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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_457/2021  
 
 
Urteil vom 28. Oktober 2021  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiberin Hänni. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.________, 
2. B.________, 
Beschwerdeführer, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Werner Marti, 
 
gegen  
 
Staats- und Jugendanwaltschaft des Kantons Glarus, 
Postgasse 29, 8750 Glarus. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Nichtzulassung als Verteidiger, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des 
Kantons Glarus vom 29. Juni 2021 (OG.2021.00048). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staats- und Jugendanwaltschaft des Kantons Glarus (nachfolgend Staatsanwaltschaft) führt gegen A.________ und B.________ eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts auf ungetreue Geschäftsbesorgung, eventuell Veruntreuung. Die Anzeigerin und der Anzeiger werfen A.________ und B.________ vor, sie hätten als Mitgesellschafter der Baugesellschaft C.________ zulasten des Geschäftskontos nicht autorisierte Zahlungen an eine Drittfirma vorgenommen. 
 
B.  
Mit Verfügung vom 7. Juni 2021 entschied die verfahrensleitende Staatsanwältin, Rechtsanwalt Werner Marti in der laufenden Strafuntersuchung weder als Verteidiger von A.________ noch als Verteidiger von B.________ zuzulassen. Eine von den beiden Beschuldigten dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Glarus mit Beschluss vom 29. Juni 2021 ab. 
 
C.  
Dagegen haben A.________ und B.________, beide vertreten durch Rechtsanwalt Werner Marti, Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht erhoben. Sie beantragen die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Eventualiter sei der angefochtene Beschluss insoweit aufzuheben, als Rechtsanwalt Werner Marti als Verteidiger des Beschwerdeführers 1 zuzulassen sei. Sie beantragten im Übrigen die Gewährung der aufschiebenden Wirkung. 
Die Staatsanwaltschaft verzichtet auf Vernehmlassung und beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht beantragt die Abweisung der Beschwerde unter Hinweis auf die Erwägungen im angefochtenen Beschluss. 
 
D.  
Mit Verfügung vom 6. September 2021 erkannte das Bundesgericht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der vom Beschwerdeführer angefochtene Entscheid betrifft eine Strafsache im Sinne von Art. 78 Abs. 1 BGG und wurde von einer letzten kantonalen Instanz gefällt (Art. 80 Abs. 1 und 2 BGG). Es handelt sich um einen das Strafverfahren nicht abschliessenden Zwischenentscheid, der geeignet ist, einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zu bewirken (vgl. Urteile 1B_602/2019 vom 5. Februar 2020 E. 1; 1B_510/2018 vom 14. März 2019 E. 1, nicht publ. in: BGE 145 IV 218; 1B_358/2014 vom 12. Dezember 2014 E. 2; BGE 135 I 261 E. 1.3 f.). Der Beschwerdeführer ist nach Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt.  
 
1.2. Die Beschwerdeführer stellen den Eventualantrag, der angefochtene Beschluss sei insoweit aufzuheben, als Rechtsanwalt Werner Marti als Verteidiger des Beschwerdeführers 1 zuzulassen sei. Sie begründen diesen Antrag jedoch nicht; darauf ist somit nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 1 BGG).  
 
1.3. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Unter Vorbehalt von E. 1.2 ist somit auf die Beschwerde einzutreten.  
 
2.  
Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 3 EMRK, von Art. 127 Abs. 3 StPO sowie von Art. 12 lit. c des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (BGFA; SR 935.61). 
 
2.1. Nach Art. 127 Abs. 3 StPO kann eine Rechtsbeiständin bzw. ein Rechtsbeistand in den Schranken von Gesetz und Standesregeln im gleichen Verfahren die Interessen mehrerer Verfahrensbeteiligter wahren. In diesem Zusammenhang ist insbesondere Art. 12 lit. c BGFA zu beachten, wonach Anwältinnen und Anwälte jeden Konflikt zwischen den Interessen ihrer Klientschaft und den Personen, mit denen sie geschäftlich oder privat in Beziehung stehen, zu meiden haben. Daraus ergibt sich insbesondere das Verbot der Doppelvertretung: Ein Anwalt bzw. eine Anwältin darf nicht in ein und derselben Streitsache Parteien mit gegenläufigen Interessen vertreten, weil er oder sie sich diesfalls weder für die eine noch für die andere Partei voll einsetzen könnte (BGE 141 IV 257 E. 2.1; 135 II 145 E. 9.1; 134 II 108 E. 3; Urteil 1B_263/2016 vom 4. Oktober 2016 E. 2.1).  
Eine bloss theoretische oder abstrakte Möglichkeit des Auftretens gegensätzlicher Interessenlagen reicht nicht aus, um auf eine unzulässige Vertretung zu schliessen; verlangt wird vielmehr ein sich aus den gesamten Umständen ergebendes konkretes Risiko eines Interessenkonfliktes. Umgekehrt ist aber nicht erforderlich, dass sich dieser bereits realisiert hat und die Rechtsvertretung ihr Mandat schlecht oder zum Nachteil der Klientschaft ausgeführt hat (BGE 145 IV 218 E. 2.1). 
Diese Grundsätze sind im Strafverfahren umso wichtiger, wenn es um die Verteidigung beschuldigter Personen geht. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass im Falle einer Mehrfachvertretung im Verlaufe des Verfahrens eine der beschuldigten Personen versucht, ihre eigene Schuld zu minimieren oder auf die anderen Beschuldigten abzuwälzen. Diese Gefahr besteht selbst dann, wenn der Anwalt oder die Anwältin beabsichtigt, eine gemeinsame Strategie zu verfolgen und im Namen aller Vertretenen auf Freispruch zu plädieren (BGE 141 IV 257 E. 2.1). 
Eine Mehrfachverteidigung von verschiedenen beschuldigten Personen in einem Verfahren könnte allenfalls (im Interesse der Verfahrenseffizienz) ausnahmsweise erlaubt sein, sofern die mitbeschuldigten Personen durchwegs identische und widerspruchsfreie Sachverhaltsdarstellungen geben und ihre Prozessinteressen nach den konkreten Umständen nicht divergieren (Urteil 1B_611/2012 vom 29. Januar 2013 E. 2.2 mit Hinweisen). 
Bei ihrem Entscheid über die Nichtzulassung bzw. Abberufung von Anwältinnen und Anwälten hat die Verfahrensleitung entsprechenden Interessenkonflikten in jedem Verfahrensstadium vorausschauend Rechnung zu tragen (Urteile 1B_59/2018 vom 31. Mai 2018 E. 2.4; 1B_7/2009 vom 16. März 2009 E. 5.5, nicht publ. in: BGE 135 I 261). 
 
2.2. Das Obergericht führte in seinem Beschluss aus, die Staatsanwaltschaft ermittle gegen die Beschwerdeführer wegen möglicher Vermögensdelikte. In vorausschauender Perspektive lasse sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit Sicherheit ausschliessen, dass die Interessenlage der beiden Beschwerdeführer während der ganzen Dauer des Verfahrens gleichgerichtet bleibe. Aktuell sei diese zwar insofern noch gleichgerichtet, als sie beide von einem Freispruch ausgehen würden. Indes sei der Ausgang des Verfahrens zurzeit gänzlich offen, da substanzielle Untersuchungshandlungen erst bevorstünden. Mithin sei nicht auszuschliessen, dass sich dabei Verdachtsmomente erhärten könnten. Diesfalls könnten die Interessen der beiden Beschwerdeführer dereinst gegensätzlich sein. Um einen Freispruch oder ein möglichst mildes Urteil zu erreichen, könnte dannzumal jeder der beiden Beschwerdeführer versucht sein, zwecks eigener Entlastung den anderen zu belasten und ihm die Hauptschuld zuzuschieben, womit eine wirksame Verteidigung durch die gleiche Rechtsvertretung nicht mehr gewährleistet wäre.  
 
2.3. Was die Beschwerdeführer dagegen vorbringen, vermag nicht zu überzeugen.  
 
2.3.1. Diese machen zunächst geltend, sie liessen sich auch in den zivilrechtlichen Verfahren, die den gleichen Sachverhalt betreffen würden, gemeinsam durch Rechtsanwalt Werner Marti vertreten, der mit der Materie vertraut sei. Dieser habe sie über ihre Rechte und ihre Position als Beschuldigte aufgeklärt, worauf sie sich entschieden hätten, im Strafverfahren, das nur zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche diene, keine Aussagen zu machen. Zwischen ihnen bestünden keinerlei Interessengegensätze oder die Gefahr widersprüchlicher Aussagen.  
Gemäss der oben dargestellten Rechtsprechung (E. 2.1) ist es jedoch nicht notwendig, dass sich ein Interessenkonflikt bereits realisiert hat, um auf eine unzulässige Doppelvertretung zu schliessen. Die Ausführungen der Beschwerdeführer, wonach zum jetzigen Zeitpunkt keine Interessenkonflikte zwischen ihnen bestünden, sind somit nicht ausschlaggebend. Die Vorinstanz hat im Übrigen auch nicht festgestellt, ein solcher sei bereits heute vorhanden, sondern ging in ihrem Beschluss von einem Risiko eines solchen aus (vgl. unten E. 2.3.2). Auch aus der summarischen Darstellung der Vertretungsverhältnisse in den zivilrechtlichen Verfahren vermögen die Beschwerdeführer nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. 
 
2.3.2. Die Beschwerdeführer machen sodann geltend, weder die Vorinstanz noch die Staatsanwaltschaft gingen von einem aktuellen Interessenkonflikt, sondern lediglich von einer theoretischen, möglicherweise in einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens eintretenden Interessenkollision aus. Dies reiche nicht, um einen Ausschluss der Verteidigung anzuordnen.  
Wie bereits dargestellt, verlangt die Rechtsprechung ein sich aus den gesamten Umständen ergebendes konkretes Risiko eines Interessenkonfliktes. Gemäss Obergericht besteht dieses im vorliegenden Verfahren, dessen Ausgang gänzlich offen sei, darin, dass sich die Verdachtsmomente durch die bevorstehenden substanziellen Untersuchungshandlungen erhärten könnten. Diesfalls sei nicht auszuschliessen, dass die Interessen der beiden Beschwerdeführer konträr liegen könnten und jeder der beiden versucht sein könnte, zwecks eigener Entlastung den anderen zu belasten. Mit der Umschreibung der Umstände des vorliegenden Falls - gänzlich offener Verfahrensausgang, bevorstehende substanzielle Untersuchungshandlungen, die zu einer Erhärtung der Verdachtsmomente führen können - hat das Obergericht hinreichend dargelegt, inwiefern das Risiko eines Interessenkonfliktes im vorliegenden Fall nicht nur theoretisch, sondern im Gegenteil konkret ist. Die Beschwerdeführer, die sich im Übrigen nicht im Detail mit der Begründung des Obergerichts auseinandersetzen, vermögen somit mit ihrer Argumentation nicht durchzudringen.  
 
2.3.3. Schliesslich machen die Beschwerdeführer geltend, das Obergericht und die Staatsanwaltschaft würden ausblenden, dass sie nicht nur einfache Gesellschafter der BG 1621 seien, sondern auch privat ein Paar bildeten. Dass sie sich in dieser Konstellation über ihre gemeinsame Verteidigung unterhalten und absprechen würden, sei selbstverständlich und ihr gutes Recht.  
Das Vorbringen, wonach die beiden Beschwerdeführer auch privat ein Paar bildeten, ist ein Sachverhaltselement, das vor dem Bundesgericht erstmals vorgebracht wird. Es handelt sich somit um ein unzulässiges Novum (Art. 99 Abs. 1 BGG). Im Übrigen wäre jedoch nicht ersichtlich, inwiefern dieses Element das oben dargestellte konkrete Risiko eines Interessenkonfliktes vermindern würde. 
 
2.4. Indem es die Doppelvertretung für unzulässig erklärte, hat das Obergericht kein Bundesrecht verletzt.  
 
3.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens tragen die Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Staats- und Jugendanwaltschaft des Kantons Glarus und dem Obergericht des Kantons Glarus schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 28. Oktober 2021 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Hänni