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Intestazione

119 Ia 178


23. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 18. Juni 1993 i.S. A. und M. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)

Regesto

Art. 49 Cost. e art. 9 CEDU; dispensa da lezioni di nuoto per motivi religiosi.
1. Competenza del Tribunale federale in materia di diritti costituzionali religiosi (consid. 1).
2. Legittimazione dei genitori e del bambino a proporre un ricorso di diritto pubblico concernente la libertà di credenza e di coscienza (consid. 2).
3. Precetto rispettato dai membri osservanti dell'Islam, il divieto imposto a bambini di sesso diverso di nuotare insieme fa parte della sfera protetta della libertà religiosa garantita dell'art. 49 Cost. e art. 9 CEDU (consid. 3 e 4).
4. Condizioni alle quali il rifiuto di accordare una dispensa da lezioni di nuoto per motivi religiosi è conforme alla Costituzione (consid. 6-8).

Fatti da pagina 179

BGE 119 Ia 178 S. 179
Am 14. März 1991 ersuchte A. die Schulpflege Dietikon, seine Tochter M., welche damals die zweite Primarschulklasse besuchte, aus religiösen Gründen vom Schwimmunterricht zu dispensieren, da der islamische Glaube das gemeinsame Schwimmen beider Geschlechter verbiete. Am 22. März 1991 lehnte die Schulpflege Dietikon das Gesuch ab.
Einen dagegen erhobenen Rekurs wies die Bezirksschulpflege Dietikon am 5. August 1991 ab. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, dass Schwimmen zum obligatorischen Schulfach Turnen gehöre. Ein Dispens von einzelnen Fächern sei nur aus Gesundheitsrücksichten auf ärztliches Zeugnis hin zulässig.
Dagegen rekurrierte A. an den Erziehungsrat des Kantons Zürich, welcher die Beschwerde am 10. Dezember 1991 abwies. Auch ein dagegen gerichteter Rekurs beim Regierungsrat des Kantons Zürich blieb erfolglos.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 14. September 1992 ficht A. als gesetzlicher Vertreter von M. für seine Tochter wie auch in eigenem Namen den Entscheid des Regierungsrates vom 1. Juli 1992 beim Bundesgericht an. Er beantragt die Aufhebung des regierungsrätlichen Entscheides. In erster Linie rügt er eine Verletzung von Art. 49 BV und Art. 9 EMRK; ergänzend beruft er sich ferner auf Art. 27 Abs. 3 BV und auf das ungeschriebene Grundrecht der persönlichen Freiheit.
In ihrer Vernehmlassung vom 29. Oktober 1992 schliesst die Direktion der Justiz des Kantons Zürich namens des Regierungsrates auf Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut

Considerandi

aus folgenden Erwägungen:

1. a) Nach Art. 84 Abs. 2 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde nur zulässig, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie
BGE 119 Ia 178 S. 180
durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer andern Bundesbehörde gerügt werden kann.
Gemäss Art. 73 Abs. 1 lit. a Ziff. 2 VwVG ist die Beschwerde an den Bundesrat zulässig wegen Verletzung von Art. 27 Abs. 2 und 3 BV. Da sich der Beschwerdeführer auch auf Art. 27 Abs. 3 BV beruft, fragt sich, ob insofern die staatsrechtliche Beschwerde nicht ausgeschlossen und die Sache an den Bundesrat zu überweisen ist. Dem entspräche die Rechtsmittelbelehrung des Regierungsrates, wonach dessen Entscheid mit Verwaltungsbeschwerde beim Bundesrat hätte angefochten werden müssen.
b) Bei der Abklärung der Zuständigkeit im Bereich der religiösen Verfassungsrechte ist in erster Linie auf den Inhalt der erhobenen Rügen abzustellen. Liegt die geltend gemachte Verfassungsverletzung hauptsächlich im Schutzbereich von Art. 27 Abs. 3 BV, geht die Beschwerde an den Bundesrat (vgl. BGE 107 Ia 261), sind hingegen schwergewichtig andere Verfassungsrechte angesprochen, wird die Beschwerde vom Bundesgericht beurteilt (so zum Beispiel BGE 114 Ia 129). Nach einer älteren Praxis wurden nur diejenigen Vorbringen von der Kompetenz in der Hauptsache miterfasst, die in enger Beziehung zur Hauptrüge standen; bei den übrigen richtete sich die Zuständigkeit nach der ordentlichen Kompetenzordnung, was unter Umständen zu einer Spaltung des Rechtsweges führen konnte (vgl. BGE 107 Ia 264 E. c). In jüngerer Zeit sprachen sich das Bundesgericht und der Bundesrat in analogen Fällen eher für eine Kompetenzattraktion aus, wodurch sich jeweils alle erhobenen Verfassungsrügen unabhängig von ihrem Konnex zur Hauptfrage vom gleichen Organ beurteilen liessen (vgl. MARCO BORGHI, in Kommentar BV, Art. 27, Rz. 88, sowie BGE 117 Ia 27).
c) Gemäss Art. 27 Abs. 3 BV sollen die öffentlichen Schulen von den Angehörigen aller Bekenntnisse ohne Beeinträchtigung ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit besucht werden können. Danach gelten Lehrinhalte und -methoden oder Organisationsformen, die konfessionell ausgerichtet oder religiösen Auffassungen feindlich sind, als verfassungswidrig. Areligiöser Unterricht verletzt indes den Grundsatz der konfessionellen Neutralität der öffentlichen Schulen nicht (BORGHI, a.a.O., Rz. 68).
Die Beschwerdeführer berufen sich zwar auch auf Art. 27 Abs. 3 BV. Sie behaupten aber nicht, der Schwimmunterricht, von dem das Mädchen dispensiert werden soll, verletze den Grundsatz der konfessionellen Neutralität der öffentlichen Schulen; eine solche Rüge liesse sich denn auch gemessen am Inhalt dieses Verfassungsgrundsatzes
BGE 119 Ia 178 S. 181
kaum begründen. Hingegen wird vorgebracht, die verweigerte Dispensation verunmögliche die Lebensgestaltung nach der religiösen Überzeugung. Damit ist in erster Linie die Glaubens- und Gewissensfreiheit nach Art. 49 BV und Art. 9 EMRK angesprochen.
Soweit es um den Gesichtspunkt der Zuständigkeit geht, ist der vorliegende Fall daher am ehesten mit den in BGE 117 Ia 311 und BGE 114 Ia 129 beurteilten Fällen vergleichbar, in denen ebenfalls, wenn auch unter anderen Vorzeichen, über die Freistellung vom Schulunterricht aus religiösen Gründen zu entscheiden war. Im Unterschied dazu stand hingegen in BGE 107 Ia 261 vorrangig der Grundsatz der konfessionellen Neutralität des Unterrichts in Frage.
Steht somit im vorliegenden Fall die Glaubens- und Gewissensfreiheit nach Art. 49 BV und Art. 9 EMRK im Vordergrund, ist das Bundesgericht zur Behandlung der erhobenen staatsrechtlichen Beschwerde zuständig. Da die ergänzende Rüge, Art. 27 Abs. 3 BV sei verletzt, jedenfalls eng mit dem Hauptvorbringen zusammenhängt, soweit ihr überhaupt noch selbständige Bedeutung zukommt, fällt auch eine Überweisung an den Bundesrat zum Entscheid in diesem Punkt - sowohl nach der älteren wie auch der jüngeren Praxis zur Zuständigkeitsfrage - ausser Betracht. Erst recht gilt dies ferner insoweit, als ein Verstoss gegen das ungeschriebene Verfassungsrecht der persönlichen Freiheit geltend gemacht wird, ist dafür ohnehin ordentlicherweise das Bundesgericht zuständig. Die Frage einer Spaltung des Rechtsweges stellt sich somit im vorliegenden Fall nicht.

2. a) Nach Art. 88 OG steht das Recht zur Beschwerdeführung Bürgern (Privaten) und Korporationen bezüglich solcher Rechtsverletzungen zu, die sie durch allgemein verbindliche oder sie persönlich treffende Erlasse oder Verfügungen erlitten haben.
Die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde erging sowohl im Namen des Mädchens als auch im eigenen Namen des Vaters. Es fragt sich, ob auch beide dazu legitimiert sind.
b) Gemäss Art. 49 Abs. 3 BV verfügt über die religiöse Erziehung der Kinder bis zum erfüllten 16. Altersjahr der Inhaber väterlicher oder vormundschaftlicher Gewalt; eine auf Art. 4 Abs. 2 BV beziehungsweise Art. 303 Abs. 1 ZGB abgestützte Auslegung dieser Verfassungsnorm ergibt, dass die Eltern über die religiöse Erziehung und Betätigung ihrer Kinder unter 16 Jahren entscheiden (ULRICH HÄFELIN, in Kommentar BV, Art. 49, Rz. 116, insb. Anm. 314). Im Einklang mit Art. 304 Abs. 2 ZGB darf ferner bei verheirateten Eltern davon ausgegangen werden, dass jeder Elternteil im Einvernehmen
BGE 119 Ia 178 S. 182
mit dem andern handelt, sofern keine gegenteiligen Anhaltspunkte bestehen. Die Bundesverfassung sieht somit eine doppelte Trägerschaft für die Glaubens- und Gewissensfreiheit vor: Einmal ist das Kind selber - allerdings mit beschränkter Fähigkeit zur selbständigen Geltendmachung - Träger dieses Grundrechts, zum zweiten trifft dies aber auch für die Eltern zu, bildet doch deren religiöses Erziehungsrecht über ihre noch nicht 16 Jahre alten Kinder einen Bestandteil der elterlichen Religionsfreiheit (vgl. PETER KARLEN, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Schweiz, Zürich 1988, S. 254 ff.; HÄFELIN, Art. 49 BV, Rz. 115 f.).
Da im vorliegenden Fall das Mädchen 1982 geboren und damit noch nicht 16jährig ist, kann der Vater die Glaubens- und Gewissensfreiheit sowohl in seinem eigenen Namen wie auch in demjenigen seiner Tochter anrufen. Vom Einverständnis der Mutter ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte auszugehen.
c) Als fraglich erscheint hingegen, ob der Vater berechtigt ist, aus eigenem Recht die persönliche Freiheit seiner Tochter anzurufen. Im vorliegenden Zusammenhang ist die entsprechende Rüge allerdings nebensächlich. Es rechtfertigt sich daher, die Frage der Beschwerdeberechtigung des Vaters offenzulassen, ist diesbezüglich doch jedenfalls das Mädchen selbst legitimiert.

3. a) Nach Art. 49 Abs. 1 BV ist die Glaubens- und Gewissensfreiheit unverletzlich. Gemäss Art. 49 Abs. 5 BV entbinden Glaubensansichten aber nicht von der Erfüllung bürgerlicher Pflichten.
Art. 9 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK; SR 0.101) gibt jedermann Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, insbesondere die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft mit andern öffentlich oder privat, durch Gottesdienst, Unterricht, Andachten und Beachtung religiöser Gebräuche auszuüben (Ziff. 1); die Religions- und Bekenntnisfreiheit darf nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Massnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sind (Ziff. 2).
b) Die Bundesverfassung behält somit die Einhaltung von Bürgerpflichten, die Menschenrechtskonvention unter anderem die öffentliche Ordnung sowie den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer Besucher der öffentlichen Schule vor. In BGE 117 Ia 314 E. 1b liess das Bundesgericht die Frage offen, ob die Bundesverfassung
BGE 119 Ia 178 S. 183
und die Menschenrechtskonvention, wie es noch in BGE 116 Ia 258 unter Verweis auf BGE 114 Ia 131 /2 angenommen hatte, die gleichen Garantien enthalten, oder ob nicht eher die Konvention einen weitergehenden Schutz gewährleiste (vgl. dazu auch KARLEN, a.a.O., S. 163 ff.). Im Sinne einer Präzisierung der Rechtsprechung hielt es aber fest, dass der Kanton die religiösen Freiheiten durch die Festlegung von Bürgerpflichten, einschliesslich der Pflicht zum Schulbesuch, nicht weiter einschränken dürfe, als dies auch vom öffentlichen Interesse geboten und verhältnismässig sei beziehungsweise eine notwendige Massnahme im Sinne von Art. 9 Ziff. 2 EMRK darstelle.

4. a) Das Bundesgericht prüft mit freier Kognition, ob ein Eingriff in das angerufene Grundrecht vorliegt, beziehungsweise ob die behauptete Verletzung in den Schutzbereich des angerufenen verfassungsmässigen Rechts fällt. Ebenfalls prüft das Bundesgericht frei, ob die allfällige Grundrechtseinschränkung auf überwiegenden öffentlichen Interessen beruht und das Verhältnismässigkeitsprinzip wahrt. Einzig bei der Frage der gesetzlichen Grundlage stuft das Bundesgericht die Prüfungsintensität nach der Schwere des Eingriffs ab (WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1984, S. 184; KARLEN, a.a.O., S. 461, zur Religionsfreiheit).
b) Art. 49 Abs. 1 BV und Art. 9 Ziff. 1 EMRK garantieren die religiöse Bezeugung des einzelnen Menschen als selbstverantwortlichen Bereich, der vom Staat nicht angetastet werden darf. Davon erfasst werden grundsätzlich alle Arten von Vorstellungen über die Beziehung des Menschen zum Göttlichen beziehungsweise zum Transzendenten. Das Glaubensbekenntnis muss allerdings eine gewisse grundsätzliche, weltanschauliche Bedeutung erlangen, somit einer Gesamtsicht der Welt entsprechen; das heisst, dass mit dem Glaubensbekenntnis eine religiös fundierte, zusammenhängende Sicht grundlegender Probleme zum Ausdruck zu gelangen hat, ansonsten die Religionsfreiheit sich zu einer schwer fassbaren Allgemein- und Handlungsfreiheit erweitern würde (HÄFELIN, Art. 49 BV, Rz. 42 ff.; JEAN-FRANÇOIS AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, Bd. II, Neuchâtel 1967, S. 712 f.; JÖRG PAUL MÜLLER, Die Grundrechte der Schweizerischen Bundesverfassung, Bern 1991, S. 57; PETER KARLEN, a.a.O., S. 201 ff.; BEAT KAUFMANN, Das Problem der Glaubens- und Überzeugungsfreiheit im Völkerrecht, Zürich 1989, S. 239 ff.; FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, N 5 ff. zu Art. 9; JOCHEN ABR. FROWEIN, Freedom of Religion in the Practice of the
BGE 119 Ia 178 S. 184
European Commission and Court of Human Rights, in: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 46/1986, S. 250 ff.).
Unter dem Schutz der Religionsfreiheit stehen nicht nur die traditionellen Glaubensformen der christlich-abendländischen Kirchen und Religionsgemeinschaften, sondern alle Religionen, unabhängig von ihrer quantitativen Verbreitung in der Schweiz (HÄFELIN, Art. 49 BV, Rz. 42; KARLEN, a.a.O., S. 202; ARTHUR HAEFLIGER, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, Bern 1993, S. 223; FROWEIN, a.a.O., S. 252). Dazu zählt auch der Islam (vgl. BGE 113 Ia 304).
c) Die Religionsfreiheit umfasst sowohl die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, wie auch die äussere Freiheit, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen, innerhalb gewisser Schranken, zu äussern, zu praktizieren und zu verbreiten (BGE 118 Ia 56 E. 4c; HÄFELIN, Art. 49 BV, Rz. 50 f.; MÜLLER, a.a.O., S. 58; HAEFLIGER, a.a.O., S. 224). Dazu gehört das Recht des einzelnen, grundsätzlich sein ganzes Verhalten nach den Lehren des Glaubens auszurichten und seinen inneren Glaubensüberzeugungen gemäss zu handeln. Zur so gewährleisteten Religionsausübung zählen nicht nur kultische Handlungen - deren Vornahme zusätzlich von der in Art. 50 BV besonders geschützten Kultusfreiheit erfasst wird - und die Beachtung religiöser Gebräuche, sondern auch andere Äusserungen des religiösen Lebens, soweit sie sich im Rahmen gewisser übereinstimmender sittlicher Grundanschauungen der Kulturvölker halten (KARLEN, a.a.O., S. 205). Dass sich insofern die Schutzbereiche von Art. 49 und 50 BV überschneiden, ist im vorliegenden Zusammenhang mangels Auswirkungen auf die Rechtslage nicht wesentlich (vgl. ULRICH HÄFELIN, in: Kommentar BV, Art. 50, Rz. 13).
Somit schützt die Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht nur die Befolgung imperativer Glaubenssätze; vielmehr erstreckt sich ihr Schutz auch auf Überzeugungen, die für eine konkrete Lebenssituation eine religiös motivierte Verhaltensweise zwar nicht zwingend fordern, die in Frage stehende Reaktion aber für das angemessene Mittel halten, um die Lebenslage nach der Glaubenshaltung zu bewältigen. Andernfalls könnte sich die Religionsfreiheit nicht voll entfalten. Voraussetzung bleibt allerdings, dass solche Verhaltensweisen unmittelbarer Ausdruck der religiösen Überzeugung sind (KARLEN, a.a.O., S. 214; FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., N 12 zu Art. 9). Insoweit können auch religiös bedingte Bekleidungsvorschriften vom Schutz von Art. 49 Abs. 1 BV (KARLEN, a.a.O., S. 232 f.) und
BGE 119 Ia 178 S. 185
Art. 9 Ziff. 1 EMRK (HÄFELIN, Art. 50 BV, Rz. 12 mit Hinweisen) erfasst werden, bilden solche doch mitunter einen nicht unwesentlichen Bestandteil der Lebensführung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften.
Eine besondere Problematik ergibt sich bei Religionsverständnissen, welche wie der Islam die auf den Glauben gestützten Verhaltensweisen nicht nur auf das geistig-religiöse Leben beschränken, wie es der herrschenden Auffassung in einer säkularisierten, wertpluralistischen Gesellschaft entspricht, sondern mit dem Glauben auch die Pflicht verbinden, alle Bereiche des menschlichen Lebens vorrangig nach den religiösen Regeln zu gestalten (vgl. KHOURY/HAGEMANN/HEINE, Islam-Lexikon, Herder-Spektrum 1991, Bd. 3, S. 646 f.). Es erweist sich als unumgänglich zu prüfen, welche Äusserungen der in Frage stehenden Religion des verfassungsrechtlichen Schutzes teilhaftig sein können, ansonsten die Religionsfreiheit konturlos wird.
Allerdings hat sich das Bundesgericht insofern grosse Zurückhaltung aufzuerlegen, als der Inhalt der Glaubenslehre in Frage steht. Eine Bewertung der Glaubenshaltung und -regeln oder gar eine Überprüfung ihrer theologischen Richtigkeit, insbesondere eine Interpretation der einschlägigen Stellen heiliger Schriften, bleibt dem Bundesgericht jedenfalls so lange verwehrt, als nicht die Grenzen der Willkür überschritten sind. Hingegen kann es sich uneingeschränkt mit der Religion als sozialem Phänomen auseinandersetzen (vgl. KARLEN, a.a.O., S. 461 f.); es darf dabei insbesondere darüber befinden, ob sich eine bestimmte Verhaltensweise auf den Glauben zurückführen lässt oder in anderen Zusammenhängen begründet ist.
d) Die Beschwerdeführer berufen sich darauf, dass der islamische Glaube gemischtgeschlechtliches Schwimmen, wie dies beim koedukativen Schwimmunterricht praktiziert wird, nicht zulasse, und verweisen auf die Bekleidungsvorschriften beziehungsweise auf die Verhaltensregeln, wie sie im Koran umschrieben werden.
So wird in der Sure 24, Vers 31, ausgeführt: "Und sag den gläubigen Frauen, sie sollen (statt jemanden anzustarren, lieber) ihre Augen niederschlagen, und sie sollen darauf achten, dass ihre Scham bedeckt ist, den Schmuck, den sie (am Körper) tragen, nicht offen zeigen, soweit er nicht (normalerweise) sichtbar ist, ihren Schal sich über den (vom Halsausschnitt nach vorne heruntergehenden) Schlitz (des Kleides) ziehen und den Schmuck, den sie (am Körper) tragen, niemandem offen zeigen, ausser ihrem Mann, ihrem Vater, ihrem Schwiegervater, ihren Söhnen, ihren Stiefsöhnen, ihren Brüdern, den
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Söhnen ihrer Brüder und ihrer Schwestern, ihren Frauen, ihren Sklavinnen, den männlichen Bediensteten, die keinen (Geschlechts)trieb (mehr) haben, und den Kindern, die noch nichts von weiblichen Geschlechtsteilen wissen ..." (zitiert nach der Übersetzung des Korans von RUDI PARET, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1966, S. 289); ferner steht in der Sure 33, Vers 59: "Prophet! Sag Deinen Gattinnen und Töchtern und den Frauen der Gläubigen, sie sollen (wenn sie austreten) sich etwas von ihrem Gewand (über den Kopf) herunterziehen. So ist es am ehesten gewährleistet, dass sie (als ehrbare Frau) erkannt und daraufhin nicht belästigt werden..." (PARET, a.a.O., S. 350).
Bei diesen Verhaltensregeln handelt es sich, wenn auch nicht ausschliesslich, so doch um einen Ausdruck moralisch-ethischer, religiöser Wertvorstellungen des Islams (vgl. KHOURY/HAGEMANN/HEINE, a.a.O., Bd. 2, S. 446 ff./Bd. 3, S. 665 ff.). Eine Umfrage der Erziehungsdirektion Zürich bei verschiedenen Angehörigen islamischer Gemeinschaften ergab, dass der Koran zwar vom Wortlaut her die Bedeckung des weiblichen Körpers erst von der Geschlechtsreife an verlange, dass es aus religiös-erzieherischen Gründen aber auch bereits jüngeren Mädchen und Knaben strengen islamischen Glaubens - im Hinblick auf die späteren Vorschriften - nicht gestattet sei, an einem gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterricht teilzunehmen. Dies wird zudem auch durch ein bei den Akten liegendes Schreiben des Sekretärs der Stiftung Islamische Glaubensgemeinschaft Zürich untermauert. Danach verstösst die Verpflichtung zu gemischtgeschlechtlichem Baden mit Ausnahme von den im Koran konkret umschriebenen nahen Angehörigen gegen eine islamische Glaubensregel.
Damit stehen die entsprechenden Verhaltensweisen unter dem Schutz der Religionsfreiheit. Unmassgeblich ist, ob die umstrittene Gepflogenheit von allen, von einer Mehrheit oder allenfalls von einer Minderheit der islamischen Glaubensangehörigen befolgt wird. Angesichts der weiten Umschreibung des verfassungsrechtlichen Religionsbegriffs geniesst diese Regel den verfassungsrechtlichen Schutz auch dann, wenn sie als Ausfluss der religiösen Anschauung einer Minderheit zu gelten hätte. Ebensowenig kommt es darauf an, ob diese Regel als allgemeine Gepflogenheit im Ursprungsland, im vorliegenden Fall der Türkei, für jene Person gilt, welche sich darauf beruft.
e) Die im Rahmen der Koedukation bestehende Pflicht zum gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterricht stellt daher im vorliegenden
BGE 119 Ia 178 S. 187
Zusammenhang einen Eingriff in die Religionsfreiheit der Beschwerdeführer dar, was im übrigen auch von den kantonalen Instanzen so beurteilt wurde.

5. Die Beschwerdeführer sehen eine Verletzung der persönlichen Freiheit der Tochter darin, dass von ihr verlangt werde, sich gegebenenfalls auch gegen ihren Willen während einer gewissen Dauer in relativ kaltem Wasser aufzuhalten. Da die persönliche Freiheit gegenüber den speziellen Verfassungsrechten zurücktritt (BGE 117 Ia 30 E. 5b mit Hinweisen), berufen sie sich zu Recht nicht auf dieses Grundrecht, soweit die Religionsfreiheit in Frage steht.
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung garantiert das ungeschriebene Verfassungsrecht der persönlichen Freiheit nur die elementaren Erscheinungen der Persönlichkeitsentfaltung; namentlich schützt dieses Grundrecht nicht vor jeglichem physischen oder psychischen Missbehagen (BGE 118 Ia 314 E. 4a; BGE 117 Ia 30 E. 5a).
Der allfällige Zwang, sich im Rahmen des Schwimmunterrichts gegen den eigenen Willen in relativ kaltem Wasser aufhalten zu müssen, kann zwar unter Umständen Missbehagen auslösen, stellt aber keinen Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit dar, wird damit doch weder die körperliche noch geistige Integrität gefährdet, noch eine anderweitige elementare Persönlichkeitsentfaltung behindert.

6. Die Beschwerdeführer bezweifeln, dass für das Obligatorium des Schwimmsports eine hinreichende gesetzliche Grundlage bestehe. Vom Obligatorium des Turnens könne nicht einfach auf die Pflicht, am Schwimmunterricht teilzunehmen, geschlossen werden.
a) Nach einer allgemeinen Regel prüft das Bundesgericht bei schweren Eingriffen in spezifische Freiheitsrechte die gesetzliche Grundlage mit freier Kognition. Demgegenüber prüft es die Auslegung von kantonalem oder eidgenössischem Gesetzes- oder Verordnungsrecht beziehungsweise die Frage, ob die Grundrechtsbeschränkung auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage beruht, nur auf Willkür, wenn der gerügte Eingriff nicht schwer wiegt (BGE 115 Ia 122 E. c; BGE 113 Ia 440 E. 2 mit Hinweisen). Der Eingriff muss objektiv schwer sein. Nicht entscheidend ist, wie er vom Beschwerdeführer empfunden wird.
Auch im Bereich der Religionsfreiheit hat das Bundesgericht seine Überprüfungsbefugnis schon danach unterschieden, ob ein schwerer Eingriff vorlag oder nicht (vgl. BGE 114 Ia 135 E. 4b und 137 E. 5b, wo von freier Prüfung und einem schwerwiegenden Eingriff die Rede ist, als Beispiel für den ersten und BGE 118 Ia 61 E. 5b als Beispiel
BGE 119 Ia 178 S. 188
für den zweiten Fall). Behinderungen seiner religiösen Überzeugung dürften allerdings vom Betroffenen regelmässig als schwer empfunden werden. Sie objektiv zu beurteilen, bietet demgegenüber um so grössere Schwierigkeiten, je mehr religiös bedingte Verhaltensweisen mit dem in der Schweiz Üblichen in Konflikt geraten. Im vorliegenden Fall kann indessen offenbleiben, ob ein schwerer Eingriff gegeben ist oder nicht, da das kantonale Recht auch bei freier Überprüfung eine genügende gesetzliche Grundlage für den angefochtenen Entscheid abgibt.
b) Personengruppen, die wie Primarschüler zum Staat in einer besonders engen Rechtsbeziehung stehen (sogenanntes Sonderstatus- oder besonderes Rechtsverhältnis), können sich grundsätzlich ebenfalls auf die Grundrechte, einschliesslich der Religionsfreiheit, berufen. In solchen Fällen hat die rechtssatzmässige Regelung - abgesehen von der Begründung des Sonderstatusverhältnisses - allerdings nicht bis ins letzte Detail zu gehen, sondern darf der Natur des Rechtsverhältnisses entsprechend weit gefasst sein; namentlich darf die Regelung der Einzelheiten an die Exekutive delegiert werden (BGE 115 Ia 288 E. a; BGE 111 Ia 237; BGE 106 Ia 282).
Ist allerdings infolge der Natur des Rechtsverhältnisses eine bis ins Detail gehende rechtssatzmässige Regelung nicht möglich, kommt bei der materiellen Beurteilung von Grundrechtseinschränkungen dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit eine entsprechend grosse Bedeutung zu (KARLEN, a.a.O., S. 319; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Bd. 1, Basel/Stuttgart 1976, und RHINOW/KRÄHENMANN, Ergänzungsband, Basel/Frankfurt a.M. 1990, jeweils Nr. 65 B IIIb 2).
c) Art. 27 Abs. 2 BV erklärt den Primarschulunterricht als obligatorisch. Für diesen Unterricht zu sorgen, obliegt den Kantonen.
Nach § 10 Abs. 1 des zürcherischen Volksschulgesetzes vom 11. Juni 1899 (VSG; GS 412.11) wird jedes Kind, das bis zum 31. Dezember eines Jahres das 6. Altersjahr vollendet, auf Beginn des nächsten Schuljahres schulpflichtig, und gemäss § 11 Abs. 1 VSG dauert die Schulpflicht neun Jahre. Nach § 23 VSG bestimmt der Erziehungsrat die Unterrichtsgegenstände der Primarschule, und gemäss § 24 Abs. 1 VSG bestimmt ein vom Erziehungsrat aufgestellter Lehrplan für jede Klasse den Unterrichtsstoff und die auf die einzelnen Fächer zu verwendende Zeit. Nach Ziff. II Bst. C Ziff. 4 des vom Erziehungsrat erlassenen Lehrplanes der Volksschule des Kantons Zürich gehören Turnstunden zum obligatorischen Unterricht. Nach Ziff. II Bst. F Ziff. 8 "empfiehlt es sich, neben dem
BGE 119 Ia 178 S. 189
systematischen Turnunterricht vor allem das Wandern, das Schwimmen und die Wintersportarten zu pflegen".
Der Bund schreibt im Bereich der körperlichen Erziehung, gestützt auf Art. 27quinquies BV, den Kantonen vor, eine bestimmte Anzahl Stunden Turn- und Sportunterricht zu erteilen. Art. 2 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 17. März 1972 über die Förderung von Turnen und Sport (SR 415.0) erklärt den Turn- und Sportunterricht an allen Volks-, Mittel- und Berufsschulen, einschliesslich Seminaren und Lehramtsschulen, als obligatorisch. Doch umschreiben weder das Bundesgesetz noch die dazu gehörende Verordnung vom 21. Oktober 1987 (SR 415.01) die im Rahmen des obligatorischen Turn- und Sportunterrichts an den Volks- und Mittelschulen anzubietenden Sportfächer.
d) § 66 VSG sieht für die Oberstufe die gemeinsame Unterrichtserteilung für Knaben und Mädchen vor, soweit nicht die Natur der Fächer eine Trennung erfordert. Für die Primarschule enthält das Gesetz zwar keine ausdrückliche gleichlautende Bestimmung; aus einer geltungszeitlichen Sicht ist aber zu schliessen, dass diese Regel analog auch für die Primarschule gelten muss. So schreibt denn auch § 5 Abs. 1 der Volksschulverordnung vom 31. März 1900 (VSV; GS 412.111) für die Primarschule vor, dass "ausser in Mädchenarbeit, in fakultativen Fächern und wenn möglich im Turnen der 4. bis 6. Klasse (...) Knaben und Mädchen gemeinsam unterrichtet" werden.
Nach dieser Ordnung galt für die Tochter des Beschwerdeführers jedenfalls im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung auch für den Turnunterricht der Grundsatz der Koedukation.
e) Diese Vorschriften stellen selbst bei freier Prüfung eine genügende Grundlage für den angefochtenen Entscheid dar, auch wenn die rechtssatzmässige Regelung nicht bis ins letzte Detail geht. Der in Frage stehende Turn- und Schwimmunterricht stützt sich auf den Lehrplan des Erziehungsrates, dem wiederum die Kompetenz zum Erlass dieses Lehrplanes in einer klaren Delegationsnorm im Volksschulgesetz zugesprochen wird. Der Grundsatz der Koedukation ergibt sich jedenfalls aus dem Verordnungsrecht; er lässt sich aber auch durch Analogieschluss aus dem Volksschulgesetz ableiten. Die Pflicht zur Teilnahme am Turnunterricht findet sowohl im kantonalen Volksschulgesetz als auch im Bundesrecht eine klare gesetzliche Grundlage.
Dabei ist unmassgeblich, dass die Primarschulen im Kanton Zürich vom Wortlaut des Lehrplanes her nicht verpflichtet sind,
BGE 119 Ia 178 S. 190
Schwimmunterricht zu erteilen, sondern dass es ihnen nur empfohlen wird. Dies dispensiert den einzelnen Schüler nicht von der Teilnahmepflicht am Schwimmunterricht, wenn sich die Schule an die Empfehlung des Erziehungsrates hält und das Schwimmen in den obligatorischen Turnunterricht einbezieht.

7. a) Gemäss Art. 49 Abs. 5 BV entbinden die Glaubensansichten nicht von der Erfüllung der bürgerlichen Pflichten. Damit weist die Verfassung ausdrücklich auf den Vorrang des staatlichen Rechts vor kirchlichen Vorschriften oder Glaubens- und Gewissensentscheiden des einzelnen hin. Dennoch darf nicht ein absoluter Vorrang der Bürgerpflichten angenommen werden, denn die gegenläufigen Absätze 1 und 5 von Art. 49 BV stehen auf der gleichen rechtlichen Ebene (HÄFELIN, Art. 49 BV, Rz. 147). Bei der Umschreibung der staatsbürgerlichen Pflichten hat der Gesetzgeber vielmehr auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit Rücksicht zu nehmen.
Aber auch die rechtsanwendenden Behörden sind nicht davon entbunden, im Einzelfall zu prüfen, ob das Beharren auf einer Bürgerpflicht im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt, beziehungsweise ob der Grundsatz der Verhältnismässigkeit gewahrt ist (BGE 117 Ia 315 E. b; BGE 114 Ia 132 /3 E. b; HÄFELIN, Art. 49 BV, Rz. 147; KARLEN, a.a.O., S. 315). Dies ist desto weniger der Fall, je weniger den religiösen Freiheitsrechten bei der rechtlichen Erfassung der Bürgerpflichten Rechnung getragen wurde (BGE 117 Ia 315 E. 2b mit Literaturhinweisen). Insbesondere kann die Unverhältnismässigkeit unter Umständen gerade in der vorbehaltlosen Anwendung einer allzu strikten Regelung begründet sein (BGE 117 Ia 321).
Dabei kann Art. 49 Abs. 5 BV als Norm, welche dem einzelnen im Hinblick auf seine bürgerlichen Pflichten die Berufung auf ein grundlegendes verfassungsmässiges Recht versagt, nur den Vorrang haben, wenn die Erfüllung der Pflicht durch ein dringendes und gewichtiges öffentliches Interesse geboten ist (HERBERT PLOTKE, Schweizerisches Schulrecht, Bern 1979, S. 306; FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., N 23 zu Art. 9 EMRK). Im übrigen ist in der Schule die Glaubens- und Gewissensfreiheit in erster Linie durch Toleranz zu gewährleisten (BGE 114 Ia 134 E. 3a), einem dieser Freiheit inhärenten Gebot (KARLEN, a.a.O., S. 51 f. und 193 ff.).
b) Beim Obligatorium des Schulbesuchs, einschliesslich der Pflicht zur Teilnahme am Schwimmen im Rahmen des Turnunterrichts, handelt es sich um eine Bürgerpflicht im Sinne von Art. 49 Abs. 5 BV. Das Erteilen von Schuldispensationen aus religiösen Gründen wird für die Volksschulen des Kantons Zürich in den
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§§ 58-60 VSV geregelt. In § 58 VSV werden die Tage umschrieben, an welchen Schüler katholischer Konfession und jüdischen Glaubens vom Schulbesuch befreit sind. Bei Schülern anderer Bekenntnisse sind auf Verlangen des Besorgers an hohen Feiertagen Dispensationen zu erteilen (§ 58 Abs. 3 VSV). § 59 Abs. 1 VSV konkretisiert, dass Schüler, deren Eltern als strenggläubige Juden oder Adventisten den Sabbat als religiösen Feiertag achten, auf Gesuch und nach Wahl des gesetzlichen Vertreters am Samstag von manuellen Arbeiten und Leibesübungen oder vom Besuch der Schule zu befreien sind, wobei sie zur Nacharbeit der versäumten Arbeiten verpflichtet sind. § 60 VSV sieht ferner vor, dass auf schriftliche Mitteilung des gesetzlichen Vertreters unter Berufung auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit hin Schüler der Primarschule vom Unterricht biblischer Geschichte und Sittenlehre freigestellt werden.
Eine Befreiung vom Schwimmunterricht, wie sie im vorliegenden Fall beansprucht wird, kennt die zürcherische Rechtsordnung für die Primarschule nicht. Hingegen sieht § 60 Abs. 3 VSG für die Oberstufe vor, dass die Schulpflege aus besonderen Gründen Schüler vom Besuch einzelner Fächer befreien kann. Wie sich aus dem Entscheid der Bezirksschulpflege Dietikon ergibt, wird daraus in der Praxis unter anderem die Möglichkeit einer Dispensation vom Schwimmunterricht aus religiösen Gründen für Oberstufenschülerinnen abgeleitet. Der Regierungsrat scheint aber davon auszugehen, dass eine analoge Anwendung dieser Bestimmung für die Primarschule nicht zulässig ist. Er beruft sich denn auch darauf, dass die im Zürcher Schulrecht geregelten Dispensationsmöglichkeiten aus religiösen Gründen für die Primarschulen ausreichend seien und abschliessenden Charakter hätten. Eine Freistellung vom Schwimmunterricht sei dabei nicht vorgesehen.
Ob die Interpretation des Regierungsrates zutrifft, kann hier offenbleiben. Selbst wenn er sich mit der Verweigerung der Dispensation keine Verletzung kantonaler Vorschriften hat zuschulden kommen lassen, greift seine Argumentation zu kurz. Sollte sich die Verweigerung der Freistellung vom Unterricht als unverhältnismässig erweisen, so ist sie auch verfassungswidrig und zwar unabhängig davon, ob das massgebende kantonale Recht eine Dispensation vorsieht oder nicht (vgl. BGE 117 Ia 320 /1 E. c).
c) Das Obligatorium des Primarschulbesuchs bezweckt, die regelmässige Vermittlung von Grundkenntnissen zu gewährleisten (BORGHI, a.a.O., Rz. 29); es soll eine genügende Grundausbildung für alle Kinder sichern. Aus der Gleichheitsregel von Art. 4 BV ergibt
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sich sinngemäss der Auftrag an den Staat, gemessen an den jeweiligen individuellen Fähigkeiten von den staatlichen Bildungsmöglichkeiten her eine gewisse Chancengleichheit für alle zu wahren. Art. 4 Abs. 2 BV enthält zudem ausdrücklich den Gesetzgebungsauftrag und damit das staatliche Ziel, für die Gleichstellung von Mann und Frau, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit, zu sorgen. Bei diesen von der Verfassung vorgegebenen Ausbildungszielen handelt es sich um gewichtige öffentliche Interessen.
Der Schwimmunterricht im besonderen hat zum Ziel, den Schülern zur Fertigkeit im Schwimmen zu verhelfen. Damit sollen sie nicht nur in den Genuss des Spasses am Schwimmen und Baden gelangen, sondern sie sollen mit dem Wasser vertraut gemacht und es soll dazu beigetragen werden, Ertrinkungsunfälle mangels Kenntnissen im Schwimmen zu verhindern. Dieses Ziel wird durch den Schwimmunterricht im Rahmen des obligatorischen Schulunterrichts sichergestellt.
d) Die Schule erbringt ihre Leistungen nicht im eigenen Interesse, sondern im Interesse der Schüler selbst. Die dabei verfolgten Ziele bilden in diesem Sinne Faktoren des Kindeswohls, aus welchem Grund der Schulbesuch zum Beispiel auch gegen den Willen der Eltern durchgesetzt werden kann. Dabei handelt es sich grundsätzlich ebenfalls um massgebliche öffentliche Interessen (vgl. BGE 118 Ia 438 E. c).
Soweit die Elternrechte betroffen sind, hat sich der Staat allerdings Zurückhaltung aufzuerlegen. Dies trifft namentlich zu für den Bereich der religiösen Erziehung, welche von Verfassung wegen für Kinder unter 16 Jahren in die alleinige Kompetenz der Eltern gestellt ist (Art. 49 Abs. 3 BV). Umgekehrt darf der Staat durch seine Massnahmen nicht dazu beitragen, dass die im Spiel stehenden Verfassungsziele - einschliesslich des Gleichstellungszieles nach Art. 4 Abs. 2 BV - über den Kompetenzbereich der Eltern hinaus unterlaufen werden.
e) Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben hat eine öffentliche Schule von einer Gesamtsicht auszugehen. Sowohl in der Vermittlung des Lehrstoffes als auch bei ihrer Organisation muss sie sich an einen möglichst breiten gemeinsamen Nenner halten, und sie hat die Kohärenz der Schulklassen und des Unterrichts zu gewährleisten. Die Berücksichtigung von Religionsvorschriften einzelner Schüler - sei es von Angehörigen der traditionell in der Schweiz verwurzelten Glaubensbekenntnisse, sei es von anderen - findet daher dort ihre Schranke, wo ein geordneter und effizienter Schulbetrieb nicht mehr
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aufrechterhalten werden kann (BGE 117 Ia 317 E. 4a; BGE 114 Ia 133 /4 E. 3a). Ausserdem darf das religiös geprägte Verhalten nicht dazu führen, dass die anderen Schüler in ihren religiösen Gefühlen verletzt werden. Die Ausübung der eigenen Glaubens- und Gewissensfreiheit wird insofern von der Religionsfreiheit der andern begrenzt. Für die Beachtung dieser Zusammenhänge hat die Schule, gerade wegen ihrer Neutralitätspflicht, auch zu sorgen, soweit dadurch der Schulunterricht tangiert wird.
Ob sich jemand mit Erfolg auf die Religionsfreiheit berufen kann, hängt indes nicht vornehmlich davon ab, ob seine religiöse Überzeugung stark vom Landesüblichen abweicht, wie der Regierungsrat annimmt. Gewiss erwog das Bundesgericht in BGE 114 Ia 133 E. 3a, aus der Religionsfreiheit lasse sich nicht ableiten, dass ein Schüler die öffentliche Schule zwar besuchen, ihr aber in einem praktisch unbeschränkten Ausmass fernbleiben könne; auch unter Berufung auf die Glaubens-, Gewissens- und Kultusfreiheit könne nicht die Berücksichtigung einzelner Glaubensüberzeugungen oder Religionsvorschriften verlangt werden, wenn diese so sehr vom Landesüblichen abwichen, dass bei deren Berücksichtigung ein geordneter und effizienter Schulbetrieb nicht mehr gewährleistet sei, beziehungsweise dass ihnen nur schwer oder nicht in der öffentlichen Schule Rechnung getragen werden könne. Das entscheidende Gewicht liegt dabei aber in diesem zweiten Gesichtspunkt und nicht im Ausmass des für hiesige Verhältnisse Üblichen.
Es ist nicht zu verkennen, dass in verschiedenen Regionen öffentliche Schulen mehr und mehr von Kindern aus andern Kulturkreisen und damit oft auch aus verschiedenen Religionsgemeinschaften besucht werden. In einer kritischen Anmerkung zu BGE 114 Ia 129 (in: ZBl 90/1989, S. 32, Ziff. 2) wurde vermerkt, dass eine grosszügige Dispensationspraxis der Schulbehörden nicht ohne Rückwirkungen auf die Kohärenz von Schulklassen und des Unterrichts bleiben und als Präjudiz bald einmal für weitere Dispense angerufen werden könnte. Die Sorge allein, dass eine dem Gebot religiöser Toleranz entspringende Dispensationspraxis als Signal für unhaltbare Gesuche missverstanden werden könnte, rechtfertigt aber nicht, gewissermassen generalpräventiv eine restriktive Praxis zu beschreiten. Es kommt letztlich darauf an, ob konkret zu befürchten ist, dass durch die nachgesuchte Dispensation ein geordneter und effizienter Schulbetrieb und damit der Ausbildungsauftrag der Schule in Frage gestellt wird (vgl. dazu auch BGE 117 Ia 317 /8 E. 4a).
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8. a) Die öffentlichen Interessen, auf denen ein Grundrechtseingriff beruht, müssen die entgegenstehenden privaten Interessen überwiegen. Ausserdem hat der Eingriff das Verhältnismässigkeitsprinzip zu wahren (BGE 118 Ia 439 E. 7a; BGE 117 Ia 318 E. b mit Hinweisen).
Das öffentliche Interesse an der Einhaltung des Schulobligatoriums ist abzuwägen gegenüber dem Interesse der Gesuchsteller, als Familie ihren Glaubensvorstellungen nachleben zu können. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit kommt es dabei genausowenig wie bei der Bestimmung des Schutzbereiches der Religionsfreiheit darauf an, ob die zur Diskussion stehende Regel von allen Glaubensangehörigen gleichermassen befolgt wird.
Ebensowenig ist entscheidend, ob diese Regel als allgemeine oder gar staatlich anerkannte Gepflogenheit im Ursprungsland für jene Person gilt, welche sich darauf beruft. Schliesslich kommt es auch nicht darauf an, ob der Schulunterricht, von welchem eine Dispensation verlangt wird, religiös geprägt ist. In einem solchen Fall ist zwar eine Freistellung - unter anderem auch im Hinblick auf Art. 27 Abs. 3 BV - um so zwingender; das schliesst aber die Dispensation von andern Fächern aus religiösen Gründen keineswegs aus. Massgeblich ist dabei einzig, ob das Verhalten, welches im fraglichen Unterrichtsfach von den Schülern verlangt wird, einen Eingriff in die Religionsfreiheit bedeutet. Der Regierungsrat verkennt dies, wenn er ausführt, dass im Gegensatz zum Turn- beziehungsweise Schwimmunterricht das Fach Biblische Geschichte und Sittenlehre, für welches ausdrücklich eine Dispensationsmöglichkeit vorgesehen sei, einen starken religiösen Bezug aufweise, und er daraus sinngemäss auf Unzulässigkeit der Freistellung im vorliegenden Zusammenhang schliesst.
Somit ist von gewichtigen privaten Interessen auszugehen, wenn es sich bei einer Verhaltensnorm, die von strenggläubigen Anhängern einer Religion angerufen wird, um eine bedeutsame religiöse Vorschrift handelt. Diese stehen vor der Alternative, entweder einem staatlichen oder einem religiösen Gebot zuwiderhandeln zu müssen. Daraus ergibt sich nicht nur die Gefahr eines Gewissenskonflikts, sondern auch einer Auseinandersetzung zwischen Schule und Familie, unter der insbesondere das betroffene Kind leiden könnte (vgl. BGE 117 Ia 318 E. b). Erst wenn das Kindeswohl unter der Befolgung von Glaubensvorschriften konkret und in massgeblicher Weise belastet würde, rechtfertigte es sich, das Kindesinteresse über das Elternrecht zu stellen. Dies träfe etwa zu, wenn die Gesundheit des
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Kindes gefährdet oder wenn es in seiner Ausbildung in einem Masse eingeschränkt würde, dass die Chancengleichheit - einschliesslich derjenigen zwischen den Geschlechtern - nicht mehr gewahrt wäre, beziehungsweise wenn es Lehrinhalte nicht vermittelt erhielte, die in der hiesigen Wertordnung als unverzichtbar gelten.
b) Im vorliegenden Zusammenhang stehen keine solchen Lehrinhalte in Frage. Der Sportunterricht stellt zwar unbestrittenermassen einen wichtigen Teil des staatlichen Bildungsauftrages dar; dieser Auftrag wird aber durch eine Dispensation vom Schwimmunterricht, der nur einen kleinen Teil des Turnunterrichts bildet, nicht grundsätzlich gefährdet. Sollte das Mädchen im vorliegenden Fall tatsächlich nicht schwimmen lernen, so würden weder der Erwerb eines vollwertigen Schulabschlusses noch seine späteren Berufschancen, ja nicht einmal seine allgemeine turnerische Grundausbildung, in Frage gestellt.
Der Lehrplan für die Primarschulen des Kantons Zürich selbst schreibt das Schwimmen nicht als Fach vor, das von den Schulen zwingend in den Turnunterricht aufgenommen werden muss, sondern er beschränkt sich auf eine entsprechende Empfehlung. Es scheint denn auch im Kanton Zürich staatlich anerkannte Primarschulen zu geben, die keinen Schwimmunterricht erteilen; ein entsprechendes Vorbringen der Beschwerdeführer blieb jedenfalls unbestritten. Ausserdem wird ein Dispens vom Schwimmunterricht, wie er im vorliegenden Fall für die Primarstufe beantragt wurde, an der Oberstufe gewährt. Auch wenn dies auf einer andern Grundlage beruht (vgl. E. 7b), lässt es Rückschlüsse auf den Stellenwert des Schwimmens als Schulfach zu. Abgesehen davon hat der Vater gegenüber den Behörden bekräftigt, er würde dafür besorgt sein, dass seine Tochter im privaten Rahmen schwimmen lerne. Dass dies für ihn angesichts der gegebenen Randbedingungen besondere organisatorische Probleme aufwirft, ist offensichtlich; dennoch gibt es keinen konkreten Grund, an der Ernsthaftigkeit dieser Absicht zu zweifeln.
c) Im weiteren ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, inwiefern die Dispensation der Schule ernsthafte organisatorische Probleme bereiten und namentlich einen geordneten und effizienten Schulbetrieb in Frage stellen sollte. Auch die Kohärenz der Klasse kann nicht allein davon abhängen, dass ausnahmslos alle Schüler auch am Schwimmunterricht, der einen sehr kleinen Teil des Unterrichtsprogramms ausmacht, teilnehmen. Die im angefochtenen Entscheid diesbezüglich geäusserten Befürchtungen sind allgemeiner
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Art. Die von den Beschwerdeführern angestrebte Dispensation bringt für die Schule konkret keinen massgeblichen Mehraufwand mit sich. Sie vermag auch die religiösen Gefühle der anderen Schüler nicht in wesentlichem Masse zu verletzen. Im übrigen ist sie durchaus vergleichbar mit jenen Freistellungsmöglichkeiten, die § 59 Abs. 1 VSV für Kinder strenggläubiger Juden oder Adventisten vorsieht, die von manuellen Arbeiten und Leibesübungen oder vom Besuch der Schule am Sabbat befreit werden.
Unüberbrückbare Probleme könnten sich allenfalls dann stellen, wenn eine gemessen an der Grösse der Schule verhältnismässig grosse Anzahl von Schülern Sonderregelungen beantragt. Bis zu einem gewissen Grad ist es jedoch der Lehrerschaft und der Schulverwaltung zumutbar, religiösen Minderheiten bei Ernsthaftigkeit ihrer Anliegen entgegenzukommen, wie sie dies auch tun, wenn eine Absenz aus anderem Grunde erfolgt (BGE 117 Ia 320).
Auch wenn sich aus den Akten ergibt, dass die Primarschule Dietikon über einen grossen Ausländeranteil verfügt, so ist nicht ersichtlich, dass an der Schule eine unverhältnismässig grosse Anzahl von Gesuchen um Sonderregelungen, insbesondere aus religiösen Gründen, gestellt würden. Ferner ist nicht bekannt, wie gross der prozentuale Anteil von Moslems ist, wobei auch diese Zahl für sich allein angesichts der unterschiedlich strikt befolgten Glaubensregeln wenig aussagekräftig wäre. Allein aus dem prozentualen Ausländeranteil kann somit nicht geschlossen werden, dass der Schule wesentliche organisatorische Schwierigkeiten widerführen, wenn der von den Beschwerdeführern angestrebte Dispens bewilligt würde.
d) Nach Auffassung des Regierungsrates ist eine zurückhaltende Dispenspraxis schliesslich auch mit Rücksicht auf das Integrationsprinzip gerechtfertigt, welches verlange, dass sich Ausländer in der Schweiz den hiesigen Rahmenbedingungen anzupassen hätten.
Angehörige anderer Länder und anderer Kulturen, die sich in der Schweiz aufhalten, haben sich zwar zweifellos genauso an die hiesige Rechtsordnung zu halten wie Schweizer. Es besteht aber keine Rechtspflicht, dass sie darüber hinaus allenfalls ihre Gebräuche und Lebensweisen anzupassen haben. Es lässt sich daher aus dem Integrationsprinzip nicht eine Rechtsregel ableiten, wonach sie sich in ihren religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen Einschränkungen auferlegen müssten, die als unverhältnismässig zu gelten haben.

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Articolo: Art. 49 Cost., Art. 27 Abs. 3 BV, art. 9 CEDU, Art. 49 Abs. 5 BV seguito...