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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_569/2007 
 
Urteil vom 4. April 2008 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard, 
Gerichtsschreiberin Berger Götz. 
 
Parteien 
R.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Dr. Michel Heinzmann, Advocomplex Advokaturbüro, Zinggstrasse 16, 3007 Bern, 
 
gegen 
 
Unia Arbeitslosenkasse, Monbijoustrasse 61, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 14. August 2007. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der 1959 geborene R.________ war vom 1. März 1990 bis 31. März 2005 Mitarbeiter der Firma X.________ AG. Bereits am 14. Dezember 2004 hatte er sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet. Die IV-Stelle Bern lehnte einen Rentenanspruch unter Hinweis auf einen Invaliditätsgrad von 33 % ab (Verfügung vom 29. Januar 2007). R.________ hat ausserdem am 14. März 2006 Antrag auf Arbeitslosenentschädigung gestellt und angegeben, er sei bereit und in der Lage, vollzeitlich erwerbstätig zu sein. Die Unia Arbeitslosenkasse ermittelte einen versicherten Verdienst von Fr. 5'725.- und erbrachte ab 8. März 2006 Arbeitslosentaggelder. Ab Februar 2007 leistete sie lediglich noch Taggelder auf der Basis eines versicherten Verdienstes von Fr. 3'836.- (67 % von Fr. 5'725.-). Dies bestätigte sie mit Verfügung vom 14. März 2007 und wies darauf hin, dass der "Vermittlungsgrad" bei einem Invaliditätsgrad von 33 % noch 67 % betrage, womit der versicherte Verdienst entsprechend zu kürzen sei. Die gleichentags erhobene Einsprache des R.________ lehnte sie ab (Einspracheentscheid vom 15. März 2007). 
 
B. 
Die dagegen geführte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern ab (Entscheid vom 14. August 2007). 
 
C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt R.________ beantragen, es sei festzustellen, dass der versicherte Verdienst Fr. 5'725.- betrage; eventualiter sei die Verwaltung zu verpflichten, den versicherten Verdienst neu zu berechnen. 
 
Die Kasse und das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine unvollständige Sachverhaltsfeststellung stellt eine vom Bundesgericht ebenfalls zu korrigierende Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 lit. a BGG dar (Seiler/von Werdt/Güngerich, Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Bern 2007, N. 24 zu Art. 97 BGG). 
 
2. 
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Vermittlungsfähigkeit im Allgemeinen (Art. 8 Abs. 1 lit. f AVIG in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 AVIG) und von behinderten Personen im Speziellen (Art. 8 Abs. 1 lit. f in Verbindung mit Art. 15 Abs. 2 AVIG) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. Zu ergänzen ist, dass der Begriff der Vermittlungs(un)fähigkeit als Anspruchsvoraussetzung graduelle Abstufungen ausschliesst. Entweder ist die versicherte Person vermittlungsfähig, insbesondere bereit, eine zumutbare Arbeit (im Umfang von mindestens 20 % eines Normalarbeitspensums; vgl. Art. 5 AVIV und BGE 120 V 385 E. 4c/aa S. 390) anzunehmen, oder nicht (BGE 126 V 124 E. 2 S. 126, 125 V 51 E. 6a S. 58). 
 
3. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die Arbeitslosenkasse den versicherten Verdienst von Fr. 5'725.- um 33 % (entsprechend der Höhe des von der IV-Stelle mit Verfügung vom 29. Januar 2007 festgestellten Invaliditätsgrades) auf Fr. 3'836.- reduzieren darf. Demgegenüber besteht Einigkeit darüber, dass der Beschwerdeführer vermittlungsfähig ist. 
 
4. 
Als versicherter Verdienst gilt der im Sinne der AHV-Gesetzgebung massgebende Lohn, der während eines Bemessungszeitraumes aus einem oder mehreren Arbeitsverhältnissen normalerweise erzielt wurde; eingeschlossen sind die vertraglich vereinbarten regelmässigen Zulagen, soweit sie nicht Entschädigung für arbeitsbedingte Inkonvenienzen darstellen (Art. 23 Abs. 1 Satz 1 AVIG). Bei Versicherten, die unmittelbar vor oder während der Arbeitslosigkeit eine gesundheitsbedingte Beeinträchtigung ihrer Erwerbsfähigkeit erleiden, ist gemäss Art. 40b AVIV der Verdienst massgebend, welcher der verbleibenden Erwerbsfähigkeit entspricht. 
 
5. 
Nach dem in der Beschwerde zitierten Grundsatzurteil BGE 132 V 357 besteht die ratio legis des Art. 40b AVIV darin, über die Korrektur des versicherten Verdienstes die Koordination zur Eidgenössischen Invalidenversicherung zu bewerkstelligen, um eine Überentschädigung durch das Zusammenfallen einer Invalidenrente mit Arbeitslosentaggeldern zu verhindern (BGE 132 V 357 E. 3.2.3 S. 359). Diese Interpretation des Normzwecks greift allerdings zu kurz, wie dem präzisierenden BGE 133 V 524 zu entnehmen ist. Art. 40b AVIV betrifft nicht allein die Leistungskoordination zwischen Arbeitslosen- und Invalidenversicherung, sondern - in allgemeinerer Weise - die Abgrenzung der Zuständigkeit der Arbeitslosenversicherung gegenüber anderen Versicherungsträgern nach Massgabe der Erwerbsfähigkeit. Sinn und Zweck der Verordnungsbestimmung ist mit anderen Worten, die Leistungspflicht der Arbeitslosenversicherung auf einen Umfang zu beschränken, welcher sich nach der verbleibenden Erwerbsfähigkeit der versicherten Person während der Dauer der Arbeitslosigkeit auszurichten hat. Da die Arbeitslosenversicherung nur für den Lohnausfall einzustehen hat, welcher sich aus der Arbeitslosigkeit ergibt, kann für die Berechnung der Arbeitslosenentschädigung keine Rolle spielen, ob ein anderer Versicherungsträger Invalidenleistungen erbringt (BGE 133 V 524 E. 5.2 S. 527). Es kann dem Beschwerdeführer daher nicht gefolgt werden, wenn er annimmt, Art. 40b AVIV finde auf die vorliegende Fallkonstellation keine Anwendung, weil keine Leistungen der Invalidenversicherung mit solchen der Arbeitslosenversicherung zu koordinieren seien. 
 
6. 
In der letztinstanzlichen Beschwerde wird zudem eingewendet, Art. 40b AVIV könne auch deshalb nicht angewendet werden, weil der enge zeitliche Konnex zwischen Arbeitslosigkeit und Eintritt der Erwerbsunfähigkeit nicht gegeben sei. Die Arbeitslosigkeit sei erst im März 2006 eingetreten. Die gesundheitliche Beeinträchtigung bestehe hingegen mindestens seit März 2004. 
 
6.1 Art. 40b AVIV sieht eine Anpassung des versicherten Verdienstes in Ausnahmefällen vor. Im Regelfall wird der versicherte Verdienst auf der Basis des im Sinne der AHV-Gesetzgebung massgebenden Lohnes bemessen, der während eines Bemessungszeitraumes aus einem oder mehreren Arbeitsverhältnissen normalerweise erzielt wurde (Art. 23 Abs. 1 AVIG). Der Bundesrat hat in Art. 37 AVIV den Bemessungszeitraum für den versicherten Verdienst festgelegt. In aller Regel entspricht der auf diese Weise definierte Lohn der aktuellen Leistungsfähigkeit der arbeitslosen Person. Allfällige gesundheitsbedingte Leistungseinbussen können sich naturgemäss nur im Lohn niederschlagen, wenn sie nicht unmittelbar vor oder sogar erst während der Arbeitslosigkeit entstanden sind. Tritt mit anderen Worten eine gesundheitsbedingte Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit unmittelbar vor oder während der Arbeitslosigkeit ein, so entspricht die aktuelle Leistungsfähigkeit nicht mehr derjenigen vor der Arbeitslosigkeit, welche die Lohnbasis bildete. Weil der Lohn vor Eintritt der Arbeitslosigkeit aber Bemessungsgrundlage für den versicherten Verdienst darstellt, muss in diesen Fällen eine Anpassung nach Art. 40b AVIV erfolgen. Eine Korrektur gemäss Art. 40b AVIV ist daher durchzuführen, wenn der versicherte Verdienst auf einem Lohn basiert, den die versicherte Person im Zeitpunkt der Arbeitslosigkeit auf Grund einer zwischenzeitlich eingetretenen Invalidität nicht mehr erzielen könnte. Unmittelbarkeit im Sinne von Art. 40b AVIV liegt also dann vor, wenn sich die gesundheitsbedingte Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit (noch) nicht im Lohn niedergeschlagen hat, welcher gemäss Art. 23 Abs. 1 AVIG in Verbindung mit Art. 37 AVIV Bemessungsgrundlage für den versicherten Verdienst bildet (BGE 133 V 530 E. 4.1.2 S. 534). 
 
6.2 Im zu beurteilenden Fall war der Versicherte bereits seit 23. April 2004 aus Krankheitsgründen nicht mehr arbeitstätig. Die damalige Arbeitgeberin sah offenbar bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf den 31. März 2005 davon ab, den Lohn der verminderten Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers anzupassen. Der versicherte Verdienst, welcher den Taggeldabrechnungen für die Monate März 2006 bis Januar 2007 zu Grunde liegt, basiert demgemäss auf diesem Lohn, welcher die Einbusse in der Erwerbsfähigkeit nicht berücksichtigt. Wie sich nun nachträglich ergeben hat, beträgt die Invalidität 33 % (Verfügung der IV-Stelle vom 29. Januar 2007). 
 
6.3 Nach der Rechtsprechung stellt die rückwirkende Zusprechung einer Invalidenrente hinsichtlich formlos erbrachter Taggeldleistungen der Arbeitslosenversicherung eine neue erhebliche Tatsache dar, deren Unkenntnis die Arbeitslosenkasse nicht zu vertreten hat, weshalb ein Zurückkommen auf die ausgerichteten Leistungen auf dem Wege der prozessualen Revision im Allgemeinen als zulässig erachtet wird (BGE 132 V 357 E. 3.1 mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall verneinte die IV-Stelle einen Rentenanspruch des Versicherten (Verfügung vom 29. Januar 2007). Ein solcher Verwaltungsakt bildet gemäss BGE 133 V 524 gleichermassen eine erhebliche Tatsache, welche es der Arbeitslosenkasse erlaubt, den versicherten Verdienst an veränderte Verhältnisse anzupassen. Die (vom kantonalen Gericht als verordnungskonform qualifizierte) Ziffer C29 des Kreisschreibens des seco über die Arbeitslosenentschädigung (KS ALE), in welcher unabhängig davon, ob der von der Invalidenversicherung festgestellte Invaliditätsgrad zu einem Rentenanspruch führt, eine Korrektur des versicherten Verdienstes entsprechend der verbleibenden Erwerbsfähigkeit vorgesehen ist, lässt sich deshalb nicht beanstanden. Gleiches gilt im Grundsatz für die ebenfalls in Ziffer C29 KS ALE enthaltene Vorgabe, wonach in diesen Fällen der versicherte Verdienst auf den Beginn des der rentenablehnenden IV-Verfügung folgenden Monats neu festzusetzen sei. Ob und allenfalls aus welchen Gründen sich Abweichungen von dieser Regel rechtfertigen können, muss im vorliegenden Verfahren nicht entschieden werden. 
 
6.4 Es ist dem Beschwerdeführer beizupflichten, dass es Konstellationen gibt, in welchen das Abstellen auf den im IV-Verfahren ermittelten Invaliditätsgrad problematisch ist und zu ungerechten Ergebnissen führen kann. Zu beachten ist unter den vorliegenden Umständen insbesondere, dass der Versicherte im IV-Verfahren grundsätzlich kein schutzwürdiges Interesse daran hatte, einen geringeren Invaliditätsgrad oder überhaupt eine fehlende Invalidität geltend zu machen. Allerdings ergeben sich entgegen den Einwänden in der Beschwerde keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Invaliditätsgrad von der Invalidenversicherung offensichtlich unrichtig ermittelt worden ist. Der Invaliditätsgrad wurde in der Verfügung der IV-Stelle vom 29. Januar 2007 auf Grund des Sachverhalts festgestellt, wie er sich bis zum Zeitpunkt des Verfügungserlasses entwickelt hat. Die berichtigende Verfügung der Arbeitslosenkasse vom 14. März 2007 und der Einspracheentscheid vom 15. März 2007 betreffen die Zeit ab 1. Februar 2007. Eine vorfrageweise Prüfung im arbeitslosenversicherungsrechtlichen Verfahren, ob sich die Erwerbsfähigkeit des Versicherten seit der rentenablehnenden Verfügung der IV-Stelle verbessert hat, erübrigt sich bei diesen Zeitverhältnissen. 
 
7. 
Im vorliegenden Fall ergibt sich der berichtigte versicherte Verdienst aus dem in der letzten Anstellung bei der Firma X.________ AG erzielten Einkommen, multipliziert mit dem Faktor, der aus der Differenz zwischen 100 % und dem Invaliditätsgrad in der Höhe von 33 % (gemäss Verfügung der IV-Stelle vom 29. Januar 2007) resultiert (BGE 132 V 357 E. 3.2.4.2 S. 360). Die Berechnung der Arbeitslosenkasse erweist sich als korrekt. 
 
8. 
Mit Blick auf den Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, dem beco Berner Wirtschaft, Arbeitsvermittlung, Rechtsdienst, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft schriftlich mitgeteilt. 
Luzern, 4. April 2008 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Ursprung Berger Götz