffnung kein Nachteil entstehen (Art. 49 BGG). Da der angefochtene Entscheid trotz Eröffnungsfehler überprüfbar ist, kann auf eine Rückweisung oder Aufhebung verzichtet werden und steht einer materiellen Beurteilung nichts entgegen (Hansjörg Seiler, in: Bundesgerichtsgesetz (BGG), 2007, N. 28 zu Art. 112 BGG).  
 
1.4. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist weder an die in der Beschwerde vorgetragene Begründung der Rechtsbegehren noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Es kann eine Beschwerde mithin auch aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen, und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 mit Hinweis). Das Bundesgericht darf indes nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen (Art. 107 Abs. 1 BGG).  
 
2.  
 
2.1. Nach Art. 51 StGB rechnet das Gericht die Untersuchungshaft, die der Täter während dieses oder eines anderen Verfahrens ausgestanden hat, auf die Strafe an. Zu entziehende Freiheit soll demnach wenn immer möglich mit bereits entzogener kompensiert werden (BGE 133 IV 150 E. 5.1 mit Hinweisen).  
Das Bezirksgericht Arbon verurteilte den Beschwerdeführer am 28. Februar 2013 zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, unter Anrechnung der (gesamthaften) Untersuchungs- und Sicherheitshaft von 61 Tagen. Für eine zusätzliche Haftentschädigung verbleibt somit grundsätzlich kein Raum. 
 
2.2. Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO regelt die Haftentschädigung bei vollumfänglichem oder teilweisem Freispruch. Nachdem der Beschwerdeführer im Sinne der Anklage verurteilt wurde, kann die von der Vorinstanz zugesprochene Entschädigung nicht auf diese Bestimmung gestützt werden.  
Ebenfalls keine Anspruchsgrundlage bildet Art. 431 StPO, wonach der Beschuldigte bei rechtswidrig angewandten Zwangsmassnahmen Anspruch auf angemessene Entschädigung und Genugtuung hat. Bei Untersuchungs- und Sicherheitshaft ist ein derartiger Anspruch nur gegeben, wenn die zulässige Haftdauer überschritten ist, d.h. wenn sogenannte Überhaft vorliegt, und der übermässige Freiheitsentzug nicht an die wegen anderer Straftaten ausgesprochenen Sanktionen angerechnet werden kann. Überhaft liegt nicht vor, da die ausgefällte Freiheitsstrafe die Dauer der vom Beschwerdeführer erstandenen Untersuchungs- und Sicherheitshaft überschreitet. 
 
2.3. Das Obergericht des Kantons Thurgau stellte im Beschwerdeentscheid vom 7. März 2013 zwar fest, dass die nach der Anklageerhebung angeordnete Sicherheitshaft "rechtswidrig" war. Rechtswidrig sind Zwangsmassnahmen aber nur dann, wenn sie von allem Anfang an ungesetzlich waren. Die blosse Tatsache, dass sie sich im Nachhinein als unberechtigt erweisen, weil die Rechtsmittelinstanz die Voraussetzungen in Ausübung ihres Ermessens anders beurteilt, lässt die Zwangsmassnahme als ungerechtfertigt, nicht aber als rechtswidrig erscheinen.  
Weder der Beschwerdeführer noch die Vorinstanz machen geltend, die Sicherheitshaft sei in einem qualifizierten Sinn ungesetzlich angeordnet worden. Es kann deshalb offenbleiben, ob sich in einer derartigen Konstellation allenfalls ein Entschädigungsanspruch unmittelbar gestützt auf Art. 5 Ziff. 5 EMRK ergeben könnte, der von der Regelung in der Strafprozessordnung nicht erfasst wird. 
 
2.4. Eine Aufhebung des angefochtenen Entscheids fällt trotz falscher Rechtsanwendung durch die Vorinstanz ausser Betracht, da das Bundesgericht an die Begehren der Parteien gebunden ist (vgl. Art. 107 Abs. 1 BGG) und die Gegenpartei den vorinstanzlichen Entscheid nicht angefochten hat.  
Die Einwendungen des Beschwerdeführers richten sich ausschliesslich gegen die quantitative Bemessung der ihm zugesprochenen Haftentschädigung. Sie sind deshalb, nachdem ein Anspruch auf Genugtuung verneint wird, nicht näher zu prüfen. Die Beschwerde ist abzuweisen. 
 
3.  
Die Vorinstanz sprach dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers aus amtlicher Verteidigung eine Parteientschädigung von Fr. 1'300.-- (zuzüglich MwSt) zu. Der Beschwerdeführer beantragt, diese sei auf Fr. 2'142.20 (inklusive Spesen und MwSt) festzusetzen. 
Die Festsetzung der Höhe der Entschädigung betrifft grundsätzlich nur die eigenen Interessen des amtlichen Verteidigers. Die amtlich verteidigte Partei ist hingegen durch eine behaupteterweise zu tief festgesetzte Entschädigung nicht in ihren eigenen Rechten betroffen, weshalb es ihr an einem rechtlich geschützten Interesse an der Erhöhung der Entschädigung fehlt. Sie ist nicht zur Rüge legitimiert, das dem amtlichen Verteidiger zugesprochene Honorar sei zu niedrig bemessen (Urteil 6B_45/2012 vom 7. Mai 2012 E. 1.2). 
Auf die Beschwerde ist deshalb in diesem Punkt mangels Legitimation des Beschwerdeführers nicht einzutreten. 
 
4.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist abzuweisen, da die Beschwerde von vornherein als aussichtslos erschien (Art. 64 Abs. 1 BGG, vgl. dazu BGE 138 III 217 E. 2.2.4). Seiner finanziellen Lage ist mit einer herabgesetzten Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. Mai 2014 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Der Gerichtsschreiber: Faga