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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6P.18/2005 
6S.54/2005 /pai 
 
Urteil vom 4. Mai 2005 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly, Karlen, Zünd, 
Gerichtsschreiber Boog. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Benz, 
 
gegen 
 
Y.________, 
Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Luzius Schmid, 
Kantonsgericht von Graubünden, Kantonsgerichtsausschuss, Poststrasse 14, 7000 Chur. 
 
Gegenstand 
6P.18/2005 
Art. 9, 29 BV (Strafverfahren; willkürliche Beweiswürdigung), 
 
6S.54/2005 
Beschimpfung (Art. 177 StGB), 
 
staatsrechtliche Beschwerde (6P.18/2005) und Nichtigkeitsbeschwerde (6S.54/2005) gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden, Kantonsgerichtsausschuss, vom 20. Oktober 2004. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ betreibt in Z.________ eine Pizzeria. Am Abend des 11. Februar 2003 kehrten Y.________ und A.________ dort ein. In der Folge kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen Y.________ und dem Pizzaiolo, worauf A.________ die Polizei verständigte. Kurz darauf erschien X.________ in seinem Restaurant und forderte Y.________ und A.________ auf, das Lokal zu verlassen und draussen zu warten. Anschliessend schloss er das Restaurant ab. Zusammen warteten die drei auf die Ankunft der Polizei. In dieser Zeit und auch noch als die Polizei vor Ort war, sollen Y.________ und A.________ X.________ aufs Übelste beschimpft haben. 
 
B. 
Auf Strafantrag von X.________ sprach der Bezirksgerichtsausschuss Prättigau/Davos Y.________ mit Urteil vom 10. Juni 2004 wegen Beschimpfung gemäss Art. 177 Abs. 1 StGB schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 350.--. Auf Berufung des Beurteilten hin hob der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden das erstinstanzliche Urteil auf, stellte das Verfahren ein und auferlegte die Verfahrens- und Parteikosten dem Antragsteller. 
 
C. 
X.________ führt sowohl staatsrechtliche Beschwerde als auch eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit denen er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, die Streitsache zur neuen Entscheidung zurückzuweisen und das Urteil des Bezirksgerichtsausschusses Prättigau/Davos zu bestätigen. 
 
D. 
Das Kantonsgericht beantragt in seinen Gegenbemerkungen die Abweisung der Beschwerden, soweit darauf einzutreten sei. Namens des Beschwerdegegners reichte am 25. April 2005 auf Briefpapier von Rechtsanwalt Dr. Luzius Schmid der bei diesem tätige Praktikant die Vernehmlassung zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde ein, mit welcher die Abweisung der Beschwerde beantragt wird. Auf Ansetzung einer Nachfrist durch den Instruktionsrichter des Kassationshofs hat der Rechtsanwalt die Rechtsschrift am 28. April 2005 selbst unterzeichnet. Zur staatsrechtlichen Beschwerde wurde beim Beschwerdegegner keine Vernehmlassung eingeholt. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
I. Nichtigkeitsbeschwerde 
 
1. 
Gemäss Art. 29 Abs. 2 OG können als Parteivertreter in Strafsachen vor Bundesgericht nur zugelassene Anwältinnen und Anwälte sowie Rechtslehrerinnen und Rechtslehrer an schweizerischen Hochschulen auftreten. Rechtspraktikanten sind hierzu nicht befugt (BGE 107 IV 68, mit Hinweisen). Indes ist nach Art. 30 Abs. 2 OG, in der Fassung vom 4. Oktober 1991, eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels anzusetzen, wenn der Unterzeichner der Rechtsschrift als Vertreter nicht zugelassen ist. Da innert der angesetzten Nachfrist die zunächst bloss von einem Rechtspraktikanten unterzeichnete Vernehmlassung des Beschwerdegegners durch den zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet worden ist, kann die Vernehmlassung bei den Akten bleiben. 
 
2. 
2.1 Die Verbindung von staatsrechtlicher Beschwerde und Nichtigkeitsbeschwerde in einer gemeinsamen Eingabe ist zulässig, wenn - wie das vorliegend der Fall ist - die beiden Rechtsmittel in der Rechtsschrift klar getrennt werden (vgl. BGE 101 IV 247 E. 1). Hingegen ist die staatsrechtliche Beschwerde, von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen, kassatorischer Natur (BGE 124 I 327 E. 4a). Soweit der Beschwerdeführer mehr beantragt als die Aufhebung des angefochtenen Entscheids, kann darauf nicht eingetreten werden (BGE 129 I 173 E. 5.1). Mit der Nichtigkeitsbeschwerde ihrerseits kann nur beantragt werden, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurückzuweisen (Art. 277ter Abs. 1 BStP). Der darüber hinaus gehende Antrag des Beschwerdeführers ist unzulässig. 
 
2.2 Die Nichtigkeitsbeschwerde, die auch gegen Einstellungsbeschlüsse letzter Instanz zulässig ist (Art. 268 Ziff. 2 BStP), kann gemäss Art. 269 Abs. 1 BStP nur damit begründet werden, dass die angefochtene Entscheidung eidgenössisches Recht verletze. Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte bleibt vorbehalten (Art. 269 Abs. 2 BStP). Die verfassungskonforme Auslegung eidgenössischen Rechts ist allerdings im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde zu prüfen (BGE 127 IV 166 E. 2g und 4; 119 IV 107 E. 1a). Soweit der Beschwerdeführer mit der staatsrechtlichen Beschwerde geltend macht, der Kantonsgerichtsausschuss habe überspitzt formalistische und willkürliche Anforderungen an den Strafantrag gestellt, beanstandet er in Wirklichkeit eine unrichtige Anwendung von Art. 28 StGB, was im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde zu prüfen ist. Hingegen ist die staatsrechtliche Beschwerde zulässig, soweit mit ihr der Kostenentscheid angefochten wird, der sich auf kantonales Recht stützt. Die Frage, ob die kantonalen Bestimmungen über die Kostenregelung im vorliegenden Fall willkürlich angewendet worden sind, indem die Kosten vollumfänglich dem unterliegenden Antragsteller auferlegt wurden, stellt sich allerdings nur, wenn in der Sache die Nichtigkeitsbeschwerde erfolglos bliebe, so dass vorerst diese zu beurteilen ist. Zu deren Erhebung ist der Beschwerdeführer als Strafantragsteller befugt, soweit es - wie dies hier zutrifft - um das Strafantragsrecht als solches geht (Art. 270 lit. f BStP). Darüber hinaus ergibt sich seine Beschwerdelegitimation auch daraus, dass er als Privatstrafkläger nach den Vorschriften des kantonalen Rechts und ohne Beteiligung des öffentlichen Anklägers die Anklage geführt hat (Art. 270 lit. g BStP). 
 
3. 
3.1 Nach der Praxis des Bundesgerichts liegt ein gültiger Strafantrag im Sinne von Art. 28 StGB vor, wenn der Antragsberechtigte vor Ablauf einer Frist von drei Monaten, seit dem ihm der Täter bekannt geworden ist (Art. 29 StGB), in der vom kantonalen Recht vorgeschriebenen Form bei der zuständigen Behörde seinen bedingungslosen Willen zur Strafverfolgung des Täters so erklärt, dass das Strafverfahren ohne weitere Willenserklärung weiterläuft (BGE 115 IV 1 E. 2; 108 Ia 97 E. 2; 106 IV 244 E. 1, mit weiteren Hinweisen). Während demnach die Frage, in welcher Form und bei welcher Behörde der Strafantrag zu stellen ist, vom kantonalen Recht geregelt wird, beurteilt sich nach eidgenössischem Recht, ob die abgegebene Erklärung inhaltlich als Strafantrag zu qualifizieren ist, also den Willen des Verletzten kundgibt, den Täter wegen einer bestimmten Tat zu verfolgen (BGE 78 IV 45 E. 2 S. 49; Christof Riedo, Der Strafantrag, Diss. Freiburg 2004, S. 397). 
 
In der Regel bringt der Strafantragsteller einen bestimmten Sachverhalt zur Anzeige, während die rechtliche Würdigung der Handlung der Behörde obliegt (BGE 115 IV 1 E. 2a). Nennt der Antragsteller den Straftatbestand, der seines Erachtens erfüllt worden ist, so ist die Behörde an diese Qualifikation nicht gebunden. Das schliesst aber nicht aus, dass der Verletzte einen Sachverhalt nur teilweise zur Verfolgung stellt, indem er den Strafantrag in tatsächlicher Hinsicht beschränkt (BGE 85 IV 73 E. 2 S. 75). 
 
3.2 Der Beschwerdeführer reichte zwei Tage nach dem Vorfall vom 11. Februar 2003 beim Kreisamt Davos Strafanzeige ein, wobei er ausführte, dass die Gäste ihn "andauernd beschimpft und bedroht" hätten. Nach durchgeführter Sühneverhandlung und noch innert der Antragsfrist ergänzte er seine Klage, wobei er ausführte, dass die beiden sehr ausfallend gewesen seien und ihn auf "übelste Art" beschimpft hätten; "huerä Usländer" und "Arschloch" seien nur einige der benutzten Ausdrücke gewesen. Die vom Kreisamt Davos am 26. Juni 2003 befragten beiden Polizisten, die beim Vorfall zugegen waren, erklärten, dass der Beschwerdeführer mit Schimpfwörtern aus der untersten Schublade bedacht worden sei. Konkret erinnerten sie sich an den häufigen Gebrauch des Wortes "Wichser", das Standardausdruck der beiden gewesen sei. Sie vermochten sich aber nicht mehr mit Bestimmtheit an die anderen Schimpfwörter zu erinnern. Dementsprechend erliess das Kreisamt Davos am 6. November 2003 die Anklageverfügung, mit welcher dem Beschwerdegegner vorgeworfen wurde, den Beschwerdeführer als "Wichser" bezeichnet zu haben. 
 
Die Vorinstanz gelangt zum Schluss, für das Wort "Wichser" liege kein gültiger Strafantrag vor, denn der Antragsteller habe nur in allgemeiner Weise wegen Beschimpfung Strafantrag gestellt und zwei konkrete Schimpfwörter genannt, worunter der besagte Kraftausdruck aber gerade nicht aufgeführt sei. 
 
3.3 Die Vorinstanz geht zunächst richtig davon aus, dass der Richter, der darüber zu entscheiden hat, ob eine bestimmte Aussage ehrverletzend ist, den konkreten Inhalt der Aussage kennen muss. Ebenso trifft zu, dass die rechtliche Würdigung der Aussage Sache des Richters ist. Dass der Richter in seinem Entscheid die Frage zu beurteilen hat, ob die Verwendung bestimmter Ausdrücke den Tatbestand der Beschimpfung gemäss Art. 177 StGB erfüllt, hindert aber den Strafantragsteller nicht, den Sachverhalt als Beschimpfung zu beschreiben. Es ist gar nicht selten, dass Straftatbestände des Strafgesetzbuches so gefasst sind, dass sie dem Sprachgebrauch des Alltags entsprechen, der unter Beschimpfung die Verwendung herabsetzender Worte versteht. Zwar ist richtig, dass für die rechtliche Qualifikation wesentlich ist, was genau gesagt wurde. Aus diesem Grunde sind von den Untersuchungsbehörden auch zu Recht entsprechende Abklärungen getroffen worden. Doch ist das Tatgeschehen für einen gültigen Strafantrag ausreichend umschrieben, wenn unter Schilderung der näheren Umstände ausgeführt wird, der Antragsteller sei vom Verletzer beschimpft worden. Es genügt, dass sich der Strafantrag auf eine bestimmte strafbare Handlung bezieht (Riedo, a.a.O., S. 400). Wenn sich im weiteren Verfahren nicht jene Wörter erhärten liessen, welche der Antragsteller genannt hat, sondern andere, lässt dies den Strafantrag nicht als inhaltlich unzureichend erscheinen. Es kann auch nicht die Rede davon sein, dass der Antragsteller den Strafantrag auf die beiden Wörter "huerä Usländer" und "Arschloch" hätte beschränkt wissen wollen. Vielmehr hat er diese beiden Wörter explizit lediglich als Beispiele genannt. Die Vorinstanz stellt inhaltlich überspitzte Anforderungen an den Strafantrag. 
 
3.4 Der Beschwerdegegner beruft sich in seiner Vernehmlassung auf Art. 32 Abs. 2 BV, wonach jede angeklagte Person Anspruch darauf hat, möglichst rasch und umfassend über die gegen sie erhobenen Beschuldigungen unterrichtet zu werden. Diese verfassungsrechtliche Vorgabe sei bei der Auslegung von Art. 28 StGB zu berücksichtigen, was dazu führe, dass die inhaltlichen Anforderungen an den Strafantrag jenen an eine Anklage genügen müssten. Einer solchen Auffassung kann indes nicht beigepflichtet werden. Der Strafantrag ist für die Delikte, die nicht von Amtes wegen verfolgt werden, die Willenserklärung des Antragsberechtigten, wonach der Täter verfolgt werden solle. Er ist Prozessvoraussetzung (BGE 129 IV 305 E. 4.2.3 S. 311, mit Hinweisen), hat aber nicht die Funktion, den Anklagegrundsatz zu verwirklichen, was vielmehr Gegenstand des kantonalen Verfahrensrechts ist. In der Anklageverfügung des Kreisamtes Davos vom 6. November 2003 wurde denn dem Beschwerdegegner - nach durchgeführter Untersuchung - auch ausdrücklich vorgeworfen, den Beschwerdeführer als "Wichser" bezeichnet zu haben, wogegen er sich in der Folge verteidigen konnte. 
 
3.5 Der Beschwerdeführer hat somit einen inhaltlich gültigen Strafantrag gestellt. Der Einstellungsbeschluss der Vorinstanz verletzt daher Bundesrecht. Die Beschwerde erweist sich als begründet. 
 
4. 
Aus diesem Grund ist die Nichtigkeitsbeschwerde gutzuheissen und der angefochtene Einstellungsbeschluss aufzuheben. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem unterliegenden Beschwerdegegner aufzuerlegen (Art. 278 Abs. 1 BStP). Der Beschwerdeführer ist aus der Bundesgerichtskasse zu entschädigen, wofür der Beschwerdegegner der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten hat (Art. 278 Abs. 3 BStP). Die Parteientschädigung beträgt nach der Praxis des Kassationshofs, soweit wie hier keine besonderen Verhältnisse vorliegen, Fr. 3'000.--. Soweit im den Parteien verschickten Dispositiv die dem Beschwerdeführer auszurichtende Parteientschädigung auf Fr. 2'000.-- beziffert worden ist, widerspricht dies dem Beschluss der Abteilung und handelt es sich um einen Verschrieb, der zu berichtigen ist (vgl. Art. 145 Abs. 1 OG). 
 
 
II. Staatsrechtliche Beschwerde 
 
5. 
Mit der Aufhebung des angefochtenen Urteils entfällt die Grundlage für die staatsrechtliche Beschwerde. Der Beschwerdeführer hat daher kein schutzwürdiges Interesse mehr an deren Beurteilung. Diese ist somit als gegenstandslos abzuschreiben. Praxisgemäss werden weder Kosten erhoben noch Entschädigungen zugesprochen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, der Einstellungsbeschluss des Kantonsgerichts Graubünden vom 20.Oktober 2004 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird als gegenstandslos am Geschäftsverzeichnis abgeschrieben. 
 
3. 
Der Beschwerdegegner hat die bundesgerichtlichen Kosten von Fr. 2'000.-- zu bezahlen. 
 
4. 
Dem Beschwerdeführer wird für das Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet. Der Beschwerdegegner hat der Bundesgerichtskasse hierfür Ersatz zu leisten. 
 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, Kantonsgerichtsausschuss, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 4. Mai 2005 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: