Chapeau
113 Ia 146
23. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 18. März 1987 i.S. Heinz Aebi und Mitb. gegen den Grossen Rat des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste
Art. 4 Cst.,
art. 85 let. a OJ; demande de réexamen relative à un arrêté constatant le résultat d'une votation ou d'une élection.
La possibilité d'un réexamen doit aussi exister à l'égard d'un arrêté constatant le résultat d'une votation ou d'une élection. En l'absence de règle de droit cantonal prévoyant cette possibilité, il faut appliquer le principe déduit de l'art. 4 Cst. selon lequel l'autorité doit entrer en matière sur une demande de réexamen si le requérant fait valoir des faits et moyens de preuve importants qu'il ne connaissait pas ou qu'il ne lui était pas possible de faire valoir lors de la procédure de votation ou d'élection ni pendant le délai de recours consécutif à celle-ci.
Faits à partir de page 147
Am 11. September 1983 fand im Amtsbezirk Laufen gestützt auf das Gesetz vom 19. November 1975 über die Einleitung und Durchführung des Anschlussverfahrens des Amtsbezirkes Laufen an einen benachbarten Kanton die Volksabstimmung über den Anschluss des Laufentals an den Kanton Basel-Landschaft statt. Das Resultat über die Abstimmungsfrage "Wollt Ihr Euch aufgrund des vereinbarten Vertrages dem Kanton Basel-Landschaft anschliessen?" ergab 3575 Ja-Stimmen und 4675 Nein-Stimmen. Der Regierungsrat des Kantons Bern erwahrte das Abstimmungsergebnis am 21. September 1983 und teilte es am 12. Oktober 1983 dem Grossen Rat mit. Dieser nahm an seiner Sitzung vom 7. November 1983 davon Kenntnis. Die Erwahrung wurde im Amtsblatt des Kantons Bern veröffentlicht.
Am 3. September 1985 erhoben Heinz Aebi, Konrad Düblin, Alfred Jeker, Ernst Mani und Walter Schmidlin, welche im Laufental stimmberechtigt sind, Abstimmungsbeschwerde "an die Staatskanzlei z.H. des zuständigen Entscheidungsorgans". Sie beantragten: "Es sei die Laufentalabstimmung null und nichtig zu erklären, eventuell aufzuheben, und es sei über die gleiche
BGE 113 Ia 146 S. 148
Abstimmungsvorlage eine neue Abstimmung durchzuführen." Zur Begründung wiesen sie darauf hin, dass sich aus dem am 2. September 1985 dem Grossen Rat eröffneten Untersuchungsbericht der Besonderen Untersuchungskommission (BUK) zum Bericht Hafner ergebe, dass dem Propaganda-Komitee "Aktion Bernisches Laufental" nebst einem im Jahre 1980 entrichteten Betrag von Fr. 60'000.-- weitere Fr. 273'281.-- aus den SEVA-Lotteriegeldern für Abstimmungspropaganda bezahlt worden seien. Durch diese massive pro-bernische Propaganda sei das Abstimmungsergebnis wesentlich verfälscht worden. Die Beschwerdefrist von drei Tagen seit der Entdeckung des Beschwerdegrundes gemäss Art. 89 Abs. 2 des Gesetzes über die politischen Rechte vom 5. Mai 1980 sei eingehalten; die weitere Bestimmung, wonach spätestens nach drei Tagen nach Veröffentlichung einer Abstimmung die Beschwerde erhoben werden müsse, könne nicht zur Anwendung gelangen, da die Mängel ja erst jetzt entdeckt worden seien.
Am 18. November 1985 entschied der Grosse Rat, auf die Beschwerde nicht einzutreten. Zur Begründung führte er aus, die klare gesetzliche Regelung, wonach die Beschwerde spätestens drei Tage nach der Veröffentlichung der Ergebnisse der Abstimmung einzureichen sei, sei nicht eingehalten worden. Es könne auch nicht auf den Erwahrungsbeschluss des Grossen Rates vom 7. November 1983 zurückgekommen werden, denn hiezu fehle es an einer positiven Rechtsgrundlage; und aus Gründen der Rechtssicherheit erscheine dies auch als unhaltbar.
Hiergegen erhoben Heinz Aebi, Konrad Düblin, Alfred Jeker, Ernst Mani und Walter Schmidlin am 28. Dezember 1985 staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht wegen Verletzung des Stimmrechts (Art. 85 lit. a OG) und wegen Verletzung von Art. 4 BV. Sie beantragen, der Entscheid des Grossen Rates des Kantons Bern vom 18. November 1985 sei aufzuheben; dieser sei anzuweisen, auf die Abstimmungsbeschwerde vom 3. September 1985 einzutreten und diese materiell zu entscheiden.
Aus den Erwägungen:
1. a) Die staatsrechtliche Beschwerde ist grundsätzlich bloss kassatorischer Natur (
BGE 112 Ia 211 f. E. 1c, 225 E. 1c, mit Hinweisen). Dies gilt auch für die Stimmrechtsbeschwerde (
BGE 107 Ia 219 E. 1b mit Hinweisen). Der Erlass positiver Anordnungen kann daher in der Regel nicht verlangt werden. Eine Ausnahme
BGE 113 Ia 146 S. 149
gilt nur, wenn der verfassungsmässige Zustand nicht schon mit der Aufhebung des angefochtenen Entscheides hergestellt wird. Eine solche Ausnahme besteht im vorliegenden Fall nicht. Deshalb ist auf die Beschwerde nicht einzutreten, soweit damit mehr als die Aufhebung des Entscheides des Grossen Rates des Kantons Bern vom 18. November 1985 verlangt wird.
b) Die Beschwerdeführer rügen zur Hauptsache eine Verletzung ihres politischen Stimmrechts. Sie sind unbestrittenermassen stimmberechtigte Einwohner des Amtsbezirkes Laufen. Als solche sind sie zur Stimmrechtsbeschwerde nach
Art. 85 lit. a OG legitimiert (
BGE 112 Ia 211 E. 1a, 224 E. 1a;
BGE 111 Ia 116 E. 1a mit Hinweisen).
Mit der Verletzung ihres Stimmrechts rügen die Beschwerdeführer auch eine solche von
Art. 4 BV. Soweit im Rahmen dieser Verfassungsbestimmung zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführer sich auf den von Lehre und Rechtsprechung unmittelbar daraus abgeleiteten Anspruch auf Wiedererwägung eines Entscheides - hier also des die Abstimmung vom 11. September 1983 betreffenden Erwahrungsentscheides - berufen können und ob dieser Anspruch verletzt worden ist, betrifft dies der Sache nach eine Frage ihres Stimmrechts; es würde auf eine Verletzung ihres Stimmrechts hinauslaufen, wenn der Grosse Rat des Kantons Bern mit seinem Entscheid vom 18. November 1985 zu Unrecht nicht auf ihre als Wiedererwägungsgesuch zu verstehende Beschwerde vom 3. September 1985 eingetreten wäre. Insofern sie dies in ihrer Beschwerde geltend machen, sind sie daher auch hinsichtlich der Rüge der Verletzung von
Art. 4 BV zur Stimmrechtsbeschwerde legitimiert. Nebstdem kommt der von den Beschwerdeführern zusätzlich erhobenen Rüge der Verletzung des Rechtsgleichheitsgebotes eine nur untergeordnete Bedeutung zu. Ob sie - was nicht nach Art. 85 lit. a, sondern nach
Art. 88 OG zu prüfen wäre - auch zu dieser Rüge legitimiert sind (vgl. hiezu
BGE 111 Ia 117 E. 1b mit Hinweisen), kann unter den gegebenen Umständen offenbleiben.
2. Nach Art. 89 Abs. 2 des bernischen Gesetzes über die politischen Rechte vom 5. Mai 1980 (GPR) ist eine Beschwerde innert drei Tagen seit der Entdeckung der Beschwerdegründe, spätestens aber drei Tage nach der Veröffentlichung der Ergebnisse einer Abstimmung oder Wahl, beim Regierungsrat einzureichen. Es steht unbestrittenermassen fest, dass die Beschwerdeführer die letztere Frist nicht eingehalten haben. Entgegen ihrer
BGE 113 Ia 146 S. 150
Meinung kann jedoch auf dieses zweite Erfordernis nicht verzichtet werden. Wie der Grosse Rat zu Recht ausführte, kann es aus Gründen der Rechtssicherheit nicht in Frage kommen, den Beginn der Beschwerdefrist wegen der Entdeckung irgendwelcher Beschwerdegründe zu verschieben. Daran vermögen auch Gründe wie der von den Beschwerdeführern geltend gemachte Grundsatz von Recht und Billigkeit nichts zu ändern. Insofern entschied der Grosse Rat daher zutreffend, auf ihr Gesuch vom 3. September 1985 nicht im Sinne einer förmlichen Beschwerde einzutreten. Dies besagt jedoch nicht, dass sie keine Möglichkeit mehr hätten, eine Überprüfung ihrer Vorbringen erreichen zu können.
3. In Wirklichkeit erweist sich nämlich das von den Beschwerdeführern am 3. September 1985 gestellte Begehren "an die Staatskanzlei z.H. des zuständigen Entscheidungsorgans" als ein solches um Wiedererwägung oder Revision, stützt es sich doch auf neue Tatsachen und Beweismittel, die ihnen bis zum Ablauf der Beschwerdefrist noch nicht bekannt gewesen sein sollen. Der Grosse Rat überprüfte die Eintretensfrage denn auch zusätzlich unter diesem Gesichtspunkt, fand jedoch keine rechtliche Grundlage für ein Zurückkommen auf den Abstimmungsentscheid bzw. den Erwahrungsbeschluss; vielmehr nahm er ein qualifiziertes Schweigen des Verfassungsgebers an, das keinen Raum für eine Interpretation lasse und ein Zurückkommen verunmögliche. Dieser Auffassung kann jedoch aus folgenden Gründen nicht beigepflichtet werden.
a) Wiedererwägungs- und Revisionsersuchen im Verwaltungsverfahrensrecht sind Gesuche an eine Behörde, eine rechtskräftige Verfügung aufzuheben oder abzuändern (vgl. ANDRÉ GRISEL, Traité de droit administratif, Band II, S. 947; FRITZ GYGI, Verwaltungsrecht, S. 308 ff., 311 ff. und 316; FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Auflage, S. 220 und 260 ff.; PETER SALADIN, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, S. 166). Die Terminologie in Gesetzgebung, Lehre und Praxis ist nicht einheitlich, und oftmals wird zwischen Wiedererwägung und Revision nicht unterschieden. Soweit ein Unterschied vorgenommen wird, ist das Revisionsgesuch an Fristen und Formen gebunden, das Wiedererwägungsgesuch jedoch nicht (so z.B. GRISEL, a.a.O., S. 947;
BGE 109 Ib 252 E. 4a). Beiden Rechtsbehelfen ist gemeinsam, dass unter bestimmten Voraussetzungen von einer Behörde verlangt werden kann, auf ihren früher gefassten, in Rechtskraft erwachsenen Entscheid zurückzukommen (s. die bereits angeführten Zitate).
Wiedererwägung und Revision sind zunächst immer dort zulässig, wo sie gesetzlich vorgesehen sind. In der Bundesrechtspflege ist die Revision in
Art. 66 VwVG und Art. 136 f. OG geregelt. Nach
Art. 66 VwVG zieht die Beschwerdeinstanz ihren Beschwerdeentscheid von Amtes wegen oder auf Begehren einer Partei in Revision, wenn ihn ein Verbrechen oder Vergehen beeinflusst hat (Abs. 1), wenn eine Partei neue erhebliche Tatsachen oder Beweismittel vorbringt (Abs. 2 lit. a) oder nachweist, dass die Beschwerdeinstanz aktenkundige erhebliche Tatsachen oder bestimmte Begehren übersehen hat (Abs. 2 lit. b), oder wenn sie nachweist, dass die Beschwerdeinstanz die Bestimmungen über den Ausstand, die Akteneinsicht oder das rechtliche Gehör verletzt hat (Abs. 2 lit. c). Bei Vorliegen eines Irrtums von seiten der Behörden können die Parteien also über
Art. 66 VwVG ein Revisionsbegehren stellen. A fortiori sind sie berechtigt, bei Entdeckung eines Revisionsgrundes erst nach Ablauf der Beschwerdefrist bei der verfügenden Behörde ein Wiedererwägungsgesuch einzureichen, wie dies die Lehre aus
Art. 66 VwVG zu Recht ableitet (vgl. BGE
BGE 109 Ib 250 E. 4a mit Hinweis auf THOMAS FLEINER-GERSTER, Grundzüge des allgemeinen und schweizerischen Verwaltungsrechts, 2. Auflage, S. 277 N. 56; ebenso GRISEL, a.a.O., S. 948 Ziff. 3a; s. auch SALADIN, a.a.O., S. 98 ff.). Lehre und bundesgerichtliche Rechtsprechung haben seit längerer Zeit eine Praxis entwickelt, wonach die Steuerbehörden eine Steuerveranlagung unter bestimmten Voraussetzungen in Revision zu ziehen haben, auch wenn diese gesetzlich nicht vorgesehen ist (
BGE 111 Ib 210;
BGE 105 Ib 251 ff.;
BGE 103 Ib 88;
98 Ia 572 f. E. 5b, je mit Hinweisen; MAX IMBODEN/RENÉ A. RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. Auflage, Nr. 43 B Ziff. I S. 262 f.; GRISEL, a.a.O., S. 949 Ziff. 3c). Ebenfalls im Sozialversicherungsrecht anerkennt das Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung, dass die Verwaltungsbehörden Entscheidungen, die sich aufgrund von neu entdeckten Tatsachen und Beweismaterialien als fehlerhaft erweisen, selbst bei Fehlen gesetzlicher Bestimmungen in Wiedererwägung zu ziehen haben (
BGE 102 V 17; vgl. SALADIN, a.a.O., S. 99).
Wo eine solche Verpflichtung weder gesetzlich vorgesehen noch von einer ständigen Verwaltungspraxis anerkannt ist, sind die aus
Art. 4 BV abgeleiteten Grundsätze massgebend. Sie gehen dem kantonalen Recht vor, wenn dieses eine Verpflichtung überhaupt verneint oder einer solchen nur eine hinter den Anforderungen von
Art. 4 BV zurückbleibende Tragweite verleiht (
BGE 100 Ib 371 E. 3a).
BGE 113 Ia 146 S. 152
Gemäss den von Rechtsprechung und Lehre aus
Art. 4 BV abgeleiteten Grundsätzen ist eine Behörde dann verpflichtet, sich mit einem Wiedererwägungsgesuch zu befassen, wenn die Umstände sich seit dem ersten Entscheid wesentlich geändert haben, oder wenn der Gesuchsteller erhebliche Tatsachen und Beweismittel namhaft macht, die ihm im früheren Verfahren nicht bekannt waren oder die schon damals geltend zu machen für ihn rechtlich oder tatsächlich unmöglich war oder keine Veranlassung bestand (
BGE 109 Ib 251 f. E. 4a;
BGE 100 Ib 371 f. E. 3a, mit Hinweisen).
b) Das bernische Recht sieht eine Wiedererwägung oder Revision im kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetz vom 22. Oktober 1961 (VRPG) vor. Es handelt sich um das "neue Recht", welches in Art. 75 ff. VRPG geregelt ist. Danach können Parteien und Beigeladene um Abänderung oder Aufhebung eines in Rechtskraft erwachsenen Entscheides ersuchen (Art. 75 Abs. 1 VRPG), wenn
1. sie Beweismittel, die zur Erwahrung erheblicher Tatsachen dienen, erst seit der Beurteilung der Sache entdeckt oder zur Hand gebracht haben;
2. ihnen seit der Beurteilung der Sache neue, für die Entscheidung erhebliche Tatsachen bekannt geworden sind;
3. durch eine strafbare Handlung auf den Entscheid in erheblicher Weise eingewirkt wurde.
Es stellt sich die Frage, ob das "neue Recht" gemäss Art. 75 ff. VRPG auch für Wahl- und Abstimmungsverfahren zur Anwendung gelangen kann. Dem steht vorerst entgegen, dass das Gesetz über die politischen Rechte vom 5. Mai 1980 die Abstimmungs- und Wahlverfahren abschliessend regelt. Zwar sieht Art. 95 Abs. 1 GPR vor, dass in den Beschwerdeverfahren, in denen der Regierungsrat endgültig entscheidet, im übrigen die Vorschriften des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege gelten. Ob damit auch die Bestimmungen über das "neue Recht" zur Anwendung gelangen können, kann hier jedoch offengelassen werden, da für die Anfechtung der Ergebnisse einer kantonalen Abstimmung oder Wahl der Grosse Rat auf Antrag des Regierungsrates zu entscheiden hat (Art. 93 Abs. 2 GPR) und Art. 95 Abs. 1 GPR somit keine Anwendung findet; der Grosse Rat ist keine Verwaltungsjustizbehörde im Sinne von Art. 1 VRPG, so dass dieses Gesetz für ein vor ihm hängiges Verfahren nicht unmittelbar anwendbar ist. Letztlich liesse sich allerdings noch fragen, ob die Bestimmungen des "neuen Rechts" gemäss Art. 75 ff. VRPG in einem Fall wie
BGE 113 Ia 146 S. 153
dem vorliegenden analog anwendbar sein könnten. Der Grosse Rat schloss eine solche analoge Anwendbarkeit aber sinngemäss aus, indem er im angefochtenen Entscheid ausführte, dafür, auf seinen Erwahrungsbeschluss vom 7. November 1983 zurückzukommen, fehle es an einer positiven Rechtsgrundlage, und aus Gründen der Rechtssicherheit erscheine ein Zurückkommen ohnehin als unhaltbar. Auch die Beschwerdeführer berufen sich nicht auf eine derartige analoge Anwendbarkeit der Bestimmungen gemäss Art. 75 ff. VRPG. Die Frage kann jedoch offenbleiben, denn es liegt in der Natur der Sache, dass ebenfalls in bezug auf einen Erwahrungsbeschluss über Abstimmungen und Wahlen die Möglichkeit einer Wiedererwägung gegeben sein muss, dies selbst dann, wenn entsprechende gesetzliche Vorschriften fehlen. Wenn nachträglich eine massive Beeinflussung einer Wahl oder Abstimmung zutage tritt, dann muss
Art. 4 BV den Betroffenen unmittelbar ein Recht auf Überprüfung der Regularität der betreffenden Wahl oder Abstimmung geben. Auch im vorliegenden Fall haben also die oben (lit. a) dargelegten, aus
Art. 4 BV abgeleiteten Grundsätze zu gelten, wonach sich eine Behörde dann mit einem Wiedererwägungsgesuch zu befassen hat, wenn der Gesuchsteller erhebliche Tatsachen oder Beweismittel geltend macht, die ihm während des Wahl- bzw. Abstimmungsverfahrens und der im Anschluss daran laufenden Beschwerdefrist nicht bekannt waren oder die schon damals geltend zu machen für ihn unmöglich war oder keine Veranlassung bestand. Es wäre stossend und schlechterdings nicht vertretbar, wenn Unregelmässigkeiten oder gar massive Wahlfälschungen, welche das Wahl- oder Abstimmungsresultat beeinflusst haben, nur deshalb nicht mehr zu einer Überprüfung des Validierungsbeschlusses führen könnten, weil die entsprechenden Tatsachen oder Beweismittel erst nach Ablauf der Beschwerdefrist entdeckt wurden.
c) Die Behörde hat auf ein Wiedererwägungsgesuch hin zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen, unter denen sie zur Wiedererwägung verpflichtet ist, erfüllt sind. Ist dies der Fall, so hat sie, nötigenfalls nach Ergänzung der Akten, einen neuen Sachentscheid zu treffen, gegen den normalerweise die gewöhnlichen Rechtsmittel offenstehen. Findet sie jedoch, dass die verlangten Voraussetzungen nicht erfüllt sind, so darf sie die materielle Prüfung des Gesuches ablehnen, ohne dass ihr Entscheid eine neue Frist zur Beschwerde in der Sache selbst in Gang setzt; der Gesuchsteller kann dann mit Beschwerde bloss geltend machen, die
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Behörde habe zu Unrecht das Bestehen der Eintretensvoraussetzungen verneint (
BGE 109 Ib 251 E. 4a mit Hinweis). Eine Behörde, die es ablehnt, auf ein Begehren um Wiedererwägung eines Entscheides einzutreten, obwohl die Voraussetzungen dafür erfüllt wären, verletzt
Art. 4 BV.
d) Hinsichtlich der Frist, innert der ein Wiedererwägungsgesuch gestellt werden kann, ist der vom Regierungsrat in seiner Vernehmlassung vom 5. März 1986 bekundeten Auffassung insoweit beizupflichten, als nicht jede noch so weit zurückliegende Abstimmung bei Entdeckung von eventuell wesentlichen Formfehlern noch angefochten werden kann; auch der Möglichkeit der Wiedererwägung müssen aus Gründen der Rechtssicherheit zeitliche Grenzen gesetzt sein. Wenn es um schwerwiegende, verborgen gehaltene Mängel geht, kann es sich dabei aber nur um langfristige Grenzen handeln und nicht um eine blosse Dreitagesfrist, wie sie in Art. 89 Abs. 2 GPR vorgesehen ist. Im öffentlichen Recht sind Verjährungs- oder Verwirkungsfristen oft nicht geregelt, so dass sie durch Richterrecht geschaffen werden müssen (s.
BGE 112 Ia 262 ff. E. 5 mit Hinweisen). Erwähnt seien in diesem Zusammenhang etwa die fünfjährige Verjährungsfrist bei Ansprüchen aus dem Nationalstrassenbau (
BGE 105 Ib 14), die zehnjährige Verjährungsfrist bei Ansprüchen aus materieller Enteignung bei Fehlen kantonalrechtlicher Bestimmungen (
BGE 111 Ib 272 und
BGE 108 Ib 340) und die dreissigjährige Verwirkungsfrist für den Abbruch rechtswidrig erstellter Bauten (
BGE 107 Ia 124). In einem Stimmrechtsfall der vorliegenden Art könnte unter Umständen auch eine analoge Anwendung von
Art. 60 OR in Frage kommen, was eine absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren seit der Abstimmung und eine relative Verjährungsfrist von einem Jahr ab Kenntnisnahme der beanstandeten Intervention bedeuten würde. Welche derartige absolute und relative Verjährungs- bzw. welche Verwirkungsfrist in der vorliegenden Sache tatsächlich gelten soll, kann allerdings offenbleiben. Nachdem das Wiedererwägungsgesuch bereits knapp zwei Jahre nach der fraglichen Abstimmung und an dem der Bekanntgabe der beanstandeten Intervention folgenden Tag eingereicht wurde, ist hier eine solche Frist noch keinesfalls abgelaufen.
e) Die Beschwerdeführer haben unter Hinweis auf die Veröffentlichung des Untersuchungsberichts der BUK substantiiert dargetan, erst aufgrund dieser Veröffentlichung erfahren zu haben, dass von seiten der Regierung Fr. 333'281.-- an das Propagandakomitee "Aktion bernisches Laufental" bezahlt worden seien. Sie halten
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dafür, dass die Abstimmung dadurch massiv beeinflusst und gefälscht worden sei und dass ohne diesen Zufluss von Geldern ein gegenteiliges Resultat hätte erzielt werden können. Über diese - wie ausgeführt jedenfalls noch rechtzeitig geltend gemachten - neuen Vorbringen kann nicht hinweggesehen werden.
Von dem im kantonalen Verfahren mehrfach erwähnten Bundesgerichtsurteil i.S. L. Theiler gegen den Grossen Rat des Kantons Bern vom 21. Juni 1985 unterscheidet sich der hier zu beurteilende Fall einmal darin, dass es damals nicht um eine Wiedererwägung, sondern um die Beschwerdefrist als solche ging. Zum andern erfordern Entscheide der vorliegenden Art immer eine Gewichtung. Im Rahmen der aus Art. 4 BV abgeleiteten Grundsätze, wie sie oben (lit. a) dargelegt worden sind, kann selbstverständlich keine Rede davon sein, dass jede geringfügige neue Erkenntnis über einen Formfehler bei der Abstimmung einen Wiedererwägungsanspruch verleiht. Vielmehr muss es sich um gravierende Mängel handeln, die ihrer Bedeutung nach mit den eigentlichen Revisionsgründen des Verwaltungsverfahrens- und auch des Zivil- oder Strafprozessrechtes auf eine Ebene zu stellen sind. Eine Gewichtung vorzunehmen, ist in Fällen dieser Art nicht zu umgehen; sie fällt dem Bundesgericht auch in vielen Fällen anderer Natur zu, vor allem bei jeder Interessenabwägung und bei der Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit. Diese Gewichtung muss hier klar zugunsten der Erheblichkeit der neu entdeckten Tatsachen ausfallen. Es genügt, die aus kantonalen Mitteln ohne Wissen des Parlamentes und des Volkes aufgewendete Summe durch die Zahl der Stimmberechtigten des Laufentals zu dividieren, um zu erkennen, wie erheblich diese Einflussnahme war. Demnach ist festzustellen, dass der Grosse Rat des Kantons Bern wegen der Erheblichkeit der neu entdeckten Tatsachen auf das von den Beschwerdeführern am 3. September 1985 gestellte Wiedererwägungsgesuch hätte eintreten müssen.
Damit ist allerdings noch nichts über die Frage der Erlaubtheit oder Unerlaubtheit der Einflussnahme gesagt. Diese Frage, also die Frage der materiellen Begründetheit des Gesuchs, bildet nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, sondern wird von der für die Wiedererwägung zuständigen Behörde zu beurteilen sein. Die im angefochtenen Entscheid (in Ziff. 2.5. der Erwägungen) enthaltene kurze Stellungnahme des Grossen Rates zur Frage der Erheblichkeit der Einflussnahme auf die Abstimmung vermag
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jedenfalls keine ausreichende Beurteilung der materiellen Vorbringen der Beschwerdeführer darzustellen.
f) Somit ist die staatsrechtliche Beschwerde im Sinne der vorstehenden Erwägungen gutzuheissen, soweit darauf eingetreten werden kann, und der Entscheid des Grossen Rates des Kantons Bern vom 18. November 1985 ist aufzuheben.
Es drängt sich auf, die das Abstimmungs- und Wahlbeschwerdeverfahren betreffende Bestimmung des Art. 93 GPR im Falle einer auf diesem Gebiet vorzunehmenden Wiedererwägung analog anzuwenden, wie dies der Grosse Rat getan hat. Entsprechend ist nach Art. 93 Abs. 2 GPR er selbst die zur materiellen Beurteilung des Wiedererwägungsgesuchs zuständige Behörde. Der Regierungsrat kommt nur als antragstellende Behörde in Betracht, wobei hier offenbleiben kann, ob ihn eine Antragspflicht trifft oder ob er bei einer besonderen Konstellation wie der vorliegenden vom Grossen Rat auch von der Instruktion der Sache entbunden werden kann.