Urteilskopf
110 III 24
7. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 11. April 1984 i.S. X. (Rekurs)
Regeste
Pfändung eines "compte-joint".
Ein "compte-joint" als solches lässt nicht auf eine bestimmte Ausgestaltung des Verhältnisses der Kontoinhaber untereinander (Innenverhältnis) schliessen; bei der Pfändung eines solchen Guthabens sind die Bestimmungen der Verordnung über die Pfändung und Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen (VVAG) deshalb nur dann anzuwenden, wenn zwischen dem Betreibungsschuldner und den Mitinhabern des Kontos offensichtlich ein Gemeinschaftsverhältnis im Sinne von Art. 1 VVAG besteht.
In der von der Firma Z. zur Prosequierung eines Arrestes gegen A. X. eingeleiteten Betreibung vollzog das Betreibungsamt am 7. Januar 1983 die Pfändung. Gepfändet wurden zwei Bankguthaben.
BGE 110 III 24 S. 25
Das Betreibungsamt wies in der Pfändungsurkunde darauf hin, dass es sich bei den beiden Konten gemäss Mitteilung der Bank um sog. comptes-joints handle. Ferner nahm das Betreibungsamt davon Vormerk, dass B. X. das Eigentum an den gepfändeten Guthaben beanspruche, und es setzte der Betreibungsgläubigerin deshalb im Sinne von
Art. 109 SchKG Frist an zur Einreichung einer Widerspruchsklage.
Mit Eingabe vom 28. Januar 1983 reichte B. X. bei der kantonalen Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen Beschwerde ein. Er verlangte die vollumfängliche Aufhebung der in der Arrestbetreibung vollzogenen Pfändung.
Die kantonale Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde durch Entscheid vom 23. März 1984 ab. Hiergegen hat B. X. an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts rekurriert.
Aus den Erwägungen:
1. Der Rekurrent ist der Bruder des Betreibungsschuldners. Er macht geltend, er sei mit diesem zusammen Inhaber der Konten (comptes-joints), deren Guthaben gepfändet wurden. Nach seiner Ansicht hätte die Pfändung deshalb in Anwendung von
Art. 1 VVAG vollzogen werden müssen (Pfändung des auf den Schuldner entfallenden Liquidationsanteils). Bleibe die Pfändung wie vollzogen bestehen, führe dies zum stossenden Ergebnis, dass für die Verbindlichkeiten des Betreibungsschuldners sein, des Rekurrenten, Vermögen herhalten müsse, zumal der Anteil seines Bruders an den gepfändeten Guthaben null betrage.
2. Das Betreibungsamt darf in der Tat Vermögenswerte weder mit Arrest- noch mit Pfändungsbeschlag belegen, wenn dadurch gegen die Natur der Zwangsvollstreckung verstossen würde, d.h. wenn Vermögenswerte erfasst würden, die offensichtlich nicht dem Schuldner gehören (vgl.
BGE 107 III 102 mit Hinweisen). Sind die Verhältnisse jedoch nicht liquid, hat das Betreibungsamt den Arrest bzw. die Pfändung ungeachtet dessen zu vollziehen, dass die zu arrestierenden oder zu pfändenden Vermögenswerte möglicherweise einem Dritten zustehen. Die materiellrechtliche Frage der Anspruchsberechtigung ist durch den Richter zu entscheiden, und zwar in einem Widerspruchsverfahren im Sinne der
Art. 106 ff. SchKG. Mit der vollstreckungsrechtlichen Aufsichtsbeschwerde kann somit nur gerügt werden, das Betreibungsamt habe Bundesrecht verletzt, indem es den Arrest oder die
BGE 110 III 24 S. 26
Pfändung vollzogen habe, obschon die mit Beschlag belegten Vermögenswerte offensichtlich nicht dem Schuldner, sondern einem Dritten zustünden.
3. Die angefochtene Pfändung erfasst zwei Guthaben, die je auf einem sog. compte-joint liegen. Wie der Rekurrent selbst anerkennt, treten die Kontoinhaber in einem solchen Fall gegenüber der Bank, d.h. im Aussenverhältnis, als Solidargläubiger auf; die Bank kann sich somit durch Leistung an einen der Kontoinhaber gültig befreien (
Art. 150 Abs. 2 OR).
Ein compte-joint lässt indessen nicht auf eine bestimmte Ausgestaltung des Verhältnisses der Kontoinhaber untereinander (Innenverhältnis) schliessen (vgl.
BGE 94 II 317 E. 4; BAUMGARTNER, Depot- und Compte-Joint, S. 29; GUGGENHEIM, Les contrats de la pratique bancaire suisse, 2. A., S. 236; TREYVAUD, Le contrat de dépôt bancaire, Diss. Lausanne 1972, S. 121; BRON, Le compte joint en droit suisse, Diss. Lausanne 1958, S. 38). Die Mitinhaber eines solchen Kontos brauchen nicht zwangsläufig eine Gemeinschaft zur gesamten Hand, etwa in Form einer einfachen Gesellschaft, zu bilden. Denkbar ist auch ein Auftrags- oder ein Miteigentumsverhältnis (vgl.
BGE 94 II 171 f. E. b).
4. Aus dem Gesagten erhellt, dass die vom Rekurrenten beanstandete Pfändung in keiner Weise gegen Bundesrecht verstösst.
Das Betreibungsamt wäre nur dann gehalten gewesen, nach den Bestimmungen der VVAG vorzugehen, wenn es zwingend hätte zum Schluss gelangen müssen, dass zwischen dem Rekurrenten und dessen Bruder offensichtlich ein Gemeinschaftsverhältnis im Sinne von Art. 1 VVAG gegeben sei. Davon kann indessen keine Rede sein. Da andererseits auch nicht gesagt werden kann, die fraglichen Guthaben stünden offensichtlich nur dem Rekurrenten zu, hatte das Betreibungsamt deren Pfändung vorzunehmen (in diesem Sinne auch BRON, a.a.O., S. 72). Dass die Betreibungsgläubigerin auf diese Weise unter Missachtung der Rechte des Rekurrenten ohne weiteres auf den Gesamtbetrag der Guthaben greifen könne, trifft nicht zu. Dem Rekurrenten bleibt vielmehr die Möglichkeit, seine Ansprüche im bereits hängigen Widerspruchsverfahren geltend zu machen.
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