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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_93/2007 
 
Urteil vom 29. Februar 2008 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterinnen Widmer, Leuzinger, 
Gerichtsschreiberin Berger Götz. 
 
Parteien 
Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn, Untere Sternengasse 2, 4500 Solothurn, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
S.________, 
Beschwerdegegner, 
vertreten durch Rechtsanwalt Rémy Wyssmann, Hauptstrasse 36, 4702 Oensingen. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 5. Februar 2007. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1952 geborene S.________ war vom 1. März 1993 bis 31. Mai 2003 als Gipser bei der X.________ AG angestellt gewesen. Letzter geleisteter Arbeitstag war der 28. Mai 2001. Am 25. August 2003 stellte S.________ Antrag auf Arbeitslosenentschädigung und gab an, er sei bereit und in der Lage teilzeitlich zu arbeiten. Das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn (AWA) verneinte die Anspruchsberechtigung wegen fehlender Vermittlungsfähigkeit ab 20. November 2004 bis auf weiteres (Verfügung vom 10. Dezember 2004). 
 
S.________ hatte sich ausserdem am 22. April 2002 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet. Die zuständige IV-Stelle des Kantons Solothurn sprach ihm mit Wirkung ab 1. Mai 2002 eine halbe Invalidenrente, basierend auf einem Invaliditätsgrad von 58 %, zu (Verfügung vom 2. März 2005). 
 
Nachdem S.________ per 12. Januar 2005 erneut um Ausrichtung von Arbeitslosentaggeldern ersucht hatte, bejahte das AWA mit Verwaltungsakt vom 10. Juni 2005 die Vermittlungsfähigkeit in Bezug auf eine teilzeitliche Erwerbstätigkeit im Umfang von 42 % ab 12. Januar 2005 bis auf weiteres. Daran hielt es auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 2. August 2005). 
B. 
S.________ liess Beschwerde einreichen und beantragen, es seien ihm "ab wann rechtens die gesetzlichen Leistungen nach Massgabe einer Vermittlungsfähigkeit von mindestens 70 %" zuzüglich Verzugszins zu 5 % zuzusprechen. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde hob das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn den Einspracheentscheid vom 2. August 2005 auf und wies die Sache an das AWA zurück, damit es im Sinne der Erwägungen vorgehe und neu entscheide (Entscheid vom 5. Februar 2007). 
C. 
Das AWA führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid vom 5. Februar 2007 sei aufzuheben; eventualiter sei zur genaueren Abklärung der Arbeitsfähigkeit eine vertrauensärztliche Untersuchung anzuordnen. 
S.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen; ferner lässt er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung ersuchen und die Sistierung des Verfahrens "bis zum Entscheid über das hängige Armenrechtsgesuch" beantragen. Mit nachfolgender Eingabe vom 27. September 2007 lässt er das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zurückziehen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) verzichtet auf eine Stellungnahme. 
 
Erwägungen: 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine unvollständige Sachverhaltsfeststellung stellt eine vom Bundesgericht ebenfalls zu korrigierende Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 lit. a BGG dar (Seiler/von Werdt/Güngerich, Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Bern 2007, N. 24 zu Art. 97 BGG). 
2. 
2.1 Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Vermittlungsfähigkeit im Allgemeinen (Art. 8 Abs. 1 lit. f AVIG in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 AVIG) und von behinderten Personen im Speziellen (Art. 8 Abs. 1 lit. f in Verbindung mit Art. 15 Abs. 2 AVIG und Art. 15 Abs. 3 AVIV) sowie zum Verhältnis zwischen Arbeitslosen- und Invalidenversicherung (BGE 109 V 25 E. 3d S. 29) zutreffend dargelegt. Richtig ist sodann auch der Hinweis darauf, dass der Begriff der Vermittlungs(un)fähigkeit als Anspruchsvoraussetzung graduelle Abstufungen ausschliesst. Entweder ist die versicherte Person vermittlungsfähig, insbesondere bereit, eine zumutbare Arbeit (im Umfang von mindestens 20 % eines Normalarbeitspensums; vgl. Art. 5 AVIV und BGE 120 V 385 E. 4c/aa S. 390) anzunehmen, oder nicht (BGE 126 V 124 E. 2 S. 126, 125 V 51 E. 6a S. 58). 
2.2 Gemäss Art. 53 Abs. 1 ATSG ist der Sozialversicherungsträger verpflichtet, auf eine formell rechtskräftige Verfügung zurückzukommen, wenn sich diese auf Grund neu entdeckter Tatsachen oder Beweismittel als unrichtig erweist. Erheblich können nur Tatsachen sein, die zur Zeit der Erstbeurteilung bereits bestanden, jedoch unverschuldeterweise unbekannt waren oder unbewiesen geblieben sind. Diese Grundsätze gelten in der Arbeitslosenversicherung in gleicher Weise wie in den anderen Gebieten der Sozialversicherung (BGE 108 V 167 E. 2b S. 168). Nach der Rechtsprechung stellt die rückwirkende Zusprechung einer Invalidenrente hinsichtlich formlos erbrachter Taggeldleistungen der Arbeitslosenversicherung eine neue erhebliche Tatsache dar, deren Unkenntnis die Arbeitslosenkasse nicht zu vertreten hat, weshalb ein Zurückkommen auf die ausgerichteten Leistungen auf dem Wege der prozessualen Revision im Allgemeinen als zulässig erachtet wird (BGE 132 V 357 E. 3.1). Gleiches muss gelten, wenn die versicherte Person im Lichte einer zwischenzeitlich ergangenen Rentenverfügung der Invalidenversicherung die Überprüfung der Vermittlungsfähigkeit verlangt. 
3. 
Das AWA hat die Vermittlungsfähigkeit für die Zeit ab 20. November 2004 verneint (Verfügung vom 10. Dezember 2004). Die Verwaltung geht davon aus, dass der Beschwerdegegner ab 12. Januar 2005 wiederum vermittlungsfähig und namentlich bereit und in der Lage sei, eine zumutbare Arbeit im Umfang von 42 % eines Normalarbeitspensums auszuüben. Demgegenüber nehmen das kantonale Gericht und der Versicherte durchwegs eine Vermittlungsfähigkeit für ein 70%iges Arbeitspensum an. Die subjektive Vermittlungsbereitschaft war nie umstritten. 
3.1 Die BEFAS hat im Auftrag der IV-Stelle des Kantons Solothurn vom 28. Juli bis 22. August 2003 eine berufliche Abklärung vorgenommen. Im abschliessenden Bericht vom 22. September 2003, in welchem auch auf die medizinische Situation eingegangen wird, kommen Berufsberater, Berufsabklärer und Konsiliararzt zum Ergebnis, dass dem Versicherten keine körperlich schweren Arbeiten mehr zumutbar seien. Die angestammte Tätigkeit als Gipser komme daher nicht mehr in Frage. Der Beschwerdegegner könne aber einer ganztägigen, körperlich leichten Beschäftigung nachgehen und dabei eine Leistung bis zu 70 % erbringen. Auf diesen Bericht hat die IV-Stelle in ihrer Rentenverfügung vom 2. März 2005 abgestellt und - ausgehend von einem 70%igen Pensum in einer angepassten Tätigkeit - einen Invaliditätsgrad von 58 % ermittelt. Die äusserst knappen Stellungnahmen des behandelnden Arztes Dr. med. R.________, Allgemeine Medizin FMH, auf welche sich der Beschwerdeführer beruft, lassen entgegen den Vorbringen in der letztinstanzlich eingereichten Beschwerde keinen anderen Schluss zu. Der Hausarzt hat seit dem 1. September 2001 durchgehend eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit attestiert. Auf Anfrage des AWA, welches unter anderem auf den Umstand hinwies, dass die IV-Stelle zwischenzeitlich gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 58 % eine halbe Rente ausrichte, antwortete er am 10. Mai 2005, die Arbeitsunfähigkeit betrage 100 % ab 1. September 2001; in den letzten Wochen und Monaten hätte sich der Gesundheitszustand eher verbessert, so dass er ab 1. Juni 2005 eine Arbeitsfähigkeit von "42 %, das heisst Arbeitsunfähigkeit von 58 %" in der freien Wirtschaft attestierte, wobei der Versicherte für schwere Arbeiten nicht mehr einsetzbar sei. Der Hausarzt wollte also offenbar die Einschätzung der Invalidenversicherung übernehmen, hat aber fälschlicherweise den ermittelten Invaliditätsgrad von 58 % mit der Arbeitsunfähigkeit gleichgesetzt. Weshalb gemäss seinem Schreiben vom 10. Mai 2005 ausgerechnet ab 1. Juni 2005 eine höhere Arbeitsfähigkeit gegeben sein soll, wird nicht klar. Er hat weder die von ihm attestierte Einschränkung in der Arbeitsfähigkeit noch die Verbesserung des Gesundheitszustandes (auf den 1. Juni 2005) je begründet. Ebenso wenig lässt sich nachvollziehen, weshalb das AWA gestützt auf diese Aussagen bereits ab 12. Januar 2005 von einer zufolge Verbesserung des Gesundheitszustandes erhöhten Arbeitsfähigkeit ausgeht. Die Vorinstanz hat gestützt auf den schlüssigen BEFAS-Bericht vom 22. September 2003 die Vermittlungsfähigkeit im Umfang von 70 % eines Normalarbeitspensums bejaht, was vom Beschwerdegegner nicht beanstandet wurde. Es ist dem kantonalen Gericht weder eine unvollständige noch eine offensichtlich unrichtige oder auf einer Rechtsverletzung beruhende Sachverhaltsfeststellung vorzuwerfen. Weitere Abklärungen in medizinischer Hinsicht waren und sind nicht notwendig, weil zur (Rest-)Arbeitsfähigkeit des Versicherten ein nachvollziehbarer und umfassender Bericht vorliegt. Für allfällige Änderungen des Gesundheitszustandes bis zum 2. August 2005 (Erlass des Einspracheentscheides, welcher die für die richterliche Beurteilung in zeitlicher Hinsicht massgebende Grenze bildet; BGE 129 V 1 E. 1.2 S. 4) ergeben sich keinerlei Hinweise. 
3.2 Die Vorinstanz hat die Sache demnach zu Recht an das AWA zurückgewiesen, damit es - bei durchwegs gegebener Vermittlungsfähigkeit - die weiteren Anspruchsvoraussetzungen prüfe und über den Leistungsanspruch neu verfüge. Den Verwaltungsakt der IV-Stelle vom 2. März 2005, mit welchem dem Versicherten rückwirkend ab 1. Mai 2002 eine halbe Invalidenrente zugesprochen wurde, hat das kantonale Gericht als neue erhebliche Tatsache qualifiziert, und damit einen prozessualen Revisionsgrund im Hinblick auf die die Vermittlungsfähigkeit ab 20. November 2004 verneinende Verfügung des AWA vom 10. Dezember 2004 bejaht. Demnach weist es die Verwaltung im angefochtenen Entscheid korrekterweise an, die Verfügung vom 10. Dezember 2004 revisionsweise aufzuheben, den Leistungsanspruch ab 20. November 2004 neu zu prüfen und gegebenenfalls Verzugszinsen auszurichten. Eine Rechtsverletzung lässt sich in diesem Vorgehen nicht erkennen. 
3.3 Abschliessend ist darauf hinzuweisen, dass der von der IV-Stelle festgestellte Invaliditätsgrad von 58 %, welchen das AWA gestützt auf die irreführenden Angaben des Hausarztes fälschlicherweise mit der Arbeitsunfähigkeit gleichgesetzt hat, bei der Ermittlung des versicherten Verdienstes (Art. 23 Abs. 1 AVIG) zu berücksichtigen sein wird. Bei Versicherten, die unmittelbar vor oder während der Arbeitslosigkeit eine gesundheitsbedingte Beeinträchtigung ihrer Erwerbsfähigkeit erleiden, ist nämlich gemäss Art. 40b AVIV der Verdienst massgebend, welcher der verbleibenden Erwerbsfähigkeit entspricht. Der versicherte Verdienst im Sinne von Art. 40b AVIV berechnet sich nach dem vor der gesundheitsbedingten Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit tatsächlich erzielten Einkommen, multipliziert mit dem Faktor, der sich aus der Differenz zwischen 100 % und dem Invaliditätsgrad ergibt (BGE 132 V 357). 
4. 
Dem AWA als unterliegender Partei sind keine Gerichtskosten aufzuerlegen, weil es in seinem amtlichen Wirkungskreis und nicht im eigenen Vermögensinteresse handelt (Art. 66 Abs. 4 BGG; BGE 133 V 640). Dem Ausgang des Verfahrens gemäss hat das AWA dem Beschwerdegegner allerdings eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2), welche in Anbetracht der Tatsache, dass sich die Eingaben des Beschwerdegegners im letztinstanzlichen Prozess auf Fristerstreckungsgesuche, die Stellung von blossen Anträgen und eine Kurzbegründung für das - später zurückgezogene - Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung beschränken, auf Fr. 600.- festgesetzt wird. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Das Gesuch des Beschwerdegegners um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird als gegenstandslos abgeschrieben. 
4. 
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 600.- zu entschädigen. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, der Unia Arbeitslosenkasse, Olten, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft schriftlich mitgeteilt. 
Luzern, 29. Februar 2008 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Ursprung Berger Götz