122 V 221
Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Urteilskopf
122 V 221
33. Urteil vom 30. April 1996 i.S. Amt für Sozialbeiträge Basel-Stadt, gegen M. und Kantonale Rekurskommission für die Ausgleichskassen, Basel
Regeste
Art. 47 Abs. 1 AHVG, Art. 27 Abs. 1 ELV.
Kommt es wegen rückwirkend ausbezahlter Rentenleistungen zu einer Rückerstattung von Ergänzungsleistungen, stellt diese insoweit keine grosse Härte dar, als die aus den entsprechenden Nachzahlungen stammenden Mittel im Zeitpunkt, in dem die Rückzahlung erfolgen sollte, noch vorhanden sind (Präzisierung der Rechtsprechung).
A.- Die 1958 geborene M. bezieht seit Juli 1990 zu ihrer Rente der Invalidenversicherung Ergänzungsleistungen und kantonale Beihilfen. Mit Verfügung vom 18. Juni 1991 wurde sie vom Amt für Sozialbeiträge Basel-Stadt zur Rückerstattung der von Juli 1990 bis Juni 1991 zu viel bezogenen Leistungen von insgesamt Fr. 6'948.-- verhalten. Anlass hiezu gab eine Neuberechnung des Ergänzungsleistungsanspruchs, nachdem die Versicherte dem Amt ein Schreiben der Rentenanstalt vom 4. April 1991 weitergeleitet
BGE 122 V 221 S. 222
hatte, wonach ihr nunmehr nach Ablauf der vertraglichen Wartefrist von 24 Monaten rückwirkend ab Februar 1989 eine Invalidenrente von jährlich Fr. 6'947.-- ausgerichtet werde, was für die Zeit von Februar 1989 bis Juni 1991 zu einer Nachzahlung von Fr. 16'791.-- führe.Die Kantonale Rekurskommission für die Ausgleichskassen, Basel, wies die gegen die Rückerstattungsverfügung erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 10. Dezember 1991 ab. Dieser Entscheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Am 1. April 1992 ersuchte M. das Amt für Sozialbeiträge um Erlass der Rückerstattung, welches Begehren mangels guten Glaubens mit Verfügung vom 7. April 1992 abgewiesen wurde.
B.- Die Kantonale Rekurskommission für die Ausgleichskassen, Basel, hiess die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 14. Januar 1993 gut, indem sie die angefochtene Verfügung aufhob und M. die Rückerstattung von Fr. 6'948.-- erliess.
C.- Das Amt für Sozialbeiträge Basel-Stadt beantragt mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides. Zur Begründung wird dem Sinne nach ausgeführt, dass sich die Versicherte unter den gegebenen Umständen nicht auf ihren guten Glauben berufen könne; zwar sei sie im Zeitpunkt des Leistungsbezuges gutgläubig gewesen, doch hätte ihr bekannt sein müssen, dass die rückwirkend ausgerichtete Invalidenrente mit den bereits erbrachten Ergänzungsleistungen zu kompensieren seien.
Während sich M. nicht vernehmen liess, schliesst das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann gemäss Art. 128 OG in Verbindung mit Art. 97 OG und Art. 5 Abs. 1 VwVG nur insoweit eingetreten werden, als sie sich auf bundesrechtliche Ergänzungsleistungen im Sinne des ELG und nicht auf kantonale Beihilfen bezieht (ZAK 1976 S. 190 Erw. 1b).
2. Nachdem die Frage der Rückerstattung bereits rechtskräftig entschieden wurde, kann sie im vorliegenden Verfahren nicht wieder aufgegriffen werden (vgl. AHI 1994 S. 122 Erw. 1). Folglich ist hier nur mehr streitig, ob die Vorinstanz die Erlassvoraussetzungen zu Recht als erfüllt erachtet hat.
Nach ständiger Rechtsprechung geht es somit nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen im Sinne von Art. 132 OG (BGE 112 V 100 Erw. 1b mit Hinweisen). Das Eidg. Versicherungsgericht hat demnach einzig zu prüfen, ob der vorinstanzliche Richter Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
3. Das kantonale Gericht hat die massgebenden Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen über die Voraussetzungen für den Erlass der Rückerstattung zu Unrecht bezogener Ergänzungsleistungen (Art. 27 Abs. 1 ELV in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 AHVG und Art. 79 AHVV) sowie die nach der Rechtsprechung für die Beurteilung des guten Glaubens des Leistungsbezügers entscheidenden Kriterien (BGE 110 V 180 f. Erw. 3c und d, BGE 102 V 246 Erw. b; ZAK 1983 S. 508 Erw. 3, je mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt für die Erwägungen über die den Ergänzungsleistungsbezügern obliegende Meldepflicht (Art. 24 ELV). Auf die entsprechenden Ausführungen kann ohne weiteres verwiesen werden.
Bezüglich der Erlassvoraussetzungen ist zu ergänzen, dass die Rechtsprechung unterscheidet zwischen dem guten Glauben als fehlendem Unrechtsbewusstsein und der Frage, ob sich jemand unter den gegebenen Umständen auf den guten Glauben berufen kann und ob er bei zumutbarer Aufmerksamkeit den bestehenden Rechtsmangel hätte erkennen sollen. Die Frage nach dem Unrechtsbewusstsein gehört zum inneren Tatbestand und ist daher Tatfrage, die nach Massgabe von Art. 105 Abs. 2 OG von der Vorinstanz verbindlich beantwortet wird. Demgegenüber gilt die Frage nach der Anwendung der gebotenen Aufmerksamkeit als frei überprüfbare Rechtsfrage, soweit es darum geht, festzustellen, ob sich jemand angesichts der jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse auf den guten Glauben berufen kann (BGE 102 V 246 Erw. b; AHI 1994 S. 123 Erw. 2c mit weiteren Hinweisen).
4. a) Hinsichtlich der Frage des guten Glaubens hat die Vorinstanz erkannt, dass sich die Beschwerdegegnerin bis zum Empfang des Schreibens der Rentenanstalt vom 4. April 1991, mit dem sie über den Umfang ihres vorsorgerechtlichen Invalidenleistungsanspruchs unterrichtet wurde, des Unrechts ihres Ergänzungsleistungsbezugs nicht bewusst war. Damit liegt nach dem Gesagten (Erw. 3) eine Feststellung tatsächlicher Art vor, und da
BGE 122 V 221 S. 224
weder dargetan noch ersichtlich ist, inwiefern sie mit einem Mangel im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG behaftet sein könnte, bleibt das Eidg. Versicherungsgericht daran gebunden (Erw. 2).Im weiteren kann dem kantonalen Gericht insoweit beigepflichtet werden, als es der Beschwerdegegnerin unter den gegebenen Umständen auch die Berufung auf den guten Glauben zugestanden hat. Immerhin setzte sie die Verwaltung nach Erhalt der Mitteilung über ihre zusätzlichen Einkünfte gemäss den verbindlichen Feststellungen im vorinstanzlichen Entscheid noch im gleichen Monat April 1991 ins Bild, womit sie dem in Art. 24 ELV verankerten Erfordernis der "unverzüglichen Mitteilung" genügte. Dass sie zu dieser Meldung bereits früher gehalten gewesen wäre, trifft nicht zu. Denn vor der Anfang April 1991 erfolgten Mitteilung der Rentenanstalt waren weder der Umfang der vorsorgerechtlichen Invalidenleistungen noch der Zeitpunkt ihrer Ausrichtung bekannt. Damit hätte die Meldung an die Durchführungsstelle höchstens ermöglicht, die Verfügung über die Ergänzungsleistungen an eine Bedingung zu knüpfen oder unter einen Vorbehalt zu stellen. Hingegen wäre der hypothetische Rentenanspruch auf die Höhe der laufenden Ergänzungsleistungen von vornherein ohne Einfluss geblieben, da diese grundsätzlich nach Massgabe der tatsächlich vereinnahmten Einkünfte und vorhandenen Vermögenswerte zu ermitteln ist (vgl. BGE 115 V 353 am Ende Erw. 5c; AHI 1994 S. 216 Mitte). Endlich kann der Beschwerdegegnerin trotz der ihr obliegenden Mitwirkungspflicht (vgl. BGE 120 V 360 Erw. 1a mit Hinweis) auch nicht vorgeworfen werden, nicht bereits bei der Anmeldung zum Ergänzungsleistungsbezug auf ihr hängiges Begehren gegenüber der Rentenanstalt verwiesen zu haben. Jedenfalls liesse sich insofern der Vorwurf grober Fahrlässigkeit nicht halten, wie das kantonale Gericht zu Recht erkannt hat.
b) Kann nach dem Gesagten der gute Glaube der Beschwerdegegnerin bejaht werden, bleibt im folgenden die weitere Erlassvoraussetzung der grossen Härte (Art. 47 Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 ELV) zu prüfen. Erst in diesem Zusammenhang wird auch auf die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobenen Einwände einzugehen sein. Denn entgegen dem beschwerdeführenden Amt beschlägt die von ihm angeschnittene Problematik weniger den Bereich des guten Glaubens als vielmehr die mit dem Erfordernis der grossen Härte angesprochene wirtschaftliche Situation der von der Rückerstattung betroffenen Person.
5. a) Eine grosse Härte im Sinne von Art. 47 Abs. 1 AHVG liegt gemäss der im wesentlichen auf das Urteil N. vom 16. März 1972 (ZAK 1973 S. 198) zurückgehenden und nach grundsätzlicher Überprüfung in BGE 107 V 79 (vgl. ferner BGE 108 V 59 Erw. 2b) nur mehr hinsichtlich des prozentualen Zuschlags modifizierten Rechtsprechung vor, wenn zwei Drittel des anrechenbaren Einkommens (und der allenfalls hinzuzurechnende Vermögensteil) die nach Art. 42 Abs. 1 AHVG anwendbare und um 50% erhöhte Einkommensgrenze nicht erreichen. Für die Ermittlung des anrechenbaren Einkommens und des hinzuzurechnenden Vermögensteils gelten die Regeln der Art. 56 ff. AHVV. Massgebend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse, wie sie im Zeitpunkt vorliegen, da der Rückerstattungspflichtige bezahlen sollte (zum Ganzen vgl. BGE 116 V 12 Erw. 2a und 293 Erw. 2c, je mit Hinweisen; ferner SVR 1995 AHV Nr. 61 S. 182 f. Erw. 4 und SZS 1992 S. 117 Erw. 3b; ERWIN CARIGIET, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, Zürich 1995, S. 178; zur Entwicklung der Rechtsprechung vgl. MEYER-BLASER, Die Rückerstattung von Sozialversicherungsleistungen, ZBJV 131/1995 S. 484 f. sowie FRITZ WIDMER, Die Rückerstattung unrechtmässig bezogener Leistungen in den Sozialversicherungen, Basler Diss. 1984, S. 158 ff.).
b) In Anwendung dieser Rechtsprechung hat das Eidg. Versicherungsgericht verschiedentlich erkannt, dass das Vorliegen einer grossen Härte bei einem Versicherten, dessen Einkommen die massgebende Grenze unterschreitet, nicht schon deshalb verneint werden könne, weil er über ein gewisses Vermögen verfüge. Diese Aussage lässt sich bereits dem in ZAK 1973 S. 198 veröffentlichten Urteil N. vom 16. März 1972 entnehmen (a.a.O., S. 201 oben), wie namentlich in BGE 111 V 134 Erw. 4c unmissverständlich klargestellt wurde ("... il résulte, en effet, clairement de cet arrêt que, lorsque le revenu de l'assuré n'atteint pas la limite déterminante en l'occurence, l'existence d'une situation difficile ne peut pas être niée du seul fait que l'assuré jouit d'une certaine fortune"). In der Folge ist diese Rechtsprechung nicht nur stillschweigend angewendet (unveröffentlichtes Urteil K. vom 30. Oktober 1989), sondern auch ausdrücklich (unveröffentlichtes Urteil R. vom 18. Oktober 1990) bestätigt worden. Dabei führte das Eidg. Versicherungsgericht zuletzt aus, dass das Vermögen eines Versicherten für die Beurteilung seiner Rückzahlungsfähigkeit und des Vorliegens eines Härtefalles nur in seiner "Einkommensrelevanz" massgeblich sei, indem einerseits der Vermögensertrag und anderseits ein Fünfzehntel (vgl. Art. 60 Abs. 2 AHVV) des nach Abzug
BGE 122 V 221 S. 226
der Rückerstattungsschuld und des in Art. 60 Abs. 1 AHVV aufgeführten "Notpfennigs" verbleibenden Nettobetrages als Einkommen angerechnet werde; darüber hinaus könne das Vermögen nicht weiter berücksichtigt werden.c) Eine Einschränkung hat der Anwendungsbereich des Erlasses durch die Rechtsprechung hingegen dort erfahren, wo der Verwaltung die Möglichkeit der Verrechnung offensteht. Gerade im Zusammenhang mit Art. 27 Abs. 2 ELV, wonach Rückforderungen von Ergänzungsleistungen mit fälligen Leistungen aufgrund des ELG sowie des AHVG und des IVG verrechnet werden können, hat das Eidg. Versicherungsgericht erkannt, dass bei dieser Verrechnung ein Erlass nur dann in Betracht fällt, wenn sie mit laufenden oder künftig fällig werdenden Leistungen erfolgt. Anderes gilt jedoch, wenn es darum geht, dem Versicherten bereits ausbezahlte Leistungen durch gleich hohe, unter anderem Titel geschuldete zu ersetzen und die beiden Betreffnisse miteinander zu verrechnen. Hier besteht lediglich ein anderer Rechtsgrund für die geschuldeten Leistungen; das Vermögen des Rückerstattungspflichtigen erfährt keine Veränderung, die zu einem Härtefall im Sinne von Art. 47 Abs. 1 AHVG führen könne, weshalb die Frage des Erlasses nicht zu prüfen ist (ZAK 1977 S. 195 f. Erw. 3). - Wie das Eidg. Versicherungsgericht später entschieden hat, handelt es sich dabei um einen allgemeinen Grundsatz des Sozialversicherungsrechts, der stets angewendet werden muss, wenn der Erlass einer verrechnungsweise geltend gemachten Rückforderung zu prüfen ist (ARV 1987 Nr. 13 S. 120 Erw. 3b; vgl. ferner BGE 116 V 297 Erw. 5b).
6. a) Das beschwerdeführende Amt bringt - mit Unterstützung des BSV - sinngemäss vor, dass die dargelegte Rechtsprechung und die darauf gründende Verwaltungspraxis (vgl. Rz. 7042 der Wegleitung über die Ergänzungsleistungen zur AHV/IV [WEL], gültig ab 1. Januar 1995) zum Erlass insofern nicht überzeugen würden, als häufig selbst nach Berücksichtigung der nachträglich zugeflossenen Mittel auf eine grosse Härte zu erkennen sei. Damit würden Bezüger von Ergänzungsleistungen von der Situation profitieren, dass etwa ausländische Renten regelmässig erst nach Jahren rückwirkend zur Auszahlung gelangten.
b) Tatsächlich verhält es sich im vorliegenden Fall so, dass die gutgläubige Beschwerdegegnerin nach bisheriger Rechtsprechung in den Genuss der Rechtswohltat des Erlasses gelangen würde, weil die ihr nachträglich zugeflossenen vorsorgerechtlichen Invalidenleistungen von Fr. 16'791.-- der
BGE 122 V 221 S. 227
Annahme einer grossen Härte nicht entgegenstehen (vgl. Erw. 5b hievor sowie vor allem das Beispiel in BGE 111 V 133 Erw. 4a). Denn wegen des nach der Rechtsprechung anwendbaren Art. 60 AHVV und des darin verankerten Freibetrages für alleinstehende Versicherte von Fr. 25'000.-- bliebe das aus der Nachzahlung der Rentenanstalt gebildete Vermögen als solches (d.h. vorbehältlich des Ertrages) ohne jeden Einfluss auf die Beurteilung der grossen Härte, wie das kantonale Gericht an sich richtig erkannt hat. Aufgrund des Umstandes endlich, dass Art. 60 Abs. 2 AHVV lediglich die Anrechnung des fünfzehnten Teils des über den Freibetrag hinausgehenden Vermögens verlangt und nach der Praxis überdies die Rückerstattungsschuld vom Vermögen abzuziehen ist (vgl. BGE 116 V 293 Erw. 2c; Rz. 1395 der Wegleitung über die Renten [RWL], gültig ab 1. Januar 1995; zu dieser in der Verwaltungspraxis seit 1984 verankerten Ordnung vgl. auch WIDMER, a.a.O., S. 169), müsste ein Härtefall selbst dann bejaht werden, wenn der zugeflossene Kapitalbetrag um ein Vielfaches höher ausgefallen wäre.c) Die mit der geschilderten Art der Vermögensanrechnung einhergehende Bejahung der grossen Härte bewirkt, dass das mit der Rückerstattung verfolgte Ziel der Wiederherstellung der gesetzlichen Ordnung (vgl. MEYER-BLASER, a.a.O., S. 477) oftmals selbst dann unerreicht bleibt, wenn die rückerstattungspflichtige Person über geäufnete Mittel verfügt. Insofern sind die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgetragenen Bedenken begründet. Die bisherige Praxis verkennt namentlich, dass sich die finanzielle Situation in der Regel grundsätzlich anders gestaltet, wenn neben den laufenden Einkünften zusätzliche Mittel vorhanden sind, welchem Umstand bei der nach den gesamten wirtschaftlichen Verhältnissen des Rückerstattungspflichtigen vorzunehmenden Beurteilung der Zumutbarkeit der Rückerstattung Rechnung zu tragen ist (vgl. BGE 107 V 80 Erw. 3b). Darüber hinaus führt sie im Ergebnis zu einer unhaltbaren Bevorteilung jener Versicherter, die nach der Festsetzung ihres Ergänzungsleistungsanspruchs in den Genuss rückwirkend ausgerichteter zusätzlicher Leistungen gelangen. Würden nämlich diese Versicherungsleistungen - statt aufs Mal - fortlaufend ausgerichtet, käme es zur entsprechenden Anpassung der Ergänzungsleistungen (Art. 25 ELV) und damit nicht zu einer eigentlichen Überentschädigung, während bei unterbliebener Meldung (Art. 24 ELV) ein Erlass mangels guten Glaubens in aller Regel ohnehin ausser Betracht fallen dürfte. Abgesehen davon lässt sich der vorliegende Fall aufgrund seiner Umstände in gewisser Hinsicht mit
BGE 122 V 221 S. 228
der zuvor geschilderten Verrechnungssituation vergleichen, bei der nach einem allgemeinen Grundsatz des Sozialversicherungsrechts (vgl. Erw. 5c) die Möglichkeit des Erlasses ausser Frage steht, wenn die zur Verrechnung gestellten Leistungen bereits ausbezahlt wurden. So beschlagen die von der Rentenanstalt rückwirkend ausbezahlten Invalidenleistungen immerhin denselben Zeitraum wie die der verfügten Rückerstattung unterliegenden Ergänzungsleistungen, deren Zweck an sich gerade darin bestand, den durch den zeitlichen Aufschub der Invalidenleistungen entstandenen Ausfall zu decken.d) Nach dem Gesagten ist die bisherige Rechtsprechung dahin zu präzisieren, dass die Rückerstattung im Falle rückwirkend ausgerichteter Rentennachzahlungen insoweit keine grosse Härte darstellen kann, als die aus den entsprechenden Nachzahlungen stammenden Mittel im Zeitpunkt, in dem die Rückzahlung erfolgen sollte (dazu BGE 116 V 12 Erw. 2a), noch vorhanden sind. Diese Präzisierung bezieht sich indes nur auf jene Fälle, in denen dem Versicherten im nachhinein zusätzliche Leistungen aus Ansprüchen zufliessen, die sich bezüglich ihrer zeitlichen Bestimmung mit dem vorangegangenen Ergänzungsleistungsbezug decken und dessen Unrechtmässigkeit erst zutage treten lassen. In allen anderen Fällen bleibt es bei der bisherigen Rechtsprechung, wonach allenfalls vorhandene Vermögenswerte bei der Prüfung der grossen Härte gemäss Art. 60 AHVV zu berücksichtigen sind.
Gegen die hier vorgeschlagene Lösung mag wohl angeführt werden, dass sich das Eidg. Versicherungsgericht in einem früheren Urteil ausdrücklich gegen eine Beschränkung der Rückerstattung auf die ungerechtfertigte Bereicherung wandte, weil eine solche Lösung nicht nur den sparsamen Versicherten benachteilige, sondern auch mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten verbunden wäre (BGE 107 V 83 Erw. 5b). Indes dürften sich Probleme dieser Art in Grenzen halten, während gegenüber jener Benachteiligung das allgemeine öffentliche Interesse an der Wiederherstellung der gesetzlichen Ordnung überwiegt. Mit dieser Neubewertung wird im übrigen ein im geltenden Ergänzungsleistungsrecht zwar nicht ausdrücklich verankerter, diesem aber eigener Wesenszug stärker als bisher betont, dass nämlich die Ergänzungsleistungen je nach Sachlage gleichsam Vorschusscharakter aufweisen können (vgl. auch Art. 85bis IVV). So wäre der Ergänzungsleistungsanspruch der Beschwerdegegnerin - wie bereits erwähnt (Erw. 4a) - nach der Anmeldung keineswegs tiefer bemessen worden, wenn die Durchführungsstelle um die erst in Zukunft anfallenden zusätzlichen
BGE 122 V 221 S. 229
Versicherungsleistungen gewusst hätte. Liegt jedenfalls insofern auch kein anspruchsrelevantes Versehen der Durchführungsstelle vor, erweist sich die Rückerstattung nach dem Zufluss zusätzlicher Mittel als um so gebotener.
7. Nach dem Gesagten hält der angefochtene Gerichtsentscheid - soweit er hier zu überprüfen ist - sowohl in der Begründung als auch im Ergebnis nicht stand. Denn die Beschwerdegegnerin erhielt nachträglich für einen Zeitraum Invalidenleistungen ausgerichtet, für den sie bereits Ergänzungsleistungen bezogen hatte. Infolgedessen fällt ein Erlass ausser Betracht, soweit sie im Zeitpunkt der entsprechenden Rückerstattung noch über Mittel aus der Nachzahlung verfügte.