96 II 236
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Urteilskopf
96 II 236
35. Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. Juli 1970 i.S. Texaco Inc., gegen Ashland Oil & Refining Company.
Regeste
Markenschutz. Verwechslungsgefahr (Art. 6 MSchG).
Sie beurteilt sich nach dem Gesamteindruck, den die einander gegenüberstehenden Zeichen in der Schweiz erwecken (Grundsatz der Territorialität). Verwechslungsgefahr zwischen den Marken VALVOLINE und HAVOLINE (Erw. 3-5).
A.- Die Firma Leonard & Ellis liess im Jahre 1882 das Wort VALVOLINE als Marke Nr. 174 für Schmieröle in das schweizerische Register eintragen. Am 19. September 1902 wurde das Zeichen unter Nr. 15'032 erneuert und auf die Valvoline Oil Company übertragen. Diese liess die Eintragung
BGE 96 II 236 S. 237
am 1. November 1922 unter Nr. 52 797 nochmals erneuern. Im Jahre 1927 klagte die Valvoline Oil Company beim Handelsgericht des Kantons Bern gegen die Indian Refining Company auf Löschung und Untersagung des Gebrauchs der seit 18. Juni 1921 im schweizerischen Markenregister stehenden Marke Nr. 49 861, die aus dem Worte HAVOLINE bestand und zur Kennzeichnung von Ölen und Fetten für Gasmaschinen und Automobile diente. Die Indian Refining Company erhob Widerklage auf Löschung der Marke Nr. 52 797. Der Prozess endete damit, dass das Bundesgericht am 30. April 1929 die Marke Nr. 49 861 nichtig erklärte, ihre Löschung verfügte und die Widerklage abwies. Das Bundesgericht kam zum Schluss, die Marke HAVOLINE könnte mit der Marke VALVOLINE verwechselt werden (ein Teil des Urteils ist in BGE 55 II 149 ff. veröffentlicht).Am 17. August 1942 liess die Valvoline Oil Company ihre Marke im schweizerischen Register unter Nr. 103'Ool erneuern. Eine weitere Erneuerung wurde am 17. August 1962 unter Nr. 193 767 eingetragen, unter Angabe der Ashland Oil & Refining Company als neue Inhaberin der Marke und unter Erweiterung der Waren, für die sie bestimmt war. Am 19. April 1966 liess die Ashland Oil & Refining Company die Eintragung unter Nr. 217 055 nochmals erneuern und die mit der Marke zu kennzeichnenden Waren wie folgt bezeichnen: "Huiles, lubrifiants, carburants et produits pour l'éclairage fabriqués à partir de produits du pétrole, de produits synthétiques ou d'une combinaison de ces produits; préparation pour éviter la rouille et la corrosion des machines et des surfaces métalliques; graisses et combustibles."
Die Ashland Oil & Refining Company ist ferner Inhaberin der am 30. März 1966 hinterlegten schweizerischen Marke Nr. 216 825, die aus dem Worte VALVOLINE und einem darüber stehenden grossen Buchstaben V besteht und deren Warenliste sich von derjenigen der Marke Nr. 217 055 nur dadurch unterscheidet, dass die Waren "graisses et combustibles" fehlen.
Die VALVOLINE-Marken werden von den Berechtigten in der Schweiz schon seit 1882 tatsächlich gebraucht.
Am 17. März 1966 hinterlegte die Texaco Inc. in der Schweiz für Rohöl und Rohölerzeugnisse die aus dem Worte HAVO-LINE bestehende Marke Nr. 218 068.
B.- Am 5. April 1968 klagte die Ashland Oil & Refining Company gegen die Texaco Inc. beim Handelsgericht des Kantons Bern mit den Begehren, die Marke Nr. 218 068 ungültig zu erklären und der Beklagten deren Benützung für Rohöl und Rohölerzeugnisse im schweizerischen Geschäftsverkehr, besonders zur Kennzeichnung der genannten Waren, zu untersagen.
Das Handelsgericht des Kantons Bern hiess diese Begehren am 22. Oktober 1969 gut und drohte der Beklagten für den Fall der Widerhandlung gegen das Verbot die in Art. 403 bern. ZPO und Art. 292 StGB vorgesehenen Strafen an.
C.- Die Beklagte hat gegen dieses Urteil die Berufung erklärt. Sie beantragt, es aufzuheben und die Klage abzuweisen. Sie macht geltend, das angefochtene Urteil verletze Art. 6 und 24 MSchG , denn die Marken VALVOLINE und HAVOLINE könnten nicht miteinander verwechselt werden; ferner verstosse die Klage gegen Treu und Glauben und das Verbot des Rechtsmissbrauchs (Art. 2 ZGB).
Das Bundesgericht hat in Erwägung gezogen:
1. Die Marke HAVOLINE der Beklagten ist nur gültig, wenn sie sich durch wesentliche Merkmale von der älteren Wortmarke VALVOLINE der Klägerin unterscheidet (Art. 6 Abs. 1 MSchG). Trifft dies nicht zu, so muss sie gelöscht werden (Art. 34 MSchG) und ist der Beklagten der Gebrauch des Wortes HAVOLINE im Sinne des Klagebegehrens zu verbieten. Der Unterlassungsanspruch ist alsdann sowohl auf Grund des Markenschutzgesetzes als auch auf Grund der Art. 1 Abs. 2 lit. d und Art. 2 Abs. 1 lit. b UWG begründet. Beide Gesetze verbieten die Verwendung des nachgeahmten Zeichens auf der Ware selbst oder ihrer Verpackung, und das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb steht ausserdem der Verwendung im übrigen geschäftlichen Verkehr, z.B. in der Reklame oder im Briefwechsel, im Wege (BGE 93 II 432 Erw. 6, BGE 95 II 464).
2. Ob sich die beiden Zeichen genügend voneinander unterscheiden, hängt nur vom Eindruck ab, den sie in der Schweiz erwecken. Die Eintragung der Marke VALVOLINE in das schweizerische Register verleiht der Klägerin nur
BGE 96 II 236 S. 239
Schutzrechte in diesem Lande (BGE 92 II 262, BGE 95 II 362), und nur auf Untersagung des Gebrauchs des Wortes HAVO-LINE im schweizerischen Geschäftsverkehr und auf Ungültigerklärung als schweizerische Marke zielt die Klage ab.Die Beklagte selber führt aus, es komme darauf an, ob sich Verwechslungen im Inland ereignen. Dennoch will sie die Verhältnisse im Ausland mitberücksichtigt wissen. Sie macht geltend, die Marken VALVOLINE und HAVOLINE beständen auf der ganzen Erde, ausgenommen in der Bundesrepublik Deutschland und in der Schweiz, ungestört nebeneinander, was beweise, dass sie nicht zu verwechseln seien.
Dass im Ausland in ein und demselben Staate beide Marken registriert sind, sagt indessen nichts darüber aus, ob das Publikum sie daselbst schon verwechselt hat. Auch die blosse Verwechslungsgefahr - auf die es nach Art. 6 Abs. 1 MSchG allein ankommt (BGE 40 II 288, BGE 63 II 287, BGE 78 II 382) - ist damit nicht widerlegt. Die Beklagte behauptet nicht, alle ausländischen Staaten prüften vor der Registrierung einer Marke, ob sie mit den schon eingetragenen verwechselt werden könnten. Sie beruft sich auch nicht auf ausländische Gerichtsurteile, welche die beiden Marken als genügend unterscheidbar erklärt hätten. Sie scheint vor allem sagen zu wollen, im Auslande hätten sich die Parteien stillschweigend mit der Registrierung beider Marken abgefunden. Sie rühmt sich selber, sie habe in zahlreichen Ländern die Marke VALVOLINE geduldet, obschon ihr die Priorität des Eintrages und des Gebrauches des Zeichens HAVOLINE zugestanden habe.
Übrigens ist die Rechtslage in anderen Staaten nicht notwendigerweise dieselbe wie in der Schweiz. Die ausländischen Gesetze stellen vielleicht an die Unterscheidbarkeit von Marken nicht gleich strenge Anforderungen wie das schweizerische Recht, das nicht nur auf die Bedürfnisse und Interessen der Markeninhaber Rücksicht nimmt, sondern auch das Publikum vor Täuschung schützen will. Auch erwecken die beiden Marken im Verkehr in anderen Sprachgebieten und unter anderen wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnissen nicht notwendigerweise den gleichen Eindruck wie in der Schweiz.
Dem Umstande, dass die beiden Marken im Auslande nebeneinander registriert sind, ist daher bei der Beurteilung der Gefahr von Verwechslung in der Schweiz nicht Rechnung zu tragen.
3. Die Beklagte sieht im Worte VALVOLINE eine Sachbezeichnung, die auf ein Ölerzeugnis ("oline") hinweise, das Ventile (englisch "valve") schmiere. Sie leitet daraus nicht ab, die Marke der Klägerin sei Gemeingut und daher ungültig (Art. 3 Abs. 2 MSchG); sie macht nur geltend, dem Sinn des Zeichens VALVOLINE müsse bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr Rechnung getragen werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes liegt eine Sachbezeichnung nur dann vor, wenn die Marke nach dem üblichen Sprachgebrauch für die beteiligten Kundenkreise offenkundig auf die Beschaffenheit oder Bestimmung der Ware hinweist; blosse Anspielungen, die den Sinn des Wortes nur mit Hilfe der Phantasie erkennen lassen, genügen nicht (BGE 54 II 406, BGE 55 II 154, BGE 56 II 230 f., 410, BGE 59 II 80, BGE 63 II 428, BGE 70 II 243, BGE 79 II 102, BGE 83 II 218, BGE 84 II 224, 432, BGE 93 II 263). Daher ist in BGE 55 II 142 ff. Erw. 2 im Worte VALVOLINE keine Sachbezeichnung gesehen worden. Die in den Bestandteilen "VALV" und "OLINE" liegenden Anspielungen auf "valve" und Öl wurden dabei eingehend gewürdigt. Hievon wäre heute nur abzuweichen, wenn sich der Sprachgebrauch seit dem Jahre 1929 entscheidend geändert hätte, so dass die behauptete Bedeutung des Wortes VALVOLINE im Gegensatz zu damals nunmehr in die Augen spränge. Davon kann indessen nicht die Rede sein. "OLINE" ist nach wie vor kein Wort, das den schweizerischen Landessprachen oder einer in der Schweiz allgemein verstandenen Fremdsprache angehören würde; diese Buchstabenfolge ist ein reines Gebilde der Phantasie. Dasselbe ist von den Buchstaben "VALV" zu sagen, die noch immer eine blosse Anspielung enthalten, die nicht allgemein verstanden wird. Dass die interessierten Kreise sprachkundiger geworden seien, hilft der Beklagten nicht. Mag auch die Kenntnis der englischen Sprache in der Schweiz Fortschritte gemacht haben, besonders in Geschäftskreisen, so gibt es doch unter den Haltern von Motorfahrzeugen, die als Käufer der Schmiererzeugnisse der Parteien in Frage kommen, noch grosse Schichten, die weder den Sinn des englischen "valve" noch die in seiner verstümmelten Form "VALV" enthaltene Anspielung erfassen. Gewiss hat das Bundesgericht z.B. die Marken "Hydroformer" (nicht veröffentlichtes Urteil vom 12. Mai 1969 i.S. J.M. Voith GmbH) und "Synchrobelt" (BGE 95 I 477 ff.) als nicht schutzfähig erachtet. In beiden
BGE 96 II 236 S. 241
Fällen war jedoch auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin zu entscheiden, ob die international registrierte Marke in der Schweiz zu schützen sei. Die Marke der Klägerin steht dagegen im schweizerischen Register und ist vom Bundesgericht am 30. April 1929 als gültig erklärt worden. Die Beklagte ficht die Gültigkeit nicht erneut an; gestritten wird nur um die Möglichkeit der Verwechslung mit der Marke HAVOLINE. Da kann der Umstand, dass gewisse Kunden die in "VALVOLINE" enthaltene Anspielung verstehen mögen, keine Rolle spielen. Für weite Kreise ist der Sinn des Wortes nicht offenkundig und schliesst er daher die Gefahr von Verwechslungen nicht aus.Ob eine Marke mit einer anderen verwechselt werden kann, beurteilt sich übrigens nicht nach den einzelnen Bestandteilen und der Entstehungsgeschichte der beiden Zeichen, sondern nach dem Eindruck, den sie nach ihrem Klang und ihrem Schriftbild als Ganzes machen (Art. 6 Abs. 2 MSchG; BGE 93 II 265 und dort angeführte Urteile). Wer das Wort VALVO-LINE als Ganzes hört oder liest, erkennt aber in ihm auf Grund der sprachlichen Trennungsregeln viel eher die Silben VAL-VO-LI-NE als die Bestandteile VALV und OLINE. Er wird sich daher in der Regel des Zusammenhangs mit den Begriffen "valve" und "Oel" nicht bewusst.
4. Auch die Marke der Beklagten wird statt als HAV-OLINE eher als HA-VO-LI-NE verstanden. Die drei letzen Silben sind identisch mit den drei letzten Silben der Marke der Klägerin. Die beiden Zeichen unterscheiden sich nur durch die erste Silbe HA bzw. VAL. Diese Teile haben den Vokal a gemeinsam, auf dem der Ton liegt. Dadurch wird die durch die drei Endsilben geschaffene Verwechslungsgefahr erhöht. Dass die Buchstabenreihe OLIN oder OLINE in Marken häufig vorkommt, ändert nichts. Sie hat zwar an sich geringe Unterscheidungskraft, ist aber nichtsdestoweniger in beiden Warenzeichen vorhanden und wirkt sich auf den Eindruck aus, den diese als Ganzes machen. Wer das Wort VALVOLINE in Erinnerung hat, ohne sich die Silbe VAL scharf eingeprägt zu haben, kann beim Hören oder Lesen des Wortes HAVOLINE, besonders wenn er wiederum nicht peinlich aufpasst, meinen, es kennzeichne die Ware VALVOLINE oder stamme vom gleichen Erzeuger wie diese. Die Behauptung der Beklagten, jeder Automobilist, der eine bestimmte Ölmarke
BGE 96 II 236 S. 242
wünsche, achte genau darauf, ob er wirklich die verlangte Ware erhalte, widerspricht der Lebenserfahrung.Für die Gefahr der Verwechslung der beiden Zeichen sprechen zudem nach wie vor auch die Erwägungen des bundesgerichtlichen Urteils vom 30. April 1929. Ob heute mehr Schmieröle für Motorfahrzeuge auf dem Markt sind als damals, ist sowenig von Belang wie der angebliche Umstand, dass sich gewisse Automobilisten um die Ölmarke gar nicht kümmern.
Ob die Erzeugnisse der Beklagten nur an Texaco-Tankstellen erhältlich sind und daselbst keine Erzeugnisse der Klägerin angeboten werden, ist ebenfalls unerheblich. Denn nach Art. 6 Abs. 1 MSchG ist eine Marke, die sich von der früher eingetragenen eines Mitbewerbers nicht durch wesentliche Merkmale unterscheidet, selbst dann ungültig, wenn andere Umstände die Herkunft der angebotenen Ware andeuten, z.B. die Aufmachung der Verpackung oder Preisunterschiede (BGE 63 II 286, BGE 78 II 382 Erw. 2, BGE 88 II 382). Das Gesetz verpflichtet die Beklagte denn auch nicht, ihre Ware ausschliesslich an Tankstellen anbieten zu lassen, die erkennbar ihre Erzeugnisse und nur solche verkaufen. Sie kann den Absatz ihrer Ware jederzeit anders organisieren.
5. Die Beklagte begründet die Einrede des Rechtsmissbrauches damit, sie habe in zahlreichen Ländern die Marke VALVOLINE geduldet, obschon dort ihr Recht an der Marke HAVOLINE älter sei. Die Klägerin habe daraus Nutzen gezogen und handle gegen Treu und Glauben, sich in der Schweiz auf eine Verwechslungsgefahr zu berufen, die sie in vielen anderen Ländern durch Eintragung und Gebrauch der Marke VALVOLINE widerlegt habe. Ihr Verhalten sei ein "venire contra factum proprium".
Die Gründe, aus denen die Klägerin in gewissen Ländern trotz der angeblichen Priorität der Marke HAVOLINE die Marke VALVOLINE eintragen liess und die Beklagte sich nicht widersetzte, sind weder dargelegt noch festgestellt. Möglicherweise stellen die Gesetze der betreffenden Länder an die Unterscheidbarkeit der Marken geringere Anforderungen als das schweizerische. Von einem Rechtsmissbrauch der Klägerin kann daher nicht die Rede sein, schon gar nicht von einem offenbaren im Sinne des Art. 2 ZGB. Dass die Schweiz für die Erzeugnisse der Parteien nur ein Teil des Weltmarktes
BGE 96 II 236 S. 243
ist und die Beklagte "die Einheit des Absatzgebietes und des Qualitätszeichens verteidigt", ändert nichts. Das Recht an der Marke ist territorial begrenzt und wechselt von Land zu Land. Was der Markeninhaber unter der einen Rechtsordnung tut oder unterlässt, kann ihm, abweichende Staatsverträge vorbehalten, in den anderen Staaten weder nützen noch schaden.Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 22. Oktober 1969 bestätigt.
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