Urteilskopf
121 III 88
23. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 25. April 1995 i.S. K. N. (Rekurs)
Regeste
Anfechtung eines Zuschlags; Publikation der Steigerung nach
Art. 138 SchKG und
Art. 29 Abs. 4 VZG.
Die erste Steigerungspublikation nach Art. 138 SchKG ist eine Betreibungshandlung im Sinne von Art. 56 SchKG; die zweite gemäss Art. 29 Abs. 4 VZG ist eine bloss an die Gläubiger gerichtete Bekanntmachung, und der Schuldner hat kein schutzwürdiges Interesse, deren Modalitäten in Frage zu stellen; insbesondere kann er sich nicht beschweren, dass die 10tägige Frist zur Wiederholung der Steigerungspublikation nicht eingehalten und letztere während der Betreibungsferien vorgenommen worden ist.
Auf Begehren der Bank Y. fand am 13. Mai 1994, 15.00 Uhr, in X. die Zwangsversteigerung der sich im Eigentum von K. N. befindlichen Liegenschaft GB Nr. 874, KTN 282, Gemeinde X., statt.
K. N. erhob am 24. Mai 1994 Beschwerde mit dem Antrag, der Zuschlag sei aufzuheben und das Verfahren von der Bekanntmachung an zu wiederholen. Der Bezirksgerichtspräsident der March wies die Beschwerde am 7. Oktober 1994 ab, soweit darauf einzutreten war. Auf Beschwerde von K. N. hob das Kantonsgericht des Kantons Schwyz als obere Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs den Entscheid des Bezirksgerichtspräsidenten am 13. Februar 1995 im Kostenpunkt auf und wies die Beschwerde im übrigen ab, soweit es darauf eintrat.
Mit Rekursschrift vom 13. März 1995 an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts verlangt der Rekurrent im wesentlichen die Aufhebung des Zuschlages und die Wiederholung des Betreibungsverfahrens seit der Bekanntmachung.
Das Kantonsgericht des Kantons Schwyz beantragt die Abweisung des Rekurses, soweit darauf eingetreten werden könne.
Aus den Erwägungen:
6. Der Rekurrent wirft der oberen Aufsichtsbehörde vor, sie habe im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Versteigerung der Liegenschaft Bundesrecht verletzt, weil zum einen die 10tägige Frist zur Wiederholung der Bekanntmachung gemäss
Art. 29 Abs. 4 VZG (SR 281.42) nicht eingehalten worden und zum andern diese Amtshandlung in die Betreibungsferien gefallen sei.
a) Die Steigerungspublikation soll die Vorbereitung und auch die spätere,
BGE 121 III 88 S. 90
sachgemässe Durchführung der Versteigerung ermöglichen (AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5. Aufl. Bern 1993, S. 238, N 15). Sie muss daher die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben enthalten und mindestens einen Monat vor dem Versteigerungstermin erfolgen (
Art. 138 SchKG,
Art. 29 VZG). Ist das Lastenverzeichnis erstellt und endgültig bereinigt sowie die Liegenschaft neu geschätzt, dann sind die Steigerungsbedingungen festzulegen (
Art. 140 SchKG;
BGE 119 III 26 E. 2a S. 27) und mindestens zehn Tage vor der Versteigerung im Betreibungsamt öffentlich aufzulegen (
Art. 134 Abs. 2 SchKG). Für die Verwertung von Liegenschaften gilt insbesondere: die vorgeschriebene öffentliche Bekanntmachung muss einen möglichst grossen Kreis Interessierter erreichen. Eine Publikation im kantonalen Amtsblatt gemäss
Art. 35 SchKG ist dabei ebenso unabdingbar wie die in
Art. 139 SchKG vorgesehenen Spezialanzeigen (
BGE 110 III 30 E. 2 S. 31/32). Ein Fehler bei der Publikation kann einen Grund für eine Anfechtung der Versteigerung abgeben (GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 3. Aufl., S. 230).
b) Die obere Aufsichtsbehörde führt aus, gemäss Art. 29 Abs. 4 VZG sei die Bekanntmachung der Steigerung zehn Tage vor Ablauf der Anmeldungsfrist von Ansprüchen an Liegenschaften, insbesondere betreffend Zinsen und Kosten, zu wiederholen. Im vorliegenden Fall sei die Frist für entsprechende Eingaben auf den 14. April 1994 anberaumt worden. Die Wiederholung der Steigerungsanzeige sei am 8. April 1994 im Amtsblatt Nr. 14 vorgenommen worden, womit die 10tägige Frist nicht eingehalten worden sei. Die Aufsichtsbehörde fährt fort, die Frist zur Einhaltung der 10tägigen Frist diene dem Interesse eines Gläubigers, dessen Forderung noch nicht im Grundbuch eingetragen sei. Der Schuldner sei davon nicht betroffen. Gemäss AMONN (a.a.O., S. 58, N. 19) stehe das Beschwerderecht nur demjenigen zu, der durch eine betreibungsrechtliche Verfügung oder Unterlassung in seinen Rechten betroffen sei und ein eigenes Interesse an der Aufhebung, Änderung oder Vornahme einer bestimmten Verfügung habe. So sei der Gemeinschuldner gemäss BGE 72 III 27 E. 1 S. 29 nur insoweit zur Beschwerde legitimiert, als dadurch Rechte verletzt würden, die als dem Schuldner garantiert gälten.
Der Vorinstanz ist darin beizupflichten, dass der Rekurrent in diesem Punkt nicht beschwert ist; denn ein unbekannter Gläubiger, der sich innert der 10tägigen Frist nicht anmeldet, ist von der Teilnahme am Ergebnis der Verwertung ausgeschlossen (
Art. 138 Abs. 2 Ziff. 3 SchKG). Die Nichtteilnahme von Gläubigern entlastet den Schuldner allenfalls, greift
BGE 121 III 88 S. 91
also nicht in dessen Rechtslage ein. Was der Rekurrent gegen die Rechtsauffassung des Kantonsgerichts vorträgt, genügt den Anforderungen an die Rekursbegründung gemäss
Art. 79 Abs. 1 OG nicht.
c) Das Kantonsgericht hält weiter fest, mit Ausnahme der Wiederholung der Publikation habe kein Termin und keine Frist - insbesondere nicht die erste Bekanntmachung - während der Betreibungsferien stattgefunden. Nur Betreibungshandlungen seien für die Betreibungsferien von Bedeutung. Die Verwertung einer Liegenschaft sei eine solche. Fraglich sei jedoch, ob die Publikation der Steigerung eine Betreibungshandlung darstelle, und noch ungewisser sei dies mit Bezug auf die Wiederholung der Publikation. Die Vorinstanz hat diese Frage offengelassen, weil der Rekurrent durch die während der Betreibungsferien vorgenommene Wiederholung der Steigerungspublikation nicht beschwert sei.
Der Rekurrent erblickt darin eine Verletzung von Art. 56 ff. SchKG und zugleich einen Nichtigkeitsgrund.
aa) Eine Betreibungshandlung im Sinne von
Art. 56 SchKG liegt nur vor, wenn eine Amtshandlung der hiefür zuständigen Behörde den Betreibenden seinem Ziel näherbringt und in die Rechtsstellung des Betriebenen eingreift (
BGE 120 III 9 E. 1 S. 10,
BGE 117 III 4 E. 2). Als Betreibungshandlungen, die während der Ferien nicht vorgenommen werden dürfen, hat das Bundesgericht alle derartigen Handlungen der Vollstreckungsbehörden - Betreibungs- und Konkursbeamten, Aufsichtsbehörden, Rechtsöffnungs- und Konkursrichter - bezeichnet (
BGE 115 III 6 E. 5 S. 10 mit Hinweisen). Ohne Zweifel stellt die Verwertung der Liegenschaft eine solche qualifizierte Amtshandlung dar. Bei den mit der Bekanntmachung der Steigerung zusammenhängenden Handlungen ist zu unterscheiden. Gemäss einem Schreiben des Betreibungsinspektorates des Kantons Zürich, auf das sich das Kantonsgericht beruft, darf die erste Steigerungspublikation (
Art. 138 SchKG) nicht während der Betreibungsferien stattfinden, dagegen jedoch die zweite. Die Publikation der Steigerung - wie die Auflegung der Steigerungsbedingungen - zählt zu den Betreibungshandlungen, weil die Beschwerdefrist gegen die Steigerung mit deren Bekanntmachung beginnt und weil das Inkrafttreten derselben für den Schuldner wichtige Rechtsfolgen auslöst (JAEGER, Schuldbetreibung und Konkurs, N. 3 zu
Art. 56 SchKG, S. 123, und N. 6 zu
Art. 138 SchKG, S. 453). Daraus folgt, dass die erste Publikation nicht in die Betreibungsferien fallen darf. Die zweite im Sinne von
Art. 29 Abs. 4 VZG hat ausschliesslich
BGE 121 III 88 S. 92
zum Ziel, die Gläubiger an die Anmeldung ihrer Ansprüche an der Liegenschaft zu erinnern (
Art. 138 Abs. 2 Ziff. 3 SchKG). Der Schuldner kann deshalb nicht eine Verletzung dieser Bestimmung geltend machen und die Rechtmässigkeit des Verwertungsverfahrens in Frage stellen. Die Betreibungsferien (
Art. 56 Ziff. 3 SchKG) bezwecken, dass der Schuldner zu gewissen Zeiten nicht dem Drängen seiner Gläubiger ausgesetzt ist (
BGE 120 III 9 E. 1 mit Hinweisen). Diese Schonzeit wird durch die an die Gläubiger gerichtete Bekanntmachung im Sinne von
Art. 29 Abs. 4 VZG in keiner Weise gestört.
bb) Der Schuldner hat ein berechtigtes Interesse daran, dass mit der Publikation der Steigerung möglichst viele potentielle Käufer erreicht werden, um einen optimalen Zuschlag zu erreichen. Insofern kommt die zweite Publikation gemäss Art. 29 Abs. 4 VZG auch diesem Anliegen des Schuldners entgegen. Letzterer kann jedoch nach dem Gesagten nicht unter Berufung auf Art. 56 Ziff. 3 SchKG geltend machen, die zweite Bekanntmachung am 8. April 1994 hätte nicht in die Betreibungsferien fallen dürfen, da das Amtsblatt während dieser Zeit weniger gelesen werde. Dieser Einwand geht zudem auch deswegen fehl, weil gemäss dem angefochtenen Beschluss die Steigerung neben den Vermerken im Amtsblatt (am 25. März, 8. April und 6. Mai 1994) noch im "March-Anzeiger" (am 24. März und am 4. Mai 1994) sowie im "Tages-Anzeiger" vom 4. Mai 1994 publiziert wurde. Insoweit der Rekurrent Gegenteiliges vorträgt, kann darauf nicht eingetreten werden (Art. 63 Abs. 2 i.V.m. Art. 81 OG).
d) Das Kantonsgericht hat gestützt auf AMONN (a.a.O., S. 101, Rz. 41) ausgeführt, dass Amtshandlungen während der Betreibungsferien nicht generell nichtig, sondern in der Regel bloss anfechtbar seien. Gleicher Ansicht sind auch FRITZSCHE/WALDER (Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. I, 3. Aufl., § 13 Rz. 22, S. 129) und GILLIÉRON (a.a.O., S. 99 f.). Diese Auffassungen sind zutreffend. Die Wiederholung der Steigerungspublikation während der Betreibungsferien ist in der Tat keine nichtige Amtshandlung. Denn nach dem Gesagten wurden keine berechtigten Interessen des Schuldners oder anderer verletzt, weshalb die vom Betreibungsamt im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Verwertung begangenen Verfahrensfehler nicht von derart grosser Tragweite sind, wie dies für die Nichtigkeit gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung verlangt wird (vgl. dazu etwa
BGE 96 III 31 ff.,
BGE 117 III 39 E. 4 S. 42 ff.).
Eine Verletzung von Bundesrecht liegt somit nicht vor, weshalb eine Aufhebung des Zuschlags nicht in Frage kommt.