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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
5A_719/2015  
   
   
 
 
 
Urteil vom 1. März 2016  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter von Werdt, Präsident, 
Bundesrichter Marazzi, Bovey, 
Gerichtsschreiber von Roten. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Pius Fryberg, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Remo Cavegn, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Bauen auf fremdem Boden, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden, I. Zivilkammer, vom 30. Juni 2015. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. C.A.________ übernahm 1977 den Landwirtschaftsbetrieb seines Vaters. Er erhielt damit unter anderem auch das Eigentum am Maiensäss "D.________" (Parzelle Nr. xxx, Grundbuch U.________).  
 
A.b. A.A.________, ein Bruder des Eigentümers C.A.________, will ab 1979 auf der Parzelle Nr. xxx eine Maiensässhütte gebaut bzw. deren Bau grösstenteils, wenn nicht ausschliesslich finanziert haben. Im Einvernehmen der beiden Brüder soll die Maiensässhütte von ihnen und ihren Familien abwechselnd genutzt worden sein.  
 
A.c. B.A.________ ist heute Eigentümer der Parzelle Nr. xxx. Mit Vertrag vom 5. März 2012 hatte er von seinem Vater C.A.________ das Eigentum an den Grundstücken des Landwirtschaftsbetriebs erhalten, unter anderem auch das Maiensäss "D.________".  
 
B.   
Über die Nutzung der Maiensässhütte auf der Parzelle Nr. xxx kam es zwischen A.A.________ (Beschwerdeführer) und B.A.________ (Beschwerdegegner) zu Unstimmigkeiten. Der Beschwerdeführer klagte gegen den Beschwerdegegner insbesondere mit den Begehren, eine Teilfläche von 1'000 m2 mit der Maiensässhütte von der Parzelle Nr. xxx abzutrennen, als eigenes Grundstück im Grundbuch eintragen zu lassen und ihm gegen Entschädigung von Fr. 20'000.-- zu Alleineigentum zuzuweisen, eventualiter den Beschwerdegegner zu verpflichten, ihm eine Entschädigung von Fr. 320'000.-- nebst Zins zu bezahlen. Der Beschwerdegegner schloss auf Abweisung. Das Bezirksgericht Hinterrhein wies die Klage ab (Entscheid vom 30. Oktober 2014). Der Beschwerdeführer legte Berufung ein, die das Kantonsgericht von Graubünden abwies (Urteil vom 30. Juni 2015). 
 
C.   
Mit Eingabe vom 14. September 2015 erneuert der Beschwerdeführer seine Klagebegehren vor Bundesgericht. Es sind die kantonalen Akten, hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt worden. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Das angefochtene Urteil betrifft die Folgen des Bauens auf fremdem Boden (Art. 671 ff. ZGB) und damit eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG) in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit, deren Streitwert mit geschätzten Fr. 155'000.-- (E. 1a S. 6 f.) den Mindestbetrag von Fr. 30'000.-- übersteigt (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG; BGE 81 II 267 E. 1 S. 270). Es ist kantonal letztinstanzlich (Art. 75 Abs. 1 BGG), lautet zum Nachteil des Beschwerdeführers (Art. 76 Abs. 1 BGG) und beendet das kantonale Verfahren (Art. 90 BGG). Auf die - fristgerecht erhobene (Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 46 Abs. 1 lit. b BGG) - Beschwerde kann eingetreten werden. 
 
2.   
Der Beschwerdeführer stützt seine Begehren auf Art. 673 ZGB (Zuweisung von Grundeigentum), eventualiter auf Art. 672 ZGB (Leistung einer angemessenen Entschädigung). 
 
2.1. Nach seiner Darstellung hat der Beschwerdeführer auf dem Grundstück seines Bruders und im Einvernehmen mit seinem Bruder die Maiensässhütte gebaut. Dass er sich mit seinem Bruder auch über die Rechtsfolgen dieses Bauens geeinigt hätte, ist weder behauptet noch belegt. Massgebend sind deshalb die Art. 671 ff. ZGB (BGE 57 II 253 E. 1 S. 255; 99 II 131 E. 4a S. 138).  
 
2.2. Die vom Beschwerdeführer auf dem Grundstück seines Bruders gebaute Maiensässhütte ist Eigentum seines Bruders geworden (sog. Akzessionsprinzip: Art. 667 Abs. 2 und Art. 671 Abs. 1 ZGB). Mit dem Bau auf dem Grundstück seines Bruders hat der Beschwerdeführer sein Eigentum am dazu verwendeten Material endgültig verloren. Die Art. 671-673 ZGB regeln die Rechtsfolgen für diesen Fall und bezwecken einen Ausgleich zwischen den Interessen des Beschwerdeführers als Materialeigentümer und seines Bruders als Grundeigentümer. Sie gewähren dem Materialeigentümer unter den gesetzlichen Voraussetzungen Ansprüche auf Trennung und Herausgabe des Materials (Art. 671 Abs. 2 ZGB), auf Ersatz, wenn eine Trennung von Material und Boden nicht erfolgt (Art. 672 ZGB), oder auf Zuweisung des Eigentums an Bau und Boden (Art. 673 ZGB). Diese Ansprüche sind nicht dinglicher, sondern bloss obligatorischer Natur, da das Eigentum am Material durch den Einbau endgültig untergegangen ist. Sie können daher nur gegen den Grundeigentümer im Zeitpunkt des Bauens oder gegen seinen Universalsukzessor, aber nicht gegen einen Einzelrechtsnachfolger geltend gemacht werden (vgl. BGE 81 II 431 E. 3 S. 435; ROSSEL/MENTHA, Manuel du droit civil suisse, II, 2. Aufl. 1922, S. 343 Rz. 1259; HAAB, Zürcher Kommentar, 1933, N. 10, N. 13 und N. 17 zu Art. 671/673 ZGB; SUTTER-SOMM, Eigentum und Besitz, SPR V/1, 2. Aufl. 2014, S. 319 f. Rz. 663 und S. 322 Rz. 667 mit Hinweisen; a.A. SIMONIUS/SUTTER, Schweizerisches Immobiliarsachenrecht, Bd. I, 1995, § 5 Rz. 44 S. 155).  
 
2.3. Der Beschwerdeführer hat die Klage nicht gegen seinen Bruder als Grundeigentümer im Zeitpunkt der Erstellung der Maiensässhütte erhoben, sondern gegen dessen Sohn als heutigen Grundeigentümer. Er stellt nicht in Frage, wer nach Praxis und herrschender Lehre passivlegitimiert ist (E. 2.2 soeben), so dass sich darauf einzugehen erübrigt (BGE 140 III 86 E. 2 S. 88 f.). Der Beschwerdeführer macht vielmehr geltend, der Beschwerdegegner habe das Eigentum am Grundstück mit der Maiensässhütte als Universalsukzessor und nicht als Einzelrechtsnachfolger von seinem Vater zu Eigentum übertragen erhalten. Die kantonalen Gerichte (E. 3 S. 10 ff. des angefochtenen Urteils) hätten deshalb die Passivlegitimation des Beschwerdegegners zu Unrecht verneint (S. 6 f. Ziff. 3 der Beschwerdeschrift). Zu prüfen ist folglich, ob der Vertrag vom 5. März 2012 zwischen Vater und Sohn ein Rechtsgeschäft von Todes wegen oder ein Rechtsgeschäft unter Lebenden ist.  
 
3.   
Der öffentlich beurkundete Vertrag zwischen dem Beschwerdegegner und seinem Vater ist mit "Kauf- und Abtretungsvertrag auf Anrechnung künftiger Erbschaft (Erbvorbezug Art. 626 ZGB) mit Begründung Rückkaufsrecht" überschrieben. Danach tritt der Vater seinem Sohn neunzehn Grundstücke sowie Alprechte zum Preis von Fr. 312'500.-- ab, dessen Tilgung bzw. Bezahlung im Einzelnen geregelt wird. Für den Fall, dass er die Selbstbewirtschaftung aufgeben sollte, hat der Sohn dem Vater und jedem dessen Erben ein Rückkaufsrecht eingeräumt (act. III/10 der bezirksgerichtlichen Akten). 
 
3.1. Welche Art von Rechtsgeschäft im Einzelfall vorliegt, hängt davon ab, ob das Geschäft nach dem Willen der Vertragsschliessenden dazu bestimmt ist, das Vermögen des Verpflichteten oder erst dessen Nachlass zu belasten, bzw. in welchem Zeitpunkt nach dem Willen der Vertragsschliessenden die Wirkungen des Geschäfts eintreten sollen. Die Abgrenzung des Rechtsgeschäftes unter Lebenden von den Verfügungen von Todes wegen ist somit nicht schematisch auf Grund eines abstrakten Kriteriums, sondern einer Würdigung aller Umstände des konkreten Falles vorzunehmen (BGE 99 II 268 E. 2 S. 272; 110 II 156 E. 2a S. 157/158; 113 II 270 E. 2b S. 273; zuletzt: Urteil 5A_140/2014 vom 17. Oktober 2014 E. 2.1; für Abgrenzungskriterien: BREITSCHMID, Basler Kommentar, 2015, N. 30 vor Art. 467 ff. ZGB; zum sog. Erbvorbezug: KÜNZLE, in: Praxiskommentar Erbrecht, 3. Aufl. 2015, N. 67 ff. der Einleitung; WOLF/GENNA, Erbrecht, SPR IV/1, 2. Aufl. 2012, S. 170; WEIMAR, Berner Kommentar, 2009, N. 101/105 Ziff. 5 der Einleitung zum 14. Titel über die Verfügungen von Todes wegen, S. 104).  
 
3.2. Das Kantonsgericht hat festgestellt, dass gemäss dem Vertrag ein zu ¾ entgeltliches Rechtsgeschäft und damit ein Kauf vorliege, doch spiele die tatsächliche Bezahlung keine Rolle, da auch ein Erbvorbezug als Rechtsgeschäft unter Lebenden gelte. Sodann habe das Rechtsgeschäft schon zu Lebzeiten beider Parteien Wirkung entfaltet, sei doch der Beschwerdegegner heute als Alleineigentümer des streitigen Grundstücks mit der Maiensässhütte im Grundbuch eingetragen. An diesem Eigentumserwerb ändere nichts, dass dem Vater des Beschwerdegegners und jedem seiner Erben ein Rückkaufsrecht für den Fall zustehe, dass der Beschwerdegegner die Selbstbewirtschaftung aufgebe. Er sei daher nicht Universalsukzessor, sondern Singularsukzessor seines Vaters und nicht passivlegitimiert mit Bezug auf die eingeklagten Ansprüche gemäss Art. 672 und 673 ZGB (E. 3g S. 14 ff. des angefochtenen Urteils).  
 
3.3. Der Beschwerdeführer pflichtet dem Kantonsgericht darin bei, dass es nicht entscheidend darauf ankomme, ob das Rechtsgeschäft teilweise ein entgeltliches oder unentgeltliches gewesen sei. Im Gegensatz zur kantonsgerichtlichen Ansicht macht er geltend, dass ein Abtretungsvertrag auf Anrechnung künftiger Erbschaft mehrere Merkmale eines eigentlichen Erbteilungsvertrags aufweise und somit analog eines Erbteilungsvertrags zu behandeln sei (S. 7 Ziff. 3 der Beschwerdeschrift). Die Auffassung kann nicht geteilt werden. Zur sog. lebzeitigen Teilung des früheren solothurnischen Erbrechts hat das Bundesgericht festgehalten, dass dem neuen eidgenössischen Zivilrecht eine solche antizipierte Erbfolge nicht bekannt ist. Ein Rechtsgeschäft, wodurch der Erblasser sein Vermögen noch zu Lebzeiten, mit sofortiger Wirksamkeit auf seine präsumtiven gesetzlichen Erben überträgt, ist kein erbrechtliches. Vielmehr hat man es dabei mit einer gewöhnlichen Zuwendung unter Lebenden und zwar, je nach dem die Übertragung unentgeltlich oder gegen eine geldwerte Gegenleistung erfolgt, entweder mit einer Schenkung oder mit einem Kauf zu tun (BGE 45 III 151 E. 3 S. 164). Die Eigentumsübertragung wurde hier zudem vollzogen und der Beschwerdegegner zu Lebzeiten seines Vaters als Alleineigentümer im Grundbuch eingetragen. An dieser Beurteilung als Rechtsgeschäft unter Lebenden ändert die Einräumung eines Rückkaufsrechts an den Veräusserer und jeden dessen Erben für den Fall, dass der Beschwerdegegner seine Selbstbewirtschaftung aufgeben sollte, nichts. Auch das Rückkaufsrecht ist in seinen Wirkungen nicht auf den Tod bedingt, sondern auf die Aufgabe der Selbstbewirtschaftung und kann deshalb bei Eintritt der Bedingung auch bereits lebzeitig ausgeübt werden (BGE 46 II 230 E. 3 S. 234 f., für ein Kaufsrecht). Der Beschwerdeführer stösst sich vor allem am Ergebnis. Werde seine Passivlegitimation verneint, bekomme der Beschwerdegegner eine Maiensässhütte zu Eigentum, für die er - der Beschwerdeführer - insgesamt mehr als Fr. 300'000.-- aufgewendet habe (S. 6/7 Ziff. 3 der Beschwerdeschrift). Auch die ergebnisbezogene Betrachtung legt keine abweichende Beurteilung nahe. Der Beschwerdeführer bleibt nicht schutzlos, zumal ihm eine Forderung aus ungerechtfertigter Bereicherung (Art. 62 ff. OR) gegen den Beschwerdegegner zusteht, sofern ihm das Grundstück mit der Maiensässhütte unentgeltlich überlassen oder bei der Festsetzung des Entgelts der Wert der Maiensässhütte nicht berücksichtigt worden ist (HAAB, a.a.O., N. 10 zu Art. 671/673 ZGB; SUTTER-SOMM, a.a.O., S. 319 f. Rz. 663, mit Hinweisen).  
 
4.   
Aus den dargelegten Gründe verletzen die kantonsgerichtlichen Annahmen kein Bundesrecht, die Übertragung des Eigentums am Grundstück mit der Maiensässhütte sei ein Rechtsgeschäft unter Lebenden gewesen (E. 3) und der Beschwerdegegner sei als Einzelrechtsnachfolger mit Bezug auf die eingeklagten Ansprüche gemäss Art. 672 und 673 ZGB nicht passivlegitimiert (E. 2 oben). Dahingestellt bleiben kann bei diesem Ergebnis, ob die klägerischen Ansprüche verjährt sind (E. 4 S. 17 ff. des angefochtenen Urteils; S. 7 ff. Ziff. 4-6 der Beschwerdeschrift) und in genügender Weise substantiiert worden sind (E. 5 S. 22 des angefochtenen Urteils; S. 9 Ziff. 8 der Beschwerdeschrift). 
 
5.   
Insgesam t muss die Beschwerde abgewiesen werden, soweit darauf einzutreten ist. Der Beschwerdeführer wird kosten-, hingegen nicht entschädigungspflichtig, zumal keine Vernehmlassungen eingeholt wurden (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 1. März 2016 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: von Werdt 
 
Der Gerichtsschreiber: von Roten