146 II 201
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Urteilskopf
146 II 201
16. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern und Kantonales Zwangsmassnahmengericht des Kantons Bern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_447/2019 vom 31. März 2020
Regeste
Art. 16 Abs. 1 und Art. 18 der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtline); Art. 81 Abs. 2 AIG (Fassung gemäss Ziff. I des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 2018 [Verfahrensregelungen und Informationssysteme], in Kraft seit 1. Juni 2019). Haftbedingungen für ausländerrechtlich festgehaltene Personen.
Die ausländerrechtliche Festhaltung hat grundsätzlich in einer speziellen, nur zu diesem Zweck vorgesehenen Vollzugsanstalt zu erfolgen (Ausschaffungsgefängnis). Sie kann bloss in Ausnahmefällen in ordentlichen Haftanstalten vollzogen werden, sofern die Trennung von den anderen Häftlingen - durch eine eigenständige Abteilung - sichergestellt bleibt und ein administrativ anderweitig nicht bewältigbarer wichtiger Grund für dieses Vorgehen vorliegt (E. 4-6).
Der nicht anders zu bewältigende Grund für die Unterbringung in einer separaten Abteilung eines normalen Gefängnisses und nicht in einer speziellen Einrichtung (Ausschaffungsgefängnis) ist in der Haftverfügung eingehend zu begründen (E. 8).
Das Bundesgericht bejaht im konkreten Fall das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Festhaltung des Betroffenen in einer abgetrennten Abteilung des Regionalgefängnisses Bern (E. 7).
A. X. (geb. 1977) kommt aus Burkina Faso und hielt sich als Künstler im Schengenraum auf. Am 13. September 2018 ersuchte er in der Schweiz um Asyl. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) lehnte sein Gesuch am 1. November 2018 ab und hielt ihn an, das Land zu verlassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht blieb ohne Erfolg. Der Ausländer- und Bürgerrechtsdienst (ABD) der Kantonspolizei Bern buchte für den 21. Juni 2019 einen unbegleiteten Rückflug für X. Das Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern nahm ihn am 17. Juni 2019 in
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Ausschaffungshaft. Das kantonale Zwangsmassnahmengericht genehmigte diese tags darauf bis zum 17. September 2019. Nachdem X. sich am 21. Juni 2019 geweigert hatte, den Rückflug anzutreten, wurde er in die Ausschaffungshaft zurückversetzt. Deren Vollzug erfolgte zuerst wiederum im Regionalgefängnis Bern und hernach im Ausschaffungsgefängnis Moutier.
B. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hiess am 12. Juli 2019 die von X. gegen den Entscheid des kantonalen Zwangsmassnahmengerichts eingereichte Beschwerde teilweise gut. Es stellte fest, dass der Vollzug der Ausschaffungshaft vom 21. bis zum 27. Juni 2019 im Regionalgefängnis Bern unrechtmässig erfolgt war, da er in dieser Zeit mit einer oder mehreren Personen in Untersuchungshaft bzw. im Strafvollzug in einer gemeinsamen Zelle untergebracht worden war. Anders verhalte es sich für die Haft vom 17. bis zum 20. Juni 2019: In dieser Zeit sei X. im Trakt für Administrativhaft des Regionalgefängnisses Bern gesondert von Personen in Untersuchungshaft oder im Strafvollzug festgehalten worden; es entspreche dem Willen des Gesetzgebers den Kantonen zu ermöglichen, den Vollzug der Ausschaffungshaft ausnahmsweise in separat geführten Abteilungen von Strafvollzugseinrichtungen vollziehen zu können. (...)
C. X. beantragt vor Bundesgericht, "in Ergänzung von Ziff. 1 des Dispositivs des angefochtenen Urteils [...] festzustellen, dass der Vollzug [seiner] Ausschaffungshaft [...] im Regionalgefängnis Bern vom 18. Juni bis zum 27. Juni 2019 und nicht nur vom 21. Juni 2019 bis zum 27. Juni 2019 rechtswidrig" gewesen sei. Die Auslegung des Verwaltungsgerichts sei mit dem übergeordneten, von der Schweiz übernommenen Schengen-Besitzstand unvereinbar. Der Administrativtrakt des Regionalgefängnisses Bern sei keine spezielle Hafteinrichtung, die ausschliesslich dem Vollzug der Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft diene.
(...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Auszug)
Aus den Erwägungen:
2.1 Art. 81 Abs. 2 AIG (bis zum 1. Januar 2019: AuG; SR 142.20) sah ursprünglich vor, dass die ausländerrechtlich begründete Administrativhaft "in geeigneten Räumlichkeiten" zu vollziehen war (Fassung
BGE 146 II 201 S. 204
gemäss Art. 2 Ziff. 1 des Bundesbeschlusses vom 18. Juni 2010 über die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EG betreffend die Übernahme der EG-Rückführungsrichtlinie, in Kraft seit 1. Juni 2011 [AS 2010 5925 ff., 5932; BBl 2009 8881 ff., 8901]; Anhang Ziff. 1 der Änderung des Asylgesetzes vom 14. Dezember 2012, in Kraft seit 1. Februar 2014 [AS 2013 4375 ff., 4390]). Diese Regelung erging in Umsetzung von Art. 16 der Richtlinie 2008/115 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (sog. "Rückführungsrichtlinie"; ABl. L 348 vom 24. Dezember 2008 S. 98 ff.). Das Bundesgericht hielt in Auslegung von Art. 81 Abs. 2 AIG (in der Fassung vom 18. Juni 2010; vgl. ANDREAS ZÜND, in: Migrationsrecht, Spescha/Thür/Zünd/Bolzli [Hrsg.], 2. Aufl. 2009, N. 3 zu Art. 81 AuG) fest, dass die Zusammenlegung mit Personen in Untersuchungshaft oder im Strafvollzug zu vermeiden sei. Der besonderen Situation der ausländerrechtlich festgehaltenen Personen könne am besten in Gebäuden Rechnung getragen werden, welche auf deren spezifischen Bedürfnisse ausgerichtet seien; der Vollzug von ausländerrechtlicher Administrativhaft in anderen Haftanstalten sei bei Einhaltung des Trennungsgebots jedoch nicht zum Vornherein ausgeschlossen (BGE 123 I 221 E. II lit. b S. 231; BGE 122 II 49 E. 5a S. 53, BGE 122 II 299 E. 3c S. 304).
2.2 Dabei habe aber - so das Bundesgericht weiter - der Anspruch der ausländerrechtlich festgehaltenen Person auf soziale Kontakte gewahrt zu bleiben: Es müssten nicht nur hinreichende Besuche durch auswärtige Personen erlaubt sein, sondern auch soziale Kontakte mit anderen ausländerrechtlich festgehaltenen Personen ermöglicht werden, was die regelmässige - aber nicht unbedingt dauernde - Benützung eines Gemeinschaftsraums oder gemeinschaftliche Aktivitäten (Sport im Gefängnishof, weitere Tätigkeiten in anderen Räumen usw.) über den obligatorischen einstündigen Spaziergang hinaus erforderlich mache (BGE 122 II 299 E. 5a S. 308). Aufgrund des Haftzwecks gelte bei der Administrativhaft ein freieres Haftregime als bei anderen Häftlingskategorien. Die entsprechenden Rechte dürften jeweils nur soweit beschränkt werden, als sich dies zur Gewährleistung des Haftzwecks und zur Aufrechterhaltung des ordnungsgemässen Anstaltsbetriebs als nötig erweise (BGE 122 II 299 E. 3b; Urteil 2A.545/2001 vom 4. Januar 2002 E. 3 [Regionalgefängnis Bern]). Die Trenung der Administrativhäftlinge von anderen Gefangenen solle auch
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äusserlich zeigen, dass die Festhaltung nicht im Zusammenhang mit einer Straftat steht, sondern einen rein administrativen Hintergrund hat.
2.3 Je länger die Festhaltung dauert, desto weniger einschneidend dürfen nach der Praxis die Freiheitsbeschränkungen für administrativ festgehaltene Drittstaatsangehörige sein: Bei einer lediglich kurzen Festhaltung - etwa zur Vorführung für die Haftprüfungsverhandlung - könnten zeitlich so kurz wie möglich weitergehendere Restriktionen hingenommen werden als bei einer absehbar länger dauernden administrativen Festhaltung (BGE 122 II 299 E. 3b S. 303; Urteile 2C_169/2008 vom 18. März 2008 E. 4.5 [Flughafengefängnis Zürich] und 2C_661/2007 vom 17. Dezember 2007 E. 2.2.1 in fine [Regionalgefängnis Bern]; vgl. zu den Haftbedingungen: ANDREAS ZÜND, in: Migrationsrecht, Spescha/Thür/Zünd/Bolzli [Hrsg.], 5. Aufl. 2019, N. 3 zu Art. 81 AIG; CARONI/SCHEIBER/PREISIG/ZOETEWEIJ, Migrationsrecht, 4. Aufl. 2018, S. 292 ff.; BAHAR IREM CATAK KANBER, Die ausländerrechtliche Administrativhaft, 2017, S. 253 ff.; CHATTON/MERZ, IN: Code annoté de droit des migrations, Bd. II: Loi sur les étrangers, Nguyen/Amarelle [Hrsg.], 2017, N. 14 ff. zu Art. 81 AuG; MARTIN BUSINGER, Ausländerrechtliche Haft, Die Haft nach Art. 75 ff. AuG, 2015, S. 300 ff.; TARKAN GÖKSU, IN: Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG], Caroni/Gächter/Thurnherr [Hrsg.], 2010, N. 10 ff. zu Art. 81 AuG; THOMAS HUGI YAR, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, in: Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser [Hrsg.], Ausländerrecht, 2. Aufl. 2009, N. 10.129 ff.).
3.1 Die Schweiz ist 2018 bezüglich ihrer Haftpraxis und den Haftbedingungen durch die EU evaluiert worden: Im Rahmen der Empfehlungen vom 14. Mai 2019 zur Beseitigung der 2018 bei der Evaluierung der Anwendung des Schengen-Besitzstands im Bereich der Rückkehr/Rückführung festgestellten Mängel legte der Rat der Europäischen Union der Schweiz insbesondere nahe, ihre nationalen Rechtsvorschriften zur Inhaftierung von illegal anwesenden Drittstaatsausländern zu ändern sowie "unverzüglich Massnahmen" zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Abschiebehaft - wie in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/115 vorgeschrieben - grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen erfolgt und die Unterbringung in gewöhnlichen Haftanstalten nur im Ausnahmefall zur Anwendung kommt (vgl. den Durchführungsbeschluss des Rates vom 14. Mai
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2019 zur Festlegung einer Empfehlung zur Beseitigung der 2018 bei der Evaluierung der Anwendung des Schengen-Besitzstands im Bereich der Rückkehr/Rückführung durch die Schweiz festgestellten Mängel; Interinstitutionelles Dossier 2019/0046 [NLE]). Wenn auf die Unterbringung in gewöhnlichen Haftanstalten zurückgegriffen werden müsse, "sollte sichergestellt werden, dass die Trennung von den gewöhnlichen Strafgefangenen durch geeignete Mittel gewährleistet" sei, "welche den administrativen Charakter der Inhaftierung in vollem Umfang widerspiegelten; so sollte es sich bei diesen Mitteln etwa nicht um die Einsperrung von Drittstaatsangehörigen in ihren Zellen handeln" (vgl. auch den Zehnten Bericht des EJPD vom 14. Juni 2019 zuhanden der GPK-EJPD, Stand der Umsetzung von Schengen/Dublin 2018/2019, S. 26).
3.2 Nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2008/115 hat die Inhaftierung grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen zu erfolgen. Fehlen in einem Mitgliedsstaat solche speziellen Hafteinrichtungen und ist die Unterbringung in gewöhnlichen Haftanstalten nötig, so werden in Haft genommene Drittstaatsangehörige gesondert von den gewöhnlichen Strafgefangenen untergebracht (Art. 16 Abs. 1 Satz 2 Richtlinie 2008/115). Die Schweiz hat im Rahmen des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 2018 zur Änderung des Ausländergesetzes ("Verfahrensregelungen und Informationssysteme") Art. 81 Abs. 2 AIG neu formuliert; Ziel war es, die nationale Regelung im Rahmen der Schengen-Assoziierung (erneut) an die Formulierung und die Auslegung von Art. 16 Abs. 1 Richtlinie 2008/115 durch den EuGH anzupassen. Der vom Bundesrat vorgeschlagene Text lautete (BBl 2018 1769 ff., 1773):
2 Die Haft ist in Haftanstalten zu vollziehen, die ausschliesslich dem Vollzug der Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft dienen. Soweit dies aus Kapazitätsgründen nicht möglich ist, sind die inhaftierten Ausländerinnen und Ausländer gesondert von Personen in Untersuchungshaft oder im Strafvollzug unterzubringen.
Art. 81 Abs. 2 AIG wurde in den parlamentarischen Beratungen umformuliert und lautet heute wie folgt (Fassung gemäss Ziff. I des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 2018 [Verfahrensregelungen und Informationssysteme], in Kraft seit 1. Juni 2019 [AS 2019 1413 ff., 1417; BBl 2018 1685 ff., 1738]):
2 Die Haft ist in Hafteinrichtungen zu vollziehen, die dem Vollzug der Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft dienen. Ist dies insbesondere aus Kapazitätsgründen in Ausnahmefällen nicht möglich, so
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sind die inhaftierten Ausländerinnen und Ausländer gesondert von Personen in Untersuchungshaft oder im Strafvollzug unterzubringen.
3.3.1 Umstritten ist die Tragweite des neu formulierten Art. 81 Abs. 2 AIG in der Fassung vom 14. Dezember 2018. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern geht davon aus, dass die Vorlage des Bundesrats zwar vorgesehen habe, die (ausländerrechtliche) Festhaltung in Haft anstalten zu vollziehen, die ausschliesslich diesem Zwecke dienen dürften. Der Gesetzgeber habe den Wortlaut des bundesrätlichen Vorschlags jedoch abgeändert, indem er von Hafteinrichtungen spreche und auf die Ausschliesslichkeit des Anstaltszwecks verzichtet habe. Die entsprechenden sprachlichen Anpassungen könnten als "Klarstellung verstanden werden, dass nicht das Erfordernis eines separaten Gebäudes im Vordergrund" stehe, "sondern die Einrichtung als solche, d.h. eine Infrastruktur, die ein auf die Administrativhaft zugeschnittenes Haftregime" erlaube. Das nicht infrage gestellte Trennungsgebot werde auch dann eingehalten, wenn in Ausnahmesituationen Personen in Administrativhaft nicht in separaten Hafteinrichtungen gemäss Art. 81 Abs. 2 Satz 1 AIG, sondern in einer separaten Zelle untergebracht würden. Dass eine bloss "zellenweise Trennung" der Administrativhäftlinge von den übrigen Häftlingen den Anforderungen gemäss Art. 81 Abs. 2 Satz 1 AIG nicht entspreche und nur in Ausnahmefällen für kurzfristige Aufenthalte infrage komme, sei unbestritten. Aus den Materialien ergebe sich, dass mit den gewählten Formulierungen vermieden werden sollte, dass "ausländische Personen bei Vollbelegung der kantonalen Hafteinrichtungen zum Vollzug weniger Hafttage in einen anderen Kanton gefahren, dort untergebracht und für den Vollzug wieder zurückgebracht werden" müssten. Diese Meinung habe sich in der parlamentarischen Debatte durchgesetzt und Art. 81 Abs. 2 Satz 2 AIG sei insofern angepasst worden, als der Ausnahmegrund für den Vollzug der ausländerrechtlichen Administrativhaft ausserhalb einer getrennten Vollzugsanstalt in einem abgegrenzten Vollzugstrakt für Ausschaffungshäftlinge im Rahmen einer normalen Strafanstalt nicht nur bei Kapazitätsengpässen, sondern auch aus anderen Gründen erfolgen könne (AB 2018 N 1667 f.; AB 2018 S 846 f.). Mit den Vorgaben und Geboten, die sich im Einzelfall aus dem einschlägigen und von der Schweiz übernommenen Schengenrecht ergeben, hat sich die Vorinstanz indessen nicht weiter auseinandergesetzt.
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3.3.2 Der Beschwerdeführer macht seinerseits geltend, Art. 81 Abs. 2 AIG sei richtlinienkonform auszulegen. Alleine aufgrund kleiner Wortänderungen ("Haftanstalt" statt "Hafteinrichtung") gegenüber dem bundesrätlichen Entwurf könne nicht darauf geschlossen werden, dass der Gesetzgeber nicht in Übereinstimmung mit Art. 16 Abs. 1 Richtlinie 2008/115 habe legiferieren wollen. Die gesetzessystematische und -logische Auslegung ergebe, dass mit der Hafteinrichtung nach Art. 81 Abs. 2 Satz 1 AIG ein besonderes Gebäude gemeint sei und mit der ausnahmsweisen Unterbringung eine solche in einem gesonderten Trakt einer gewöhnlichen Haftanstalt, der ein liberaleres Regime zulasse. Seine Unterbringung vom 18. Juni bis zum 20. Juni 2019 sei nicht in einer speziellen Hafteinrichtung i.S. von Art. 81 Abs. 2 Satz 1 AIG erfolgt, sondern lediglich gesondert von Personen in Untersuchungshaft oder im Strafvollzug. Die Behörden hätten von Art. 81 Abs. 2 Satz 2 AIG Gebrauch gemacht. Eine entsprechende Unterbringung sei nach dem Gesetzeswortlaut nur in nachgewiesenen Ausnahmefällen zulässig. Das Verwaltungsgericht habe - so der Beschwerdeführer weiter - trotz seiner Hinweise auf die Ausnahmesituation nicht dargelegt, inwiefern bei ihm eine entsprechende Notwendigkeit bestand. Die Berner Behörden hätten es nicht nur unterlassen, schweizweit nach einer alternativen Unterbringung zu suchen, wozu sie nach dem neuen Art. 81 Abs. 2 AIG verpflichtet gewesen wären, sondern hätten auch keine richtlinienkonforme Alternativen innerhalb des Kantons geprüft, obwohl das für den ausschliesslichen Vollzug von ausländerrechtlicher Administrativhaft konzipierte Regionalgefängnis Moutier in der interessierenden Zeitperiode nicht voll belegt gewesen sei.
4.1 Das Gesetz ist in erster Linie aus sich selbst heraus auszulegen, d.h. nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen. Die Gesetzesmaterialien sind zwar nicht unmittelbar entscheidend, dienen aber als
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Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Bei der Auslegung neuerer Bestimmungen kommt den Materialien eine besondere Stellung zu, weil veränderte Umstände oder ein gewandeltes Rechtsverständnis in dieser Situation eine von den Materialien abweichende Lösung kaum nahelegen (BGE 144 I 242 E. 3.1.2 S. 251 f.; BGE 142 IV 401 E. 3.3 S. 403 f., BGE 142 IV 1 E. 2.4.1 S. 3 f.; je mit Hinweisen).
4.2 Zusätzlich zu diesen allgemeinen Auslegungsregeln ist in Fällen, welche das Schengenabkommen betreffen, die Vereinbarkeit der schweizerischen Umsetzungsgesetzgebung mit den einschlägigen unionsrechtlichen Vorgaben zu beachten.
4.2.1 Die Neuformulierung von Art. 81 Abs. 2 AIG soll den schengenrechtlichen Vorgaben und der EuGH-Rechtsprechung zu den Festhaltungsbedingungen Rechnung tragen; die entsprechende Gesetzesanpassung in Art. 81 AIG erfolgte gerade zu diesem Zweck (BBl 2018 1685, 1712 Ziff. 2.7.1; vgl. das Abkommen vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft über die Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands [SAA; SR 0.362.31]).
4.2.2 Die Schweiz hat sich, vorbehältlich von Art. 7 des Abkommens ("Beendigungsverfahren"), verpflichtet, die bestehenden wie die künftigen schengenrechtlich relevanten Bestimmungen des Unionsrechts zu akzeptieren, umzusetzen und anzuwenden (vgl. Art. 2 Abs. 3 SAA). Die mangelhafte Umsetzung von Schengenrecht kann im Rahmen des Abkommens zwar nicht direkt sanktioniert werden, aber sie kann zu einer uneinheitlichen Auslegung und Anwendung des Schengenbesitzstands führen und damit den Bestand der Assoziierung als solche gefährden (vgl. Art. 7 SAA).
4.2.3 Das Bundesgericht beachtet die Rechtsprechung des EuGH auslegungsweise, zumal die Rechtsübernahme im Rahmen des Schengenabkommens "dynamisch" erfolgt. Es tut dies im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung durch die verschiedenen Mitgliedsstaaten, zur Durchsetzung des Grundsatzes der Parallelität der Rechtsordnungen in den schengenrelevanten Bereichen sowie zur Erfüllung der völkerrechtlich übernommenen Verpflichtungen der Schweiz (vgl. Art. 2 Abs. 3 SAA und Art. 31 Abs. 1 des Wiener Abkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge [SR 0.111]). Die nationale Umsetzungsgesetzgebung in Art. 81 Abs. 2 AIG erfolgte, um die Festhaltebedingungen an die schengenrechtlichen Vorgaben anzupassen
BGE 146 II 201 S. 210
(vgl. vorstehende E. 3.2). Das Bundesgericht legt Art. 81 Abs. 2 AIG deshalb unionsrechtskonform aus, d.h. in einer möglichst grossen Übereinstimmung mit den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie und der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH dazu (vgl. PAUL-LUKAS GOOD, Die Schengen-Assoziierung der Schweiz, Diss. St. Gallen 2010, S. 247 ff.).
4.3.1 Zum gleichen Resultat führt die unionsrechtliche Praxis über die direkte Anwendbarkeit von Richtlinienbestimmungen (vgl. HAAG/KOTZUR, in: Die Europäische Union, Bieber/Epiney/Haag/Kotzur [Hrsg.], 13. Aufl. 2019, § 6 N. 34;BREITENMOSER/WEYENETH, Europarecht, 3. Aufl. 2017, N. 259; JAAG/HÄNNI, Europarecht, 4. Aufl. 2015, N. 2119 ff.; Urteil des EuGH vom 19. Januar 1982 C-8/81 Becker, Slg. 1982 00053 Randnr. 25). Diese kann im Rahmen der bundesgerichtlichen Auslegung schengenrelevanter Vorgaben analog beigezogen werden. Danach können Richtlinienbestimmungen ausnahmsweise eine unmittelbare Wirkung entfalten, (1) wenn sie nicht fristgerecht oder korrekt in das innerstaatliche Recht umgesetzt wurden; (2) die Regelung sich als genügend bestimmt und unbedingt formuliert erweist und (3) sie dem Betroffenen Rechte gegenüber dem Staat einräumt.
4.3.2 Art. 16 Abs. 1 Richtlinie 2008/115 regelt im Interesse der illegal anwesenden drittstaatsangehörigen Person deren Haftbedingungen während ihrer Festhaltung zum Zweck der Ausschaffung in hinreichend bestimmter und justiziabler Art und Weise. Hat der Gesetzgeber nicht nach den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie legiferiert, kann der Betroffene sich direkt auf Art. 16 Abs. 1 Richtlinie 2008/115 stützen, um geltend zu machen, Art. 81 Abs. 2 AIG sei aufgrund einer unvollständigen oder fehlerhaften Umsetzung in Verletzung des Richtlinienrechts auf ihn angewendet worden. Ist der Gesetzgeber zu Ungunsten der betroffenen Person vom Richtlinienrecht bzw. dessen Auslegung durch den EuGH abgewichen, kann der einzelne Fall auch direkt in Anwendung von Art. 16 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie beurteilt werden (so auch CHATTON/MERZ, a.a.O., N. 22 in fine zu Art. 81 AuG).
5. Der Gerichtshof hat sich zur Auslegung von Art. 16 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie im Jahr 2014 geäussert:
5.1 Im Urteil Bero/Bouzalmate vom 17. Juli 2014 (C-473/13 und C-514/13) hielt er fest, dass Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der
BGE 146 II 201 S. 211
Rückführungsrichtlinie den Grundsatz aufstelle, dass die Inhaftierung von illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen zum Zweck der Abschiebung in speziellen Hafteinrichtungen zu erfolgen habe. Werde die Festhaltung wegen des Fehlens spezieller Hafteinrichtungen in gewöhnlichen Haftanstalten vollzogen, müssten die in Haft genommenen illegal anwesenden Drittstaatsangehörigen gesondert von den gewöhnlichen Strafgefangenen untergebracht werden; der Grundsatz der Unterbringung in nicht speziell hierfür vorgesehenen Hafteinrichtungen sei als Ausnahme zur Grundregel der Unterbringung in speziellen Hafteinrichtungen (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2008/115) eng auszulegen (Randnr. 25 des Urteils Bero/Bouzalmate, a.a.O., vgl. JULIAN AUGUSTIN, Die Rückführungsrichtlinie der Europäischen Union, 2016, S. 470 ff.; SERGO MANANASHVILI, in: EU Immigration and Asylum Law, Hailbronner/Thym [Hrsg.], 2. Aufl. 2016, N. 5 f.zu Art. 16 der Rückführungsrichtlinie; CARSTEN HÖRICH, Abschiebungen nach europäischen Vorgaben, 2015, S. 185 ff.). Art. 16 Abs. 1 Satz 2 der Rückführungsrichtlinie sieht vor, dass - im Rahmen der entsprechend engen Auslegung der Ausnahmebestimmung - die Festhaltung nur aus besonderen Gründen auch in einem von den Strafgefangenen abgesonderten Bereich einer ordentlichen Justizvollzugsanstalt erfolgen kann.
5.2.1 Ein Mitgliedsstaat ist - so der EuGH - auch dann verpflichtet, illegal anwesende Drittstaatsangehörige grundsätzlich in einer speziellen Hafteinrichtung in Abschiebungshaft zu nehmen, "wenn er föderal strukturiert ist und die nach nationalem Recht für die Anordnung und Vollziehung einer solchen Haft zuständige föderale Untergliederung über keine entsprechende Hafteinrichtung" verfügt. Nicht erforderlich ist, dass jede föderale Untergliederung selber spezielle Haftanstalten errichtet; es muss jedoch sichergestellt sein, dass die zuständigen Behörden einer föderalen Untergliederung, die nicht über solche Hafteinrichtungen verfügt, die abzuschiebenden Drittstaatsangehörigen in speziellen Hafteinrichtungen in anderen föderalen Untergliederungen festhalten können (Urteil Bero/Bouzalmate, a.a.O., Randnr. 31; AuGUSTIN, a.a.O., S. 471; HÖRICH, a.a.O., S. 186-193). Ein föderaler Staat kann sich dieser Verpflichtung nicht mit der Begründung entziehen, dass weder er noch die föderale Untereinheit über spezielle Hafteinrichtungen verfügten. Dies gilt auch für die Schweiz.
BGE 146 II 201 S. 212
5.2.2 Art. 16 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie umfasst die Pflicht der einzelnen Staaten, für eine ausreichende Kapazität an Unterbringungsmöglichkeiten in speziellen Hafteinrichtungen zu sorgen (MANANASHVILI, a.a.O., N. 5 zu Art. 16 der Rückführungsrichtlinie; AUGUSTIN, a.a.O., S. 472 ff.). In den Räumlichkeiten der speziellen Hafteinrichtung ist eine Ausstattung und Gestaltung des Umfelds vorzusehen, die - soweit wie möglich - den Eindruck einer Gefängnisumgebung vermeiden und zum Ausdruck bringen, dass die festgehaltenen Personen keine Straftäter sind (AUGUSTIN, a.a.O., S. 478 ff.; zu einem Beispiel für eine "spezielle" Hafteinrichtung: KANBER, a.a.O., S. 260). Bei den "speziellen" Festhaltungszentren muss es sich um Einrichtungen handeln, die dazu bestimmt sind, Abschiebungshäftlinge in einer Einrichtung mit lockereren Festhaltungsbedingungen (Aussenkontakte, Telefonmöglichkeiten, Zugang zu Internet usw.) aufzunehmen und zu betreuen (AUGUSTIN, a.a.O., S. 477). Entsprechende Projekte werden - wie in anderen europäischen Staaten - auch in der Schweiz derzeit umgesetzt (vgl. etwa die Schaffung des Ausschaffungsgefängnisses Moutier). Der Bund kann den Bau und die Einrichtung kantonaler Haftanstalten, die ausschliesslich dem Vollzug der Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft sowie kurzfristigen Festhaltungen dienen und eine bestimmte Grösse aufweisen, dementsprechend ganz oder teilweise finanzieren (vgl. Art. 82 Abs. 1 AIG).
5.2.3 Ergänzend kann darauf hingewiesen werden, dass der Deutsche Bundesgerichtshof in Anwendung von Art. 16 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie zum Schluss gekommen ist, dass die Unterbringung eines Betroffenen in einem gesonderten Gebäude auf dem Gelände einer Justizvollzugsanstalt nicht als Unterbringung in einer "speziellen Hafteinrichtung" gelten könne, wie dies Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/115 voraussetze. Eine gesonderte Unterbringung von Betroffenen auf dem Gelände einer gewöhnlichen Haftanstalt bilde keine Unterbringung in einer speziellen Hafteinrichtung im Sinne von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Rückführungsrichtlinie (Beschlüsse des Deutschen Bundesgerichtshofs vom 25. Mai 2014 [V ZB 137/14] Rz. 9 und vom 17. September 2014 [V ZB 189/13] Rz. 5). Diesbezüglich einschlägige Entscheide von anderen Unionsstaaten bestehen offenbar noch nicht.
5.3 Die Nutzung spezieller Einrichtungen ist die Regel. Die Ausnahmebestimmung, wonach eine Unterbringung - bei Trennung der festgehaltenen Drittstaatsangehörigen von den anderen Insassen - auch
BGE 146 II 201 S. 213
in gewöhnlichen Haftanstalten erfolgen kann (Art. 16 Abs. 1 Satz 2 Richtlinie 2008/115 bzw. Art. 81 Abs. 2 Satz 2 AIG), bildet die Ausnahme. Diese kann namentlich zur Anwendung kommen, wenn sich aufgrund unvorhersehbarer quantitativer Schwankungen bei illegalen Migrationsströmen die Zahl der Inhaftierten sprunghaft erhöht - dabei jedoch noch keine "Notlage" besteht, die zur Anwendung von Art. 18 Richtlinie 2008/115 führt - und die Unterbringung der Inhaftierten in speziellen Einrichtungen auch für einen Mitgliedsstaat zu einem Problem wird, der normalerweise über eine angemessene/ausreichende Zahl von Plätzen in speziellen Einrichtungen verfügt (Anhang der Empfehlung der Kommission vom 16. November 2017 für ein gemeinsames "Rückkehr-Handbuch", das von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Durchführung rückkehrbezogener Aufgaben heranzuziehen ist, C [2017] 6505 final, S. 91).
5.4 Der Generalanwalt hielt zum Ausnahmetatbestand von Art. 16 Abs. 1 Satz 2 Richtlinie 2008/115 in seinen Schlussanträgen in den Verfahren Bero/Bouzalmate fest, dass ein Mitgliedsstaat, mit Ausnahme von Notlagen (vgl. Art. 18 Richtlinie 2008/115), die abzuschiebenden Drittstaatsangehörigen nur dann in einer gewöhnlichen Haftanstalt unterbringen darf, wenn aussergewöhnliche und berechtigte Gründe hierfür sprächen, in denen unbestreitbar zum Ausdruck komme, dass die Abwägung der Interessen diese Lösung gebiete. Wenn sich ein Mitgliedsstaat mit Schwierigkeiten in Zusammenhang mit der Unterbringung eines abzuschiebenden Migranten konfrontiert sehe, müsse er auf der Grundlage einer Beurteilung des
Einzelfalls die Gründe darlegen, weshalb die Unterbringung in einer gewöhnlichen Haftanstalt erfolge bzw. erfolgen müsse, wobei die Trennung des Migranten von den gewöhnlichen Strafgefangenen immer gewährleistet zu bleiben habe (vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts in den Rechtssachen Bero [C-473/13], Bouzalmate [C-514/13] und Pham [C-474/13]), Randnr. 136). Zwar sind die Ausführungen des Generalanwalts nicht verbindlich, es ergibt sich daraus jedoch, auf welchem Hintergrund und im Rahmen welcher allgemeinen Überlegungen der jeweilige Entscheid des EuGH ergangen ist.
6.1 Der Bundesrat wies in seiner Botschaft zur Neuformulierung von Art. 81 Abs. 2 AIG darauf hin, dass die Rückführungsrichtlinie sowie die einschlägige Rechtsprechung des EuGH eine spezifische Haftinfrastruktur für die Ausschaffungshaft voraussetzten; bezweckt sei eine "echte" Trennung zwischen Personen in Administrativhaft
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und solchen im Strafvollzug (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/115). Fehlten die erforderlichen Kapazitäten, könne eine klar getrennte Infrastruktur für die Administrativhaft in anderen Haftanstalten eingerichtet werden (vgl. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/115). Die Kapazitäten in speziellen Vollzugsanstalten seien nur dann nicht ausreichend, wenn schweizweit ein entsprechender Engpass bestehe oder sich die Verschiebung in Anbetracht der Haftdauer als undurchführbar erweise (ZÜND, a.a.O., 5. Aufl. 2019, N. 3 zu Art. 81 AIG; vgl. die Botschaft Verfahrensnormen und Informationssysteme, a.a.O., 1712 bzw. 1738 Ziff. 2.7.1).
6.2.1 An der vom Bundesrat vorgeschlagenen Lösung hat der Gesetzgeber im Wortlaut geringfügige Korrekturen vorgenommen. Beide Räte gingen davon aus, dass das Trennungsgebot nicht infrage gestellt werde. Dieses sei beizubehalten, was "sehr wichtig" erscheine; nur bei kurzfristigen Wechseln und Verlegungen für wenige Tage, beispielsweise, weil sich die kantonale Zuständigkeit für kurze Zeit ändere, solle es nicht zu hohen Kosten kommen (AB 2018 S 847 f.). Es sei insbesondere zu vermeiden, dass ausländische Personen bei Vollbelegung der eigenen separaten Hafteinrichtungen zum Vollzug weniger Hafttage in einen anderen Kanton gefahren, dort untergebracht und für den Vollzug wieder zurückgeführt werden müssten (AB 2018 N 1667). Auch nach der Lesart des schweizerischen Gesetzgebers braucht es somit gute Gründe, welche die Ausnahme von der Unterbringung in spezifischen Einrichtungen rechtfertigen.
6.2.2 Ausgangspunkt der Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung, wie sie inzwischen in Kraft steht. Dabei ist es erforderlich und möglich, den geltenden Art. 81 Abs. 2 AIG europa- und richtlinienkonform auszulegen (vgl. vorstehende E. 4.2): Die Zulässigkeit einer separaten Festhaltung in einem besonderen Trakt eines Regionalgefängnisses kann nur im Bereich weniger Stunden oder Tage liegen; im Übrigen hat die Festhaltung in speziell hierfür konzipierten Einrichtungen zu erfolgen, deren Haftbedingungen und baulichen Elemente generell unterstreichen, dass die Festhaltung administrativer Natur ist und in keinem Zusammenhang mit einem Strafvollzug oder einer Untersuchungshaft steht. Es wird damit betont, dass es sich um eine eng auszulegende Ausnahmeregel vom Grundsatz der getrennten Unterbringung in speziellen, hierfür konzipierten und für freiere Festhaltungsbedingungen geeigneteren Gebäuden handelt, die auch äusserlich erkennen lassen, dass es sich um Art. 7 SAA ).
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den Vollzug einer administrativen Massnahme von sich illegal im Land aufhaltenden Drittstaatsangehörigen und um keine Sanktion für eine Straftat handelt. Der EuGH hat sich zur Zulässigkeit einer Regelung, die wie Art. 81 Abs. 2 AIG in seiner heutigen Fassung kurzfristig mit Blick auf die Praktikabilität aus einem gewichtigen Grund eine Einschränkung vom Grundsatz der Unterbringung in einer separaten Vollzugseinrichtung zulässt, noch nicht geäussert. Gemäss dem System des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Rückführungsrichtlinie müssen jeweils berechtigte, wesentliche und überwiegende Gründe vorliegen, soll ausnahmsweise die Haft nicht in einer speziellen Hafteinrichtung erfolgen und dennoch mit den schengenrechtlichen Vorgaben übereinstimmen (vgl. Art. 2 Abs. 3 sowie
7.1 Im konkreten Fall wurde der Beschwerdeführer gestützt auf Art. 81 Abs. 2 Satz 2 AIG bzw. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 der Rückführungsrichtlinie festgehalten; der eigenständige Trakt im Regionalgefängnis Bern kann nicht als spezielle Anstalt im Sinn von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Rückführungsrichtlinie gelten (vgl. die einschlägige Kritik der Haftbedingungen für Auszuschaffende im Regionalgefängnis Bern, in: NATIONALE KOMMISSION ZUR VERHÜTUNG VON FOLTER NKVF, Bericht an den Regierungsrat des Kantons Bern betreffend den Nachfolgebesuch der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter im Regionalgefängnis Bern vom 29. Januar und 28. Februar 2019, N. 18 und 30 sowie III. Zusammenfassung). Dennoch haben die Berner Behörden Art. 81 Abs. 2 Satz 1 AIG für die Periode vom 17. bis zum 20. Juni 2019 - gestützt auf die spezifischen Umstände der konkreten Situation im vorliegenden Fall - nicht verletzt: Der Beschwerdeführer hat sich während vier Tagen im Trakt für Administrativinhaftierte des Regionalgefängnisses Bern im Hinblick darauf befunden, dass er gemäss den Vorbereitungen und der Flugreservation innert 96 Stunden ausgeschafft werden sollte; die Behörden befürchteten, dass er sich ihnen hierfür nicht zur Verfügung halten würde. Eine Unterbringung in Moutier hätte den geplanten Ablauf der Ausschaffung übermässig erschwert. Es bestand deshalb vorübergehend ein wesentlicher Grund, den Beschwerdeführer in einer abgetrennten Zone einer normalen, zentral gelegenen Justizvollzugsanstalt unterzubringen (vgl. vorstehend E. 5.4). Anders verhielt es sich nach seiner Rückversetzung in die Festhaltung ab dem 21. Juni 2019; in dieser Zeit hätte er in einer spezialisierten, allenfalls auch entfernter gelegenen Einrichtung im Kanton Bern oder andernorts in
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der Schweiz verlegt werden müssen, was zu spät geschah; zudem wurde der Beschwerdeführer in unzulässiger Weise in der gleichen Zelle untergebracht wie Strafgefangene.
7.2 Der Beschwerdeführer wurde ab dem 17. Juni 2019 ausländerrechtlich festgehalten, um ihn am 21. Juni 2019 an den Flughafen verbringen zu können, wo sein Rückflug gebucht war. Der Aufenthalt im separaten Trakt des Regionalgefängnisses Bern war planmässig nur für die Verbringung zum Flughafen vorgesehen. Die konkreten Transportmodalitäten bildeten einen wichtigen Grund, um eine kurzfristige Festhaltung - getrennt von anderen Strafhäftlingen - in einer Justizvollzugsanstalt zu rechtfertigen. Der Beschwerdeführer hat mit seinem renitenten Verhalten die Ausschaffung selber verhindert. In der Folge wurde er so schnell wie möglich in das Ausschaffungsgefängnis Moutier verbracht. Gestützt auf das Verhalten des Beschwerdeführers konnte nach der gescheiterten freiwilligen Rückkehr nicht mehr davon ausgegangen werden, dass seine administrative Festhaltung weiterhin nur wenige Stunden/Tage dauern würde, weshalb die Unterbringung ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich in einer speziell für Auszuschaffende eingerichteten Anstalt zu erfolgen hatte.
8. Zusammengefasst ergibt sich: Im Grundsatz hat die ausländerrechtliche Festhaltung in speziellen Vollzugsanstalten zu erfolgen; diese müssen über genügend Plätze verfügen (Art. 16 Abs. 1 Richtlinie 2008/115; Art. 81 Abs. 2 Satz 1 AIG). In begründeten Ausnahmefällen kann die Haft in ordentlichen Haftanstalten vollzogen werden, wenn die Trennung von den anderen Häftlingen - etwa durch eine eigenständige Abteilung - sichergestellt bleibt und ein administrativ anderweitig nicht bewältigbarer wichtiger Grund für dieses Vorgehen spricht (vgl. vorstehende E. 5.4; hier: kurzfristige Verbringung zum Flughafen). Der Grund für die Unterbringung in einer separaten Abteilung eines normalen Gefängnisses und nicht in einer speziellen Einrichtung - wie von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Rückführungsrichtlinie als Regel vorausgesetzt - ist in der Haftverfügung sachgerecht zu begründen, damit der Haftrichter die angegebenen Gründe im Hinblick auf die Zulässigkeit der Haft und der nach Art. 16 der Rückführungsrichtlinie erforderlichen Haftbedingungen überprüfen kann (vgl. Art. 80 Abs. 4 AIG). Die wichtigen Gründe und die konkreten Abklärungen bezüglich der Unterbringung der ausreisepflichtigen Person sind in der Haftverfügung nachvollziehbar darzutun und zu belegen (hier: im Einzelfall kurzfristig organisierte Ausreise
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als besonderer Grund für eine Ausnahme von einer Unterbringung in einer speziellen Einrichtung). In Notsituationen erlaubt Art. 18 der Rückführungsrichtlinie allgemein von den Regeln über den Festhaltungsvollzug gemäss Art. 16 Abs. 1 Satz 1 abzuweichen. Eine solche Situation besteht derzeit nicht und wird auch von den kantonalen Behörden nicht geltend gemacht.Inhalt
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