92 I 516
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Urteilskopf
92 I 516
84. Urteil vom 25. Mai 1966 i.S. Altstadt-Versicherungs-Aktiengesellschaft gegen Kanton Bern.
Regeste
Direkter Prozess; Haftung des Kantons für widerrechtlich schuldhaftes Handeln seiner Beamten bei der Ausübung öffentlich-rechtlicher Funktionen.
1. Voraussetzungen des direkten Prozesses gemäss Art. 42 OG (Erw. 1, 2).
2. Sorgfaltspflicht der Behörde bei der Ausstellung des Fahrzeugausweises (Erw. 4) und der Erteilung des Lernfahrausweises (Erw. 5).
3. Wann ist die Behörde zum sofortigen Entzug des Führerausweises verpflichtet? (Erw. 6).
4. Adaequanz des Kausalzusammenhanges zwischen widerrechtlich schuldhaftem Handeln der Beamten und Schadeneintritt als Voraussetzung der Haftung des Kantons für den Schaden. Adaequanz verneint, weil die Versicherung, die für den Schaden aufzukommen hatte, diese Folge bei rechtzeitigem Vorgehen gegen den säumigen Prämienschuldner hätte vermeiden können (Erw. 7, 8).
A.- Der 1937 geborene Bruno Kohler durchlief von 1959 bis 1961 eine Lehre in Biel. Bis zum 5. November 1960 wohnte er in Grenchen (Kanton Solothurn), seither in Biel. Am 21. März 1961 kaufte er von einer Garage in Biel einen Occasions-Personenwagen Marke Studebaker Commander, Jahrgang 1954. Dieser Wagen war zum letzten Mal am 27. Januar 1958 auf seine Betriebssicherheit kontrolliert und am 26. März 1958 einer Nachprüfung unterzogen worden. Damals wurden das Stoplicht und das Rückfahrlicht beanstandet. Am 15. März 1961 stellte das Strassenverkehrsamt des Kantons Bern den Fahrzeugausweis für den Wagen auf den Namen des neuen Halters Kohler aus.
Am 3. März 1961 hatte Kohler der Altstadt Versicherungs-Aktiengesellschaft (im Folgenden kurz mit Altstadt bezeichnet) den Antrag auf Abschluss einer Autohaftpflichtversicherung unterbreitet. Die Frage, ob ihm oder einem regelmässigen
BGE 92 I 516 S. 518
Lenker seines Automobils der Führerausweis je entzogen worden sei, beantwortete Kohler mit "nein". Er verschwieg, dass der Kanton Solothurn am 12. Oktober 1956 die unbefristete Ausweissperre über ihn verhängt hatte, weil er ohne Ausweise und mit gefälschtem Kontrollschild mit einem Motorrad gefahren war. Er war deswegen am 4. Dezember 1956 mit Fr. 100.-- gebüsst worden. In dem von der Altstadt bei der Auskunftei Dun eingeholten Bericht wurden die finanziellen Verhältnisse Kohlers als "bescheiden" bezeichnet; in persönlicher Beziehung wurde erklärt, Kohler geniesse einen guten Ruf und Leumund. Die Altstadt genehmigte den Versicherungsantrag mit Wirkung ab 15. März 1961.Am 4. März 1961 hatte Kohler bei der Polizei in Biel das Gesuch um Erteilung eines Lernfahrausweises gestellt. Auf dem der Kantonalen Strafenkontrolle übermittelten Gesuchsformular vermerkte diese am 8. März 1961, dass sich im Strafregister des Heimatkantons Bern keine Eintragung über Kohler befinde. In Wirklichkeit waren im Strafregister drei Vorstrafen eingetragen: eine gelöschte Vorstrafe vom 22. Dezember 1954 wegen Unzucht mit Kindern, die oben genannte vom 4. Dezember 1956 und eine bedingte Gefängnisstrafe von drei Wochen vom 3. September 1959 wegen Betruges, Veruntreuung und Urkundenfälschung. Ausserdem wurden Leumundserhebungen über Kohler in Biel durchgeführt, die nichts Nachteiliges über ihn ergaben. Darauf stellte der Kanton Bern am 15. März 1961 einen Lernfahrausweis für Kohler aus. Das berechtigte ihn nur, mit einer verantwortlichen Begleitperson sein Auto zu führen (Art. 14 Abs. 1 MFG; jetzt Art. 15 SVG).
Am 13. April 1961 meldete der Filialleiter von Kohlers Arbeitgeberin, Münzenmeier, der Kantonspolizei in Biel, jener führe seinen Personenwagen öfters allein, obschon er nur einen Lernfahrausweis besitze. Am 10. Juli 1961 berichtete Münzenmeier der Polizei neuerdings, Kohler erscheine stets ohne Begleitperson im Wagen zur Arbeit und führe auch nachts Fahrten ohne Begleitperson aus. Diese Meldungen hatten lediglich zur Folge, dass die Mitglieder des Polizeikorps ersucht wurden, Kohler zu überwachen. Am 18. Juli 1961 traf die Polizei ihn beim Fahren ohne Begleitperson. Das Richteramt Biel büsste ihn deswegen am 7. August 1961 mit Fr. 30.-. Am 4. August 1961 wurde Kohler neuerdings von der Polizei bei der gleichen Übertretung betroffen und wiederum dem Gericht zur Bestrafung überwiesen.
Nach der Haftpflichtversicherungs-Police hatte Kohler die Prämie vierteljährlich zu bezahlen. Die erste Vierteljahresrate von Fr. 144.70 war am Tage des Versicherungsbeginnes (15. März 1961) fällig und hätte innert zehn Tagen, also bis zum 25. März 1961 bezahlt werden sollen. Die Altstadt mahnte Kohler erst am 26. Juni 1961 zur Zahlung, als bereits die zweite Vierteljahresprämie fällig geworden war, und forderte ihn gemäss Art. 20 Abs. 1 VVG auf, innert 14 Tagen zu bezahlen. Nachdem Kohler auch innert dieser Nachfrist nicht bezahlt hatte, meldete die Altstadt gemäss Art. 68 Abs. 2 SVG dem Strassenverkehrsamt des Kantons Bern am 31. Juli 1961, dass die Haftpflichtversicherung erloschen sei. Darauf verfügte das Strassenverkehrsamt des Kantons Bern den Entzug der Nummernschilder des Wagens von Kohler und übergab diese Anordnung am 4. August 1961 der Polizei in Biel zum Vollzug.
Vor dem Vollzug dieser Anordnung verursachte Kohler, der wiederum ohne die vorgeschriebene Begleitperson fuhr, am 5. August 1961 einen schweren Verkehrsunfall zwischen Biel und Pieterlen, bei dem vier Personen getötet, sechs Personen schwer und sieben weitere leicht verletzt wurden. Die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern verurteilte Kohler am 18. September 1962 wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger schwerer Körperverletzung, Führens eines Motorfahrzeuges in nicht betriebsicherem Zustand und als Lernfahrer ohne verantwortliche Begleitperson, fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs und Nichtanhaltens auf Zeichenabgabe der uniformierten Polizei zu drei Jahren Gefängnis.
Auf Grund der Haftpflichtversicherung leistete die Altstadt an die Opfer des Unglücks bzw. an deren Hinterbliebene insgesamt Fr. 676'847.65.
B.- Die Altstadt belangt in einer beim Bundesgericht angehobenen direkten Klage den Kanton Bern auf Ersatz dieses Betrages. Sie stützt die Klage auf Art. 15 Abs. 2 der bernischen KV und Art. 38 des kantonalen Gesetzes über das Dienstverhältnis der Behördemitglieder und des Personals der bernischen Staatsverwaltung (DVG).
Art. 15 KV bestimmt:
"Jede Behörde, jeder Beamte und Angestellte ist für seine Amtsverrichtungen verantwortlich.
Zivilansprüche, welche aus der Verantwortlichkeit fliessen,
BGE 92 I 516 S. 520
können unmittelbar gegen den Staat vor den Gerichten geltend gemacht werden. Das Gericht darf jedoch die Klage gegen den Staat nicht annehmen, bis der Kläger nachgewiesen, dass er sich diesfalls wenigstens dreissig Tage zuvor erfolglos an die oberste Vollziehungsbehörde gewendet hat. Dem Staat bleibt der Rückgriff gegen den Fehlbaren vorbehalten.Dem Gesetze steht die weitere Ausführung dieser Grundsätze zu."
Art. 38 Abs. 1 und 4 DVG lauten:
"Der Beamte haftet dem Staat und Dritten für allen Schaden, den er ihnen bei Ausübung seines Amtes widerrechtlich, mit Absicht oder aus Fahrlässigkeit, zufügt.
...
...
Dritten gegenüber steht ausserdem der Staat unmittelbar für die Ansprüche ein, welche sich aus der Verantwortlichkeit seiner Beamten ergeben (Art. 15 der Staatsverfassung)."
Die Klägerin macht geltend, ohne das pflichtwidrige, schuldhafte Verhalten bernischer Beamter hätte sie den Versicherungsvertrag mit Kohler nicht abgeschlossen und hätte sich der Unfall vom 5. August 1961 nicht ereignet, so dasss sie die Versicherungsleistungen, deren Ersatz sie mit der Klage verlangt, nicht hätte erbringen müssen. Ein rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten kantonaler Beamter liege darin:
a) dass Kohler der Fahrzeugausweis für den gekauften Occasionswagen, dessen Bremsen und hintere Reifen zu beanstanden gewesen seien, ohne vorherige Prüfung des Betriebszustandes ausgestellt wurde;
b) dass die Kantonale Strafenkontrolle die Vorstrafen Kohlers nicht meldete und dass ihm der Lernfahrausweis erteilt wurde trotz seiner Vorstrafen sowie ungeachtet der vom Kanton Solothurn am 12. Oktober 1956 verhängten unbefristeten Ausweissperre;
c) dass am früheren Wohnort Grenchen keine Leumundserhebungen über Kohler durchgeführt wurden;
d) dass die Polizei trotz zweimaliger Anzeige des Fahrens ohne verantwortliche Begleitperson nichts unternommen habe und dass sie insbesondere Kohler nicht darüber verhört habe, nachdem sie ihn ein zweites Mal bei dieser Übertretung betroffen hatte.
Die Klägerin erhebt in erster Linie einen eigenen, direkten Schadenersatzanspruch gegen den Beklagten, wobei sie sich auf den Standpunkt stellt, nach Art. 15 Abs. 2 KV und Art. 38 Abs. 4 DVG hafte der Kanton ihr unmittelbar für das rechtswidrige, Art. 50, 51 und 149 OR , Art. 60 Abs. 2 und 3 SVG und Art. 7 des mit Kohler abgeschlossenen Versicherungsvertrages könne deshalb derjenige, der geleistet hat, auf den Mitverpflichteten Regress nehmen. Ausserdem lägen Abtretungserklärungen von Geschädigten vor. Als Haftpflichtversicherer sei die Klägerin in alle gesetzlichen Ausgleichs- und Regressrechte des Versicherten (Kohler) gegen Dritte eingetreten, so dass ihr in dem vom Gericht gemäss Art. 60 Abs. 3 SVG festzulegenden Umfang das Rückgriffsrecht gegen den Beklagten zustehe.
BGE 92 I 516 S. 521
schuldhafte Verhalten seiner Beamten. In zweiter Linie macht die Klägerin einen Regressanspruch geltend. Sie begründet diesen in der Klageschrift damit, dass Kohler, wenn er von den Geschädigten direkt belangt worden wäre, gestützt auf Art. 50 ff. OR auf den Beklagten als den ebenfalls aus Verschulden haftenden Mitverursacher hätte Rückgriff nehmen können und dass dieser Anspruch Kohlers in analoger Anwendung des Art. 72 VVG im Umfang der von ihr erbrachten Leistungen auf sie übergegangen sei. In der Replik begründet die Klägerin den Regressanspruch sodann damit, dass neben Kohler der Beklagte den Geschädigten aus Verschulden hafte und dass zwischen diesen Haftpflichtigen grundsätzlich echte Solidarität bestehe; gemäss
C.- Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Er bestreitet, dass bernische Staatsbeamte in dieser Angelegenheit ihre Amtspflicht verletzt und dadurch der Klägerin widerrechtlich und schuldhaft Schaden zugefügt haben. Er verneint auch, dass der Klägerin ein Regressanspruch gegen ihn zustehe und dass Art. 60 SVG anwendbar sei, da diese Bestimmung im Jahre 1961 noch gar nicht in Kraft gestanden habe. Allfällige Ansprüche der Geschädigten gegen ihn seien im Zeitpunkt ihrer Abtretung an die Klägerin (26. und 27. August sowie 9. September 1965) verjährt gewesen. Zwischen dem beanstandeten Verhalten bernischer Beamter und dem Schaden bestehe zudem kein adaequater Kausalzusammenhang; der Schaden sei vielmehr weitgehend auf das schuldhafte, nachlässige Verhalten der Klägerin beim Abschluss des Versicherungsvertrages und anlässlich der Nichtbezahlung der Versicherungsprämien durch Kohler zurückzuführen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Gemäss Art. 42 OG beurteilt das Bundesgericht als einzige Instanz "zivilrechtliche Streitigkeiten" zwischen einem
BGE 92 I 516 S. 522
Kanton einerseits und Privaten oder Korporationen andererseits, wenn eine Partei es rechtzeitig verlangt und der Streitwert wenigstens Fr. 8000.-- beträgt. Hierbei begründet es keinen Unterschied, ob die Streitigkeiten nach der kantonalen Gesetzgebung im ordentlichen Prozessverfahren oder in einem besondern Verfahren vor besonderen Behörden auszutragen wären. Ausgenommen sind jedoch Enteignungssachen.Im vorliegenden Fall ist die vermögensrechtliche Verantwortlichkeit des Kantons Bern für ein angeblich schuldhaftes, rechtswidriges Verhalten seiner Organe bei der Ausübung öffentlich-rechtlicher Funktionen (Verkehrspolizei) streitig. Der eingeklagte Anspruch untersteht daher dem in Art. 59 ZGB vorbehaltenen öffentlichen Recht (BGE 54 II 372 /73, BGE 79 II 432) Der in Art. 42 OG verwendete Begriff der "zivilrechtlichen" Streitigkeit hat indessen den Sinn behalten, den der historische Gesetzgeber ihm beilegte; er umfasst auch derartige Streitsachen öffentlich-rechtlichen Charakters (BIRCHMEIER, Handbuch des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege, S. 66; BGE 79 II 432, BGE 89 I 488 Erw. 1). Die Klägerin hat das Bundesgericht im Sinne von Art. 42 OG "rechtzeitig" angerufen, das heisst bevor für den gleichen Streitgegenstand die kantonale Gerichtsbarkeit in Anspruch genommen worden ist (BIRCHMEIER, a.a.O., S. 70 N. 4; BGE 81 I 271 Erw. 1). Der Streitwert übersteigt den Betrag von Fr. 8000.--. Das Bundesgericht kann mithin die Klage an Hand nehmen.
2. Nach Art. 15 Abs. 2 KV und Art. 40 Abs. 3 DVG darf das Gericht der Klage gegen den Kanton Bern erst Folge geben, wenn der Kläger nachweist, dass er sich wenigstens dreissig Tage zuvor erfolglos an den Regierungsrat gewendet hat. Ob dieses kantonalrechtliche Erfordernis auch Voraussetzung für die direkte Klage beim Bundesgericht ist, kann hier wie in BGE 32 II 184 offen bleiben, da die Klägerin es erfüllt hat.
3. Die Klägerin stellt sich in erster Linie auf den Standpunkt, der Staat sei nicht nur der Öffentlichkeit und den einzelnen Verkehrsteilnehmern, sondern in besonderem Masse den Haftpflichtversicherern gegenüber zur Überwachung des motorisierten Verkehrs verpflichtet; der Schaden, für den sie als Haftpflichtversicherer aufgekommen sei, sei darauf zurückzuführen, dass der Beklagte diese Verpflichtungen nicht richtig erfüllt habe; er sei daher unmittelbar ihr gegenüber ersatzpflichtig geworden. Hilfsweise macht die Klägerin daneben
BGE 92 I 516 S. 523
gegen den Bekl agten Regressansprüche des Versicherten Kohler einerseits und der von ihr befriedigten Geschädigten andererseits geltend. Der Schadenersatzanspruch wie die Regressansprüche setzen voraus, dass der Beklagte durch ein widerrechtliches Verhalten bzw. durch ein ihm zuzurechnendes widerrechtliches Verhalten seiner Beamten eine adaequate Ursache für den Eintritt des Schade ns gesetzt hat. Der Beklagte bestreitet, dass diese Voraussetzung gegeben sei. Er wendet ein, abgesehen davon, dass die Strafenkontrolle dem Kantonalen Strassenverkehrsamt zwei Vorstrafen Kohlers nicht bekanntgegeben habe, hätten seine Beamten nicht fehlerhaft gehandelt; das Verhalten der Beamten sei überdies für den Eintritt des eingeklagten Schadens nicht adaequat kausal, weil die Klägerin selber sich durch ihre Nachlässigkeit beim Abschluss des Versicherungsvertrages mit Kohler und in der Behandlung des säumigen Prämienschuldners für den Schaden verantwortlich gemacht habe. Aus prozessökonomischen Gründen ist die Frage, ob den Beamten des Beklagten Fehler unterlaufen und ob diese für den eingetretenen Schaden adaequat kausal gewesen seien, vorweg zu prüfen.
4. Der in der Strafuntersuchung beigezogene Gutachter hat festgestellt, dass sich die Bremsen und die Reifen der Hinterräder von Kohlers Wagen zur Zeit des Unfalls (am 5. August 1961) in nicht betriebssicherem Zustand befanden. Die Klägerin erblickt eine widerrechtliche Unterlassung des Beklagten darin, dass das Kantonale Strassenverkehrsamt am 15. März 1961 für den Wagen einen Fahrzeugausweis auf den Namen Kohlers ausstellte, ohne das Gefährt vorher auf seine Betriebssicherheit zu prüfen. Eine Widerrechtlichkeit läge darin bloss dann, wenn die Behörde zu einer solchen Prüfung verpflichtet gewesen wäre. Das traf nicht zu. Für die Prüfung der Motorfahrzeuge galten damals noch das MFG und die MFV. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MFG setzte die Erteilung des Fahrzeugausweises voraus, dass "die amtliche sachverständige Prüfung die Eignung des Motorfahrzeuges für den beabsichtigten Gebrauch ergeben hat". Diese Vorschrift galt aber, wie aus dem Zusammenhang hervorgeht, nur für die Zulassung des Fahrzeugs zum Verkehr (Art. 5 Abs. 1 MFG), nicht dagegen für die Übertragung des Ausweises auf einen andern Halter, die in Art. 8 MFG geregelt war, der seinerseits keine Prüfung vorsah. Wohl wurde am 15. März 1961 nicht einfach der bisherige
BGE 92 I 516 S. 524
Fahrzeugausweis auf Kohler überschrieben, sondern ein neuer Ausweis auf seinen Namen ausgestellt. Das ändert aber nichts daran, dass das Fahrzeug nicht erst damit zum Verkehr zugelassen wurde, sondern dass die neue Urkunde lediglich zu dem Zweck ausgefertigt wurde, um die bestehende Bewilligung auf den neuen Halter zu übertragen. Der Sache nach handelte es sich somit um eine Übertragung im Sinne des Art. 8 MFG, für die keine neue Prüfung vorgeschrieben ist. Art. 8 MFV räumte der Behörde die Befugnis ein - machte es ihr aber nicht zur Pflicht -, "die Motorfahrzeuge... jederzeit auf ihre Eignung zum Verkehr nachzuprüfen"; nach "Verkehrsunfällen" war hingegen "stets" eine Nachprüfung vorzunehmen. Die Klägerin behauptet nicht, dass der Wagen Kohlers (vor dem Unfall vom 5. August 1961) an einem Verkehrsunfall beteiligt gewesen sei, der die Pflicht zur Nachprüfung nach sich gezogen hätte. Zwar bestand damals im Kanton Bern die Übung, jeden Wagen alle drei bis fünf Jahre nachzuprüfen. Ob diese Verwaltungsübung eine Pflicht der Behörde begründet habe, deren Verletzung als Widerrechtlichkeit zu würdigen wäre, kann dahingestellt bleiben. Entscheidend ist, dass der von Kohler erworbene Wagen in den Monaten Januar/März 1958 letztmals geprüft worden war. Bei der Übertragung des Fahrzeugausweises am 15. März 1961 lag diese Kontrolle ungefähr drei Jahre, beim Unfall vom 5. August 1961 einige Monate mehr zurück. Die Frist, innerhalb derer jeder Wagen gemäss Verwaltungsübung einer Nachprüfung unterzogen wurde, war damit noch nicht überschritten.Die Klägerin hält dem entgegen, der Sinn des Gesetzes sei der, dass die Betriebssicherheit eines Motorfahrzeuges immer dann nachzuprüfen sei, wenn die Behörde Zweifel haben müsse, ob es weiterhin zum Verkehr zuzulassen sei, wie das Art. 13 Abs. 3 SVG jetzt ausdrücklich vorschreibt. Das dürfte an sich zutreffen. Im vorliegenden Falle steht jedoch nicht fest, dass sich der Behörde solche Zweifel hätten aufdrängen müssen. Da Art. 8 MFG für die Übertragung des Fahrzeugausweises keine neue Prüfung des Fahrzeugs vorsah, war die Behörde nicht gehalten, sich bei der Anmeldung des Halterwechsels den Wagen vorführen zu lassen oder sich über dessen betrieblichen Zustand und die Anzahl der zurückgelegten Kilometer zu erkundigen. Auf welchem anderen Wege der Behörde zur Kenntnis gekommen wäre, dass Kohlers Wagen bereits etwa
BGE 92 I 516 S. 525
100'000 km zurückgelegt hatte und sein Zustand zu Beanstandungen Anlass gab, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Der vorausgegangene zweimalige Halterwechsel ist für sich allein genommen noch kein Anzeichen für eine mangelnde Betriebssicherheit. Der Beklagte macht zutreffend geltend, dass er nicht für die Perfektion seines Verwaltungsapparates einzustehen hat, sondern nur dafür, dass die gesetzlichen Obliegenheiten erfüllt werden. Eine Verletzung dieser Pflichten ist hinsichtlich der Prüfung der Betriebssicherheit von Kohlers Fahrzeug nicht nachgewiesen.
5. Die Klägerin erblickt eine weitere Pflichtwidrigkeit darin, dass Kohler der Lernfahrausweis erteilt wurde. Bei der Vornahme dieser Amtshandlung standen hierfür noch die einschlägigen Bestimmungen des MFG und der MFV in Kraft. Laut Art. 31 Abs. 2 Satz 2 MFV konnte der Lernfahrausweis "aus den gleichen Gründen verweigert werden wie der Führerausweis". Dieser durfte nach Art. 9 Abs. 2 MFG nicht erteilt werden an Personen, die "aus (andern) durch die Bewilligungsbehörde zu überprüfenden Gründen nicht geeignet erscheinen". Bei dieser Prüfung konnte die Behörde nach Art. 33 Abs. 3 MFV "im Einzelfall die Beibringung eines Leumundszeugnisses und eines Strafregisterauszugs veranlassen".
a) Die Klägerin wirft den Polizeiorganen des Beklagten in erster Linie vor, die 1956 im Kanton Solothurn verhängte Ausweissperre missachtet zu haben. Der Entzug des Führerausweises ist für die ganze Schweiz wirksam (Art. 13 Abs. 5 MFG). Gleiches gilt für die Ausweissperre, welche die künftige Erteilung eines Ausweises ausschliesst. Die Polizeiorgane des Kantons Bern, die Kohler entgegen der vom Kanton Solothurn verhängten Ausweissperre einen Lernfahrausweis ausstellten, handelten objektiv widerrechtlich. Es fragt sich nur, ob ihnen in subjektiver Hinsicht Fahrlässigkeit zur Last zu legen sei. Nach Art. 80 MFV hatten die Kantone der Polizeiabteilung des Eidg. Justiz- und Polizeidepartementes die Verfügungen über den Führerausweisentzug "fortlaufend" zu melden; war der Entzug für mehr als drei Monate ausgesprochen worden, so hatte die Polizeiabteilung die Massnahme allen Kantonen bekanntzugeben. Diese Vorschrift war auch auf die Ausweissperre anwendbar. Das Sperrkartenregister der Eidg. Polizeiabteilung enthält die Sperrkarte Kohlers, was zeigt, dass der Kanton Solothurn dieser Amtsstelle die über Kohler verhängte
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Sperre gemeldet hatte und dass die betreffende Karte an die Kantone versandt wurde. Der Beklagte bestreitet indessen, dass seine Organe diese Karte erhielten. Da die Sperrkarten den Kantonen uneingeschrieben und in Sammelsendungen zugestellt werden, ist es möglich, dass eine Sendung den Adressaten entweder gar nicht oder nur unvollständig erreicht, sei es, dass beim Versand nicht genügend Ausfertigungen einer Karte vorliegen und das bei der Verteilung nicht bemerkt wird, sei es, dass versehentlich zwei gleiche Sperrkarten in denselben Umschlag geraten und die entsprechende Karte deswegen in einem andern Umschlag fehlt. Mit den von der Klägerin genannten Beweismitteln lässt sich wohl aufzeigen, dass die Eidg. Polizeiabteilung die Kohler betreffende Sperrkarte an die Kantone versandte und dass keiner der andern Adressaten mehr als zwei Ausfertigungen erhielt; es lässt sich damit indessen nicht mit Sicherheit nachweisen, dass die Karte der bernischen Behörde tatsächlich zuging. Diese Beweise sind daher, weil unerheblich, nicht abzunehmen. Richtig ist, dass der Polizeidirektor des Kantons Bern in einem Brief vom 3. Mai 1962 an das Richteramt Büren neben andern Möglichkeiten auch jene nicht ausschloss, dass die Sperrkarte für Kohler beim bernischen Strassenverkehrsamt verloren gegangen oder irrtümlicherweise entfernt oder vernichtet worden sein könnte. Da er sich dabei auf nichts Bestimmtes festlegte, widersprechen seine Ausführungen der Prozessbehauptung des Beklagten nicht, wonach er die Sperrkarte nicht erhalten habe. Der Brief bildet jedenfalls keinen Grund zur Umkehrung der Beweislast.b) Gestützt auf Art. 33 Abs. 3 MFV holte das Strassenverkehrsamt des Kantons Bern bei Behandlung von Kohlers Gesuch um Erteilung eines Lernfahrausweises einen Strafregisterauszug und einen Leumundsbericht ein. Die Klägerin legt den Organen des Beklagten zur Last, in fahrlässiger Weise einen unrichtigen Strafregisterauszug ausgestellt und die Leumundserhebungen auf einige wenige Monate beschränkt zu haben.
Der Auszug, den die Strafenkontrolle des Kantons Bern am 8. März 1961 ausstellte, meldet, dass das Strafregister des Heimatkantons Bern über Kohler keine Vorstrafen verzeichne. Diese Auskunft ist falsch: In Wirklichkeit waren damals drei Vorstrafen Kohlers eingetragen: 1954 war er wegen Unzucht mit Kindern zu vierzehn Tagen Einschliessung, bedingt mit
BGE 92 I 516 S. 527
einer Probezeit von einem Jahr, verurteilt worden; 1956 war er wegen Übertretung des MFG mit Fr. 100.-- gebüsst worden; 1959 war er wegen Betruges, Veruntreuung und Urkundenfälschung zu drei Wochen Gefängnis, bedingt mit einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt worden. Die Eintragung der ersten Strafe war allerdings bereits am 25. April 1956 gelöscht worden. Gemäss Art. 363 Abs. 3 StGB durfte diese Vorstrafe daher dem Strassenverkehrsamt nicht gemeldet werden. Die Kantonale Strafenkontrolle handelte insoweit nicht pflichtwidrig. Anders verhält es sich hinsichtlich der zwei weiteren Vorstrafen aus den Jahren 1956 und 1959, die dem Strassenverkehrsamt hätten mitgeteilt werden müssen. Die Kantonale Strafenkontrolle hat in dieser Beziehung fahrlässig ihre Pflichten verletzt.Zu untersuchen bleibt, ob die Meldung dieser Vorstrafen notwendigerweise zur Verweigerung des Lernfahrausweises geführt hätte. Der Beklagte bestreitet das. Die betreffenden Vorstrafen erfüllten keinen der zwingenden Ausschlussgründe des Art. 9 MFG (Urteilsunfähigkeit; körperliche oder geistige Gebrechen, welche die sichere Führung des Fahrzeuges behindern; Trunksucht). Es wäre lediglich zu prüfen gewesen, ob darin nicht im Sinne des zweiten Absatzes dieser Bestimmung ein "anderer Grund" liege, der den Gesuchsteller als zur Führung eines Motorfahrzeuges "nicht geeignet erscheinen" lasse. Die Bewilligungsbehörde hätte hierüber nach freiem Ermessen zu befinden gehabt. Bei der Handhabung dieses Ermessens wäre massgeblich in Betracht gefallen, dass nicht der in der strafbaren Handlung zum Ausdruck kommende sittliche Mangel als solcher, sondern nur die daraus zu ziehenden Rückschlüsse auf die Führereignung und die damit verbundenen Gefahren für die Verkehrssicherheit die Verweigerung des Ausweises zu rechtfertigen vermögen (STREBEL, N. 33 zu Art. 9 MFG; PFISTER, Die administrativen Bestimmungen und die Verkehrsregeln des Strassenverkehrsgesetzes, ZBl 1961 S. 286; VEBB 31 Nr. 101 Erw. 1; SJZ 61 S. 91 Nr. 45a; vgl. jetzt Art. 14 Abs. 2 lit. d SVG). Die im Jahre 1956 ausgefällte Busse von Fr. 100.-- betraf zwar eine Übertretung von Verkehrsvorschriften und liess darum an sich Rückschlüsse darauf zu, ob Kohler sich als Motorfahrzeugführer eigne. Die Zuwiderhandlung lag jedoch mehr als vier Jahre zurück und war von Kohler im Alter von 19 Jahren begangen worden. Wäre es bei
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dieser Vorstrafe geblieben, so hätte sich darum die Auffassung vertreten lassen, Kohler sei inzwischen reifer und verantwortungsbewusster geworden, so dass ihm der Lernfahrausweis erteilt werden dürfe. Bevor die Bewilligungsbehörde diesen Schluss zog, hätte sie sich allerdings mit der weiteren, im Jahre 1959 ausgesprochenen Strafe auseinanderzusetzen gehabt. Diese betraf Vermögensdelikte nicht sonderlich schwerer Art, die für sich allein genommen kaum Rückschlüsse auf die Eignung Kohlers als Motorfahrzeugführer zuliessen. Immerhin hätte die Tatsache der zweimaligen Verurteilung Kohlers innerhalb verhältnismässig kurzer Zeit Zweifel an seinen Charaktereigenschaften aufkommen lassen müssen. Die beiden Vorstrafen hätten deshalb zwar noch nicht ohne weiteres zur Verweigerung des Lernfahrausweises führen müssen; die Behörde hätte sich jedoch bei Kenntnis derselben veranlasst sehen müssen, vor der Erteilung der Bewilligung Vorleben und Charakter des Gesuchstellers durch Leumundserhebungen näher abzuklären.c) Auch ohne die Vorstrafen zu kennen, holte das Kantonale Strassenverkehrsamt in Biel, dem damaligen Wohnort Kohlers, einen Leumundsbericht über ihn ein. Dieser wurde am 4. März 1961 erstattet und lautet: "Der Gesuchsteller hat bisher zu keinen Klagen Anlass gegeben. Sein Leumund kann nicht beanstandet werden." Da Kohler erst seit dem 5. November 1960, also seit vier Monaten, in Biel wohnte, vermochte dieser Bericht offensichtlich nicht viel zu besagen. Die Klägerin wirft deshalb dem Beklagten vor, das Kantonale Strassenverkehrsamt hätte sich nicht mit Leumundserhebungen in Biel begnügen dürfen, sondern solche "mindestens über die letzten sechs Jahre, das heisst vom 18. Altersjahr an" in Grenchen als dem früheren Wohnort Kohlers vornehmen müssen. Wäre das geschehen, so wären schon damals die nach dem Unglück vom 5. August 1961 erhaltenen Auskünfte erteilt worden, was zur Folge gehabt hätte, dass die Bewilligungsbehörde entweder den Lernfahrausweis verweigert oder weitere Nachforschungen angestellt hätte, die ihrerseits zur Verwelgerung geführt hätten.
Bei der Beurteilung dieses Einwandes ist davon auszugehen, dass die Behörde nach Art. 33 Abs. 3 MFV im Einzelfall die Beibringung von Leumundszeugnissen verlangen "kann". Das Gesetz stellte die Vornahme dieser Beweismassnahme somit in das Ermessen der Behörde. Missbraucht die Behörde ihr
BGE 92 I 516 S. 529
Ermessen, so stellt das eine Widerrechtlichkeit im Sinne des Art. 38 DVG dar, für welche der Kanton bei absichtlicher oder fahrlässiger Begehung einzustehen hat. Ein Ermessensmissbrauch ist auf diesem Gebiete allerdings nicht leichthin anzunehmen. Es ist zu berücksichtigen, dass die kantonalen Bewilligungsbehörden ausserordentlich zahlreiche Gesuche um Erteilung von Lernfahrausweisen zu behandeln haben. Hätten sie, wie die Klägerin voraussetzt, in jedem Falle ihre Leumundserhebungen über sechs Jahre auszudehnen, so würde der Verwaltungsapparat überfordert und die Ausstellung der Lernfahrausweise übermässig verzögert. Es kann deshalb nicht die Rede davon sein, dass die Bewilligungsbehörden allgemein derartig umfangreiche Leumundserhebungen zu veranlassen hätten. Ausnahmsweise kann sich das indessen dennoch als erforderlich erweisen. Hätte das Kantonale Strassenverkehrsamt die beiden Vorstrafen Kohlers gekannt, so hätte es nach dem in lit. b Gesagten sich ernstlich fragen müssen, ob er die Charaktereigenschaften besitze, die von einem Motorfahrzeugführer verlangt werden müssen. Der in Biel eingeholte, sich lediglich über vier Monate erstreckende Leumundsbericht wäre infolge seiner geringen Aussagekraft nicht geeignet gewesen, diese Bedenken zu zerstreuen. Das Strassenverkehrsamt hätte sich bei dieser Sachlage der Einsicht nicht verschliessen können, dass es angezeigt sei, die Leumundserhebungen wenn auch nicht auf sechs Jahre, so doch zumindest um einiges über die letzten vier Monate hinaus auszudehnen und in Grenchen, dem früheren Wohnort Kohlers, Erkundigungen einzuziehen. Dabei hätte das Strassenverkehrsamt aller Voraussicht nach die Auskunft erhalten, die in dem nach dem Unfall in Grenchen eingeholten Leumundsbericht vom 7. September 1961 enthalten sind. Der Bericht erwähnt die im Jahre 1956 verhängte Ausweissperre nicht, er weist aber auf eine neue Strafsache hin: Am 21. Dezember 1960 war Kohler vom Amtsgericht Solothurn-Lebern wegen Unzucht mit Kindern zu acht Monaten Gefängnis verurteilt worden. Dieses Urteil war anfangs März 1961 allerdings noch nicht rechtskräftig, da Kohler das Obergericht angerufen und seine Appellation erst am 18. September 1961 zurückgezogen hat. Die Tatsache der erstinstanzlichen Verurteilung allein genügte jedoch, um die gegen Kohler bestehenden Bedenken zu verstärken. Es hätte unter diesen Umständen nahe gelegen, mit der Erteilung des Lernfahrausweises BGE 92 I 516 S. 530
bis zum Abschluss des neuen Strafverfahrens zuzuwarten.d) Zusammengefasst ergibt sich, dass zwar nicht das Kantonale Strassenverkehrsamt, wohl aber die Kantonale Strafenkontrolle im Zusammenhang mit der Erteilung des Lernfahrausweises an Kohler fahrlässig widerrechtlich handelte. Der Beklagte hat nach Art. 15 KV und Art. 38 DVG für diese Fehlleistung einzustehen. Ob sie für den Eintritt des Schadens adaequat kausal gewesen sei, ist eine andere Frage, die in Erw. 7 und 8 zu behandeln sein wird.
6. Die Klägerin wirft dem Beklagten ferner vor, seine Polizeiorgane seien nicht oder nicht zureichend dagegen eingeschritten, dass Kohler seinen Wagen ohne verantwortliche Begleitperson führte.
a) Nach Art. 14 MFG ist der Lernfahrausweis lediglich für "Fahrten zu Lernzwecken" gültig. Der Inhaber eines solchen Ausweises darf diese Fahrten nur in Begleitung einer Person ausführen, die den Führerausweis besitzt und damit die Verantwortlichkeit als Führer trägt. Gemäss Art. 13 MFG kann der Führerausweis zeitweilig oder dauernd entzogen werden, wenn der Führer in verkehrsgefährdender Weise Verkehrsvorschriften schwer verletzt oder wiederholt übertreten hat. Diese Vorschrift betrifft alle Arten von Ausweisen, insbesondere auch den Lernfahrausweis (STREBEL, N. 2 zu Art. 13 MFG).
Nach seinen eigenen, unbestrittenen Angaben fuhr Kohler ungefähr 10'000 km mit dem Wagen. Sehr oft hatte er dabei keine Begleitperson bei sich. Der Beklagte behauptet zu Unrecht, seinen Polizeiorganen sei das nicht bekannt gewesen: Der Filialleiter von Kohlers Arbeitgeberin, Münzenmeier, meldete der Polizei am 13. April 1961, jener führe seinen Wagen "öfters" ohne Begleitperson; er berichtete der Polizei sodann am 10. Juli 1961, Kohler komme "stets" mit dem Wagen ohne Begleitperson zur Arbeit und führe auch zur Nachtzeit Fahrten ohne verantwortlichen Begleiter aus. Die Polizei sah sich durch diese Meldungen einzig zur Anordnung einer Überwachung Kohlers veranlasst. Dieses Verhalten ist unverständlich und pflichtwidrig. Zweimal war der Polizei von Seiten eines Dritten, dessen Angaben Anspruch auf eine gewisse Glaubwürdigkeit erheben konnten, nicht bloss eine gelegentliche, sondern eine fortgesetzte Übertretung des Art. 14 MFG gemeldet worden, die nach Art. 58 MFG eine Busse bis zu Fr. 200.-- und, falls
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der Tatbestand als schwerer Fall zu bewerten war, eine Gefängnisstrafe bis zu zehn Tagen oder eine Busse bis zu Fr. 500.-- nach sich ziehen konnte. Die Polizei war daher gehalten, die von Kohlers Vorgesetztem erhaltenen Meldungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, insbesondere Kohler deswegen zur Rede zu stellen und ihn gegebenenfalls dem Untersuchungsrichter zu verzeigen (Art. 70 und 71 der bernischen StV). Der Einwand, Münzenmeier habe keine förmliche Anzeige im Sinne von Art. 70 StV einreichen, sondern die Polizei nur veranlassen wollen, Kohler zu überwachen, hält einer Prüfung nicht stand. Was Münzenmeier mit seinen Meldungen bezweckte, ist strafprozessual unerheblich; massgebend ist, dass seine Mitteilungen genügend Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Straftatbestandes boten. Die Polizeibehörden hatten demzufolge von Amtes wegen im genannten Sinne einzuschreiten; sie durften sich nicht mit einer blossen Überwachung Kohlers begnügen.b) Die Polizei scheint übrigens die Überwachung erst auf die zweite Meldung hin angeordnet oder anfänglich nachlässig durchgeführt zu haben, hätte es doch andernfalls kaum drei Monate gedauert, bis Kohler bei der angezeigten Übertretung betroffen wurde. Am 18. Juli 1961 betraf die Polizei ihn beim Fahren ohne verantwortliche Begleitperson und verzeigte ihn beim Untersuchungsrichter des Amtsbezirkes Biel. Das Richteramt II von Biel büsste Kohler deswegen am 7. August 1961, also nach dem Unfall, mit Fr. 30.-. Am 4. August 1961, dem Vortage des Unglücks, betraf die Polizei Kohler erneut beim Fahren ohne verantwortliche Begleitperson und verzeigte ihn deswegen beim Untersuchungsrichter. Wie schon beim ersten Mal, wurde Kohler der Lernfahrausweis nicht abgenommen. Der Beklagte versucht dies mit dem Hinweis auf Art. 13 Abs. 2 Satz 2 MFG zu rechtfertigen, wonach der Führerausweis entzogen werden kann, wenn dessen Inhaber "in verkehrsgefährdender Weise Verkehrsvorschriften schwer verletzt oder wiederholt übertreten hat"; diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt gewesen, da Kohler nach den Feststellungen der Polizei keine Verkehrsregeln verletzt und den Verkehr nicht gefährdet habe. Dieser Betrachtungsweise kann nicht gefolgt werden.
aa) Der Begriff der "Verkehrsvorschriften" (prescriptions sur la circulation, disposizioni sulla circolazione), den Art. 13
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Abs. 2 Satz 2 MFG verwendet, deckt sich nicht mit dem der "Verkehrsregeln" (règles de circulation, norme per la circolazione) des zweiten Abschnittes (Art. 17-36) des Gesetzes. Unter den "Verkehrsvorschriften" sind vielmehr alle Bestimmungen des MFG, der MFV und anderer Ausführungserlasse zu verstehen, die darauf abzielen, die Sicherheit des Motorfahrzeugverkehrs zu gewährleisten (STREBEL, N. 29 zu Art. 13 MFG). Dazu gehört auch das in Art. 14 MFG ausgesprochene Verbot, Lernfahrten ohne verantwortliche Begleitperson vorzunehmen.bb) Eine "Verkehrsgefährdung" im Sinne von Art. 13 Abs. 2 Satz 2 MFG liegt nicht nur vor, wenn der Führer eine konkrete Unfallgefahr geschaffen, das heisst tatsächlich und unmittelbar eine Person oder Sache gefährdet hat; es genügt, dass nach den Umständen eine derartige Gefährdung möglich war (abstrakte Gefahr; STREBEL, N. 32 zu Art. 13 MFG; vgl. auch FRICK, Die Praxis in Administrativverfahren bei Führerausweisentzügen, SJZ 61 S. 53). Ein Motorfahrzeugführer, der noch keine Fahrprüfung bestanden hat und entgegen der gesetzlichen Vorschrift ständig ohne verantwortliche Begleitperson umherfährt, setzt die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs erheblich in Gefahr.
cc) Die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 2 Satz 2 MFG waren mithin vollzählig gegeben. Richtig ist, dass diese Bestimmung als "Kann"-Vorschrift dem Ermessen der Behörden einen gewissen Spielraum belässt. Ergibt sich indessen, dass die Schwere oder die Wiederholung der Übertretung den Schluss rechtfertigen, dass die Verkehrssicherheit gefährdet wäre, wenn dem fehlbaren Fahrzeugführer die Erlaubnis zum Fahren weiterhin belassen würde, so muss nach pflichtgemässem Ermessen der Entzug des Führerausweises angeordnet werden (STREBEL, N. 21 zu Art. 13 MFG). Das traf hier zu: Als die Polizei Kohler am 4. August 1961 zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit beim Fahren ohne Begleitperson betraf, stand fest, dass er sich durch eine polizeiliche Intervention und die Verzeigung beim Untersuchungsrichter nicht von der Missachtung des Gesetzes und einer Gefährdung des Verkehrs abhalten lasse; es war deshalb auch weiterhin mit einem solchen Verhalten zu rechnen (STREBEL, N. 28 zu Art. 13 MFG). Ein Entzug des Führerausweises war damit nicht mehr zu umgehen. Daran vermag nichts zu ändern, dass die Empfehlungen der
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Internationalen Kommission für den Strassenverkehr vom 9. Juli 1955 die wiederholte Übertretung der Vorschrift, dass Lernende von einer verantwortlichen Person begleitet sein müssen, nicht unter den Tatbeständen aufführt, die den sofortigen Entzug des Führerausweises zur Folge haben. Diese Richtlinien zählen die Fälle der sofortigen Beschlagnahme des Ausweises nicht erschöpfend, sondern nur beispielsweise ("namentlich") auf; sie entbinden die Behörde nicht von der Pflicht, den Entzug auch in andern Fällen auszusprechen, wenn das im Sinne des Gesetzes liegt. Die Polizeidirektion des Kantons Bern hat das später selber zum Ausdruck gebracht, indem sie in Ziff. 4 der Verfügung vom 22. Januar 1962 angeordnet hat, dass "Inhabern von Lernfahrausweisen, die ohne Begleitperson gefahren sind,... der Ausweis ausnahmslos für ein Jahr zu entziehen" ist. Diese Auslegung und Anwendung des Gesetzes drängte sich angesichts der Umstände schon im Falle Kohler auf.
7. Die Organe der Beklagten haben nach dem in Erw. 5 und 6 Gesagten ihren Amtspflichten insofern fahrlässig nicht genügt, als die Kantonale Strafenkontrolle in ihrem Bericht an das Kantonale Strassenverkehrsamt zwei Vorstrafen Kohlers nicht erwähnte und die Polizei davon absah, ihm den Lernfahrausweis abzunehmen, als sie ihn am 4. August 1961 zum zweiten Mal beim Fahren ohne verantwortliche Begleitperson betraf. Zu prüfen ist, ob die Verwaltung mit diesen Fehlleistungen eine rechtserhebliche Ursache für den Eintritt des Schadens setzte, was die Klägerin behauptet, der Beklagte aber bestreitet.
Hätte das Kantonale Strassenverkehrsamt von den beiden im kantonalen Strafregister eingetragenen Vorstrafen Kohlers Kenntnis erhalten, so hätte es, wie in Erw. 5 dargelegt, sich zu eingehenderen Leumundserhebungen veranlasst gesehen. Das Ergebnis dieser Erkundigungen hätte es bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit veranlasst, mit der Erteilung des Lernfahrausweises bis zur Erledigung des neuen Strafverfahrens gegen Kohler zuzuwarten. Wäre das geschehen, so wäre Kohler am 5. August 1961, als sich der Unfall ereignete, noch nicht im Besitze des Ausweises gewesen. Entgegen der Darstellung der Klägerin hätte das allerdings nicht zur Folge gehabt, dass sie mit Kohler überhaupt keinen Versicherungsvertrag abgeschlossen hätte. Am 3. März 1961 stellte Kohler ihr den Versicherungsantrag.
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Am nächsten Tag kam er bei der Polizei um die Erteilung des Lernfahrausweises ein. Die Klägerin genehmigte den Versicherungsantrag am 29. März 1961 mit Wirkung ab 15. März. Sie begnügte sich dabei mit der im Versicherungsantrag enthaltenen Erklärung Kohlers, der Führerausweis sei ihm nie entzogen worden. Erkundigungen darüber, ob er überhaupt je einen solchen Ausweis erhalten habe, zog sie nicht ein. Am 15. März 1961 stellte das Kantonale Strassenverkehrsamt Kohler den Lernfahrausweis aus. Hätte es den Ausgang des neuen Strafverfahrens gegen Kohler abgewartet oder auch nur umfassendere Leumundserhebungen angeordnet, so hätte Ende März 1961 noch keine Verfügung über die Erteilung des Lernfahrausweises vorgelegen. Selbst unter der unwahrscheinlichen Voraussetzung, dass Kohler die Klägerin sofort von der Verweigerung der Bewilligung verständigt hätte, wäre es deshalb am 29. März 1961 zur Genehmigung des Versicherungsantrages gekommen.
Es kann sich somit lediglich fragen, ob Kohler im Falle der Verweigerung des Lernfahrausweises oder des Entzuges desselben die Unglücksfahrt unterlassen hätte. Wohl spricht die Lebenserfahrung im allgemeinen dafür, dass der Bürger die an ihn ergangenen behördlichen Verfügungen beachtet und dass er, wenn ihm der Führer- oder Lernfahrausweis verweigert oder entzogen worden ist, während der Dauer dieser Massnahme kein Motorfahrzeug mehr führt. Die Charaktereigenschaften Kohlers lassen jedoch Zweifel daran aufkommen, ob dieser Schluss auch für ihn gelte. Wie wenig er sich durch ein gesetzliches Verbot und durch das Einschreiten der Polizei beeindrucken lässt, bekundete er schon dadurch, dass er während fünf Monaten häufig Fahrten ohne verantwortliche Begleitperson ausführte und dass er sich auch durch die Verzeigung beim Untersuchungsrichteramt nicht hiervon abhalten liess; seine Rücksichtslosigkeit trat vollends in der Fahrt zutage, die zum Unglück vom 5. August 1961 führte. Es ist daher ungewiss, ob er sich nicht über die Verweigerung oder den Entzug des Lernfahrausweises hinweggesetzt und trotzdem an jenem Tag seinen Wagen geführt hätte. Aus den im Folgenden zu erörternden Gründen braucht indessen nicht näher auf diese Frage eingegangen zu werden.
8. Der Beklagte macht geltend, die Klägerin habe den ihr entstandenen Schaden ausschliesslich ihrer eigenen Unvorsichtigkeit
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beim Abschluss des Versicherungsvertrages und ihrer Nachlässigkeit gegenüber dem in Verzug befindlichen Prämienschuldner Kohler zuzuschreiben; durch dieses Verhalten werde der Kausalzusammenhang zwischen allfälligen Fehlern bernischer Beamter und dem Schadenseintritt unterbrochen. Die Klägerin bestreitet, Fehler begangen zu haben; sie hält zudem dafür, dass das ihr zur Last gelegte Verhalten nicht geeignet wäre, den Kausalzusammenhang zu unterbrechen.a) Wird die Prämie zur Verfallszeit oder während der im Vertrage eingeräumten Nachfrist nicht entrichtet, so ist der Schuldner laut Art. 20 VVG unter Anordnung der Säumnisfolgen schriftlich aufzufordern, binnen vierzehn Tagen, vom Versand der Mahnung an gerechnet, zu zahlen (Abs. 1); bleibt die Mahnung ohne Erfolg, so ruht die Leistungspflicht des Versicherers vom Ablauf der Mahnfrist an (Abs. 3). Nach Art. 68 Abs. 2 SVG (der am 1. Januar 1960 in Kraft getreten, auf den vorliegenden Fall also anwendbar ist) hat der Versicherer das Aussetzen und Aufhören der Versicherung der Behörde zu melden; die Wirkungen treten aber, sofern die Versicherung nicht vorher durch eine andere ersetzt wurde, gegenüber Geschädigten erst ein, wenn der Fahrzeugausweis und die Kontrollschilder abgegeben sind, spätestens jedoch sechzig Tage nach Eingang der Meldung des Versicherers. Die Behörde hat nach Eingang dieser Meldung den Fahrzeugsausweis und die Kontrollschilder "unverzüglich" einzuziehen (vgl. Art. 7 Abs. 2 der Verordnung über Haftpflicht und Versicherungen im Strassenverkehr vom 20. November 1959). Der Versicherer hat es mithin in der Hand, durch rechtzeitiges Vorgehen gegen den mit der Prämienzahlung säumigen Versicherten und sofortige Meldung des Aussetzens oder Aufhörens der Versicherung seine Haftung gegenüber Geschädigten binnen längstens sechzig Tagen nach Ablauf der Mahnfrist dahinfallen zu lassen.
Nach dem Versicherungsvertrag, den Kohler mit der Klägerin schloss, war die Jahresprämie von Fr. 535.70 in vierteljährlichen Raten zu entrichten. Die erste Rate von Fr. 144.70 war bei Beginn der Versicherung am 15. März 1961 fällig und innert zehn Tagen, also bis zum 25. März 1961, zu bezahlen. Kohler blieb schon diese erste Rate schuldig. Die Klägerin hätte ihn daher vom 26. März 1961 an im Sinne von Art. 20 VVG (und Art. 27 der Police) mahnen und ihm eine Zahlungsfrist
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von vierzehn Tagen ansetzen sollen; wäre diese Frist unbenützt abgelaufen, so hätte sie das der Behörde zu melden gehabt, was zur Einziehung des Fahrzeugausweises und der Kontrollschilder geführt hätte. Die Klägerin hätte von der Einziehung des Fahrzeugausweises und der Kontrollschilder an, längstens aber nach Ablauf von sechzig Tagen von der Erstattung ihrer Meldung an, den Geschädigten nicht mehr gehaftet. Statt auf diese Weise vorzugehen, hat sie zugewartet, bis auch die zweite Vierteljahresrate fällig und die darauf bezügliche zehntägige Zahlungsfrist am 25. Juni 1961 unbenützt abgelaufen war. Erst jetzt, am 26. Juni 1961, mahnte sie Kohler erstmals, und zwar lediglich für die bereits im März 1961 verfallene erste Vierteljahresrate. Kohler schenkte dieser Mahnung keine Beachtung und liess die ihm im Sinne von Art. 20 VVG angesetzte vierzehntägige Frist unbenützt verstreichen. Als diese Frist am 10. Juli 1961 abgelaufen war, wartete die Klägerin bis zum 31. Juli, also weitere drei Wochen, zu, bis sie die ihr gemäss Art. 68 Abs. 2 SVG obliegende Meldung erstattete. Einen triftigen Grund für ihr übermässiges Zögern vermag sie nicht anzugeben. Da der von ihr eingeholte Bericht der Auskunftei Dun die finanziellen Verhältnisse Kohlers als "bescheiden" bezeichnet hatte, hätte die Klägerin allen Anlass gehabt, schon mit der Mahnung nicht bis nach dem Verfall der zweiten Vierteljahresrate zuzuwarten. (Den Einwand, die Behörde sei ihrerseits nach Erhalt der Meldung des Versicherers vom 31. Juli 1961 mit der Einziehung des Fahrzeugausweises und der Kontrollschilder säumig geworden, hat die Klägerin nach Einsicht in die Belege zu Recht fallen lassen).b) Hätte die Klägerin sich nicht dermassen passiv verhalten und hätte sie insbesondere, nachdem sie Kohler endlich am 26. Juni 1961 gemahnt hatte und auch dieser Schritt fruchtlos geblieben war, nicht nochmals drei Wochen mit der Meldung an das Strassenverkehrsamt zugewartet, dann wären Kohler der Fahrzeugausweis und die Kontrollschilder lange vor dem 5. August 1961, an dem sich das Unglück ereignete, entzogen worden. Da die Klägerin der Ansicht ist, dass schon der Entzug des Lernfahrausweises Kohler von weiteren Fahrten abgehalten hätte, muss sie erst recht gelten lassen, dass die Einziehung des Fahrzeugausweises und der Kontrollschilder diesen Erfolg gehabt hätte. Es ist selbst für einen völlig verantwortungslosen, unverfrorenen Menschen wie Kohler nicht
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dasselbe, ob er ohne Fahrausweis oder ohne Kontrollschilder fährt. Im zweiten Falle sind die Hemmungen ungleich grösser; denn im Unterschied zum Fahren ohne Ausweis fällt es sofort auf, wenn einem Wagen die Kontrollschilder fehlen, so dass der Täter nicht damit rechnen kann, unentdeckt zu bleiben. Kohler fuhr am Unfalltag mit seinem Wagen nach Neuenburg. Auf der Rückfahrt nach Grenchen ereignete sich das Unglück zwischen Biel und Pieterlen. Wäre er ohne Kontrollschilder gefahren, so hätte die Polizei ihn zweifellos im Verlaufe dieser Fahrt gestellt, bevor sich auf der Rückfahrt der Unfall ereignete. Da Kohler fünf Jahre zuvor ein Motorrad mit gefälschten Kontrollschildern geführt hatte, wäre es allerdings nicht ganz ausgeschlossen gewesen, dass er erneut versucht hätte, die entzogenen Kontrollschilder durch gefälschte zu ersetzen. Hätte er das getan, so hätte die Polizei, als sie ihn am 4. August 1961 anhielt, zweifellos den Wagen sichergestellt, so dass es am folgenden Tage nicht zur Unglücksfahrt gekommen wäre. Ohne die Säumnis der Klägerin gegenüber dem in Verzug befindlichen Prämienschuldner Kohler wäre der Schaden demnach nicht eingetreten. Da dem so ist, braucht nicht untersucht zu werden, ob die Klägerin überdies schon durch ein unvorsichtiges Vorgehen beim Abschluss des Versicherungsvertrages mit Kohler an die Entstehung des Schadens beigetragen habe.c) Sowohl die Klägerin als auch der Beklagte haben somit durch ihre mangelnde Sorgfalt Ursachen gesetzt, ohne die sich der Unfall vom 5. August 1961 nicht ereignet hätte und kein Schaden eingetreten wäre. In Würdigung aller Umstände erscheint der Kausalzusammenhang zwischen der Säumigkeit der Klägerin und dem Schadenereignis aber viel unmittelbarer und enger als derjenige zwischen den Fehlleistungen der Behörde und dem Unfall, so dass diese letztere Kausalität in den Hintergrund tritt und als inadaequat erscheint (OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht, 2. Aufl., Bd. I S. 94 ff.; KAUFMANN, Die Verantwortlichkeit der Beamten und die Schadenersatzpflicht des Staates in Bund und Kantonen, ZSR 72 S. 340 a). Besteht aber dergestalt ein adaequater Kausalzusammenhang zwischen dem eigenen Verhalten der Klägerin und dem Schadenereignis, so hat sie den Schaden schon aus diesem Grunde selber zu tragen und kann sie dafür nicht den Beklagten haftbar machen. Zum gleichen Ergebnis
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führt es, wenn zwar die Adaequanz des Kausalzusammenhanges zwischen dem Verhalten der Organe des Beklagten und dem Schadenfall bejaht, aber Art. 44 Abs. 1 OR zur Anwendung gebracht wird: Auch bei dieser Betrachtungsweise lässt das Übergewicht der Umstände, für welche die Klägerin einzustehen hat, die Ersatzpflicht des Beklagten entfallen.Ob der Beklagte sich auch den Unfallgeschädigten gegenüber im vorgenannten Sinne auf die fehlende Adaequanz berufen könnte, kann dahingestellt bleiben. Es braucht ferner nicht geprüft zu werden, ob die Abtretung der Ansprüche dieser Geschädigten an die Klägerin mit der gesetzlichen Regressordnung vereinbar sei und ob sich der Beklagte demzufolge diese Ansprüche entgegenhalten lassen müsse (vgl. dazu BGE 45 II 645, BGE 80 II 252 /53; OFTINGER, a.a.O., 329; VON BÜREN, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, S. 288). Entscheidend ist, dass der Beklagte der Klägerin auch mit Bezug auf die ihr abgetretenen Ansprüche mit allen Einwendungen begegnen kann, die ihm ihr selber gegenüber zustehen. Dazu gehört auch der Einwand der mangelnden Adaequanz und des Entfallens der Ersatzpflicht nach Art. 44 Abs. 1 OR. Auf die Frage der Anspruchskonkurrenz ( Art. 50 und 51 OR , Art. 71 und 72 VVG ) sowie der Verjährung braucht bei dieser Sachlage nicht eingetreten zu werden.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Klage wird abgewiesen.
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