97 I 530
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Urteilskopf
97 I 530
73. Auszug an dem Urteil vom 17. September 1971 i.S. Piu-Azzaro gegen Regierungsrat des Kantons Zürich.
Regeste
Fremdenpolizeirecht; Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung.
Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde; Art. 100 lit. b Ziff. 3/Art. 97 f. OG; Art. 11 des Abkommens zwischen der Schweiz und Italien über die Auswanderung italienischer Arbeitskräfte nach der Schweiz vom 10. August 1964 (Erw. 1).
Voraussetzung des Anspruchs eines italienischen Arbeitnehmers auf Vorzugsbehandlung; Art. 10 f. des Abkommens/Art. 9 Abs. 2 ANAG (Erw. 2).
Verhalten, das im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. b ANAG "Anlass zu schweren Klagen" gibt. Wie ist diese Bestimmung im Falle eines aus dem Abkommen privilegierten Ausländers auszulegen? (Erw. 3 b und c).
Die fremdenpolizeiliche Massnahme muss verhältnismässig sein und nach den Umständen angemessen erscheinen (Erw. 4).
A.- In der Absicht, die Aufenthaltsbedingungen der italienischen Arbeitskräfte in der Schweiz zu verbessern und ihnen die gleiche Behandlung wie den Schweizerbürgern hinsichtlich der Arbeitsbedingungen zu gewährleisten (Abs. 3 des Ingresses) wurde am 10. August 1964 zwischen der Schweiz und Italien ein Abkommen über die Auswanderung italienischer Arbeitskräfte nach der Schweiz abgeschlossen.
Art. 10 Ziff. 1 und Art. 11 dieses Abkommens, das am 15. März 1965 von der Bundesversammlung genehmigt und am 22. April 1965 in Kraft gesetzt wurde (AS 1965 S. 397 und 399), lauten wie folgt:
"Artikel 10 Einreise- und Aufenthaltsbedingungen
1. Für die Einreise und den Aufenthalt der italienischen Arbeitskräfte gelten die Vorschriften der schweizerischen Gesetzgebung über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer, die Erklärung vom 5. Mai 1934 über die Anwendung des Niederlassungs- und Konsularvertrages vom 22. Juli 1868 zwischen der Schweiz und Italien und der Ratsbeschluss der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit vom 30. Oktober 1953/7. Dezember 1956 über die Regelung der Beschäftigung von Angehörigen der Mitgliedstaaten, übernommen von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
2. ..."
"Artikel 11
Arbeitskräfte mit fünfjährigem Aufenthalt in der Schweiz
1. Italienische Arbeitskräfte geniessen nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von wenigstens fünf Jahren folgende Vorzugsbehandlung:
BGE 97 I 530 S. 532
a) Sie haben Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für ihre Tätigkeit am bisherigen Arbeitsplatz. Falls die Gültigkeitsdauer des Passes ausreicht, erfolgt die Verlängerung für zwei aufeinanderfolgende Zeitspannen von je zwei Jahren und anschliessend zum drittenmal für die bis zur Erteilung der Niederlassungsbewilligung notwendige Frist.
b) Sie erhalten in jedem Kanton die Bewilligung für den Stellenwechsel und für die Ausübung eines andern Berufes als unselbständig Erwerbende.
2. Falls sich in der Gegend im ganzen Wirtschaftszweig, in welchem der Arbeitnehmer beschäftigt ist, eine schwere Arbeitslosigkeit ausbreitet, kann die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für die Tätigkeit am bisherigen Arbeitsplatz oder die Bewilligung für einen Stellenwechsel verweigert werden. Doch wird in diesem Falle dem Arbeitnehmer die Bewilligung für die Tätigkeit als unselbständig Erwerbender in einem andern, nicht von Arbeitslosigkeit betroffenen Beruf erteilt.
3. Die schweizerischen Vorschriften, welche die Zulassung ausländischer Arbeitskräfte aus zwingenden Gründen des Landesinteresses einschränken, bleiben vorbehalten."
B.- Der Beschwerdeführer Giuseppe Piu, 1941, ist im September 1961 in die Schweiz eingereist. Zuerst war er bei der Holka-Auto Union Verkaufs AG in Schlieren als Hilfsarbeiter beschäftigt. Im September 1962 wechselte er mit Bewilligung der Fremdenpolizei des Kantons Zürich den Arbeitsplatz. Er trat als Auto-Hilfsmechaniker in den Dienst der Automobilwerke Franz AG in Zürich. Am 16. Mai 1969 wurde er von dieser Arbeitgeberin fristlos entlassen. Seit dem 1. Juni 1969 arbeitet er als angelernter Mechaniker bei der Firma Eschler, Urania Accessoires, in Zürich.
In den Jahren 1961-1968 wurde Giuseppe Piu elf Mal wegen kleineren und grösseren Verkehrsregelverletzungen gebüsst oder mit einer Administrativmassnahme belegt.
Giuseppe Piu hat sich während seines Aufenthaltes in der Schweiz mit der Italienerin Crocifissa Azzaro, 1936, verheiratet. Diese hatte 1960 die Aufenthaltsbewilligung erhalten. Sie arbeitete bis zum Abschluss der Ehe im September 1965 als Hilfsarbeiterin in Zürich. Der Ehe Piu-Azzaro ist ein Kind, Patrizia, geboren am 20. Februar 1969 in Zürich, entsprossen.
C.- Mit Verfügung vom 14. August 1969 hat die Fremdenpolizei des Kantons Zürich den Eheleuten Piu-Azzaro die Aufenthaltsbewilligung nicht erneuert. Die Eheleute Piu-Azzaro wurden angewiesen, den Kanton Zürich bis zum 15. Oktober 1969 zu verlassen.
Den gegen diese Verfügung eingereichten Rekurs wies der Regierungsrat des Kantons Zürich am 4. September 1970 mit der Begründung ab, Giuseppe Piu müsse aufgrund seines Verhaltens als unerwünschter Ausländer betrachtet werden, dessen Wegweisung geboten sei. In die Wegweisungsverfügung werde nach konstanter Praxis seine Familie schon deshalb einbezogen, weil Crocifissa Piu nicht erwerbstätig und daher nicht in der Lage sei, sich selbst und Patrizia durchzubringen. Die Polizeidirektion des Kantons Zürich wurde im selben Beschluss eingeladen, Piu und seiner Familie eine neue Frist zur Ausreise anzusetzen.
D.- Gegen diesen Entscheid haben die Eheleute Piu-Azzaro am 6. November 1970 staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Sie verlangen die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
Der Regierungsrat des Kantons Zürich beantragt am 10. Dezember 1970 die Abweisung der Beschwerde; das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement empfiehlt am 8. Januar 1971 deren Gutheissung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
b) In Betracht fällt die Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die generell zulässig ist gegen Verfügungen, "die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen" (Art. 97 Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 5 des BG vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren) und von einer letzten kantonalen Instanz ausgehen (Art. 98 lit. g OG), was hier zutrifft.
Art. 100 lit. b Ziffer 3 OG schliesst im Bereich des Fremdenpolizeirechts die Verwaltungsgerichtsbeschwerde aus für alle Streitsachen über die "Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt". Nun hat der Ausländer nach dem BG vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer, mit Abänderungen vom 8. Oktober 1948 (RSI/2 Nr. 142.20, Abkürzung: ANAG), gerade keinen Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung oder auf die Erneuerung einer solchen (BGE 93 I 5; auch Urteil vom 14. Mai 1971 i.S. S., Erw. 1b). Art. 4 ANAG drückt das in der Weise aus, dass er den Entscheid darüber ins freie Ermessen der Behörde verweist.
Abweichend von diesem allgemeinen Prinzip besteht jedoch für die italienischen Arbeitskräfte in der Schweiz ein staatsvertragliches
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Sonderrecht. Dieses beruht auf dem erwähnten Abkommen zwischen der Schweiz und Italien über die Auswanderung italienischer Arbeitskräfte nach der Schweiz. Nach Art. 11 dieses Abkommens geniessen die italienischen Arbeitskräfte nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von wenigstens fünf Jahren eine Vorzugsbehandlung. Zu ihr gehört grundsätzlich ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für ihre Tätigkeit an ihrem bisherigen Arbeitsplatz.c) Es ist unbestritten, dass die Beschwerdeführer italienische Arbeitskräfte sind und seit über fünf Jahren ununterbrochenen Aufenthalt in der Schweiz haben. Damit steht ihnen grundsätzlich ein staatsvertraglich gewährleisteter Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung zu. Das Staatsvertragsrecht, das den Italienern eine Vorzugsbehandlung zusichert, geht dem für Ausländer sonst allgemein geltenden Landesrecht vor (BGE 94 I 678 mit Hinweisen; AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, Bd. II, Nr. 1326/27). Ob der Aufenthalt der Beschwerdeführer "ordnungsgemäss" war und ob sie allenfalls den staatsvertraglichen Anspruch auf Verlängerung dieses Aufenthaltes durch ihr Verhalten verwirkt haben, ist Aufgabe der Sachprüfung. Nur durch sie kann ermittelt werden, ob der Anspruch, den das Abkommen bestimmten italienischen Arbeitnehmern allgemein zuspricht, den Beschwerdeführern aus irgendwelchen Gründen nicht zustehe. Die Abklärung dieser Frage wird der Kompetenz des Bundesgerichtes durch Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG nicht entzogen. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist mithin zulässig.
2. Art. 11 des Abkommens vom 10. August 1964 gewährt den italienischen Arbeitskräften nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von wenigstens fünf Jahren eine Vorzugsbehandlung, die u.a. darin besteht, dass ihnen ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für ihre Tätigkeit am bisherigen Arbeitsplatz zukommt.
a) Die Voraussetzungen, dass die Beschwerdeführer in den Genuss dieser Vergünstigungen gelangen, sind verschiedener Art. Erste Bedingung ist ein mindestens fünfjähriger ununterbrochener Aufenthalt in der Schweiz. Sodann muss dieser Aufenthalt ordnungsgemäss sein. Dies setzt im Einzelnen voraus, dass der mehr als fünfjährige Aufenthalt der Beschwerdeführer in der Schweiz von den zuständigen Behörden bewilligt worden
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ist und dass er auch hinsichtlich des Verhaltens der Beschwerdeführer den Vorschriften über den Aufenthalt der Ausländer entspricht (Art. 10 des Abkommens, der diesbezüglich auf das ANAG hinweist). Es dürfen mithin gegen die Ausländer keine Entzugsgründe der Aufenhaltsbewilligung (Art. 9 Abs. 2 ANAG) vorliegen. Schliesslich darf in wirtschaftspolitischer Hinsicht weder eine schwere Arbeitslosigkeit herrschen (Art. 11 Ziff. 2 des Abkommens) noch ein Vorbehalt spezieller Beschränkungsmassnahmen im Sinne des Art. 11 Ziff. 3 des Abkommens wirksam sein.Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann dem unselbständig erwerbenden Italiener, der sich seit mehr als fünfJahren ununterbrochen in der Schweiz aufhält, die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nicht verweigert werden.
b) Wie vorne (Erw. 1/c) bereits erwähnt worden ist, erfüllen die Beschwerdeführer unbestrittenermassen die Voraussetzung des mehr als fünfjährigen ununterbrochenen Aufenthaltes in der Schweiz. In concreto fallen auch die Spezialtatbestände der Ziffern 2 und 3 des Art. 11 des Abkommens nicht in Betracht: der Tatbestand der Ziff. 2 insofern nicht, als im Kanton Zürich keine schwere Arbeitslosigkeit herrscht, der Tatbestand der Ziff. 3 ebenfalls nicht, weil keine Vorschriften, welche die Zulassung ausländischer Arbeitskräfte aus zwingenden Gründen des Landesinteresses einschränken (namentlich solche über die Begrenzung und Herabsetzung der Zahl der kontrollpflichtigen ausländischen Arbeitskräfte), erheischen, dass die Beschwerdeführer im Kanton Zürich nicht mehr erwerbstätig sind.
Es bleibt daher zu prüfen, ob im bisherigen Aufenthalt der Beschwerdeführer in der Schweiz Gründe liegen, welche die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung (auf die sie nach Massgabe des Abkommens grundsätzlich einen Anspruch haben) ausschliessen.
3. a) Ein Grund, den Beschwerdeführern die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung und damit auch die Vorzugsbehandlung nach Art. 1l in Verbindung mit Art. 10 des Abkommens zu verweigern, liegt vor, wenn ihr Verhalten "Anlass zu schweren Klagen gibt" (Art. 9 Abs. 2 lit. b ANAG). Der Begriff der "schweren Klagen" ist, wie das Bundesgericht in früheren Urteilen schon festgestellt hat (BGE 93 I 6; BGE 94 I 197; Urteil vom 14. Mai 1971 i.S. S., Erw. 2 a), ein unbestimmter Rechtsbegriff, der seinen Inhalt aus dem Sinn und Zweck der
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Vorschrift sowie der Stellung im Gesetz und im Rechtssystem gewinnt. Der Behörde, die einen solchen Begriff auf den Einzelfall anzuwenden hat, ist ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt, weshalb das Bundesgericht grundsätzlich die Begriffsauslegung nur mit Zurückhaltung überprüft (BGE 96 I 369, mit Hinweisen).b) Die Bestimmungen über das Verhalten der Ausländer während ihres Aufenthaltes in der Schweiz sind ihrem Wesen nach polizeilicher Natur. Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, die Aufgabe der Polizei ist, obliegt der Behörde von Amtes wegen. Wenn daher die genannte Bestimmung von einem Verhalten spricht, das "Anlass zu schweren Klagen gibt", bedeutet dies, dass nicht primär subjektiv, sondern objektiv, d.h. im Lichte der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Anlass zu schweren Klagen besteht (BGE 93 I 7; BGE 94 I 197; Urteil vom 14. Mai 1971 i.S. S., Erw. 2 b). Der Kreis der wegen ihrer Bedeutung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch diese Vorschrift geschützten Rechtsgüter ist enger, wenn die Vorschrift gegenüber einem durch das Abkommen privilegierten Ausländer angewandt wird. Sie dient dann nicht - wie generell - der Abwehr der Überfremdung und der Vermeidung einer Störung des Arbeitsmarktes, sondern vor allem dem Schutz der im Gaststaat geltenden Ordnung. Diese umfasst mit und neben dem Recht auch die ihr zu Grunde liegenden sittlichen Werte und gesellschaftlichen Strukturen. Die zuständigen Behörden haben diesbezüglich streng zu achten, ausschliesslich das polizeiliche Interesse wahrzunehmen.
c) Die die Rechtsstellung des aus dem Abkommen privilegierten Ausländers äusserst stark beeinträchtigende Massnahme der Verweigerung einer Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung aus Gründen, welche im Verhalten des Ausländers liegen, ist nur dann anzuordnen, wenn dieses Verhalten "zu schweren Klagen Anlass gibt". Die das Massnahmerecht handhabende Behörde hat bei der Frage, ob ein Fall schwer wiege, die Bedeutung der verletzten Rechtsgüter innerhalb der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung des Gastlandes einerseits, die Umstände des inkriminierten Verhaltens sowie die persönlichen Verhältnisse des zu Klagen Anlass gebenden Ausländers anderseits in Betracht zu ziehen.
Sie wird jedoch bei der Abwägung dem Grundgedanken des Abkommens gebührend Rechnung tragen, namentlich dort, wo
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sie Ermessensfragen zu beurteilen hat, die dem betroffenen Ausländer günstigste Behandlung zukommen lassen.
4. a) Das Verhalten der Beschwerdeführer, das zu "schweren Klagen" Anlass geben und mithin einer Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung ausschliessen soll, wird von der Vorinstanz aufgrund folgender Tatsachen qualifiziert:
Frau Crocifissa Piu-Azzaro hält sich seit dem 30. Januar 1960 in der Schweiz auf. Am 24. Mai 1963 wurde sie mit Fr. 15.- gebüsst, weil sie ein Gesuch um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung verspätet eingereicht hatte. In den Jahren 1964/65 wurde sie zweimal betrieben, davon einmal für Steuern. Am 12. Dezember 1965 wurde sie erwischt, als sie in einem Selbstbedienungsladen Waren im Werte von Fr. 13.10 entwendete. Sie leistete ein Bussendepositum von Fr. 43.-; damit hatte es sein Bewenden. Seither hatten sich die Behörden nicht mehr mit ihr zu befassen. Die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung liegt jedoch nach Ansicht der Vorinstanz einzig darin begründet, dass Crocifissa Piu in die Wegweisungsverfügung ihres Ehemannes einbezogen werden muss.
Giuseppe Piu hat Schulden gemacht, und er ist wiederholt für Steuern und andere Schulden betrieben worden. 1964 stand er wegen Unterdrückung einer Urkunde (eines Schuldscheins, den er für ein Darlehen ausgestellt hatte) in Strafuntersuchung. Das Verfahren wurde am 9. März 1964 eingestellt, doch wurden dem Beschuldigten die Kosten auferlegt. Vor allem aber wurde er wegen Verletzung von Strassenverkehrsvorschriften sechs Mal mit Bussen von Fr. 10.- bis 50.- bestraft. Zwei Mal wurde ihm der Führerausweis entzogen.
Alles zusammen führte zur ersten Verwarnung der kantonalen Fremdenpolizei vom 20. Januar 1966.
Am 6. Mai 1967 wurde Giuseppe Piu wegen. Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts neuerdings mit Fr. 90.- gebüsst. Das gab Anlass zu einer zweiten Verwarnung vom 21. Juni 1967. Damals schrieb die kantonale Fremdenpolizei dem Beschwerdeführer u.a.:
"Mit Rücksicht darauf, dass Sie sich seit sechs Jahren in der Schweiz aufhalten, verzichten wir, Ihnen den Aufenthalt zu entziehen. Hingegen bringen wir Ihnen die ergangene Verwarnung in Erinnerung und machen Sie darauf aufmerksam, dass ohne weitere Rücksichtnahme auf die Dauer Ihres Aufenthaltes in der Schweiz oder Ihre persönlichen Verhältnisse Ihre sofortige Wegweisung verfügt
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wird, falls Ihr Verhalten erneut zu Beanstandungen Anlass geben sollte."Am 21. August 1968 rammte Giuseppe Piu mit seinem Auto bei einem unvorsichtigen Überholmanöver innerorts einen korrekt fahrenden Radfahrer; dieser wurde zu Boden geworfen und verletzt. Da die Schädigung nicht schwer war, wurde Piu nicht von Amtes wegen verfolgt. Der Geschädigte stellte keinen Strafantrag (Art. 125 StGB). Giuseppe Piu wurde nur wegen SVG-Übertretung mit Fr. 90.- gebüsst. Zudem wurde ihm der Führerausweis neuerdings für zwei Monate entzogen.
Am 16. Mai 1969 wurde Giuseppe Piu von der Franz AG fristlos entlassen, weil seine Arbeitsdisziplin während längerer Zeit nicht befriedigt und weil er eine junge Frau während der Arbeitszeit belästigt hatte.
b) Prüft man das Verhalten des Giuseppe Piu nach Massgabe der in Erwägung 3 dargelegten Kriterien, so erscheint die Verweigerung der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung unzulässig. Auch wenn man davon ausgeht, es bestehe angesichts der gegenwärtigen Überfremdung ein grosses Interesse daran, dass charakterlich und beruflich minderwertige Elemente durch einwandfreie und tüchtige Leute ersetzt werden, so lässt sich schlechthin nicht sagen, das Verhalten des Giuseppe Piu gebe derart zu schweren Klagen Anlass, dass ihm und seiner Familie die Vorzugsbehandlung des Abkommens nicht mehr zuteil werden dürfte.
Es ist festzustellen, dass der Beschwerdeführer seine Schulden bezahlt hat. Sämtliche Geldstrafen, die gegen ihn ausgefällt wurden, sind Bagatellbussen. Keine hat den Betrag von Fr. 100.-- erreicht, weshalb sie auch nicht ins schweizerische Zentralstrafregister aufzunehmen waren (Art. 9 Ziffer 2 der Verordnung über das Strafregister vom 14. November 1941, in der Fassung gemäss BRB vom 22. November 1960, RS 3 Nr. 331). Der Beschwerdeführer figuriert darin nicht. Nun können allerdings die fremdenpolizeilichen Aspekte von denen des Strafrechts sehr wohl verschieden sein (BGE 93 I 8). Allein der Regierungsrat erklärt in der Vernehmlassung selber, das Verhalten des Beschwerdeführers könnte nicht dazu führen, dass ihm der Führerausweis dauernd entzogen würde. Unter diesen Umständen kann aber erst recht nicht angenommen werden, die Klagen über sein Verhalten im Strassenverkehr seien derart schwer, dass sein weiteres Verbleiben in Zürich mit Art. 9 Abs. 2
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lit. b ANAG sich nicht mehr vereinbaren liesse. Auch sein übriges Verhalten, das seit seiner Verehelichung nicht mehr beanstandet wurde, lässt einen solchen Schluss nicht zu. Der Arbeitgeber ist mit ihm zufrieden. Die Annahme, dass er aus den Bussen, den Führerausweisentzügen und nicht zuletzt aus dem vorliegenden Verfahren einiges gelernt hat, ist jedenfalls nicht zum vorneherein ausgeschlossen.c) Wenn die kantonale Fremdenpolizei und in Bestätigung ihrer Verfügung die Vorinstanz das inkriminierte Verhalten des Giuseppe Piu mit einer Verweigerung der ihm und seiner Familie nach Art. 11 Ziff. 1 des Abkommens zustehenden Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung sanktioniert haben, so entspricht dies nicht nur nicht dem Grundgedanken des Abkommens vom 10. August 1964, sondern steht dies auch im offensichtlichen Widerspruch zum verfassungsmässigen Grundsatz der Verhältnismässigkeit von Verwaltungsmassnahmen (BGE 93 I 94; BGE 91 I 464; BGE 90 I 343; IMBODEN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 3. Aufl. Bd. 1, Nr. 342 II, S. 220 f., Nr. 367, S. 303 ff.). Eine derartige Sanktion schiesst über das hinaus, was zur Erreichung des gesetzlichen Zweckes notwendig ist und dem Verhalten der Betroffenen angemessen erscheint.
Die Beschwerde ist demnach gutzuheissen und der Beschluss des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 4. September 1970 aufzuheben.