Urteilskopf
113 Ia 412
62. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 18. März 1987 i.S. X., Y. und Z. gegen Kanton Bern (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste
Schaffung eines Wirtschaftsstrafgerichts gemäss Abänderungsgesetz des Kantons Bern vom 10. September 1985.
Durch die Errichtung dieses auf verfassungsmässiger Grundlage beruhenden Wirtschaftsstrafgerichts wird weder der Grundsatz der Öffentlichkeit (E. 2) noch derjenige der Unmittelbarkeit (E. 3) verletzt; ebensowenig liegt eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK vor (E. 3c). Ferner verstösst seine Schaffung auch nicht gegen Art. 58 Abs. 1 BV oder gegen das Rechtsgleichheitsgebot (E. 5). Schliesslich ist ebenfalls die in den Übergangsbestimmungen gemäss Abänderungsgesetz enthaltene Rückwirkungsregelung nicht verfassungswidrig (E. 6).
Der Grosse Rat des Kantons Bern verabschiedete am 10. September 1985 das Gesetz betreffend die Änderung des Gesetzes über die Organisation der Gerichtsbehörden, des Gesetzes über das Strafverfahren des Kantons Bern, des Gesetzes betreffend die
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Einführung des schweizerischen Strafgesetzbuches und des Gesetzes über das Dienstverhältnis der Behördemitglieder und des Personals der bernischen Staatsverwaltung. Nachdem die Referendumsfrist unbenutzt abgelaufen war, wurde das Abänderungsgesetz mit Beschluss des Regierungsrates des Kantons Bern vom 11. Februar 1986 auf diesen Tag hin in Kraft gesetzt. Die Publikation der Inkraftsetzung erfolgte im Amtsblatt des Kantons Bern vom 15. Februar 1986.
Das Abänderungsgesetz enthielt u.a. folgende Bestimmungen:
"I. Gesetz über die Organisation der Gerichtsbehörden (GOG [neue Fassung vom 10. September 1985 nachfolgend mit nGOG bezeichnet]):
Art. 9a: Eine der beiden Kriminalkammern bildet das
Wirtschaftsstrafgericht des Kantons.
II. Gesetz über das Strafverfahren des Kantons Bern (StrV [neue Fassung vom 10. September 1985 nachfolgend mit nStrV bezeichnet]):
Art. 29 Das Geschworenengericht beurteilt die mit Zuchthaus von mehr als fünf Jahren bedrohten Verbrechen. Vorbehalten bleiben die Artikel 208, 208a und 208b.
Art. 208 2 Handelt es sich um politische Verbrechen oder Vergehen oder um in der Presse begangene Ehrverletzungen, die öffentliche Interessen berühren, so sind die Überweisungsbehörden auch befugt, an ein Gericht mit anderer, insbesondere höherer sachlicher Zuständigkeit zu überweisen, wenn besondere Gründe dafür sprechen. Ebenso können unter den in Artikel 208b genannten Voraussetzungen Straffälle in der Zuständigkeit des Amtsgerichts an das Wirtschaftsstrafgericht überwiesen werden.
Art. 208b (neu) Ein Fall soll an das Wirtschaftsstrafgericht überwiesen werden, wenn zur Hauptsache strafbare Handlungen gegen das Vermögen oder Urkundenfälschungen in Frage stehen und deren Beurteilung besondere wirtschaftliche Kenntnisse oder die Würdigung einer grossen Zahl schriftlicher Beweismittel voraussetzt; die in Artikel 208a genannten Erfordernisse müssen nicht vorliegen.
Art. 296 1 Die Kriminalkammer und das Wirtschaftsstrafgericht befolgen bei der Behandlung der ihnen überwiesenen Fülle die Vorschriften über das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht und dem Einzelrichter.
Anstelle von Artikel 235 ist Artikel 285 anwendbar.
2 Zu berücksichtigen sind die folgenden, besonderen Bestimmungen:
1. Die Akten zirkulieren vor der Hauptverhandlung bei allen Mitgliedern des Gerichts.
2. Hatte der Angeschuldigte oder sein Verteidiger schon in der Voruntersuchung Gelegenheit, einem Zeugen oder Sachverständigen Fragen zu stellen, steht es im Ermessen des Gerichtes, diese Personen zur Hauptverhandlung vorzuladen und abzuhören.
...
Art. 398 Dieses Gesetz und dessen spätere Änderungen treten auf den vom Regierungsrat festzusetzenden Zeitpunkt in Kraft mit folgenden
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Einschränkungen:
1. Strafprozesse, welche in diesem Zeitpunkte in das Rechtsmittelverfahren eingetreten und in denen die Vorladungen zur Verhandlung ergangen sind, werden nach altem Recht zu Ende geführt; doch gilt betreffend Beweiswürdigung, Wiederaufnahme des Verfahrens, Vollstreckung und Begnadigung das neue Recht, ebenso, wenn die Sache zu neuer Verhandlung an die erste Instanz zurückgewiesen wird.
2. Strafprozesse, welche in diesem Zeitpunkte in das Hauptverfahren eingetreten und in denen die Vorladungen zur Hauptverhandlung ergangen sind, werden nach altem Recht in der betreffenden Instanz zu Ende geführt; doch gilt das neue Recht betreffend Beweiswürdigung, Rechtsmittel, Vollstreckung und Begnadigung, ebenso, wenn die Sache zu neuer Verhandlung an die erste Instanz zurückgewiesen wird.
3. Unverändert."
Am 25. Februar 1986 erhoben X., Y. und Z., die alle im Kanton Bern wohnhaft sind, staatsrechtliche Beschwerde gegen dieses Abänderungsgesetz wegen Verletzung des Öffentlichkeits- und Unmittelbarkeitsprinzips (Art. 50 der bernischen Kantonsverfassung [KV]; Art. 211, 230, 244, 249, 289 und 295 Abs. 1 StrV;
Art. 58 Abs. 1 und Art. 4 BV;
Art. 6 Ziff. 1 EMRK), wegen Verletzung der Garantie des Geschworenengerichtes (Art. 61 KV), wegen fehlender Verfassungsgrundlage für das Wirtschaftsstrafgericht(Art. 49 KV), wegen Verletzung des Rechts auf den verfassungsmässigen Richter und des Verbots von Ausnahmegerichten (Art. 49 KV;
Art. 58 Abs. 1 und Art. 4 BV;
Art. 6 Ziff. 1 EMRK), wegen willkürlicher Zuweisungsregelung (Art. 208b nStrV
; 58 Abs. 1 und Art. 4 BV) sowie wegen willkürlicher Übergangsbestimmungen (Art. 398 nStrV;
Art. 58 Abs. 1 und Art. 4 BV). Sie stellen den Antrag, Art. 9a nGOG sowie Art. 29 Satz 2, Art. 208 Abs. 2 Satz 2, Art. 296 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 und Art. 398 Ziff. 1 und 2 nStrV seien aufzuheben.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit auf sie eingetreten werden kann.
Aus den Erwägungen:
2. Hatte der Angeschuldigte oder sein Verteidiger schon in der Voruntersuchung Gelegenheit, einem Zeugen oder Sachverständigen Fragen zu stellen, so steht es gemäss Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV im Ermessen des Gerichtes, diese Personen zur Hauptverhandlung vorzuladen und abzuhören. Die Beschwerdeführer machen geltend, diese Bestimmung verletze das Öffentlichkeitsprinzip, welches sie in Art. 50 KV, in der Bundesverfassung
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(als ungeschriebenes Verfassungsrecht, evtl. in Art. 58 Abs. 1 oder in
Art. 4 BV) und in
Art. 6 Ziff. 1 EMRK gewährleistet sehen.
a) Nach Art. 50 KV gilt für die Verhandlungen vor den Gerichten als Regel der Grundsatz der Öffentlichkeit und der Mündlichkeit, wobei die Gesetzgebung Ausnahmen gestatten kann. Der Gewährleistung verfassungsmässiger Rechte der Kantone kommt allerdings nur dort selbständige Bedeutung zu, wo ihr Schutzgehalt über den der verfassungsmässigen Rechte der Bundesverfassung oder der Europäischen Menschenrechtskonvention hinausgeht (
BGE 112 Ia 126 E. 3a, 103 Ia 171,
BGE 99 Ia 266 E. II, je mit Hinweisen; s. auch WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1984, S. 78). Ob der Grundsatz der Öffentlichkeit der Strafgerichtsverhandlung im Sinne der Auffassung der Beschwerdeführer als ungeschriebenes Verfassungsrecht der Bundesverfassung anerkannt werden kann, war vom Bundesgericht bisher nicht zu entscheiden und erscheint als fraglich. Die Frage kann jedoch offenbleiben, da jedenfalls
Art. 6 Ziff. 1 EMRK das Öffentlichkeitsprinzip der Strafgerichtsverhandlung gewährleistet und auf ein erstinstanzliches Verfahren grundsätzlich unmittelbar anwendbar ist (
BGE 111 Ia 243 f. E. 6,
BGE 108 Ia 92 E. 2c, je mit Hinweisen). Da das Bundesgericht im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle frei und umfassend prüft, ob der angefochtene Erlass die angerufene Verfassungs- oder Konventionsbestimmung verletzt (s.
BGE 111 Ia 24 f. E. 2 mit Hinweisen), kommt der von den Beschwerdeführern im vorliegenden Zusammenhang zusätzlich erhobenen Rüge, mit Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV werde auch das Willkürverbot verletzt, keine selbständige Bedeutung zu. Die Beschwerdeführer haben im übrigen nicht dargetan, weshalb diese Bestimmung mit "keinen hinreichenden Gründen sachlicher Natur zu rechtfertigen", d.h. willkürlich sein soll; ihr insoweit blosser Verweis auf andernorts in ihrer Beschwerde gemachte Ausführungen vermag jedenfalls ihre Willkürrüge nicht rechtsgenüglich zu substantiieren (
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; vgl.
BGE 110 Ia 3 f. E. 2a). Inwiefern der Grundsatz der Öffentlichkeit der Strafgerichtsverhandlung durch
Art. 58 BV gewährleistet sein soll, wie dies die Beschwerdeführer ebenfalls geltend machen, ist nicht ersichtlich. Die Bestimmung des
Art. 58 BV ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung als Garantie eines unparteiischen und unabhängigen Richters zu verstehen; sie gewährleistet jedermann die Freiheit, nur von dem Richter Recht zu nehmen, der nach den bestehenden Verfassungsnormen, Gesetzen und Verordnungen allgemein
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für die Streitsachen zuständig ist, zu denen der in Frage stehende Prozess gehört (
BGE 91 I 401 mit Hinweisen), und sie gibt jedermann Anspruch auf richtige Besetzung des Gerichts (s.
BGE 112 Ia 290 ff., BGE vom 4. Februar 1987 in EuGRZ 1987, S. 156 f., je mit Hinweisen). Soweit Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Gesetzmässigkeit durch
Art. 58 BV gewährleistet sind, stimmt zwar diese Bestimmung mit
Art. 6 Ziff. 1 EMRK überein (s. auch
BGE 105 Ia 166 E. 7 und 180 E. 6; Entscheide der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 1. Dezember 1986 i.S. K. und i.S. S. gegen die Schweiz [auszugsweise publ. in VPB 1987 Nr. 78] in welchen die Kommission sowohl die Divisionsgerichte als auch das Militärkassationsgericht gemäss schweizerischer Militärstrafprozessordnung als unabhängige und unparteiliche Gerichte im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK erachtet; ferner: JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, Grundrechte, Besonderer Teil, Bern 1985, S. 279). Mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit als weiterem, eigenständigem Schutzgehalt von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK (s. nachf. lit. b und c) hat die Garantie des
Art. 58 BV an sich jedoch nichts zu tun.
b) Aus diesen Gründen und weil die Beschwerdeführer nicht behauptet haben, Art. 50 KV gehe weiter als Art. 6 Ziff. 1 EMRK, ist die von ihnen erhobene Rüge der Verletzung des Öffentlichkeitsprinzips ausschliesslich im Lichte dieser letztgenannten Bestimmung zu beurteilen.
Die Schweiz hat zu Art. 6 Ziff. 1 EMRK in bezug auf den Grundsatz der Öffentlichkeit einen Vorbehalt angebracht, doch betrifft dieser nicht die im vorliegenden Verfahren einzig zur Diskussion stehende Strafgerichtsverhandlung, sondern das Verfahren vor Verwaltungsbehörden sowie die Öffentlichkeit der Urteilsverkündung an sich (s. hiezu LUZIUS WILDHABER, Internationaler Kommentar zur EMRK, Köln/Berlin/Bonn/München 1986, N. 603 ff. zu Art. 6 EMRK). Es ist daher hier nicht auf diesen Vorbehalt einzugehen.
c) Der in
Art. 6 Ziff. 1 EMRK enthaltene Grundsatz der Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlung bezieht sich nicht bloss auf die Partei-, sondern auch auf die Publikumsöffentlichkeit (
BGE 111 Ia 244 E. 7a). Er bedeutet eine Absage an jede Form geheimer Kabinettsjustiz und soll durch die Kontrolle der Öffentlichkeit dem Angeschuldigten und allen übrigen am Prozess Beteiligten eine korrekte und gesetzmässige Behandlung gewährleisten. Der Öffentlichkeit soll darüber hinaus ermöglicht werden, Kenntnis
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davon zu erhalten, wie das Recht verwaltet und wie die Rechtspflege ausgeführt wird. Durch die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung wird es der Allgemeinheit ermöglicht, den Strafprozess unmittelbar zu verfolgen. Die rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung des Grundsatzes der Öffentlichkeit im Strafprozess verbietet einen Ausschluss der Öffentlichkeit dort, wo nicht überwiegende Gründe der staatlichen Sicherheit, öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit oder schützenswerte Interessen Privater das vordringlich gebieten. In diesem Sinn sieht auch
Art. 6 Ziff. 1 EMRK Ausnahmen vom Grundsatz der Öffentlichkeit vor (
BGE 111 Ia 245 E. 7b,
BGE 108 Ia 92 E. 3a mit Hinweisen; Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 22. Februar 1984 i.S. Sutter, Publications de la Cour européenne des droits de l'homme, Série A Nr. 74, nichtamtliche deutsche Übersetzung in VPB 1984 Nr. 83; s. ferner: GERARD PIQUEREZ, Précis de procédure pénale suisse, Lausanne 1987, S. 158 ff.; HERBERT MIEHSLER/THEO VOGLER, Internationaler Kommentar zur EMRK, N. 331 ff. zu
Art. 6 EMRK; JOCHEN FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, EMRK Kommentar, Kehr/Strassburg/Arlington 1985, N. 79 ff. zu
Art. 6 EMRK; ROBERT HAUSER, Kurzlehrbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Aufl., Basel 1984, S. 140 ff.; HANS SCHULTZ, Die Strafprozessreform in der Schweiz, Juristische Rundschau 1981, S. 50; HANS SCHULTZ, Der Grundsatz der Öffentlichkeit im Strafprozess, SJZ 1973 S. 129 ff.; HEINZ GURADZE, Die Europäische Menschenrechtskonvention, Kommentar, Berlin und Frankfurt a.M. 1968, S. 99). Der Öffentlichkeitsgrundsatz besagt jedoch nicht, welche Prozesshandlungen an der Hauptverhandlung vorgenommen werden müssen und in welcher Form sie zu geschehen haben. Er enthält insbesondere keine Aussage darüber, ob bzw. welche Zeugen in der Hauptverhandlung anzuhören sind. Dies betrifft vielmehr Fragen der Prinzipien der Unmittelbarkeit und der Mündlichkeit, die zwar mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit in einem gewissen Zusammenhang stehen, dabei aber Prinzipien mit durchaus je eigenständigem Gehalt darstellen (s. GERARD PIQUEREZ, a.a.O., S. 163 ff.; ROBERT HAUSER, a.a.O., S. 136 ff.; ROBEBRT HAUSER, Zum Prinzip der Unmittelbarkeit, ZStrR 1981 S. 168 ff.; ROLF KÜNG-HOFER, Die Beschleunigung des Strafverfahrens unter Wahrung der Rechtsstaatlichkeit, Diss. Bern 1984, S. 228; KARL PETERS, Strafprozess, 4. Aufl., Heidelberg/Karlsruhe 1985, S. 317 ff. und S. 557 f.; CLAUS ROXIN, Strafverfahrensrecht, 20. Aufl., München 1987, S. 281 ff.; vgl. auch MARTIN SCHUBARTH, Die
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Artikel 5 und 6 der Konvention, insbesondere im Hinblick auf das schweizerische Strafprozessrecht, ZSR 1975 Bd. I, S. 502; s. im übrigen nachf. E. 3). Entscheidend ist im Lichte des Öffentlichkeitsgrundsatzes, dass ebenfalls der unbeteiligte Dritte, also die Öffentlichkeit, am gesamten Prozessgeschehen der Hauptverhandlung, so wie sie - allenfalls unter Vorbehalt der in
Art. 6 Ziff. 1 EMRK genannten Ausnahmefälle - in den einzelnen Strafprozessgesetzen geregelt ist, teilnehmen und derart die Rechtspflege kontrollieren kann. Die Teilnahme in diesem Sinne ist auch nach den im Abänderungsgesetz vom 10. September 1985 enthaltenen Bestimmungen des bernischen Strafverfahrens gewährleistet. Die Beschwerde ist demnach unbegründet, soweit mit ihr eine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes gerügt wird.
3. a) Die Beschwerdeführer leiten aus der in Art. 50 KV gewährleisteten Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens den Grundsatz der Unmittelbarkeit ab. Diesen Grundsatz sehen sie durch Art. 230 und 254 StrV konkretisiert, wonach die notwendigen - als Urteilsgrundlage unerlässlichen - Beweismassnahmen auf den Zeitpunkt der Hauptverhandlung anzuordnen sind und der Richter das Ergebnis der Beweisaufnahme auf Grund der Hauptverhandlung zu würdigen hat. Sie machen geltend, Art. 296 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 nStrV stelle eine Ausnahmeregelung für das Wirtschaftsstrafgericht und die Kriminalkammer dar, welche das Unmittelbarkeitsprinzip verletze, indem sie den Richter davon entbinde, Zeugen oder Sachverständige zur Hauptverhandlung vorzuladen und in dieser abzuhören. Ferner werde das Unmittelbarkeitsprinzip durch die genannte Ausnahmeregelung dadurch verletzt, dass sie dem Richter Aktenkenntnis schon vor der Hauptverhandlung verschaffe (soweit mit dieser Aktenkenntnis auch die Kenntnis der Einvernahmeprotokolle der Voruntersuchung gemeint sein sollte).
Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Hauptverhandlung nach bernischem Strafverfahren aufgrund der darin enthaltenen Vorschriften vom Grundsatz der Unmittelbarkeit beherrscht ist (vgl. das den Straffall Gasser betreffende Urteil des Kassationshofes des Kantons Bern vom 26. August 1983 i.S. B. in ZBJV 1984, S. 422 ff.; GERARD PIQUEREZ, Traité de procédure pénale bernoise et jurassienne, Neuchâtel 1983, Bd. I S. 96 ff. und Bd. II S. 634 ff.; FRITZ FALB, Das bernische Strafverfahren, Vorlesungsskriptum, 3. Aufl. 1975, S. 57 ff.). Indes kann dahingestellt bleiben, ob sich dieser Grundsatz aus der die Prinzipien der Öffentlichkeit und
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Mündlichkeit gewährleistenden Bestimmung des Art. 50 KV ergibt. Wäre dies der Fall, so könnte die Gesetzgebung gemäss der erwähnten kantonalen Verfassungsnorm auch insoweit Ausnahmen vorsehen, wie dies der Kassationshof des Kantons Bern im soeben angeführten Urteil vom 26. August 1983 selber - zutreffend - festgestellt hat (ZBJV 1984, S. 423; s. auch BGE vom 11. November 1983 in ZBJV 1984, S. 433 ff.). Aus diesem Urteil vermögen die Beschwerdeführer daher im vorliegenden Zusammenhang entgegen ihrer Auffassung nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. Ausnahmen der genannten Art sind denn auch bereits in der bisherigen Fassung des Strafverfahrens vorgesehen, so beispielsweise bezüglich der Verlesung von Abhörungsprotokollen (Art. 249 StrV). Solche Ausnahmen stellen aber auch die Vorschriften von Art. 296 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 nStrV dar. Da Ziff. 1 dieser Bestimmung schon in der Fassung des Strafverfahrens vom 7. Mai 1980 im damaligen Art. 295 enthalten war, ist es fraglich, ob diese Teilbestimmung überhaupt noch Gegenstand des vorliegenden Normenkontrollverfahrens bilden kann. Diese Frage kann hier jedoch letztlich offenbleiben, da sich Art. 296 Abs. 2 nStrV insgesamt weder als bundesverfassungs- noch als konventionswidrig erweist, hat doch der Beschuldigte weder nach der Verfassung noch nach der Europäischen Menschenrechtskonvention einen Anspruch darauf, dass das Unmittelbarkeitsprinzip im Beweisverfahren schrankenlos zum Tragen kommt (vgl. JOCHEN FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, a.a.O., N. 71 ff. zu
Art. 6 EMRK; ARTHUR HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 246). Die gesetzlich vorgesehene Einschränkung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes für das Beweisverfahren im Rahmen der Hauptverhandlung bei der Kriminalkammer und beim Wirtschaftsstrafgericht erfolgt nicht deshalb, um - wie die Beschwerdeführer behaupten - dieses "Prinzip in sein Gegenteil" zu "verkehren" und "es praktisch auszuhöhlen", sondern aus dem einzigen Grund, bei den komplexen und äusserst umfangreichen Wirtschaftsstraffällen die Durchführung einer Strafgerichtsverhandlung in vernünftigem Rahmen und in angemessener Zeitdauer überhaupt zu ermöglichen. Damit erfolgt diese Einschränkung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit nicht nur im Interesse der Justiz und der Rechtspflege an sich, deren Lahmlegung es zu verhindern gilt, sondern insbesondere auch im Interesse des Beschuldigten selber. Dass die Strafuntersuchung innert angemessener Frist zu Ende geführt wird, gehört auch zu den Rechten eines Beschuldigten;
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das in diesem Zusammenhang zu beachtende Beschleunigungsgebot ist vom Bundesgericht aus
Art. 4 BV abgeleitet worden (vgl.
BGE 103 V 190 ff., s. auch
BGE 107 Ib 165), und es ist in
Art. 6 Ziff. 1 EMRK ebenfalls ausdrücklich enthalten (vgl. hiezu auch ROLF KÜNG-HOFER, a.a.O., insbesondere S. 78 ff., und S. 99 ff.; JOCHEN FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, a.a.O., N. 98 ff. zu
Art. 6 EMRK; WOLFGANG PEUKERT, Die überlange Verfahrensdauer (
Art. 6 Abs. 1 EMRK) in der Rechtsprechung der Strassburger Instanzen, EuGRZ 1979 S. 261 ff.; JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, a.a.O., S. 232). Im Lichte dieses Gebotes darf ein Kanton prozessuale Bestimmungen, die es verunmöglichen, eine Strafuntersuchung innert vernünftiger Frist zu beenden, nicht gelten lassen. Dementsprechend und in Anbetracht der grossen Probleme, welche die bisherige bernische Regelung der Wirtschaftskriminalkammer mit sich brachte, ist nicht zu beanstanden, dass der bernische Gesetzgeber das Abänderungsgesetz vom 10. September 1985 besser als die frühere Regelung nach dem Beschleunigungsgebot ausrichtete. Im übrigen wird die Einvernahme eines Zeugen in der Hauptverhandlung durch Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV weder ausdrücklich noch durch die Praxis ausgeschlossen. Nur dort, wo der Angeschuldigte oder sein Verteidiger schon in der Voruntersuchung die Gelegenheit hatte, einem Zeugen oder Sachverständigen Fragen zu stellen, steht es im Ermessen des Gerichts, diese Person zur Hauptverhandlung vorzuladen und abzuhören (was, wie nachfolgend [lit. c] aufzuzeigen ist, auch keine Verletzung von
Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK darstellt); bestand diese Möglichkeit der Fragestellung aber in der Voruntersuchung nicht, so muss in der Hauptverhandlung vor dem Strafgericht dafür Gelegenheit eingeräumt werden. Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführer steht dem Richter somit nicht das "generelle und unbeschränkte Recht auf Verweigerung der Zeugenabhörungen in der Hauptverhandlung" zu. Vielmehr hat er sein Ermessen nach allgemeinen Grundsätzen pflichtgemäss auszuüben. Das Unmittelbarkeitsprinzip darf also nur dann im dargelegten Umfang eingeschränkt werden, wenn die genannten gesetzlichen Voraussetzungen hiefür erfüllt sind. Als gesetzmässige Beschränkung des Unmittelbarkeitsprinzips hält die Regelung gemäss Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV aber - wie ausgeführt - vor der Verfassung und vor der Europäischen Menschenrechtskonvention stand.
b) Die Beschwerdeführer machen ferner geltend, die durch das Abänderungsgesetz vom 10. September 1985 vorgesehene Einschränkung
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des Unmittelbarkeitsprinzips verstosse auch gegen das Grundrecht des "fair trial", also gegen den Grundsatz des fairen bzw. gerechten Verfahrens. Dieser Grundsatz ergibt sich namentlich aus
Art. 6 Ziff. 1 EMRK, wonach - wie schon erwähnt worden ist - jedermann Anspruch darauf hat, dass seine Sache in billiger Weise gehört wird, und nebstdem ist er auch durch
Art. 6 Ziff. 3 EMRK garantiert (vgl. dazu insbesondere: JOCHEN FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, a.a.O., N. 1 und N. 54 ff. zu
Art. 6 EMRK; ROBERT HAUSER, a.a.O., S. 153 f.; WOLFGANG PEUKERT, Die Garantie des "fair trial" in der Strassburger Rechtsprechung, EuGRZ 1980, S. 247 ff.; STEFAN TRECHSEL, Die Verteidigungsrechte in der Praxis zur Europäischen MRK, ZStrR 1979, S. 375 ff.). Die Beschwerdeführer rufen in diesem Zusammenhang indes nicht Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention an, sondern sie machen geltend, der Grundsatz des fairen Verfahrens sei als ungeschriebener Verfassungsgrundsatz in der Bundesverfassung enthalten oder ergebe sich allenfalls aus
Art. 58 Abs. 1 BV. Allerdings begründen sie diese Behauptung nicht näher.
Der Grundsatz des fairen oder gerechten Verfahrens ist im schweizerischen Verfassungsrecht zwar nicht ausdrücklich, jedoch der Sache nach garantiert; es sind damit dem Gehalte nach im wesentlichen die vom Bundesgericht in seiner Rechtsprechung zu
Art. 4 BV entwickelten Prinzipien eines rechtsstaatlichen Verfahrens gemeint (vgl. hiezu: PETER SALADIN, Das Verfassungsprinzip der Fairness, in: Erhaltung und Entfaltung des Rechts in der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts, Basel 1975, S. 41 ff., insbesondere S. 81 ff.; s. auch JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, a.a.O., S. 227 ff. und 259 ff.). Konkret rügen die Beschwerdeführer unter dem Titel des fairen Verfahrens allerdings nur, dass aufgrund der Bestimmungen des Abänderungsgesetzes vom 10. September 1985 keine Waffengleichheit bestehe, indem der Beschuldigte in verschiedener Hinsicht gegenüber dem Untersuchungsrichter als Anklagevertreter erheblich benachteiligt würde. Diese Rüge der Verletzung des Gebotes der Waffengleichheit ist indes nicht rechtsgenüglich substantiiert (
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG); auch der insoweit erfolgte Hinweis auf andernorts in der Beschwerdeschrift gemachte Ausführungen vermag keine hinreichende Begründung dafür abzugeben. Es ist daher nicht weiter darauf einzugehen.
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c) Weiter machen die Beschwerdeführer geltend, die Einschränkung des Unmittelbarkeitsprinzips gemäss Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV verstosse ebenfalls gegen
Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK. Gemäss dieser Bestimmung steht jedem Angeklagten das Recht zu, Fragen an die Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung der Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken. Nach der Rechtsprechung ist dem Beschuldigten gestützt auf
Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK unabhängig von der Ausgestaltung des kantonalen Prozessrechtes mindestens einmal während des Verfahrens Gelegenheit zu geben, der Einvernahme von Zeugen, die ihn belasten, beizuwohnen und Ergänzungsfragen zu stellen oder aber, sofern er der Vernehmung nicht beiwohnen kann, nach Einsicht in die Aussagen schriftlich ergänzende Fragen anzubringen (
BGE 105 Ia 397,
BGE 104 Ia 319). Aus
Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK lässt sich jedoch nicht ableiten, dass dem Beschuldigten mehrmals Gelegenheit geboten werden müsse, zu verlangen, dass Zeugen in seiner Gegenwart oder ein zweites Mal ergänzend befragt werden (
BGE 104 Ia 319). Insbesondere lässt sich aus dieser Bestimmung auch nicht ableiten, dass alle Zeugeneinvernahmen vor dem Richter in der Hauptverhandlung vor dem Strafgericht zu erfolgen haben. Vielmehr will diese Bestimmung lediglich ausschliessen, dass ein Strafurteil auf Aussagen von Zeugen abgestützt werde, ohne dass dem Beschuldigten wenigstens einmal Gelegenheit geboten worden ist, nach deren Vernehmung oder nach Einsicht in deren Aussagen Ergänzungsfragen zu stellen (s. die soeben zitierten Urteile). Dabei genügt es, wenn diese Möglichkeit irgend einmal im Laufe des Verfahrens gewährt wird (vgl. STEFAN TRECHSEL, a.a.O., S. 371; s. auch JOCHEN FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, a.a.O., N. 137 f. zu
Art. 6 EMRK; vgl. ferner JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, a.a.O., S. 239). Dieses Recht wird durch Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV klarerweise nicht beeinträchtigt. Demnach erweist sich die Beschwerde auch insoweit als unbegründet, als damit eine Verletzung des Unmittelbarkeitsprinzips gerügt wird.
4. (Das Wirtschaftsstrafgericht laut Abänderungsgesetz vom 10. September 1985 widerspricht der bernischen Kantonsverfassung nicht; vielmehr stellt diese klarerweise eine hinreichende verfassungsmässige Grundlage zu seiner Schaffung dar.)
5. a) Die Schaffung eines Wirtschaftsstrafgerichts verstösst entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer auch nicht gegen
BGE 113 Ia 412 S. 423
Art. 58 Abs. 1 BV. Laut dieser Bestimmung darf niemand seinem verfassungsmässigen Richter entzogen werden, und es dürfen keine Ausnahmegerichte eingeführt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gelten als Ausnahmegerichte Gerichte, die ausserhalb der verfassungsmässigen Gerichtsorganisation stehen und nur für einen oder mehrere konkrete Fälle gebildet werden (
BGE 110 Ib 281 E. 5). Keine Ausnahmegerichte sind demgegenüber ständige Spezialgerichte, die für zum voraus generell bestimmte Sachbereiche zuständig sind (so z.B. die Handels- und Gewerbegerichte gemäss kantonalen Prozessgesetzen, ebenso die Militärgerichte gemäss Militärstrafprozessordnung, vgl. hiezu die bereits erwähnten Entscheide der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 1. Dezember 1986). Voraussetzung ist allerdings, dass die Zuständigkeit derartiger Spezialgerichte durch Gesetz festgelegt und die Errichtung sachlich begründet ist (vgl. JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, a.a.O., S. 272; JÖRG PAUL MÜLLER, Die Garantie des verfassungsmässigen Richters in der Bundesverfassung, ZBJV 1970, S. 257).
Wie festgestellt worden ist, wurde das Wirtschaftsstrafgericht gemäss Abänderungsgesetz vom 10. September 1985 für einen zum voraus generell festgelegten Sachbereich geschaffen, nämlich für Straffälle, bei welchen zur Hauptsache strafbare Handlungen gegen das Vermögen oder Urkundenfälschungen in Frage stehen und deren Beurteilung besondere wirtschaftliche Kenntnisse oder die Würdigung einer grossen Zahl schriftlicher Beweismittel voraussetzt. Wirtschaftliche Kenntnisse gelten allgemein als sachliche Begründung von Spezialgerichten (Fachgerichten), wie dies die Schaffung von Handelsgerichten in verschiedenen Kantonen belegt. Ebenso lässt es sich vertreten, Wirtschaftsstrafsachen, bei welchen zahlreiche schriftliche Beweismittel zu würdigen sind, einem solchen Spezialgericht mit für derart umfangreiche Verfahren geeigneten Prozessbestimmungen zu unterstellen. Davon, die Schaffung des bernischen Wirtschaftsstrafgerichts verletze Art. 58 Abs. 1 BV, kann demnach nicht die Rede sein.
b) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer wird
Art. 58 Abs. 1 BV auch nicht durch die die Überweisung an das Wirtschaftsstrafgericht regelnde Bestimmung von Art. 208b nStrV verletzt. Diese Zuweisungsregel ist notwendig, um den Sachbereich der Zuständigkeit des Wirtschaftsstrafgerichts generell festzulegen,
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und sie ist - wie ausgeführt worden ist - auch durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführer ist der Zuständigkeitsbereich in sachlicher Hinsicht ohne weiteres bestimmbar, und nebstdem steht diese sachliche Zuständigkeit keineswegs im Widerspruch zur übrigen sachlichen Zuständigkeitsordnung der bernischen Strafgerichte.
Darin und auch in den Verfahrensvorschriften von Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV liegt im übrigen entgegen der Darstellung der Beschwerdeführer ebenfalls kein Verstoss gegen das Rechtsgleichheitsgebot. Diesen Grundsatz verletzt ein Erlass, der sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützt, sinn- und zwecklos ist oder rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich ist (
BGE 112 Ia 243 f. E. 4a und 258 E. 4b,
BGE 111 Ia 91 E. 3a, mit Hinweisen; ARTHUR HAEFLIGER, a.a.O., S. 62; s. auch JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, a.a.O., S. 191 ff.). Dass die genannten Vorschriften durchaus sinnvoll und zweckmässig sind, ist bereits dargelegt worden. Es werden jedoch durch sie auch nicht rechtliche. Unterschiede getroffen, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht zu finden ist (vgl. ARTHUR HAEFLIGER, a.a.O., S. 63). Vielmehr weist Art. 208b nStrV klare Kriterien auf, aufgrund welcher die Zuweisung erfolgt, und diese Regelung - wie übrigens auch diejenige der speziellen Verfahrensvorschriften gemäss Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV - ist sachlich vernünftig begründet durch die Notwendigkeit, komplexe und umfangreiche Strafprozesse zu beschleunigen und durch kompetente Richter mit besonderen Fach- und Personenkenntnissen beurteilen zu lassen. Im übrigen entsteht dadurch keine Benachteiligung des Beschuldigten. So werden insbesondere auch die Verteidigungsrechte durch die Neuregelung nicht beeinträchtigt.
6. Art. 398 nStrV entspricht mit Ausnahme kleinerer Präzisierungen dem bisherigen Art. 398 StrV. Die Beschwerdeführer machen geltend, die Regelung gemäss Art. 398 nStrV sei willkürlich, indem darin bestimmt werde: "... doch gilt betreffend Beweiswürdigung, Wiederaufnahme des Verfahrens (bzw. Rechtsmittel), Vollstreckung und Begnadigung das neue Recht, ebenso, wenn die Sache zur neuen Verhandlung an die erste Instanz zurückgewiesen wird." Sie rügen, diese Vorschrift bezwecke, rückwirkend die Verteidigungsrechte zu beschneiden und die Anwendbarkeit des Abänderungsgesetzes vom 10. September 1985 auf den - bereits an anderer Stelle erwähnten - Fall Gasser zu ermöglichen. Damit
BGE 113 Ia 412 S. 425
rügen die Beschwerdeführer jedoch gerade den Passus der genannten Bestimmung als willkürlich, welcher mit der früheren Regelung praktisch übereinstimmt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts liegt eine Rückwirkung eines Erlasses dann vor, wenn bei der Anwendung des neuen Rechts an ein Ereignis angeknüpft wird, das in der Vergangenheit liegt und vor Erlass des Gesetzes abgeschlossen wurde (
BGE 107 Ib 196 E. 3b mit Hinweisen). Es lässt in seiner Rechtsprechung zu
Art. 4 BV die Rückwirkung regelmässig nur dann zu, wenn sie ausdrücklich angeordnet oder nach dem Sinn des Erlasses klar gewollt ist, in zeitlicher Beziehung mässig ist, zu keinen stossenden Rechtsungleichheiten führt, sich durch beachtenswerte Gründe rechtfertigen lässt und nicht in wohlerworbene Rechte eingreift (
BGE 102 Ia 72 E. 3 mit Hinweisen,
BGE 102 Ib 338 E. 2b). Keine - bzw. eine sog. unechte - Rückwirkung ist dann gegeben, wenn der Gesetzgeber lediglich auf Verhältnisse abstellt, die zwar noch unter der Herrschaft des alten Rechts entstanden sind, beim Inkrafttreten des neuen Rechts aber noch andauern (
BGE 107 Ib 196 E. 3b, 203 E. 7b/aa, mit Hinweisen; s. auch ALFRED KÖLZ, Intertemporales Verwaltungsrecht, ZSR 1983 Bd. II, S. 164 ff.). Im Verfahrensrecht das neue Recht auf alle pendenten Angelegenheiten anzuwenden, gilt in der Praxis nicht als eigentliche Rückwirkung im aufgezeigten Sinne (
BGE 79 I 87 E. 1; vgl. auch MAX IMBODEN/RENE A. RHINOW, Verwaltungsrechtsprechung, 6. Aufl. 1986, Bd. I, S. 106 f.). Ganz allgemein kommt der Grundsatz der Nichtrückwirkung im Verfahrensrecht und damit auch im Falle einer Revision einer Strafprozessordnung nicht zum Tragen (vgl.
BGE 112 Ib 584 f. E. 2; s. auch HANS SCHULTZ, Das schweizerische Auslieferungsrecht, Basel 1953, S. 323).
Nur eine sog. unechte Rückwirkung ist denn auch für die im Abänderungsgesetz vom 10. September 1985 vorgesehenen Übergangsbestimmungen - wie übrigens auch schon für die bisherigen - ausdrücklich vorgesehen. Es werden lediglich gewisse Einschränkungen für die Anwendbarkeit des neuen Rechts im Hinblick auf Strafprozesse festgelegt, welche sich in einem bestimmten Verfahrensstadium befinden, wobei aber auch für die betreffenden Strafprozesse teilweise wieder das neue Recht als anwendbar erklärt wird. Inwiefern diese Regelung verfassungswidrig sein soll, haben die Beschwerdeführer nicht dargetan und ist denn auch nicht ersichtlich. Vor allem gilt das neue Recht, soweit es gestützt auf die von den Beschwerdeführern beanstandete Regelung von
BGE 113 Ia 412 S. 426
Art. 398 Ziff. 1 und 2 nStrV anzuwenden ist, nicht nur für den Fall Gasser, sondern auch für die anderen im selben Verfahrensstadium befindlichen Strafprozesse.
Demnach erweist sich die Beschwerde ebenfalls insoweit als unbegründet.