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Urteilskopf

148 IV 113


12. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. A. und B. gegen Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern (Beschwerde in Strafsachen)
6B_636/2020 / 6B_637/2020 vom 10. März 2022

Regeste a

Art. 261bis Abs. 1 und Abs. 4 erster Teilsatz StGB; Rassendiskriminierung; Aufruf zu Hass oder Diskriminierung; Herabsetzung oder Diskriminierung.
Der Begriff "Zigeuner" wird als abwertend wahrgenommen, weshalb der Ausdruck "Fahrende" als neutraler Begriff eingeführt wurde. Die Gemeinschaft der Fahrenden gilt als kulturelle oder ethnische Minderheit. Im vorliegenden Kontext ist der Ausdruck "ausländische Zigeuner" als Bezeichnung für eine Ethnie im Sinne von Art. 261bis StGB zu qualifizieren (E. 3 und 4).
Definition der Begriffe "Fahrende" und "Zigeuner" (E. 4.3 und 4.4).

Regeste b

Art. 16 BV; Art. 10 EMRK; Art. 19 UNO-Pakt II; Meinungsäusserungsfreiheit.
Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit im beurteilten Fall - auch im Lichte der Rechtsprechung des EGMR - verneint (E. 5.3).

Sachverhalt ab Seite 114

BGE 148 IV 113 S. 114

A. Am 21. Februar 2018 veröffentlichte die Junge SVP des Kantons Bern (nachfolgend: JSVP) auf Facebook und auf ihrer Homepage nachfolgenden Beitrag:
"JSVP-Kandidaten wählen - Transitplätze für Zigeuner verhindern!
Die neue Legislatur wird eine wichtige Weichenstellung sein. Im Seeland und im Berner Mittelland macht man sich Sorgen um die geplanten Transitplätze für ausländische Zigeuner. Wollen wir im Kanton Bern solch teure und schädliche Transitplätze, welche die Lebensqualität in der entsprechenden Region verschlechtern?
Genau diese Frage wird sich in den nächsten vier Jahren stellen. Die Junge SVP Kanton Bern ist bisher die einzige Kantonalpartei, welche sich klipp und klar gegen solche Pläne ausgesprochen hat. Umso wichtiger, dass ihre Kandidaten unterstützt werden. Das Motto lautet also: JSVP wählen - Transitplätze verhindern!
#bernstark".
Auf diesen Text folgte eine farbige Abbildung im Stil eines Cartoons. Darauf ist ein Transitplatz für Fahrende zu sehen, auf dem sich stinkender Abfall türmt und eine leicht dunkelhäutige Person ihre Notdurft im Freien verrichtet. Im Hintergrund ist ein Dorf mit einem Glockenturm zu erblicken. Im Vordergrund ist ein Mann mit verärgertem Gesichtsausdruck, mit einer Tracht und einer Kappe mit dem Schweizerkreuz zu sehen, der sich angewidert die Nase zuhält. Darüber steht: "Millionenkosten für Bau und Unterhalt, Schmutz, Fäkalien, Lärm, Diebstahl, etc. Gegen den Willen der Gemeindebevölkerung". Unter der Abbildung steht der grossbuchstabige Text: "Wir sagen NEIN zu Transitplätzen für ausländische Zigeuner! Wählen Sie JSVP-Kandidaten in den Grossen Rat!"

B. Die Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland erliess gegen A. und B. am 18. April 2018 einen Strafbefehl wegen Rassendiskriminierung. Auf Einsprache von A. und B. hin überwies die Staatsanwaltschaft
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den Strafbefehl als Anklageschrift dem Regionalgericht Bern-Mittelland.

C. Das Regionalgericht Bern-Mittelland sprach A. und B. mit Urteil vom 14. Januar 2019 der Rassendiskriminierung schuldig. Es verurteilte A. zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 110.- und B. zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 120.-, jeweils unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren.

D. Das Obergericht des Kantons Bern bestätigte den Schuldspruch von A. und B. mit Urteil vom 6. Dezember 2019. Es verurteilte A. zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 160.- und B. zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 120.-, jeweils unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren. Das Obergericht widerrief den mit Urteil der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Region Bern-Mittelland, vom 23. Juni 2016 für eine Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je Fr. 100.- A. bedingt gewährten Vollzug nicht, sondern verwarnte ihn.

E. A. und B. beantragen mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und sie seien vom Vorwurf der Rassendiskriminierung freizusprechen. Eventualiter beantragen sie, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache sei zur Fortsetzung des Verfahrens und Vervollständigung der Sachverhaltsermittlung an das Obergericht zurückzuweisen. Ferner ersuchen sie um Gewährung der aufschiebenden Wirkung.
Das Bundesgericht hat die Angelegenheit am 10. März 2022 in einer öffentlichen Sitzung beraten.
Das Bundesgericht vereinigt die Verfahren 6B_636/2020 und 6B_637/2020.
Das Bundesgericht weist die Beschwerden ab, soweit es darauf eintritt.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Wegen "Rassendiskriminierung" (Randtitel) wird gemäss Art. 261bis StGB unter anderem bestraft, (Absatz 1) wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse,
BGE 148 IV 113 S. 116
Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder Diskriminierung aufruft und (Absatz 4 erster Teilsatz) wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer RasseEthnie, Religion oder sexuellen Orientierung in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert.
Welches der Inhalt einer Äusserung ist, ist Tatfrage. Welcher Sinn einer Äusserung zukommt, ist hingegen Rechtsfrage, die das Bundesgericht frei prüft. Massgebend ist dabei der Sinn, welchen der unbefangene Durchschnittsleser der Äusserung unter den gegebenen Umständen beilegt (BGE 145 IV 462 E. 4.2.3; BGE 143 IV 193 E. 1; BGE 140 IV 67 E. 2.1.2; Urteil 6B_1126/2020 vom 10. Juni 2021 E. 2.1.1; je mit Hinweisen). Äusserungen im Rahmen politischer Auseinandersetzungen sind nicht strikt nach ihrem Wortlaut zu messen, da bei solchen Auseinandersetzungen Vereinfachungen und Übertreibungen üblich sind (BGE 143 IV 193 E. 1; BGE 131 IV 23 E. 2.1 mit Hinweisen). Bei der Auslegung von Art. 261bis StGB ist der Freiheit der Meinungsäusserung (Art. 16 BV, Art. 10 EMRK, Art. 19 UNO-Pakt II [SR 0.103.2]) Rechnung zu tragen. In einer Demokratie ist es von zentraler Bedeutung, dass auch Standpunkte vertreten werden können, die einer Mehrheit missfallen oder für viele schockierend wirken (BGE 143 IV 193 E. 1; BGE 131 IV 23 E. 3.1; je mit Hinweisen).
Die Strafbestimmung betreffend die Rassendiskriminierung bezweckt unter anderem, die angeborene Würde und Gleichheit aller Menschen zu schützen. Im Lichte dieser Zielsetzung erscheinen als Herabsetzung oder Diskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 erster Teilsatz StGB alle Verhaltensweisen, durch welche den Angehörigen einer Bevölkerungsgruppe aufgrund ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung die Gleichwertigkeit als menschliche Wesen oder die Gleichberechtigung in Bezug auf die Menschenrechte abgesprochen oder zumindest in Frage gestellt wird (BGE 143 IV 193 E. 1; BGE 140 IV 67 E. 2.1.1; BGE 133 IV 308 E. 8.2; je mit Hinweisen). Der Begriff des "Aufrufens" (zu Hass oder Diskriminierung) im Sinne von Art. 261bis Abs. 1 StGB umfasst auch das "Aufreizen". Erfasst werden damit auch die allgemeine Hetze oder das Schüren von Emotionen, die auch ohne hinreichend expliziten Aufforderungscharakter Hass und Diskriminierung hervorrufen können (BGE 143 IV 193 E. 1; BGE 123 IV 202 E. 3b).
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist eine Ethnie im Sinne von Art. 261bis StGB ein Segment der Bevölkerung, das sich selbst als abgegrenzte Gruppe versteht und das vom Rest der
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Bevölkerung als Gruppe verstanden wird. Sie muss eine gemeinsame Geschichte sowie ein gemeinsames zusammenhängendes Systemvon Einstellungen und Verhaltensnormen (Tradition, Brauchtum, Sitte, Sprache etc.)haben, wobei die genannten Merkmale zur Abgrenzung verwendet werden müssen (BGE 143 IV 193 E. 2.3 S. 200 mit Hinweisen). Der Begriff der "Ethnie" im Sinne von Art. 261bis StGB erfasst auch eine unter einem Sammelbegriff zusammengefasste Mehrheit von Ethnien (BGE 143 IV 193 E. 2.3 S. 201 mit Hinweisen). Vor diesem Hintergrund hat das Bundesgericht festgehalten, dass der Begriff "Kosovaren" als Sammelkategorie die verschiedenen im Kosovo lebenden Ethnien bezeichnet und damit eine Ethnie im Sinne von Art. 261bis StGB erfasst (BGE 143 IV 193 E. 2.3 S. 201).
Der Tatbestand der Rassendiskriminierung setzt Vorsatz voraus, wobei Eventualvorsatz genügt (BGE 145 IV 23 E. 2.3; Urteil 6B_1126/2020 vom 10. Juni 2021 E. 2.1.3; je mit Hinweisen).

4.

4.1 Die Beschwerdeführer machen geltend, der Begriff "Zigeuner" bezeichne keine Ethnie im Sinne von Art. 261bis StGB. Der Begriff "Zigeuner" sei ein Sammelbegriff, der in seiner Allgemeinheit keinerlei ethnische Konnotation mehr habe. Roma, Sinti und Jenische seien zwar auch "Fahrende" bzw. "Zigeuner", dies lasse aber noch nicht den Umkehrschluss zu, dass "Fahrende" bzw. "Zigeuner" einzig verschiedene Ethnien umfasse. Der Begriff "Fahrende" oder das Synonym "Zigeuner" bezeichne eine nichtsesshafte Tätigkeit, was aber für sich genommen kein kulturelles oder ethnisches Merkmal darstellen könne. Gemäss Duden sei eine Ethnie eine Menschengruppe (insbesondere Stamm oder Volk) mit einheitlicher Kultur. Nicht sesshaft zu sein, sei aber für sich genommen noch keine Kultur. Je nach Standpunkt des Betrachters würden sich beispielsweise auch vorübergehend in der Stadt Bern reisende Gruppen wie die Stadtnomaden oder schlicht "Heimatlose" nicht sesshaft verhalten.

4.2 Die Vorinstanz erwägt, die Gemeinschaft der Fahrenden in der Schweiz werde auch "Zigeuner" genannt. Das Nomadentum sei eines der wesentlichen Elemente der kulturellen Identität der Fahrenden und sei unmittelbar mit der Ausübung ihrer verschiedenen Erwerbstätigkeiten verbunden. Mit Verweis auf das Konzept des Regierungsrates des Kantons Bern vom Juni 2011 hält sie fest, dass der Begriff "Fahrende" ein Sammelbegriff für die Gruppen der
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Jenischen (als Hauptgruppe), Sinti und Roma sei. Ausländische Fahrende seien meist Roma und Sinti aus Frankreich und Italien. Alle diese Gruppen würden sich durch eine ungebundene, weil eben fahrende Lebensweise, die mit dieser Mobilität verbundenen typischen Erwerbstätigkeit und einer eigenständigen Kultur auszeichnen. Der Begriff der Fahrenden und damit das Synonym der Zigeuner sei als Sammelbegriff verschiedener Ethnien der Roma, Sinti und Jenischen ebenfalls dem Schutz von Art. 261bis StGB zu unterstellen. Wenn "Zigeuner" als Sammelbegriff für verschiedene Ethnien zu verstehen sei, gelte dies auch für den Begriff "ausländische Zigeuner". Der Begriff "ausländische Zigeuner" werde als Sammelbegriff für nichtschweizerische Sinti und Roma, mithin anerkannte Ethnien, verstanden und falle deshalb unter den Schutzbereich von Art. 261bis StGB. Der unbefangene Durchschnittsleser stelle sich unter "ausländischen Zigeunern" "Zigeuner" vor, die im Unterschied zu den Schweizer "Zigeunern" keinen Schweizer Pass besitzen, aber ebenso ein Segment der Gesellschaft bilden und über ein spezielles System von Einstellungen und Verhaltensnormen im Bereich der Traditionen, Brauchtum, Sitte, Sprache etc. verfügen. Hinzu komme, dass sich die Beschwerdeführer keiner genauen Sprache bedient hätten, da der Beitrag mit "JSVP-Kandidaten wählen - Transitplätze für Zigeuner verhindern" betitelt gewesen sei und keine Beschränkung auf die "ausländischen Zigeuner" enthalten habe.

4.3 Das vorinstanzliche Urteil stellt den Begriff der "Fahrenden" demjenigen der "Zigeuner" gleich und setzt sich weitgehend mit dem Begriff "Fahrende" auseinander. Das Bundesgericht hat sich unter verschiedenen Gesichtspunkten mit der Gemeinschaft der Fahrenden befasst. Im Hinblick auf die Bemessung des Invalideneinkommens hat es festgehalten, dass "Fahrende" auch "Zigeuner" genannt werden und dass das Nomadentum ein bestimmendes Merkmal der kulturellen Identität der Fahrenden sei, wenn auch ein bedeutender Teil von ihnen sesshaft lebe (BGE 138 I 205 E. 4 mit Hinweisen). Im Zusammenhang mit der Überprüfung kantonaler Regelungen von Transitplätzen hat das Bundesgericht unter anderem festgehalten, dass die Minderheit der Fahrenden in der Schweiz durch mehrere Staatsverträge, wie auch durch die Verfassung, in verschiedener Hinsicht geschützt ist (BGE 147 I 103 E. 11.1; BGE 145 I 73 E. 4; BGE 138 I 205 E. 6.1). Das Bundesgericht hatte sich nicht dazu zu äussern, ob die Gemeinschaft der Fahrenden als kulturelle oder ethnische Minderheit zu qualifizieren ist. Aus dem von den
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Beschwerdeführern vorgebrachten Urteil 1P.147/2003 vom 19. März 2003 geht hervor, dass die Staatsanwaltschaft des Kantons Genf die Frage, ob Fahrende eine Ethnie im Sinne von Art. 261bis StGB sind, verneint hat. Da das Bundesgericht indessen nicht auf die Beschwerde eingetreten ist, lässt sich dem Urteil darüber hinaus nichts entnehmen.
Der Begriff "Fahrende" wurde als neutraler Begriff eingeführt, der sich vom abwertend wahrgenommenen Begriff "Zigeuner" unterschied und mit dem eine Ethnisierung vermieden werden sollte (www.bak.admin.ch/bak/de/home/sprachen-und-gesellschaft/jenische-und-sinti-als-nationale-minderheit/weiterfuehrende-informationen.html [zuletzt konsultiert am 10. März 2022]). In der Schweiz nimmt der Begriff Bezug auf die fahrende Lebensweise (www.bak.admin.ch/bak/de/home/sprachen-und-gesellschaft/jenische-und-sinti-als-nationale-minderheit/weiterfuehrende-informationen.html [zuletzt konsultiert am 10. März 2022]). Demnach sollte mit dem Begriff "Fahrende" die ethnische Komponente entfallen und lediglich die Art der Lebensweise in den Vordergrund gestellt werden. Unter Berücksichtigung dessen ist für die vorliegend massgebende Frage, ob mit dem Begriff "Zigeuner" eine Ethnie bezeichnet wird, nicht primär auf den Ausdruck "Fahrende", sondern direkt auf den von den Beschwerdeführern verwendeten Begriff "Zigeuner" abzustellen.

4.4 Der Ausdruck "Zigeuner" wird nicht einheitlich definiert. Er wird als Fremdbezeichnung für Angehörige des Volkes der Sinti und Roma (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 8. Aufl. 2015, S. 2075; vgl. Brockhaus, Enzyklopädie, in 30 Bänden, Band 30, 21. Aufl. 2006, S. 597 f.), aber auch als Fremdbezeichnung für Angehörige der Roma und Jenische (https://de.wikipedia.org/wiki/Zigeuner [zuletzt konsultiert am 10. März 2022]) definiert. Von den betroffenen Gruppen wird er als diskriminierend abgelehnt (Duden, a.a.O., S. 2075; Brockhaus, a.a.O., S. 597; https://de.wikipedia.org/wiki/Zigeuner#Heutige_Wortbedeutung [zuletzt konsultiert am 10. März 2022]). Die Bedeutung des Begriffs "Zigeuner" ist demnach von einer gewissen Unschärfe geprägt. Gemeinsam haben die dargelegten Beschreibungsweisen indes, dass sie nicht auf die Lebensweise abstellen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte [EGMR] hat festgehalten, dass es sich bei "Zigeunern" ("Tsiganes") um eine von
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Art. 8 EMRK erfasste Minderheit handelt, ohne diese spezifisch als ethnische Minderheit zu qualifizieren (vgl. Urteil des EGMR Chapman gegen Grossbritannien vom 18. Januar 2001, Recueil CourEDH 2001-I § 73). Roma und Sinti gelten gemeinhin als Ethnien (betreffend Roma BGE 143 IV 193 E. 2.3 S. 201 und Urteil des EGMR Aksu gegen Türkei vom 15. März 2012, Nr. 4149/04 und 41029/04; https://de.wikipedia.org/wiki/Roma [zuletzt konsultiert am 10. März 2022]; https://de.wikipedia.org/wiki/Sinti [zuletzt konsultiert am 10. März 2022]). Dass es sich bei Roma und Sinti um Ethnien handelt, wird auch von den Beschwerdeführern nicht bestritten. Jenische bilden eine eigenständige Gruppe mit eigener Sprache. Sie leben in ganz Europa, hauptsächlich in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Frankreich und sind eine anerkannte kulturelle Minderheit der Schweiz (www.bak.admin.ch/bak/de/home/sprachen-und-gesellschaft/jenische-und-sinti-als-nationale-minderheit/weiterfuehrende-informationen.html [zuletzt konsultiert am 10. März 2022]). Die Jenischen bilden die Hauptgruppe der Fahrenden schweizerischer Nationalität. Als ausländische Fahrende werden in der Schweiz meist Roma und Sinti aus Frankreich und Deutschland bezeichnet (Bericht des Bundesrats über die Situation der Fahrenden in der Schweiz, 2006, S. 6).

4.5 Es ist nicht davon auszugehen, dass der Durchschnittsadressat Kenntnis der dargestellten Komplexität des Begriffs "Zigeuner" hat oder in der Lage ist, eine klare Abgrenzung der verschiedenen vom Begriff "Zigeuner" erfassten Gruppen und Untergruppen vorzunehmen. Dies kann aber dahingestellt bleiben. Massgebend für die Frage, welchen Sinn der Durchschnittsadressat in dem von den Beschwerdeführern verwendeten Ausdruck "Zigeuner" erkannt hat, ist der Kontext, in dem ihn die Beschwerdeführer verwendet haben. Auf dem Bildelement ist unverkennbar eine dunkelhäutige Person zu sehen. Die gut sichtbare Überschrift enthält die Präzisierung, dass "ausländische Zigeuner" gemeint sind. Durch den mit dem Schweizerkreuz auf der Kappe der im Vordergrund stehenden Person geschaffenen Kontrast wird die ausländische Herkunft der "Zigeuner" zusätzlich betont. Dass der Durchschnittsadressat unter Berücksichtigung dieser Elemente bei dem Begriff "ausländische Zigeuner" ganz allgemein an nicht sesshafte Personen denkt, wie dies von den Beschwerdeführern geltend gemacht wird, ist auszuschliessen. Ebenfalls nicht anzunehmen ist, dass der Durchschnittsadressat unter Berücksichtigung der im Beitrag vorgenommenen
BGE 148 IV 113 S. 121
Abgrenzung zur Schweizer Bevölkerung an Jenische, der Hauptgruppe der Fahrenden mit Schweizer Staatsangehörigkeit, denkt. Aufgrund der dargelegten Elemente wird der Ausdruck "ausländische Zigeuner" im konkreten Kontext vom Durchschnittsadressaten als Sammelkategorie für Roma und Sinti und damit für ethnische Gruppen verstanden.
Die Beschwerdeführer haben demnach im dargelegten Kontext mit dem Ausdruck "ausländische Zigeuner" eine unter einem Sammelbegriff zusammengefasste Mehrheit von Ethnien, namentlich diejenigen der Roma und Sinti, bezeichnet. Der Begriff "ausländische Zigeuner" ist im dargelegten Kontext als Bezeichnung für eine "Ethnie" im Sinne von Art. 261bis StGB zu qualifizieren.

5. (...)

5.3 Die Beschwerdeführer rügen sodann eine Verletzung ihrer Meinungsäusserungsfreiheit (Art. 16 BV, Art. 10 EMRK, Art. 19 UNO-Pakt II). Sie machen geltend, die Vorinstanz habe die Meinungsäusserungsfreiheit nicht hinreichend gewichtet. Ihr Beitrag habe Missstände auf Transitplätzen und damit ein sachlich unbestrittenes Problem thematisiert. Der Beitrag sei sachbezogen gewesen, woran die für den Durchschnittsbetrachter erkennbare Zuspitzung nichts geändert habe.

5.3.1 Bei der Auslegung von Art. 261bis StGB ist der Freiheit der Meinungsäusserung (Art. 16 BV, Art. 10 EMRK, Art. 19 UNO-Pakt II) Rechnung zu tragen. Dass Missstände in einer im politischen Diskurs zulässigen zugespitzten Form dargestellt werden können und die Meinungsäusserungsfreiheit in einer politischen Debatte besonders stark zu gewichten ist, steht ausser Frage (vgl. Urteile des EGMR i.S. Féret gegen Belgien vom 16. Juli 2009, Nr. 15615/ 07, § 63; Feldek gegen Slovakei vom 12. Juli 2001, Nr. 29032/95, § 83). Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts und des EGMR Äusserungen zu politischen Fragen und Problemen des öffentlichen Lebens ein besonderer Stellenwert zukommt. In einer Demokratie ist es von zentraler Bedeutung, dass auch Standpunkte vertreten werden können, die einer Mehrheit missfallen und für viele schockierend wirken (BGE 143 IV 193 E. 1; BGE 131 IV 23 E. 3.1 mit Hinweisen; BGE 101 Ia 252 E. 3c S. 258; Urteil des EGMR Thorgeirson gegen Island vom 25. Juni 1992, Nr. 13778/88, Serie A Bd. 239 § 63). Dies ist unmittelbare Konsequenz des durch Pluralismus, Toleranz und
BGE 148 IV 113 S. 122
Offenheit geprägten Leitbilds einer demokratischen Gesellschaft. Eingriffe in die Rechte aus Art. 10 Abs. 1 EMRK sind gerechtfertigt, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind, einem legitimen Ziel dienen und sich in einer demokratischen Gesellschaft als notwendig erweisen, wobei die Schranken von Art. 10 Abs. 2 EMRK eng auszulegen sind. Kritik muss dabei in einer gewissen Breite und bisweilen auch in überspitzter Form zulässig sein. Denn in öffentlichen Debatten ist es oft nicht von Anfang an möglich, eindeutig zwischen unwahrer, halbwahrer und begründeter Kritik zu unterscheiden. Werden durch eine extensive Auslegung der Normen des Strafrechts zu hohe Anforderungen an kritische Äusserungen gestellt, besteht die Gefahr, dass auch begründete Kritik nicht mehr vorgebracht wird (BGE 131 IV 23 E. 3.1 mit Hinweis). Allerdings darf der Meinungsäusserungsfreiheit keine so weitreichende Bedeutung gegeben werden, dass das Anliegen der Bekämpfung der Rassendiskriminierung seiner Substanz beraubt würde (vgl. BGE 131 IV 23 E. 3.1 mit Hinweis auf Urteil des EGMR Jersild gegen Dänemark vom 23. September 1994, Nr. 15890/89, Serie A Bd. 298 § 27). Gleichwohl muss es in einer Demokratie aber möglich sein, auch am Verhalten einzelner Bevölkerungsgruppen Kritik zu üben. Eine Herabsetzung oder Diskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 StGB ist daher in der politischen Auseinandersetzung nicht leichthin zu bejahen. Jedenfalls erfüllt den Tatbestand nicht bereits, wer über eine von dieser Norm geschützte Gruppe etwas Unvorteilhaftes äussert, solange die Kritik insgesamt sachlich bleibt und sich auf objektive Gründe stützt (siehe BGE 143 IV 193 E. 3.3.3; BGE 131 IV 23 E. 3.1 mit Hinweisen; Urteil 6B_627/2015 vom 4. November 2015 E. 2.5). Äusserungen im Rahmen politischer Auseinandersetzungen sind nicht strikt nach ihrem Wortlaut zu messen, da bei solchen Auseinandersetzungen Vereinfachungen und Übertreibungen üblich sind (BGE 143 IV 193 E. 1; BGE 131 IV 23 E. 2.1; Urteile 6B_1126/ 2020 vom 10. Juni 2021 E. 2.1.1; 6B_644/2020 vom 14. Oktober 2020 E. 1.3; je mit Hinweisen), daher sind sie nicht zu engherzig auszulegen, sondern immer in ihrem Gesamtzusammenhang zu würdigen (BGE 131 IV 23 E. 3.1 mit Hinweis auf das Urteil Jersild, § 31; Urteil 6B_620/2018 vom 9. Oktober 2018 E. 3.1.1). So mag die Darstellung eines wahren Sachverhaltes erlaubt sein, selbst wenn sie geeignet ist, ein feindseliges Klima gegen Angehörige bestimmter Gruppen zu schaffen oder zu verstärken (vgl. BGE 143 IV 193 E. 3.3.3 mit Hinweis).
BGE 148 IV 113 S. 123
Nach der Rechtsprechung des EGMR ist der Meinungsäusserungsfreiheit politischer Parteien, die sich im Wahlkampf befinden und den Wähler überzeugen wollen, aus demokratischen Gründen weitreichender Schutz zuzugestehen, wobei der EGMR in diesem Zusammenhang auch betont, dass gerade in einem politischen Kontext ein fremdenfeindlicher Diskurs weitaus schädlichere Auswirkungen hat (Urteil Féret, § 76) und dass "la tolérance et le respect de l'égale dignité de tous les êtres humains constituent le fondement d'une société démocratique et pluraliste" (Urteil des EGMR Erkizia Almandoz gegen Spanien vom 22. Juni 2021, Nr. 5869/17, § 38). Angriffe auf Personen durch das Beleidigen, Lächerlichmachen oder Verleumden bestimmter Bevölkerungsgruppen können ausreichen, um die Bekämpfung rassistischer Äusserungen angesichts der unverantwortlichen Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäuserung gutzuheissen (Urteil des EGMR Vejdeland u.a. gegen Schweden vom 9. Februar 2012, Nr. 1813/07, § 55; Urteil des EGMR Féret , § 73). Bei der Abwägung gegenläufiger Grundrechtsinteressen gilt es bei Meinungsäusserungen den Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse, den Bekanntheitsgrad der betroffenen Person, den Gegenstand des Nachrichtenberichtes sowie früheres Verhalten der betroffenen Person sowie Inhalt, Form und Folgen der Veröffentlichung zu berücksichtigen (Urteil des EGMR GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus gegen Schweiz vom 9. Januar 2018, Nr. 18597/13, § 56). Bei der Beurteilung der Verhältnismässigkeit eines Eingriffs in die Meinungsäusserungsfreiheit ist auch die Natur und Schwere der auferlegten Strafe als wichtiger Umstand mit einzubeziehen (Urteil des EGMR GRA Stiftung Rassismus und Antisemitismus, § 77; Urteil Vejdeland, § 58).

5.3.2 Im Rahmen der damaligen politischen Auseinandersetzung und des Wahlkampfes durften die Beschwerdeführer selbstverständlich Kritik an bestehenden Missständen äussern. Dass Missstände auf Transitplätzen in einer im politischen Diskurs zulässigen zugespitzten Form dargestellt werden können und die Meinungsäusserungsfreiheit in der politischen Debatte besonders stark zu gewichten ist, steht ausser Frage. Wie dargelegt ist der Tatbestand der Rassendiskriminierung nicht bereits dann erfüllt, wenn jemand über eine von dieser Norm geschützte Gruppe etwas Unvorteilhaftes äussert, solange die Kritik insgesamt sachlich bleibt und sich auf objektive Gründe stützt. Mit der Kernbotschaft, wonach "ausländische Zigeuner" generell unhygienisch, ekelerregend und kriminell
BGE 148 IV 113 S. 124
seien, stellt der fragliche Beitrag aber nicht bestehende Missstände sachbezogen in den Vordergrund, sondern nimmt vielmehr eine pauschale Verunglimpfung und Herabsetzung der betroffenen Gruppe vor. Die Beschwerdeführer zeigten die von ihnen kritisierten Missstände nicht im Rahmen dessen, was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts und des EGMR in politischen Debatten zulässig ist, auf, sondern es erfolgte eine Herabsetzung im Sinne der infrage kommenden Strafbestimmung: "On doit admettre qu'un rabaissement porte atteinte à la dignité humaine au sens de l'art. 261bis al. 4 CP lorsque la personne visée est traitée comme un être humain de deuxième classe." (BGE 143 IV 308 E. 4.1; Urteil 6B_1126/2020 vom 10. Juni 2021 E. 2.1.1). Schliesslich ist unter Berücksichtigung der dargelegten Rechtsprechung des EGMR zu betonen, dass die Beschwerdeführer zu bedingten Geldstrafen verurteilt worden sind, wobei das Strafmass von Art. 261bis StGB eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vorsieht. Die dargelegte Auslegung von Art. 261bis Abs. 4 StGB trägt der Meinungsäusserungsfreiheit hinreichend Rechnung und die geltend gemachte Verletzung ist zu verneinen.

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Erwägungen 3 4 5

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