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Urteilskopf

110 V 263


42. Urteil vom 27. November 1984 i.S. Bürgin gegen Ausgleichskasse des Kantons Basel-Landschaft und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft

Regeste

Art. 16 und 17 IVG: Begriff der ökonomisch relevanten Erwerbstätigkeit als Abgrenzungskriterium der erstmaligen beruflichen Ausbildung von der Umschulung.
- Ein ökonomisch relevantes Erwerbseinkommen als Voraussetzung für den Umschulungsanspruch liegt vor, wenn der Versicherte bereits drei Viertel der minimalen vollen einfachen ordentlichen Invalidenrente erzielte und dieses Einkommen invaliditätsbedingt verlor (Präzisierung der Rechtsprechung; Erw. 1a-c).
- Gleichzustellen sind jene Fälle, wo der Versicherte zwar weniger als sechs Monate oder überhaupt noch nicht erwerbstätig war, wo aber aufgrund der gesamten Verhältnisse ebenfalls mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass er ohne invaliditätsbedingte Eingliederung ein Einkommen der erwähnten Höhe verdienen würde (Präzisierung der Rechtsprechung; Erw. 1d und e).

Sachverhalt ab Seite 264

BGE 110 V 263 S. 264

A.- Marcel Bürgin hatte am 14. April 1980 eine Lehre als Metallbauschlosser begonnen. Sein Lehrlingslohn betrug im ersten Jahr monatlich Fr. 300.--, im dritten Jahr knapp Fr. 550.--. Im Herbst 1982 musste er die Lehre krankheitshalber abbrechen, worauf er beschloss, eine Ausbildung kaufmännischer Richtung zu absolvieren. Mit rechtskräftiger Verfügung vom 20. Oktober 1982 gewährte ihm die Ausgleichskasse des Kantons Basel-Landschaft gestützt auf Art. 16 IVG Beiträge an den Besuch eines halbjährigen Vorkurses an der Neuen Sprach- und Handelsschule (NSH) in Basel. Da sich im Frühjahr 1983 keine kaufmännische Lehrstelle fand, verfügte die Ausgleichskasse am 11. Februar 1983, wiederum gestützt auf Art. 16 IVG, die "Kostenübernahme für die Ausbildung im Hotelhandelskurs an der NSH, Basel, ab Frühjahr 1983 bis Frühjahr 1984".

B.- Die Fürsorgebehörde der Wohnsitzgemeinde führte gegen die Verfügung vom 11. Februar 1983 namens des Versicherten Beschwerde mit dem Antrag, es seien Eingliederungsmassnahmen nach Art. 17 IVG zuzusprechen. Zur Begründung brachte die Behörde u.a. vor, der Versicherte habe während der zweieinhalbjährigen Lehre bereits ein wirtschaftlich bedeutsames Erwerbseinkommen erzielt; er wäre auch in der Lage, einen ökonomisch relevanten Lohn zu verdienen, wenn er die Lehre aus invaliditätsfremden Gründen abgebrochen hätte (z.B. als Schlossereihilfsarbeiter); die wirtschaftliche Bedeutung sei auch daraus ersichtlich, dass der Versicherte mit seinem Lohn im dritten Lehrjahr knapp den Lebensunterhalt habe bestreiten können, was nun invaliditätsbedingt nicht mehr der Fall sei.
In der Vernehmlassung hielt die Ausgleichskasse dem entgegen, einem während der erstmaligen beruflichen Ausbildung invalid gewordenen Versicherten stehe in bezug auf den zweiten Lehrgang der Umschulungsanspruch nur zu, wenn er vorher ein existenzsicherndes Einkommen erzielt habe; als existenzsichernd gälten
BGE 110 V 263 S. 265
nach der Weisung des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV) vom 22. März 1983 (publiziert in ZAK 1983 S. 142) Einkünfte, die im Durchschnitt der letzten sechs Monate mindestens dem Mittelwert zwischen Minimum und Maximum der vollen einfachen ordentlichen Invalidenrente entsprächen (bis 31. Dezember 1983 Fr. 930.--); diese Voraussetzung sei vorliegend eindeutig nicht erfüllt.
Das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft schloss sich im wesentlichen dieser Auffassung an und wies die Beschwerde mit Entscheid vom 21. September 1983 ab.

C.- Die Fürsorgebehörde führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, es seien dem Versicherten, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und der Kassenverfügung vom 11. Februar 1983, "Massnahmen beruflicher Art gemäss Art. 17 IVG zuzusprechen, verbunden mit einem Taggeld während der Dauer der Massnahmen". Die Behörde macht sinngemäss geltend, die Absicht des BSV, durch die Weisung vom 22. März 1983 eine einheitliche Rechtsanwendung zu gewährleisten, sei an sich nicht zu beanstanden; doch widerspreche der darin verwendete Begriff der existenzsichernden Einkünfte dem Urteil B. vom 19. November 1982, in welchem das Eidg. Versicherungsgericht nicht ein existenzsicherndes, sondern nur ein ökonomisch relevantes Einkommen für den Anspruch auf Umschulung als massgeblich erklärt habe.
Während die Ausgleichskasse auf eine Vernehmlassung verzichtet, beantragt das BSV Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das BSV rechtfertigt die Höhe des in der Weisung vom 22. März 1983 als massgeblich erklärten Einkommens im wesentlichen damit, aus Art. 5 Abs. 3 IVV, welcher im Rahmen der Mehrkostenberechnung bei erstmaliger beruflicher Ausbildung auch den Fall des Invaliditätseintritts während der Ausbildung erwähne, müsse geschlossen werden, dass in solchen Fällen nur ausnahmsweise eine Umschulung angenommen werden könne. Im weiteren seien nach der bisherigen Rechtsprechung Einkommen von Fr. 1'100.-- bis Fr. 1'200.-- als beachtlich beurteilt worden, monatliche Einkünfte in der Grössenordnung von - wie vorliegend - Fr. 500.-- hingegen nicht. Schliesslich würden die Lehrlingslöhne erhebliche branchenmässige, regionale und individuelle Streuungen aufweisen, weshalb ein "Schnitt quer durch diese Skalen" nicht vertretbar gewesen sei. Bei dieser Sachlage habe sich ermessensweise angeboten, das ökonomisch relevante mit dem
BGE 110 V 263 S. 266
existenzsichernden Einkommen gleichzusetzen, welches seinerseits eher unter dem betreibungsrechtlichen Existenzminimum liege.
Auf Anfrage des Gerichts teilte das BSV am 30. April 1984 u.a. mit, im Rahmen der zweiten IV-Revision sei geplant, auch den in erstmaliger beruflicher Ausbildung befindlichen Versicherten einen Taggeldanspruch einzuräumen, eine Neuerung, die aller Voraussicht nach auf den 1. Januar 1986 in Kraft treten werde. Für die Übergangszeit sei die Grenze zwischen Umschulung und erstmaliger beruflicher Ausbildung nicht zu sehr zu verschieben. Deshalb sei es wünschbar, die ökonomisch relevante Einkommenshöhe nicht allzu tief anzusetzen; in diesem Sinne erscheine ein Betrag in der Höhe von drei Vierteln der als Grenzwert für das existenzsichernde Einkommen geltenden Summe (derzeit Fr. 777.--) als angemessen.

Erwägungen

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1. a) Versicherte, die noch nicht erwerbstätig waren und denen infolge Invalidität bei der erstmaligen beruflichen Ausbildung in wesentlichem Umfange zusätzliche Kosten entstehen, haben Anspruch auf Ersatz dieser Kosten, sofern die Ausbildung den Fähigkeiten des Versicherten entspricht (Art. 16 Abs. 1 IVG).
Nach Art. 17 Abs. 1 IVG hat der Versicherte Anspruch auf Umschulung auf eine neue Erwerbstätigkeit, wenn die Umschulung infolge Invalidität notwendig ist und dadurch die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich erhalten oder wesentlich verbessert werden kann.
Für die Umschulung als Naturalleistung (Art. 17 IVG) hat die Invalidenversicherung grundsätzlich voll aufzukommen (Art. 6 IVV), wogegen sich ihre Aufgabe im Rahmen von Art. 16 IVG darauf beschränkt, an die erstmalige berufliche Ausbildung Beiträge zu leisten, und zwar in dem Masse, als invaliditätsbedingt zusätzliche Kosten von wesentlichem Umfang (Art. 5 Abs. 2 IVV) entstehen. Wer sich in Umschulung befindet, hat sodann nach Massgabe der Art. 22 ff. IVG und Art. 17 ff. IVV Anspruch auf Taggeld, während diese Leistung bei der erstmaligen beruflichen Ausbildung entfällt (Art. 22 Abs. 1 Satz 2 IVG). Im Hinblick auf diese und weitere Unterschiede ist es unerlässlich, die Leistungsansprüche nach Art. 16 und Art. 17 IVG voneinander abzugrenzen. Diesbezüglich kommt es nach dem Gesetzeswortlaut und der bisherigen Rechtsprechung entscheidend darauf an, ob der Versicherte
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vor Beginn der Eingliederungsmassnahme bereits effektiv erwerbstätig war oder nicht (EVGE 1969 S. 110 Erw. 2a mit Hinweisen). Dabei fällt nach der Praxis nur eine ökonomisch relevante Erwerbstätigkeit in Betracht (ZAK 1983 S. 249 Erw. 1c mit Hinweis).
In dem vom Beschwerdeführer erwähnten Urteil B. vom 19. November 1982 (veröffentlicht in ZAK 1983 S. 248) hat das Eidg. Versicherungsgericht die vom BSV in jener Sache vertretene Auffassung abgelehnt, dass Lehrlingslöhne kein Erwerbseinkommen seien und daher - trotz allfälliger ökonomischer Relevanz - nicht zur Qualifizierung des nachfolgenden zweiten Lehrganges als Umschulung im Sinne von Art. 17 IVG führen könnten; in jenem Fall bezeichnete das Gericht das von einer Psychiatrielehrschwester während knapp zwei Jahren erzielte monatliche Einkommen zwischen Fr. 954.-- (erstes Lehrjahr) und Fr. 1'348.-- (drittes Lehrjahr) als wirtschaftlich bedeutsam. Ebenso hat das Gericht den Umschulungsanspruch bei einem Versicherten anerkannt, der in einer Zusatzlehre als Dachdecker monatlich Fr. 1'100.-- im ersten und Fr. 1'200.-- im zweiten Lehrjahr verdient hatte (unveröffentlichtes Urteil Bernhard vom 14. Februar 1983). Anscheinend als Reaktion auf das Urteil B. vom 19. November 1982 erliess das BSV in den IV-Mitteilungen Nr. 237 vom 22. März 1983 unter Rz. 1602 folgende Weisung (veröffentlicht in ZAK 1983 S. 142, bestätigt in ZAK 1983 S. 228 f.):
"Abgrenzung der Umschulung gegenüber der erstmaligen beruflichen Ausbildung
Eine für den Anspruch auf Umschulung entscheidende Bedingung besteht darin, dass die vor Eintritt der Invalidität ausgeübte Erwerbstätigkeit ökonomisch relevant sein muss... Diese Voraussetzung kann in Ausnahmefällen auch während einer beruflichen Ausbildung erfüllt sein. Im Interesse einer rechtsgleichen Beurteilung der Ansprüche ist in solchen Fällen... folgende Regel zu beachten:
Tritt die Invalidität im Verlaufe einer beruflichen Ausbildung ein und muss wegen dieser Invalidität eine andere Ausbildung begonnen werden, so gilt die zweite Ausbildung als Umschulung, wenn ein existenzsichernder (Lehrlings-)Lohn ausgerichtet wurde. Als existenzsichernd in diesem Sinne gilt ein Erwerbseinkommen, das im Durchschnitt der letzten sechs Monate mindestens dem Mittelwert zwischen Minimum und Maximum der vollen einfachen ordentlichen Invalidenrente (derzeit Fr. 930.--) entspricht."
Diese von der Aufsichtsbehörde gestützt auf Art. 92 Abs. 1 IVV in Verbindung mit Art. 64 Abs. 1 IVG und Art. 72 Abs. 1 AHVG erlassene Weisung ist keine Rechtsnorm. Sie ist wohl für die Durchführungsorgane, nicht aber für den Richter verbindlich. Die
BGE 110 V 263 S. 268
Weisung ist eine im Interesse der gleichmässigen Gesetzesanwendung abgegebene Meinungsäusserung der sachlich zuständigen Aufsichtsbehörde. Der Richter soll sie bei seiner Entscheidung mitberücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulässt (BGE 109 Ib 207 Erw. 2 mit Hinweis, BGE 109 V 4 Erw. 3a, 34 Erw. 3c, 126 Erw. 4a, 212 und 255, BGE 107 V 154 Erw. 2b mit Hinweisen).
Somit ist vorliegend zu prüfen, ob die erwähnte Weisung vom 22. März 1983 gesetzeskonform ist, was der Beschwerdeführer sinngemäss bestreitet.
b) Art. 16 Abs. 1 IVG knüpft für die Umschreibung der erstmaligen beruflichen Ausbildung daran an, dass der Versicherte "noch nicht erwerbstätig" war. Wie erwähnt, hat das Eidg. Versicherungsgericht diese Voraussetzung in dem Sinne relativiert, dass nicht jede einmal ausgeübte Erwerbstätigkeit, sondern nur eine solche von ökonomischer Relevanz dazu führen soll, den Anspruch auf Umschulungsmassnahmen zu begründen. Von der normalen Berufsausübung abgesehen, welche die Praxis seit je als wirtschaftlich bedeutsam betrachtet hat (vgl. z.B. EVGE 1965 S. 44 Erw. 1; ZAK 1970 S. 550 f. Erw. 1 und 2), zeichnet die Rechtsprechung zum Erfordernis der ökonomischen Relevanz kein einheitliches Bild. Das Eidg. Versicherungsgericht verneinte anfänglich die wirtschaftliche Bedeutsamkeit, wenn die Arbeit nicht auf die Erzielung eines Einkommens gerichtet war, sondern vorwiegend Beschäftigungscharakter hatte und dem Versicherten dementsprechend nur minimale Einkünfte verschaffte, wie dies etwa in bezug auf gelegentliche Strickarbeiten und die Mithilfe im elterlichen Haushalt (EVGE 1962 S. 121 Erw. 2), die Aushilfe in der väterlichen Druckerei und das Volontariat als Kindergärtnerin (EVGE 1962 S. 221 Erw. 3) sowie kurze Arbeitsversuche (EVGE 1966 S. 228 oben) festgehalten wurde. Später mass das Gericht der Kurzfristigkeit höhere Bedeutung bei, indem es die ökonomische Relevanz verneinte, wenn die Erwerbstätigkeit - obwohl vielleicht verhältnismässig gut bezahlt - lediglich während relativ kurzer Zeit ausgeübt wurde (ZAK 1979 S. 120 Erw. 1a, b), etwa zur Überbrückung der Zeit zwischen Schulentlassung und Beginn der beruflichen Ausbildung (ZAK 1971 S. 284 Erw. 4 in fine). In anderen Urteilen stellte das Gericht auf den Zeitpunkt des Ausbildungsabschlusses (unveröffentlichtes Urteil Badertscher vom 29. November 1982) oder darauf ab, dass die Erwerbstätigkeit
BGE 110 V 263 S. 269
zeitlich zwischen zwei verschiedenen Stufen der beruflichen Ausbildung lag (unveröffentlichtes Urteil Siebenmann vom 17. Dezember 1982) oder nur vorübergehend bis zum Finden einer dem erlernten Beruf entsprechenden Stelle ausgeübt wurde (unveröffentlichtes Urteil Probst vom 23. November 1982), was jeweils der Annahme einer wirtschaftlich bedeutsamen Erwerbstätigkeit - ungeachtet der Höhe und Dauer der effektiv erzielten Einkünfte - entgegenstand.
An dieser Rechtsprechung kann insoweit nicht festgehalten werden, als im Einzelfall die für die ökonomische Relevanz einer Erwerbstätigkeit massgeblichen Faktoren (primär die Höhe der erzielten Einkünfte, verbunden allenfalls mit der Dauer des Verdienstes) schrittweise durch andere nichtwirtschaftliche Gesichtspunkte ergänzt oder ersetzt wurden. Vielmehr hat sich die Beurteilung der Frage, ob eine Erwerbstätigkeit ökonomisch relevant ist, nach wirtschaftlichen Gegebenheiten, die objektiv feststellbar sind, zu richten. Dieser - auch zum Zwecke einer einheitlichen Rechtsanwendung - gebotenen Beschränkung auf ökonomische Faktoren hat das BSV mit dem Erlass der Weisung vom 22. März 1983 grundsätzlich zutreffend Rechnung getragen. Der Beizug geläufiger und leicht zu ermittelnder Bemessungskriterien aus dem AHV/IV-Rentenrecht ist ebenfalls an sich nicht zu beanstanden. Zu prüfen bleibt, ob die Anforderungen, welche das BSV in der Weisung an die Höhe der Einkünfte und die Dauer der Einkommenserzielung stellt, gesetzmässig sind.
c) Was die Höhe anbelangt, umschreibt das BSV den Begriff des wirtschaftlich bedeutsamen Erwerbseinkommens in seiner Weisung dadurch, dass als ökonomisch relevant ein existenzsicherndes Einkommen bezeichnet wird. Im Anschluss daran setzt das BSV - anscheinend gestützt auf die Rechtsprechung zu Ziff. 10 HVI-Anhang (BGE 105 V 63) - das Kriterium der Existenzsicherung mit dem Mittel zwischen Minimum und Maximum der vollen einfachen ordentlichen Invalidenrente gleich. Dieser Wert beträgt für die Zeit bis 31. Dezember 1983 Fr. 930.-- und seither Fr. 1'035.-- (Rententabellen des BSV 1982 und 1984, je Bd. 2, S. 7). Hiegegen wendet der Beschwerdeführer, wie bereits im vorinstanzlichen Verfahren, ein, ein Verdienst könne gegebenenfalls auch wirtschaftlich bedeutsam sein, wenn er nicht existenzsichernd sei. Diese Auffassung trifft zu. In der Tat wäre es unverständlich, wenn eine minimale einfache volle ordentliche Invalidenrente von gegenwärtig monatlich Fr. 690.-- als wirtschaftlich nicht bedeutsam
BGE 110 V 263 S. 270
bezeichnet würde, weil sie das Existenzminimum des Bezügers nicht deckt. Dass für die ökonomische Relevanz eines Erwerbseinkommens im Rahmen der Abgrenzung zwischen erstmaliger beruflicher Ausbildung und Umschulung etwas anderes gelten müsste, ist nicht einzusehen. Schon unter diesem Gesichtspunkt ist der vom BSV festgelegte Betrag eindeutig zu hoch und nicht gesetzeskonform.
Auszugehen ist vom Gesetzeswortlaut (Art. 16 Abs. 1 IVG), der auch nicht andeutungsweise Erwerbstätigkeiten mit Einkommen in einer Grössenordnung ausschliesst, wie das BSV dies u.a. gestützt auf die bisherige Praxis annimmt. Diese Auffassung wird durch die Materialien bestätigt. In der Botschaft vom 24. Oktober 1958 zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung führte der Bundesrat aus, nur eine "kurzfristige Erwerbstätigkeit (z.B. Ferienbeschäftigung eines Studenten) oder eine eigentliche Übergangstätigkeit zwischen Schulaustritt und Beginn der Berufslehre" sei unbeachtlich (BBl 1958 II 1258). Die Gesetzesberatung in den eidgenössischen Räten gab diesbezüglich zu keinen Diskussionen Anlass. Somit bestand bei der Schaffung des Gesetzes offenbar die Meinung, die üblichen Lehrlingslöhne seien als wirtschaftlich bedeutsam zu betrachten. Andernfalls hätte die Feststellung des Bundesrates keinen Sinn, dass "eine eigentliche Übergangstätigkeit zwischen Schulaustritt und Beginn der Berufslehre" unter dem Gesichtswinkel von Art. 16 IVG nicht beachtlich sei. Die vom BSV vorgenommene betragsmässige Fixierung der wirtschaftlich bedeutsamen Tätigkeit führt jedoch dazu, dass Lehrlingslöhne in aller Regel als nicht beachtlich gelten würden, erreichen diese doch erfahrungsgemäss nur ausnahmsweise Beträge in der Höhe von Fr. 930.-- bzw. Fr. 1'035.-- monatlich. Sodann ist, entgegen der Auffassung des BSV, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass, wie erwähnt, de lege lata bei der erstmaligen beruflichen Ausbildung - im Gegensatz zur Umschulung - ein Taggeldanspruch entfällt (Art. 22 Abs. 1 Satz 2 IVG). Dieser Ausschluss der erstmaligen beruflichen Ausbildung bei der Taggeldberechtigung steht in engem Zusammenhang mit dem Erfordernis der fehlenden vorausgegangenen Erwerbstätigkeit gemäss Art. 16 Abs. 1 IVG; denn das Taggeld bezweckt vorab, den durch die Eingliederung bewirkten Verdienstausfall zu ersetzen (Art. 22 Abs. 1 Satz 1 IVG), wobei als Bemessungsgrundlage das vom Versicherten durch die zuletzt voll ausgeübte Tätigkeit erzielte Einkommen dient (Art. 24 Abs. 2 IVG). Die gesetzliche Regelung
BGE 110 V 263 S. 271
trägt somit dem Umstand, dass ein Versicherter gegebenenfalls vor Invaliditätseintritt nur ein relativ bescheidenes Einkommen verdiente, bei der Taggeldfestsetzung in masslicher Hinsicht Rechnung, ohne in solchen Fällen den Taggeldanspruch auszuschliessen.
Aus diesen Gründen ist das wirtschaftlich bedeutsame Erwerbseinkommen wesentlich niedriger anzusetzen, als das BSV dies in der Weisung getan hat oder in der Eingabe vom 30. April 1984 vorschlägt. Im Hinblick auf das eben Gesagte, wonach die üblichen Lehrlingslöhne als ökonomisch relevant zu betrachten sind, rechtfertigt es sich, den Grenzbetrag auf drei Viertel der minimalen vollen einfachen ordentlichen Invalidenrente - was der Hälfte der als Grenzwert für das existenzsichernde Einkommen geltenden Summe entspricht - festzulegen, d.h. auf Fr. 465.-- (bis Ende 1983) und Fr. 517.50 (ab Anfang 1984). Der Hinweis des BSV auf Art. 5 Abs. 3 IVV vermag zu keinem andern Ergebnis zu führen, weil für die Konkretisierung und Abgrenzung der Anspruchstatbestände primär die Auslegung des Gesetzes und nicht die Formulierung der Vollzugsverordnung massgeblich ist.
d) Was die Dauer der Erwerbstätigkeit anbelangt, ist laut der Weisung vom 22. März 1983 der Durchschnitt "der letzten sechs Monate" massgeblich. Dem kann nicht uneingeschränkt beigepflichtet werden. Zwar ist es nicht zu beanstanden, wenn das Durchführungsorgan bei länger dauernden Erwerbstätigkeiten im Sinne einer Bemessungsgrundlage (etwa um allfälligen Schwankungen Rechnung zu tragen) eine Periode von sechs Monaten heranziehen soll. Jedoch müssen jene Fälle vorbehalten bleiben, wo der Versicherte zwar weniger als sechs Monate effektiv arbeitete, wo aber ebenfalls mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass er ohne invaliditätsbedingte Eingliederung mindestens drei Viertel der minimalen vollen einfachen ordentlichen Invalidenrente verdienen würde. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn der Versicherte in einem Arbeitsverhältnis (das ihm ein solches wirtschaftlich bedeutsames Einkommen sichert) steht oder über die feste Zusicherung einer solchen Anstellung verfügt und an der Fortsetzung bzw. Aufnahme dieser Erwerbstätigkeit gehindert wird, weil in der Zeit nach dem Vertragsabschluss ein Gesundheitsschaden eintrat, der die weitere Ausübung bzw. die Aufnahme der erwerblichen Beschäftigung verunmöglichte oder unzumutbar machte und die Durchführung einer Eingliederungsmassnahme erforderte.
BGE 110 V 263 S. 272
Für diese Auffassung spricht nicht nur der dargelegte systematische Zusammenhang zwischen der Taggeldregelung gemäss Art. 22 ff. IVG einerseits und der erstmaligen beruflichen Ausbildung anderseits; sie ergibt sich auch unmittelbar aus Sinn und Zweck von Art. 17 IVG. Diese Norm räumt dem Versicherten, welcher nach seinen persönlichen, ausbildungsmässigen und wirtschaftlichen Verhältnissen ohne Invalidität ein ökonomisch relevantes Erwerbseinkommen erzielen würde, den Anspruch ein, sich auf eine neue Erwerbstätigkeit umzuschulen. Es liesse sich nicht rechtfertigen, Versicherten, die während sechs Monaten das massgebliche Einkommen erreichten, Umschulungsmassnahmen zu gewähren, jenen Versicherten aber vorzuenthalten, welche zufälligerweise weniger lang oder überhaupt noch nicht beschäftigt waren, die aber ebenfalls einer ökonomisch relevanten Erwerbsarbeit nachgingen, wenn sie hieran nicht durch die invaliditätsbedingte Eingliederung gehindert würden. Die bisherige Praxis (vgl. Erw. 1a hievor) ist auch diesbezüglich zu präzisieren.
e) Zusammenfassend ergibt sich, dass ein für die Abgrenzung von Art. 16 und Art. 17 IVG massgebliches ökonomisch relevantes Erwerbseinkommen vorliegt, wenn der Versicherte bereits während sechs Monaten drei Viertel der minimalen vollen einfachen ordentlichen Invalidenrente erzielte und dieses Einkommen invaliditätsbedingt verlor. Gleichzustellen sind jene Fälle, in denen der Versicherte zwar weniger als sechs Monate erwerbstätig war, in denen aber aufgrund der gesamten Verhältnisse ebenfalls mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass er ohne invaliditätsbedingte Eingliederung ein Einkommen in der Höhe von drei Vierteln der minimalen vollen einfachen ordentlichen Invalidenrente verdienen würde.

2. Im vorliegenden Fall hatte der Beschwerdeführer unbestrittenerweise im Zeitpunkt des Lehrabbruches (Herbst 1982) während mehr als sechs Monaten bereits einen Lohn von knapp Fr. 550.-- verdient. Auch würde er seither ohne invaliditätsbedingte Eingliederung mindestens Einkünfte dieser Grössenordnung erzielen. Daher hat er nach dem in Erwägung 1 hievor Gesagten Anspruch darauf, dass die Invalidenversicherung die beabsichtigte kaufmännische Ausbildung (einjähriger Hotelhandelskurs an der NSH) als Umschulung im Sinne von Art. 17 IVG übernimmt. Die Sache ist an die Verwaltung zurückzuweisen, damit sie die einzelnen Leistungen nach Massgabe von Art. 6 IVV
BGE 110 V 263 S. 273
und unter Berücksichtigung eines Taggeldanspruches nach Art. 22 ff. IVG und Art. 17 ff. IVV verfügungsweise festlege.

Dispositiv

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 21. September 1983 und die Kassenverfügung vom 11. Februar 1983 aufgehoben werden und die Sache an die Ausgleichskasse des Kantons Basel-Landschaft zurückgewiesen wird, damit diese im Sinne der Erwägungen über den Leistungsanspruch neu verfüge.

Inhalt

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Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 1 2

Dispositiv

Referenzen

BGE: 109 IB 207, 109 V 4, 107 V 154, 105 V 63

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